Instanzenzug: ArbG Frankfurt Az: 14 Ca 2322/10 Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht Az: 13 Sa 1701/10 Urteilnachgehend Hessisches Landesarbeitsgericht Az: 13 Sa 40/14 Urteil
Tatbestand
1Der Kläger begehrt weitere Vergütung.
2Der Kläger ist beim Beklagten seit 1974 als Lehrer beschäftigt. Der Beklagte war und ist nicht tarifgebunden. In dem am abgeschlossenen schriftlichen Arbeitsvertrag heißt es ua.:
3Der Kläger ist im „Bildungszentrum H“ in Teilzeit tätig und wurde seit 1993 nach Vergütungsgruppe I b BAT vergütet.
4Mit Wirkung zum trat das Land Hessen aus der Tarifgemeinschaft deutscher Länder aus. Bis zu diesem Zeitpunkt vergütete der Beklagte den Kläger entsprechend den für die Angestellten der Länder geltenden Tarifverträgen.
5Am vereinbarten das Land Hessen und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft - ver.di, die Gewerkschaft der Polizei, Landesbezirk Hessen - GdP, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Landesverband Hessen - GEW und die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, Bundesvorstand - IG BAU den Tarifvertrag Einkommensverbesserung 2008 (im Folgenden: TV EVerb 2008). Nach getrennten Verhandlungen schloss das Land Hessen einen gleichlautenden Tarifvertrag mit der dbb tarifunion ab.
6Der TV EVerb 2008 sah für Beschäftigte, auf deren Beschäftigungsverhältnis mit dem Land Hessen der Bundes-Angestelltentarifvertrag vom in der Fassung vom angewendet wurde, zum eine lineare Erhöhung der Grundvergütung, des Ortszuschlags und der allgemeinen Zulage um jeweils 3,0 vH vor. Darüber hinaus regelte der Tarifvertrag für Beschäftigte, die in den Monaten Januar, Februar oder März 2008 Ansprüche auf Bezüge aus einem Beschäftigungsverhältnis zum Land Hessen hatten, eine Einmalzahlung iHv. 3,0 vH. Für einen Teil der Beschäftigten sah der Tarifvertrag eine weitere Einmalzahlung in Höhe von 100,00 Euro vor.
7Am vereinbarte das Land Hessen mit den vorgenannten DGB-Einzelgewerkschaften sowie (wiederum nach getrennten Verhandlungen) der dbb tarifunion gleichlautende Tarifverträge „Einkommensverbesserung Hessen 2009/2010“ vom (im Folgenden: TV EVerb-H 2009/2010). Der Geltungsbereich erstreckte sich auf Angestellte des Landes Hessen, auf deren Beschäftigungsverhältnis der Bundes-Angestelltentarifvertrag vom in der Fassung vom Anwendung fand. In den Tarifverträgen wurde ua. geregelt:
8Am schloss der Beklagte mit dem bei ihm gebildeten Betriebsrat eine „Betriebsvereinbarung zur Vergütung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Vereins J e.V.“ (im Folgenden: BV Vergütung) und eine „Betriebsvereinbarung zur Zahlung von Zulagen und der jährlichen Zuwendung“ (im Folgenden: BV Zulagen/Zuwendung) ab. Die BV Vergütung legt ein betriebliches Gehaltsgruppenschema, eine Vergütung entsprechend einer Entgelttabelle, eine stufenweise Erhöhung des Gehalts sowie ein Verfahren zur Leistungsbeurteilung fest. In der BV Vergütung heißt es ua.:
9Am schlossen das Land Hessen und die oben genannten Gewerkschaften gleichlautend, aber getrennt den „Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst des Landes Hessen“ (im Folgenden: TV-H) und den „Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten des Landes Hessen in den TV-H und zur Regelung des Übergangsrechts“ (im Folgenden: TVÜ-H) ab. Im TVÜ-H ist ua. geregelt:
10Der Beklagte wendet die vom Land Hessen abgeschlossenen Tarifverträge nicht an. Er erhöhte seit Januar 2008 das Bruttomonatsentgelt des Klägers und das jeweils im November gezahlte Weihnachtsgeld mehrfach und leistete Einmalzahlungen in unterschiedlicher Höhe.
