BGH Beschluss v. - V ZR 91/13

Altrechtliches Wasserentnahmerecht: Bestehen eines im Wasserbuch eingetragenen Wasserbenutzungs- und Wasserleitungsrechts

Gesetze: § 823 BGB, § 1004 BGB, § 87 Abs 4 WHG, § 46 WasG PR, §§ 46ff WasG PR

Instanzenzug: OLG Frankfurt Az: 15 U 12/12 Urteilvorgehend LG Marburg Az: 2 O 41/11

Gründe

I.

1Die Parteien sind Eigentümer von Grundstücken in R. im Bezirk des Amtsgerichts M.     . Auf dem Grundstück des Beklagten ist in Abt. II Nr. 10 eine Belastung mit folgendem Inhalt eingetragen:

„Die Eigentümer der Parzellen 6 Ktbl. Nr. 30 und 31, der Parz. 6 Nr. 70/25 pp., 71/26 pp. und 72/27 pp. sowie .... haben das Recht, das Grundstück Ktbl. 2 Nr. 2 als Sammelteich, dessen Unterhaltung auf gemeinschaftliche Kosten geschieht, zu benutzen und das Wasser zu ihrem Mühlenbetriebe daraus zu entnehmen. Eingetragen auf Grund der Bewilligung vom 20.09.1889 ... am 25.09.1889…“

2Die Kläger haben im Jahre 2009 das Grundstück Blatt 1216, zu dessen Bestand die Flurstücke 70/25 und 71/26 gehören, mit der darauf befindlichen Stammsmühle erworben. Dem Mühlenbesitzer war im Jahre 1925 neben dem bereits im Wasserbuch eingetragenen alten Wasserentnahmerecht aus der Servitut ein weiteres Recht zur Ableitung des Wassers durch eine Druckrohrleitung mit einer Weite von 300 mm zum Antrieb einer Turbine für die Stammsmühle verliehen worden. Der frühere Eigentümer stellte Jahrzehnte später den Mühlenbetrieb ein und schloss die Zuleitung auf seinem Grundstück mit Beton. Im Jahre 2007 verfüllte der Beklagte den vor der Druckrohrleitung zum Grundstück der Kläger liegenden Teil des Teiches mit Schotter.

3Die Kläger beabsichtigen, die Turbinenanlage wieder in Betrieb zu nehmen; zu welchem Zweck ist zwischen den Parteien streitig. Sie haben von dem Beklagten verlangt, die Verfüllung am Rande des Teiches zu beseitigen und die Turbinenrohrleitung wieder mit dem Teich zu verbinden sowie künftige Beeinträchtigungen der eingetragenen Grunddienstbarkeit zu unterlassen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben; das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde wollen die Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen.

II.

4Das Berufungsgericht meint, Ansprüche der Kläger auf Beseitigung und Unterlassung bestünden schon deshalb nicht, weil die von dem Beklagten vorgenommene Verfüllung die Grunddienstbarkeit nicht beeinträchtige. Die Kläger wollten das belastete Grundstück zu Zwecken nutzen, die der Beklagte nach dem Inhalt der Dienstbarkeit nicht zu dulden habe. Die Dienstbarkeit sei für einen Mühlenbetrieb bestellt worden; diese Zweckbestimmung gehöre zu ihrem Inhalt. Die von den Klägern beabsichtigte Gewinnung elektrischer Energie für den eigenen Gebrauch liege außerhalb des Inhalts des dinglichen Rechts.

III.

5Das angefochtene Berufungsurteil ist auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger aufzuheben, weil das Berufungsgericht ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

61. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei ihrer Entscheidung in Erwägung zu ziehen (BVerfGE 64, 1, 12; 87, 1, 33). Daraus folgt zwar nicht, dass die Gerichte jedes Vorbringen der Parteien in den Entscheidungsgründen ausdrücklich bescheiden müssten (BVerfGE 88, 366, 375); geht ein Gericht aber auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies grundsätzlich auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen (BVerfGE 47, 182, 189; 86, 133, 146). Da Art. 103 Abs. 1 GG einen Anspruch darauf gewährt, sich vor einer gerichtlichen Entscheidung sowohl zum Sachverhalt als auch zur Rechtslage zu äußern, gelten die vorstehenden Maßstäbe für beide Aspekte (, juris Rn. 14).

7Hiernach hat das Berufungsgericht das Verfahrensgrundrecht der Kläger dadurch verletzt, dass es ihr Vorbringen über das Bestehen eines selbständigen Abwehranspruchs analog § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB aus einem dem früheren Mühlenbesitzer verliehenen Wasserrecht nicht beschieden hat. Die Nichtzulassungsbeschwerde verweist zur Begründung ihrer Rüge zutreffend auf das Vorbringen der Kläger gegenüber dem Berufungsgericht, in dem diese unter Bezugnahme auf Entscheidungen des , BGHZ 147, 125 ff.) und des Oberlandesgerichts Celle (NJW 1966, 1758 f.) ausgeführt haben, dass ihnen neben der Grunddienstbarkeit eine wasserrechtliche Befugnis zustehe, auf Grund derer ebenso eine Beseitigung der Störung verlangt werden könne. Auf diesen Vortrag über das Bestehen eines nach §§ 46 ff. des Preußischen Wassergesetzes (PrWG) im Jahre 1925 verliehenen, trotz Einstellung des Mühlenbetriebs fortbestehenden und mit dem Erwerb des Grundstücks auf die Kläger übergegangenen Wasserrechts und die sich daraus ergebenden Ansprüche ist das Berufungsgericht in den Entscheidungsgründen mit keinem Wort eingegangen.

