BFH Beschluss v. - VIII R 26/10

Auslegung strafrechtlicher Tatbestandsmerkmale; fehlerhafter Grundlagenbescheid als Steuervorteil i.S. von § 370 Abs. 1 AO; Privilegierung nacherklärter Einkünfte nach § StraBEG

Leitsatz

1. Nach dem Zweck des StraBEG erstreckt sich die Privilegierung jedenfalls auf die Nacherklärung von solchen Einkünften, die in das zu versteuernde Einkommen von Veranlagungszeiträumen des Amnestiezeitraums einfließen, selbst wenn und soweit sie im Amnestiezeitraum noch keine konkrete steuerliche Auswirkung haben.
2. Ein zu Gunsten des Steuerpflichtigen fehlerhafter Grundlagenbescheid kann ein Steuervorteil i.S. von § 370 Abs. 1 AO sein. Nach der Rechtsprechung des BGH ist ein Steuervorteil in diesem Sinne bereits erlangt, wenn zu Gunsten des Steuerpflichtigen ein fehlerhafter Bescheid über die Feststellung des verbleibenden (vortragsfähigen) Verlustabzugs ergeht. Diese höchstrichterliche Rechtsprechung der Strafgerichtsbarkeit ist bei der Auslegung der strafrechtlichen Tatbestandsmerkmale im StraBEG maßgeblich zu berücksichtigen.

Gesetze: AO § 370 Abs. 1, StraBEG § 1 Abs. 1, StraBEG § 1 Abs. 7, StraBEG § 4, StraBEG § 8, StraBEG § 10 Abs. 3

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

1 1. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält die Revision einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum .

2 2. Im Rahmen der kurzen Begründung des Beschlusses (§ 126a Satz 3 FGO) sieht der Senat von einer Wiedergabe des Tatbestands im Hinblick auf die ausführliche Darstellung im angefochtenen Urteil der Vorinstanz ab.

3 3. Die in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1924 veröffentlichte Vorentscheidung hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand.

4 Ein zu Gunsten des Steuerpflichtigen fehlerhafter Grundlagenbescheid kann ein Steuervorteil i.S. von § 370 Abs. 1 (2. Taterfolgsalternative) der Abgabenordnung sein (, BGHSt 53, 99). Nach der Rechtsprechung des BGH ist ein Steuervorteil in diesem Sinne bereits erlangt, wenn zu Gunsten des Steuerpflichtigen ein fehlerhafter Bescheid über die Feststellung des verbleibenden (vortragsfähigen) Verlustabzugs ergeht (vgl. , Neue Zeitschrift für Strafrecht 2011, 294).

5 Ungeachtet der hieran von Teilen der Literatur geübten Kritik ist diese höchstrichterliche Rechtsprechung der Strafgerichtsbarkeit bei der Auslegung der strafrechtlichen Tatbestandsmerkmale im Strafbefreiungserklärungsgesetz (StraBEG) maßgeblich zu berücksichtigen. Für den Streitfall bedeutet dies, dass der Kläger und Revisionsbeklagte durch die Abgabe inhaltlich falscher Steuererklärungen für den Amnestiezeitraum unter Verschweigen steuerpflichtiger Einkünfte bereits vor dem maßgeblichen Stichtag des (§ 1 Abs. 7 StraBEG) eine vollendete Steuerhinterziehung und damit eine Tat i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 StraBEG begangen hat. Er war deshalb zur Abgabe einer strafbefreienden Erklärung berechtigt. Die von ihm abgegebene Erklärung unter Angabe der bisher verschwiegenen, im Amnestiezeitraum erzielten Einkünfte hat die formellen und tatsächlichen Voraussetzungen erfüllt, die zur Strafbefreiung (§ 4 StraBEG) führen.

6 Der Konzeption des StraBEG entspricht es, dass sich die Strafbefreiung auch steuerrechtlich auswirkt (§§ 8 ff. StraBEG). Der Gesetzeszweck, dem Steuerpflichtigen eine Brücke zur Rückkehr in die Steuerehrlichkeit zu bauen (vgl. , BFHE 219, 498, BStBl II 2008, 344; , BFH/NV 2005, 1498), wird somit durch eine (doppelte) Privilegierung in strafrechtlicher und in steuerlicher Hinsicht verfolgt. Diesem Gesetzeszweck wird nur eine Gesetzesauslegung gerecht, bei der sich die Privilegierung jedenfalls auf die Nacherklärung von solchen Einkünften erstreckt, die in das zu versteuernde Einkommen von Veranlagungszeiträumen des Amnestiezeitraums einfließen, selbst wenn und soweit sie im Amnestiezeitraum noch keine konkrete steuerliche Auswirkung haben.

7 Hiervon ausgehend waren die Voraussetzungen für eine Aufhebung der mit der strafbefreienden Erklärung bewirkten Steuerfestsetzung (§ 10 Abs. 3 Satz 1 StraBEG) nicht erfüllt, sodass das Finanzgericht den Aufhebungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung zu Recht aufgehoben hat.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2014 S. 290 Nr. 3
PStR 2014 S. 316 Nr. 12
wistra 2014 S. 151 Nr. 4
wistra 2014 S. 2 Nr. 3
XAAAE-54069