11Der Kläger hat geltend gemacht, die Tarifverträge TV EVerb 2008 und TV EVerb-H 2009/2010 fänden jedenfalls in ergänzender Auslegung von § 5 des Arbeitsvertrags Anwendung. Durch die BV Vergütung sei eine Vertragslücke schon deshalb nicht in Wegfall geraten, weil diese ihm lediglich das Recht einräume, in das Vergütungssystem der Betriebsvereinbarung zu wechseln. Die ihm zustehende Vergütung sei entsprechend dem TV EVerb 2008 und dem TV EVerb-H 2009/2010 zu erhöhen gewesen. Gleiches gelte für seinen bereits vor Jahren gegen den Beklagten ausgeurteilten Anspruch auf Zahlung eines Weihnachtsgelds in Höhe eines 13. Monatsgehalts. Der Beklagte sei verpflichtet, an ihn die sich unter Berücksichtigung seiner Zahlungen ergebenden Differenzbeträge zu leisten.
12Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,
13Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Ansicht vertreten, mit § 5 des Arbeitsvertrags hätten die Parteien ausschließlich die Vergütung nach einem bundeseinheitlichen Tarifvertrag vereinbart. Demgegenüber seien der TV EVerb 2008 und der TV EVerb-H 2009/2010 auf Arbeitgeberseite von einer anderen Tarifvertragspartei geschlossen worden. Die §§ 7 und 8 des Arbeitsvertrags ließen erkennen, dass die Vertragsparteien zusätzliche finanzielle Belastungen einer ausdrücklichen und schriftlichen Regelung vorbehalten wollten. Eine Regelungslücke bestehe schon aufgrund der BV Vergütung nicht. Deren Vergütungssystem sei betriebsnäher und „passgenauer“. Im Falle der Unanwendbarkeit des BAT hätten die Arbeitsvertragsparteien deren Anwendung vereinbart. Jedenfalls müsse wegen der betriebsüblichen Wochenarbeitszeit die Vergütung gekürzt werden.
14Das Arbeitsgericht hat der Klage, soweit im Revisionsverfahren von Bedeutung, stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die im Berufungsverfahren erweiterte Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Gründe
15Die Revision des Klägers ist begründet. Das angegriffene Urteil ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen konnte das Landesarbeitsgericht die Klage mit der von ihm gegebenen Begründung nicht abweisen. Die Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Der Senat kann aber mangels ausreichender Feststellungen in der Sache nicht abschließend entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).
16I. Ob und ggf. in welchem Umfang die Klage begründet ist, kann der Senat nicht abschließend entscheiden.
171. Der Kläger hat arbeitsvertraglich für den Zeitraum Januar 2008 bis Dezember 2009 Anspruch auf erhöhte Vergütung entsprechend den Vorgaben des TV EVerb 2008 und des TV EVerb-H 2009/2010. Er kann deshalb vom Beklagten die Differenzbeträge zwischen den erhaltenen Zahlungen und den ihm nach den genannten Tarifverträgen zustehenden Beträgen verlangen.
18Dies ergibt die Auslegung des Arbeitsvertrags der Parteien. Bei diesem handelt es sich um einen Formulararbeitsvertrag, dessen Regelungen vom Beklagten als Allgemeine Geschäftsbedingungen (§ 305 Abs. 1 und Abs. 2 BGB) in einer Vielzahl von Arbeitsverträgen gleichlautend verwendet und dem Kläger bei Vertragsabschluss gestellt wurden.
19a) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ausgangspunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten. Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist durch das Revisionsgericht uneingeschränkt zu überprüfen ( - Rn. 12). Dies gilt auch für Verweisungsklauseln ( - Rn. 15, BAGE 134, 283).
20b) Gemäß § 5 des Arbeitsvertrags erhielt der Kläger „Vergütung nach Vergütungsgruppe II a des Bundesangestelltentarifs (Fassung Land Hessen)“. Die Auslegung dieser Verweisungsklausel ergibt, dass die durch den TV EVerb 2008 und TV EVerb-H 2009/2010 getroffenen Vergütungsregelungen unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich erfolgten Höhergruppierung des Klägers nachzuvollziehen sind.
