Strafbarkeit wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung: Prüfung der Schuldfähigkeit eines unter einer krankhaften seelischen Störung leidenden Täters
Gesetze: § 20 StGB, § 21 StGB, § 22 StGB, § 23 StGB, § 212 StGB, § 224 StGB, § 261 StPO
Instanzenzug: Az: 24 Ks 16/12
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen sowie wegen "dazu tateinheitlich begangenen Verstoßes gegen das Waffengesetz in vier tateinheitlich zusammentreffenden Fällen (Besitz und Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe, Besitz und Führen von zwei Schusswaffen sowie Besitz von Munition)" zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die hiergegen auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
21. Die Annahme des Landgerichts, die Schuldfähigkeit des Angeklagten sei zur Tatzeit nicht im Sinne von § 20 StGB aufgehoben gewesen, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
3a) Nach den durch die sachverständig beratene Strafkammer getroffenen Feststellungen litt der Angeklagte unter einer krankhaften seelischen Störung in Form einer schizoaffektiven Störung (ICD 10: F 25.0), aufgrund derer - bei erhaltener Einsichtsfähigkeit - seine Steuerungsfähigkeit zur Tatzeit erheblich vermindert war. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Angeklagte sei wahnhaft auf die Nebenkläger als Verantwortliche seiner Lage fixiert gewesen und habe keine andere Möglichkeit gesehen, als durch die Tat eine Änderung herbeizuführen. Andere objektiv bestehende Möglichkeiten habe er störungsbedingt nicht mehr im Blick gehabt (UA S. 33, 34).
4Eine vollständige Aufhebung der Steuerungsfähigkeit hat das Landgericht indes ausgeschlossen, denn der wahnbedingte Hass des Angeklagten auf die Nebenkläger habe ihn nicht gehindert, seinen ursprünglichen Plan, die Nebenkläger zu töten, aufzugeben und stattdessen nur die Fenster im Haus der Nebenkläger zu beschießen, während sich diese dort aufhielten. Auch während der Tatausführung habe er - trotz einer sich ihm bietenden Gelegenheit - von einer Tötung der Nebenkläger abgesehen. Dies belege, dass der Angeklagte noch über eine Restfähigkeit verfügt habe, alternativ zu handeln (UA S. 34).
5b) Diese Erwägungen des Landgerichts belegen zwar, dass der Angeklagte seine Tat im Zustand - zumindest - sicher erheblich verminderter Schuldfähigkeit begangen hat. Eine mögliche Schuldunfähigkeit des Angeklagten hat das Landgericht jedoch nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen.
6Die Fähigkeit eines Täters, entsprechend seiner vorhandenen Einsicht zu handeln (§ 20 StGB), ist auf die jeweilige Tathandlung bezogen zu prüfen. Entscheidend ist daher die Frage, ob und inwieweit der Angeklagte bezogen auf das der versuchten gefährlichen Körperverletzung zugrunde liegende Tatgeschehen zu Handlungsalternativen imstande gewesen war. Damit hat sich die Strafkammer nicht auseinandergesetzt und lediglich auf den bereits im Vorfeld der eigentlichen Tathandlung verworfenen Plan des Angeklagten, die Nebenkläger zu töten, abgestellt. Es fehlt die Erörterung der Frage, ob und inwieweit der Angeklagte zum Tatzeitpunkt noch in der Lage war, anders zu handeln, als die Fenster der Wohnung der Nebenkläger zu beschießen.
7Soweit die Strafkammer im Ergebnis festgestellt hat, der Angeklagte habe noch über eine Restfähigkeit verfügt, alternativ zu handeln, steht dies zudem in einem nicht auflösbaren Widerspruch zu der im Rahmen der Prüfung des Vorliegens des § 21 StGB getroffenen Feststellung des Landgerichts, der Angeklagte habe störungsbedingt andere objektiv bestehende Handlungsmöglichkeiten nicht mehr im Blick gehabt (UA S. 34).
82. Schuld- und Strafausspruch haben daher keinen Bestand. Da die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) rechtlich untrennbar auf der Beurteilung seiner Schuldfähigkeit beruht, war auch sie aufzuheben (vgl. ; Senat, Beschluss vom - 2 StR 629/10).
93. Sollte das neu entscheidende Tatgericht den Angeklagten wiederum wegen eines Verstoßes gegen das WaffG verurteilen, wird es die Anforderungen an die rechtliche Bezeichnung der Tat (§ 260 Abs. 4 Satz 1 StPO) zu berücksichtigen haben. Die Formulierung "wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz" ist nicht in die Urteilsformel aufzunehmen, sondern nur das Waffendelikt genau zu bezeichnen (vgl. auch , NJW 2011, 1979, 1981; Beschluss vom - 5 StR 434/11, NStZ 2012, 221, 222).
Appl Krehl Eschelbach
Ott Zeng
Fundstelle(n):
NAAAE-52461