82. Das übergangene Vorbringen ist entscheidungserheblich. Die Kläger hätten gegen den Beklagten einen Anspruch auf Beseitigung der Verfüllung und auf Verbindung der Turbinenrohrleitung mit dem Sammelteich, wenn ihnen das dem damaligen Mühlenbesitzer verliehene Wasserrecht zustünde.

9Die nach §§ 46 ff. PrWG verliehenen Rechte sind nämlich von jedermann zu beachtende absolute Rechte, die Abwehr und Schadensersatzansprüche nach §§ 1004, 823 BGB begründen (vgl. , NJW 1976, 46; Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, 3. Aufl., Rn. 1069). Von dem Bestehen eines verliehenen Wasserbenutzungs- und Wasserleitungsrechts wäre hier auf Grund der Eintragungen im Wasserbuch auszugehen. Diese erzeugen zwar nach § 87 Abs. 4 WHG keine rechtsbegründende oder rechtsändernde Wirkung, aber eine tatsächliche Vermutung für das Bestehen des gebuchten Rechts (vgl. , Warn 1978, Nr. 222; BVerwGE 37, 103, 104), so dass es Sache des Beklagten wäre, gegen die Richtigkeit der Eintragungen im Wasserbuch sprechende Tatsachen vorzutragen.

103. Der Rechtsstreit ist auch nicht im Hinblick auf einen Abwehranspruch aus der Grunddienstbarkeit (§§ 1027, 1004 BGB) entscheidungsreif, da die Kläger nicht dargelegt haben, dass die Aufschüttung, deren Beseitigung sie verlangen, auch eine Beeinträchtigung des „alten“ Wasserrechts darstellt.

11a) Der Betrieb einer Turbine über eine eigens dafür angelegte Druckleitung (statt eines Wasserrades an einem Mühlgraben) führte bei kleineren Gewässern (Sammelteich) in der Regel zu einer Veränderung des Wasserablaufverhaltens, welche die Rechte der anderen Nutzungsberechtigten an dem Gewässer beeinträchtigte. Das für die Turbine erforderliche Wasserbezugsrecht ging damit über ein durch eine Servitut gesichertes Recht zur Wasserentnahme (zu dem Inhalt der Wasserservituten: Endemann, Das ländliche Wasserrecht, S. 60, 64) hinaus und bedurfte unter Geltung des Preußischen Wassergesetzes der Verleihung eines geänderten Benutzungsrechts (Holtz-Kreutz-Schlegelberger, Das Preußische Wassergesetz, 3. und 4. Aufl., § 379 Anm. 6.d., S. 587).

12b) Der Umstand, dass 1925 ein solches Wasserrecht verliehen worden ist, sowie dessen - aus der in Ablichtung vorgelegten Verleihungsurkunde ersichtlicher - Inhalt sprechen dafür, dass es sich hier ebenso verhalten hat. Anderes ist jedenfalls nicht festgestellt. Dann aber ist der von den Klägern verfolgte Beseitigungsanspruch allein aus dem verliehenen Wasserrecht begründet, so dass es auf die den Inhalt der Wasserservitut betreffende Frage (zu deren Auslegung nach dem früheren Recht: Senat, Urteil vom  - V ZR 162/61, BGHZ 42, 63, 66) nicht ankommt, ob das als Grunddienstbarkeit anzusehende Recht nur für die Zwecke eines bestimmten Mühlenbetriebs bestellt war (speziell zu dieser Frage: Holtz-Kreutz-Schlegelberger, aaO, S. 588 mwN aus der damaligen Rechtsprechung).

IV.

13Der Wert der Beschwer ist nach den durch ein Gutachten belegten Ausführungen der Kläger zu den Werten des Grundstücks - mit und ohne Grunddienstbarkeit - auf 35.000 € anzusetzen. Die abweichende Wertfestsetzung der Vorinstanzen kann - entgegen den Ausführungen der Erwiderung - für das Revisionsgericht schon deshalb nicht verbindlich sein, weil sie auf einer falschen Rechtsgrundlage beruhte. Auch bei Streitigkeiten über Ansprüche nach §§ 1027, 1004 BGB ist der Wert nicht nach § 3 ZPO, sondern nach § 7 ZPO festzusetzen, wenn - wie hier - der Bestand der Grunddienstbarkeit im Streit ist (vgl. KG, OLG 31, 73; MünchKomm-ZPO/Wöstmann, 3. Aufl., § 3 Rn. 5; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 7 Rn. 7).

Stresemann                            Czub                          Brückner

                       Weinland                      Kazele

<Hinweis der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Der Berichtigungsbeschluss vom wurde in den Beschlusstext eingearbeitet.>

Fundstelle(n):
SAAAE-51765