21aa) Allerdings führt der Wortlaut der Verweisungsklausel allein zu keinem eindeutigen Ergebnis. Die verwendete Klausel weist Unklarheiten auf. Sie nimmt auf die „Vergütungsgruppe II a des Bundesangestelltentarifs (Fassung Land Hessen)“ Bezug. Doch existierte eine gesonderte Fassung des BAT für das Land Hessen nicht. Das Land Hessen war zum damaligen Zeitpunkt Mitglied der Tarifgemeinschaft deutscher Länder. Der Bundes-Angestelltentarifvertrag wurde auf Arbeitgeberseite durch die Bundesrepublik Deutschland, die Tarifgemeinschaft deutscher Länder und die Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände abgeschlossen. Vor diesem Hintergrund hätte es nahe gelegen, in der vertraglichen Klausel auf die von der Tarifgemeinschaft deutscher Länder abgeschlossenen Tarifverträge Bezug zu nehmen. Wollte man allein auf den Wortlaut der Klausel abstellen, enthielte der Arbeitsvertrag eine Bezugnahme auf eine nicht existente „Fassung Land Hessen“ des BAT.
22bb) Die Auslegung des Wortlauts der Klausel unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck arbeitsvertraglicher Bezugnahmen auf tarifliche Regelungswerke ergibt jedoch mit der notwendigen Eindeutigkeit, dass sich die Parteien auf die jeweiligen tariflichen Regelungen der Vergütung für den öffentlichen Dienst des Landes Hessen - abstellend auf die Vergütungsstruktur im Anwendungsbereich des BAT - einigten.
23(1) Nach der st. Rspr. des BAG ist die pauschale Bezugnahme im Arbeitsvertrag auf tarifliche Vergütungsbestimmungen ohne Nennung fester Beträge und ohne Angabe einer konkret nach Datum festgelegten Fassung des in Bezug genommenen Tarifvertrags regelmäßig dynamisch zu verstehen ( - Rn. 16; - 5 AZR 213/09 - Rn. 13), es sei denn, eindeutige Hinweise sprechen für eine statische Bezugnahme ( - Rn. 25). Hiervon ausgehend haben die Parteien mit § 5 des Arbeitsvertrags die Vergütung zeitlich dynamisch, orientiert an den in Bezug genommenen tariflichen Regelungen gestaltet, denn an Hinweisen auf eine statische Bezugnahme fehlt es.
24(2) Die Parteien haben sich mit der dynamischen Ausgestaltung der Bezugnahme für die Zukunft der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes des Landes Hessen anvertraut. Sinn und Zweck der Vereinbarung einer unternehmensfremden tariflichen Vergütungsregelung für den öffentlichen Dienst ist es zunächst, eine am öffentlichen Dienst orientierte Vergütungsstruktur zu schaffen, um eine Gleichstellung der Angestellten des Arbeitgebers mit denen des öffentlichen Dienstes zu erreichen. Zugleich weist eine solche Klausel auf das Interesse des Arbeitgebers hin, aus Wettbewerbs- und Arbeitsmarktgründen, dasjenige Vergütungssystem zur Geltung zu bringen, das typischerweise gelten würde, wenn die ausgeübten Tätigkeiten innerhalb des öffentlichen Dienstes erbracht würden ( - Rn. 26; - 5 AZR 213/09 - Rn. 22). Die Klausel ist deshalb als Verweisung auf die sich im Rahmen des Vergütungssystems des BAT vollziehende Tarifentwicklung zu verstehen, die für die tarifgebundenen Angestellten des Landes Hessen maßgeblich ist. Die Formulierung „Bundesangestelltentarif (Fassung Land Hessen)“ ist als ein Synonym für das tarifliche Bezugsystem (vgl. - Rn. 22, 23) gebraucht worden, das für die Angestellten des öffentlichen Dienstes des Landes Hessen in seiner jeweiligen Fassung Anwendung findet.
25(3) § 5 des Arbeitsvertrags kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die Vergütung statisch festgeschrieben wurde. Für die Annahme, die Arbeitsvertragsparteien hätten die weitere Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst nicht nachvollziehen und damit eine im Ergebnis „eingefrorene“ Regelung in Bezug nehmen wollen, bedarf es weiterer und nachhaltiger Gesichtspunkte ( - Rn. 25, 26; - 5 AZR 844/09 - Rn. 23). An diesen fehlt es. Die Klausel spricht vielmehr dafür, dass die Arbeitsvertragsparteien davon ausgegangen sind, jedenfalls grundsätzlich würden in dem in Bezug genommenen Bereich auch weiterhin Tarifverträge abgeschlossen und die Arbeitsbedingungen von den Tarifvertragsparteien der Entwicklung angepasst werden.
26(4) § 5 des Arbeitsvertrags kann nicht als Bezugnahme auf die ohne Beteiligung des Landes Hessen vereinbarten Tarifverträge TVöD oder TV-L ausgelegt werden, die die Regelungen für die Angestellten des öffentlichen Dienstes bei Bund und Ländern ablösten.
27(a) Allgemein ist davon auszugehen, dass nicht tarifgebundene Arbeitsvertragsparteien, die ihre materiellen Arbeitsbedingungen dynamisch an einem Tarifvertrag orientieren, denjenigen Tarifverträgen folgen wollen, die von den Tarifvertragsparteien des ursprünglich in Bezug genommen Tarifvertrags abgeschlossen werden. Die übereinstimmende Orientierung von Arbeitsvertragsparteien an der Entwicklung eines Tarifvertrags oder Tarifwerks ist insbesondere, wenn sie nicht tarifgebunden sind, zumindest auch geprägt von dem Vertrauen in die konkreten Tarifvertragsparteien, so dass den von diesen abgeschlossenen (Folge-)Tarifverträgen im Zweifel eine größere Arbeitsvertragsnähe zuzumessen ist. Kommen hierfür mehrere Tarifvertragsparteien in Betracht, weil im Arbeitsvertrag auf parallel abgeschlossene, inhaltsgleiche Tarifverträge Bezug genommen wurde oder weil es sich bei dem in Bezug genommenen Tarifvertrag um einen mehrgliedrigen Tarifvertrag handelte, der von den bis dahin gemeinsam abschließenden Tarifvertragsparteien jeweils unterschiedlichen Folgeregelungen unterworfen wird, soll im Zweifel der Folgetarifvertrag angewandt werden, der von denjenigen Tarifvertragsparteien abgeschlossen worden ist, denen die Arbeitsvertragsparteien aus beiderseitiger Sicht am nächsten standen ( - Rn. 33).
28(b) Dies sind vorliegend die für den öffentlichen Dienst des Landes Hessen maßgeblichen Tarifvertragsparteien. Dem steht nicht entgegen, dass das Land Hessen am Abschluss der ursprünglich in Bezug genommenen Tarifverträge nur vermittelt durch die Mitgliedschaft in der Tarifgemeinschaft deutscher Länder beteiligt war, denn die Parteien haben, wie sich aus dem Klammerzusatz „Fassung Land Hessen“ ergibt, ausdrücklich auf die Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst des Landes Hessen und nicht auf eine hiervon abweichende Tarifentwicklung im Bereich des Bundes oder anderer Bundesländer abgestellt.
29(5) Aufgrund dieses Auslegungsergebnisses bleibt für eine Anwendung der zwischen dem Beklagten und dem Betriebsrat abgeschlossenen BV Vergütung und BV Zulagen/Zuwendung anstelle der tariflichen Regelungen des TV EVerb 2008 und des TV EVerb-H 2009/2010 kein Raum, weil die vertragliche Regelung bis zur Ablösung des Tarifsystems des BAT durch den TV-H am nicht lückenhaft war.
30(6) Dem gefundenen Auslegungsergebnis steht nicht der in § 7 des Arbeitsvertrags enthaltene Hinweis auf die Finanzierung des Beklagten aus Fremdmitteln entgegen, denn die Parteien stellten in Kenntnis und trotz dieses Umstands mit § 5 des Arbeitsvertrags auf das unternehmensfremde Tarifsystem für den öffentlichen Dienst des Landes Hessen ab.
31(7) Da sich die Anwendung der genannten Tarifverträge bereits aus § 5 des Arbeitsvertrags ergibt, bedurfte es auch keiner ergänzenden schriftlichen Vereinbarung iSv. § 8 Arbeitsvertrag.
32c) Offenbleiben kann, ob § 5 des Arbeitsvertrags als Bezugnahme auf die vom Land Hessen mit den Mitgliedsgewerkschaften des DGB oder auf die mit der dbb tarifunion abgeschlossenen Tarifverträge TV EVerb 2008 und TV EVerb 2009/2010 auszulegen ist und, ob es sich bei den vom Land Hessen mit den Mitgliedsgewerkschaften des DGB abgeschlossenen Tarifverträgen um Einheitstarifverträge oder um mehrgliedrige Tarifverträge im engeren Sinne (zur Terminologie: - zu III 4 a und b der Gründe; - 4 AZR 590/05 - Rn. 22, BAGE 120, 84) handelt.
33Die Beantwortung der vorgenannten Fragen ist für die vom Kläger geltend gemachten Zahlungsansprüche nicht entscheidungserheblich, weil sich unabhängig davon, welchen Tarifvertrag man zugrunde legt, Zahlungsansprüche in gleicher Höhe ergeben. Die TV EVerb 2008 und TV EVerb-H 2009/2010 wurden vom Land Hessen mit den DGB Gewerkschaften und der dbb tarifunion nach getrennten Verhandlungen abgeschlossen. Es handelt sich jedenfalls insoweit um parallele, voneinander unabhängige Tarifverträge. Die Tarifverträge sind allerdings gleichlautend, so dass trotz der Existenz mehrerer Tarifverträge nebeneinander die Vergütung der Angestellten des öffentlichen Dienstes des Landes Hessen einheitlich geregelt wurde. Jeder dieser Tarifverträge ist auf die einmalige Einkommensverbesserung und nicht eine eigenständige Weiterentwicklung gerichtet. Die mögliche Fortentwicklung eines Tarifvertrags ist für die kraft Bezugnahme anzuwendende Entgelttabelle unerheblich. Ebenso bedarf es keiner Entscheidung, ob die partielle Bezugnahme auf den BAT und den diesen ergänzenden Tarifverträge aufgrund des Fehlens einer Kollisionsregel noch hinreichend transparent iSd. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB war (zur Transparenz arbeitsvertraglicher Verweisungsklauseln: - Rn. 30 - 32). Auf eine mögliche Unwirksamkeit der Klausel könnte sich der Beklagte nicht berufen. Die Folgen der Unwirksamkeit einer AGB-Klausel sind allein vom Verwender zu tragen (vgl. - Rn. 16; - 10 AZR 407/05 - Rn. 15).
342. Für den Zeitraum ab ist die Klage unschlüssig. Für diese Zeit steht dem Kläger keine Vergütung auf der Grundlage der bisherigen tariflichen Regelungen mehr zu. Der TV-H löste die bis dahin für das Arbeitsverhältnis maßgeblichen tariflichen Regelungen ab. Allenfalls kämen Ansprüche auf der Grundlage des am in Kraft getretenen TV-H in Betracht.
35a) Der am in Kraft getretene TV-H ersetzte gemäß § 2 Abs. 1 TVÜ-H mit Wirkung zum die in der Anlage 1 Teil A und Teil B TVÜ-H genannten Tarifverträge. Hierzu gehören gemäß Anlage 1 Teil A Nr. 1 TVÜ-H der BAT und gemäß Anlage 1 Teil B Nr. 2, 6, 11 TVÜ-H der Vergütungstarifvertrag Nr. 35 zum BAT, der Tarifvertrag über Zulagen an Angestellte (Länder) und der Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte. Der TV EVerb-H 2009/2010 nahm diese Entwicklung vorweg, indem er in § 2 Abs. 3 TV EVerb-H 2009/2010 lediglich auf den TV-H Bezug nahm und die in den Anlagen A1 und A2 zum TV-H festgelegten Entgelttabellen für die Beschäftigten des Landes Hessen ab bzw. ab mit den Anlagen 14 und 15 zum TV EVerb-H 2009/2010 zum Gegenstand der tariflichen Regelung machte. Die Regelungen des TV EVerb-H 2009/2010 für die Zeit ab stellten auf die Vergütungsstruktur des TV-H ab und basierten auf dieser.
36Für die Vergütungshöhe der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes des Landes Hessen sind damit seit nicht mehr die sich aus den Regelungen des Vergütungstarifvertrags Nr. 35 zum BAT, des Tarifvertrags Zulagen sowie des Tarifvertrags Zuwendungen iVm. den TV EVerb-H 2009/2010 ergebenen Beträge maßgeblich, sondern die Bestimmungen des TV-H, insbesondere die Entgelttabellen der Anlage A1 und A2 zum TV-H. Im Land Hessen wurden die für das Vergütungssystem des BAT maßgeblichen Tarifverträge durch den TV-H abgelöst.
37b) Der Wortlaut der Bezugnahmeklausel in § 5 des Arbeitsvertrags trägt auch bei der unter I 1 der Gründe dargestellten Auslegung keine Erstreckung auf den TV-H. Im Gegensatz zum TV EVerb 2008 und zum TV EVerb-H 2009/2010, soweit letzterer die Vergütung bis zum regelt, wurde im TV-H die für den Anwendungsbereich des BAT maßgebliche Vergütungsstruktur nicht beibehalten. Deshalb wird der TV-H nicht von der vertraglichen Verweisung auf den BAT erfasst. Ein Zusatz, dass die den „BAT ersetzenden Tarifverträge“ Anwendung finden sollen, wurde nicht in den Arbeitsvertrag der Parteien aufgenommen.
38c) Dass sich die Vergütung des Klägers nach den Bestimmungen des TV-H richtet, ergibt jedoch eine ergänzende Auslegung des Arbeitsvertrags.
39aa) Es ist nachträglich eine Regelungslücke entstanden.
40Die im Arbeitsvertrag der Parteien enthaltene zeitdynamisch ausgestaltete Bezugnahme auf die Vergütungsstruktur des BAT ist durch die Ablösung dieses tariflichen Regelungswerks zu einer statischen geworden, weil das Objekt der Bezugnahme von den Tarifvertragsparteien nicht mehr weiterentwickelt wird ( - Rn. 16). Ein „Einfrieren“ der Vergütung auf den Zeitpunkt der Ablösung der bisher für die Vergütung maßgeblichen tariflichen Regelungen entsprach nicht dem Willen der Parteien. Der Vertrag ist nachträglich lückenhaft geworden, weil die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf der Dynamik der tariflichen Vergütungsregelungen aufbaute.
41bb) Die nachträglich entstandene Regelungslücke ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen. Diese ergibt, dass sich die Parteien den Vergütungsregelungen des TV-H unterworfen hätten.
42(1) Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung tritt anstelle der lückenhaften Klausel diejenige Gestaltung, die die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Unvollständigkeit ihrer Regelung bekannt gewesen wäre ( - Rn. 18; - 4 AZR 65/11 - Rn. 33). Die ergänzende Vertragsauslegung von allgemeinen Geschäftsbedingungen orientiert sich an einem objektiv generalisierenden, am Willen und Interesse der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise ausgerichteten Maßstab und nicht nur am Willen und Interesse der konkret beteiligten Personen. Die Vertragsergänzung muss deshalb für den betroffenen Vertragstyp als allgemeine Lösung eines stets wiederkehrenden Interessengegensatzes angemessen sein. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Feststellung und Bewertung des mutmaßlichen Parteiwillens und der Interessenlage ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, denn die ergänzende Vertragsauslegung schließt eine anfängliche Regelungslücke rückwirkend. Das gilt auch, wenn sich eine Lücke erst nachträglich als Folge des weiteren Verlaufs der Dinge ergeben hat. Zunächst ist hierfür an den Vertrag selbst anzuknüpfen, denn die in ihm enthaltenen Regelungen und Wertungen, sein Sinn und Zweck sind Ausgangspunkt der Vertragsergänzung. Soweit irgend möglich, sind danach Lücken im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung in einer Weise auszufüllen, dass die Grundzüge des konkreten Vertrags „zu Ende gedacht“ werden ( - Rn. 33 mwN).
43(2) Ausgehend von diesem Maßstab hätten die Parteien redlicherweise für den Fall der hier vorliegenden Ablösung des in Bezug genommenen tariflichen Regelungswerks das diesem nachfolgende tarifliche Regelungswerk für den öffentlichen Dienst des Landes Hessen vereinbart, also den TV-H und dessen begleitende Übergangsregelungen.
44(a) Die Ablösung der bisher geltenden Tarifwerke durch den TV-H wirkt nicht anders auf den Arbeitsvertrag ein als eine (tiefgreifende) inhaltliche Änderung der im Arbeitsvertrag benannten Tarifverträge. Mit dem Nachvollziehen der Tarifentwicklung auf arbeitsvertraglicher Ebene werden die Parteien nicht anders gestellt, als sie stünden, wenn die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes des Landes Hessen, deren Regelungsmacht sich die Parteien durch die Bezugnahmeklausel in § 5 des Arbeitsvertrags anvertrauten, die für ihren Tarifbereich maßgebliche Vergütungsstruktur des BAT reformiert und ihr einen neuen Inhalt gegeben hätten ( - Rn. 20). In diesem Zusammenhang ist es ohne ausschlaggebende Bedeutung, ob es sich bei dieser Tarifreform um eine Tarifsukzession oder um einen Tarifwechsel handelte. Maßgebend ist ausschließlich der nach Auslegung gewonnene Inhalt der einzelvertraglichen Verweisungsklausel ( - Rn. 36).
45(b) Einer ergänzenden Auslegung der Vergütungsvereinbarung in diesem Sinne steht nicht entgegen, dass die Parteien in § 2 des Arbeitsvertrags die dem vereinbarten Beschäftigungsumfang entsprechende Arbeitszeit unabhängig vom BAT regelten, indem sie auf die „übliche Arbeitszeit“ abstellten. Damit ist der Vergütungsanspruch des Klägers ausgehend vom beim Beklagten üblichen Arbeitszeitvolumen einer Vollzeitkraft unter Berücksichtigung der Teilzeittätigkeit des Klägers zu ermitteln.
46(c) Entgegen der Ansicht des Beklagten kann nicht angenommen werden, dass die Vertragsparteien die entstandene Regelungslücke durch Anwendung der BV Vergütung und der BV Zulagen/Zuwendung geschlossen hätten.
47(aa) Die Arbeitsvertragsparteien können ihre vertraglichen Absprachen dahingehend gestalten, dass sie der Abänderung durch betriebliche Normen unterliegen. Das kann ausdrücklich oder konkludent geschehen und ist nicht nur bei betrieblichen Einheitsregelungen und Gesamtzusagen möglich, sondern auch bei einzelvertraglichen Abreden. Eine solche konkludente Abrede ist regelmäßig anzunehmen, wenn der Vertragsgegenstand in allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten ist und einen kollektiven Bezug hat. Mit der Verwendung von allgemeinen Geschäftsbedingungen macht der Arbeitgeber deutlich, dass im Betrieb einheitliche Arbeitsbedingungen gelten sollen. Eine betriebsvereinbarungsfeste Gestaltung der Arbeitsbedingungen stünde dem entgegen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn Arbeitgeber ausdrücklich Arbeitsbedingungen vereinbaren, die unabhängig von einer im Betrieb geltenden normativen Regelung Anwendung finden sollen ( - Rn. 59, 60).
48(bb) Letzteres ist hier der Fall. Die Parteien haben in § 5 des Arbeitsvertrags mit der Vereinbarung einer Vergütung nach „Vergütungsgruppe II a des Bundesangestelltentarifs (Fassung Land Hessen)“ unternehmensfremde tarifliche Regelungen in Bezug genommen. Mit dem Zweck dieser dynamischen Bezugnahme auf Vergütungsregelungen des öffentlichen Dienstes des Landes Hessen, eine Gleichstellung mit den in diesem Bereich beschäftigten Angestellten zu erreichen, wäre eine Anwendung der allein für den Bereich des Beklagten maßgeblichen betrieblichen Regelungen nicht vereinbar.
49d) Im Rahmen der hier vorzunehmenden ergänzenden Vertragsauslegung kann, anders als im Fall einer aufgespaltenen Tarifsukzession (vgl. hierzu: - Rn. 24), dahingestellt bleiben, ob die Parteien, wenn sie die Lückenhaftigkeit der vertraglichen Regelung bei Abschluss des Arbeitsvertrags bedacht hätten, auf die vom Land Hessen mit den DGB-Mitgliedsgewerkschaften oder die mit der dbb tarifunion vereinbarten Tarifverträge Bezug genommen hätten. Die Tarifverträge sind gleichlautend, so dass trotz der Existenz mehrerer Tarifwerke nebeneinander die Vergütung der Angestellten des öffentlichen Dienstes des Landes Hessen, an der sich die Parteien orientieren wollten, einheitlich geregelt wurde. Für die Höhe der Zahlungsansprüche des Klägers ist es deshalb nicht entscheidungserheblich, welches Tarifwerk zugrunde gelegt wird. Käme es künftig darauf an, müsste dies mittels weiterer ergänzender Vertragsauslegung geklärt werden.
50II. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Klage begründet ist, kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden.
51Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung eines erhöhten Weihnachtsgelds für die Jahre 2008 bis 2010 nicht schlüssig begründet. Auf welcher Rechtsgrundlage sich dieser Anspruch ergeben soll, hat der Kläger nicht dargelegt. Allein der Vortrag, ein Anspruch auf Zahlung in Höhe eines 13. Monatsgehalts sei vor Jahren ausgeurteilt worden, reicht ohne nähere Angabe zum Streitgegenstand und Inhalt der Entscheidung nicht aus. Auch wenn unter dem Begriff Vergütung iSd. § 5 des Arbeitsvertrags alle finanziellen Leistungen zu verstehen sind, die das in Bezug genommene tarifliche Regelungswerk als Gegenleistung für die vom Angestellten erbrachte Arbeitsleistung vorsieht (vgl. - Rn. 17), ergibt sich hieraus der vom Kläger geltend gemachte Anspruch nicht. Weder der Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte, noch der TV-H sehen eine Zuwendung in Höhe von 100 % des regelmäßigen Bruttomonatsverdienstes vor. Selbst wenn der Beklagte in der Vergangenheit das Weihnachtsgeld den Erhöhungen des regelmäßig gezahlten Monatsentgelts angepasst haben sollte, hätte es für die Annahme eines Anspruchs aus betrieblicher Übung der Darlegung besonderer Anhaltspunkte dafür bedurft, dass aus der Sicht der Belegschaft der Beklagte auch künftig eine entsprechende Anpassung vornehmen wolle (vgl. - Rn. 15 mwN). Solche Anhaltspunkte hat der Kläger nicht vorgetragen.
52Dem Kläger ist Gelegenheit zu geben, seinen Sachvortrag unter Berücksichtigung der Anwendbarkeit des TV-H ab zu ergänzen. Der Senat ist insoweit gehindert, die Klage als unschlüssig abzuweisen, weil dem Kläger kein rechtlicher Hinweis auf die Anwendbarkeit des TV-H erteilt wurde und es an tatsächlichen Feststellungen zur Entgeltstufe des Klägers und damit der Anspruchshöhe fehlt.
53Der Senat ist auch deshalb an einer abschließenden Entscheidung gehindert, weil der Tatbestand des Berufungsurteils hinsichtlich der im Berufungsverfahren erfolgten Klageerweiterung so lückenhaft ist, dass eine abschließende Überprüfung der Revisionsangriffe nicht möglich ist. Es liegt ein Mangel im Tatbestand vor, der auch ohne Verfahrensrüge von Amts wegen zu berücksichtigen ist (vgl. - Rn. 14; Musielak/Ball ZPO 10. Aufl. § 559 Rn. 18 mwN). Dem Urteil des Landesarbeitsgerichts kann entgegen § 69 Abs. 3 Satz 1 ArbGG nicht entnommen werden, welchen Streitstoff dieses der Entscheidung zugrunde gelegt hat. Das Urteil enthält keine auch nur gedrängte Darstellung des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien (vgl. zu diesem notwendigen Inhalt: - Rn. 11, 12). Der Sach- und Streitstand ergibt sich auch nicht aus den Entscheidungsgründen, denn diese befassen sich nicht mit der Klageerweiterung. Mangels einer Bezugnahme auf die in 2. Instanz gewechselten Schriftsätze im Urteil und im Sitzungsprotokoll, das keine weiteren tatsächlichen Feststellungen enthält, ist der Senat gemäß § 559 Abs. 1 Satz 2 ZPO gehindert, den schriftsätzlichen Vortrag der Parteien, soweit sich dieser auf die mit der Klageerweiterung geltend gemachten Forderungen bezieht, zu berücksichtigen.
54Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung, § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Fundstelle(n):
BAAAE-52400