OFD Nordrhein-Westfalen - Kurzinfo ESt 28/2013 S 2128 - 2013/4001

Anwendung des Halb- bzw. Teilabzugsverbotes nach § 3c Abs. 2 EStG

Bezug:

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Mit (BStBl 2010 II S.  220) und (BFH/NV 2010, 1022) hat der BFH – entgegen der bisherigen Verwaltungsauffassung – entschieden, dass der Abzug von Erwerbsaufwand (z. B. Betriebsvermögensminderungen, Anschaffungskosten oder Veräußerungskosten) im Zusammenhang mit Einkünften aus der Veräußerung oder Auflösung einer Beteiligung i. S. des § 17 Abs. 1 und 4 EStG jedenfalls dann nicht nach § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG begrenzt ist, wenn der Steuerpflichtige keinerlei durch seine Beteiligung vermittelte Einnahmen erzielt hat.

Das BMF hat den bisherigen Nichtanwendungserlass vom (BStBl 2010 I S. 181) mit wieder aufgehoben. Es wurde mit dem im BStBl veröffentlicht (BStBl 2010 I S.  599).

Die Grundsätze des sind damit über den entschiedenen Einzelfall hinaus allgemein anzuwenden. Mit dem JStG 2010 vom (BGBl 2010 I, 1768; BStBl 2010 I S.  1394) wurde die gesetzliche Regelung jedoch um § 3c Abs. 2 Satz 2 EStG ergänzt. Danach findet das Teilabzugsverbot ab Veranlagungszeitraum 2011 (§ 52 Abs. 8a Satz 3 EStG i. d. F. des JStG 2010) auch Anwendung, wenn keinerlei durch die Beteiligung vermittelte Einnahmen angefallen sind.

Zur Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze in Fällen der Verlustrealisierung bis zum gebe ich folgende ergänzende Hinweise:

  • Ein Verlust im Sinne des § 17 EStG ist ohne Anwendung des Halb- (bis VZ 2008) bzw. Teileinkünfteverfahrens (VZ 2009 und 2010) in voller Höhe zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige weder einen Veräußerungserlös (§ 17 Abs. 2 EStG) noch eine Kapitalrückzahlung (§ 17 Abs. 4 EStG) noch irgendeinem Zeitpunkt eine offene oder verdeckte Gewinnausschüttung (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG) vereinnahmt hat.

    In voller Höhe zu berücksichtigende Verluste i. S. d. § 17 EStG sind nicht zur Kz 45.26/27 („Verluste aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften nach § 17 EStG”), sondern übergangsweise zur Kz 45.22/23 („Verluste aus der Veräußerung nach § 16 EStG”) anzuweisen. Die Anweisung zur Kz 45.26/27 bewirt bei der Kirchensteuerfestsetzung eine Korrektur nach § 51a Abs. 2 Satz 2 EStG und damit eine zu niedrige Kirchensteuer-Festsetzung.

  • Hat der Steuerpflichtige einen Veräußerungserlös, eine Rückzahlung auf das Eigenkapital oder eine Gewinnausschüttung erhalten, so ist der Verlust entsprechend den Grundsätzen des Halb- bzw. Teileinkünfteverfahrens zu kürzen. Das gilt jedoch nur, wenn auf die zugeflossenen Einnahmen ebenfalls das Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren anzuwenden war. Hat der Steuerpflichtige ausschließlich Gewinnausschüttungen erzielt, die noch unter das Anrechnungsverfahren fielen, begründet dies die Anwendung des Halbabzugsverbotes nicht (, BStBl 2011 I S.  814).

    Entsprechendes gilt auch, wenn der Steuerpflichtige aus der Beteiligung Einnahmen erzielt hat, die in den Jahren 2009 und 2010 der Abgeltungssteuer nach § 32d Abs. 1 EStG unterlagen und der Steuerpflichtige keinen Antrag auf tarifliche Besteuerung im Regime des Teileinkünfteverfahrens nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG (Zeilen 24 und 25 der Anlage KAP 2009/2010) gestellt hat. Anträge auf Überprüfung des Steuereinbehalts nach § 32d Abs. 4 EStG (Zeile 5 der Anlage KAP 2009/2010) und auf die Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG (Zeile 4 der Anlage KAP 2009/2010) sind unbeachtlich.

    Die Kürzung ist unabhängig von der Höhe der erzielten Einnahmen vorzunehmen, so dass auch geringe Gewinnausschüttungen oder Veräußerungspreise für die Anwendung des Halb- bzw. Teileinkünfteverfahrens ausreichend sind.

    Vor diesem Hintergrund bitte ich in Fällen der Liquidation oder der Insolvenz der Kapitalgesellschaft zu prüfen, ob an den Anteilseigner im Rahmen der Abwicklung Wirtschaftsgüter aus dem Gesellschaftsvermögen (insbesondere abgeschriebene Wirtschaftsgüter der Betriebs- und Geschäftsausstattung) ausgekehrt wurden. Soweit Wirtschaftsgüter im Rahmen der Liquidation zu fremdüblichen Bedingungen an den/die Gesellschafter veräußert werden, handelt es sich bei dem Veräußerungserlös allerdings nicht um eine Einnahme aus der Beteiligung die das Halb- bzw. Teilabzugsverbot zur Folge hat.

    Veräußerungspreis (§ 17 Abs. 2 bzw. 4 EStG) von mehr als 1 €:

    Der (BStBl 2011 II S. 785) und vom (BStBl 2011 II S. 815) entschieden, dass das Halbeinkünfteverfahren und das Halbabzugsverbot auch anzuwenden sind, wenn der Steuerpflichtige wegen lediglich geringfügiger Veräußerungseinnahmen im Ergebnis einen Verlust erwirtschaftet hat. Die hiergegen angestrengte Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Über die aufgrund der anhängigen Verfassungsbeschwerde ruhenden Rechtsbehelfe kann entschieden werden.

    Veräußerungspreis von 1 €:

    Der , BStBl 2012 II S. 8, entschiede, dass das Halbeinkünfteverfahren und das Halbabzugsverbot nicht anzuwenden sind, wenn objektiv wertlose Anteile aus buchungstechnischen Gründen zu einem symbolischen Kaufpreis (z. B. von 1 €) veräußert werden.

  • Das Halb- bzw. Teileinkünfteverfahrens nach § 3c Abs. 2 EStG ist auch zu beachten bei Teilwertabschreibungen auf im Betriebsvermögen gehaltene Beteiligungen an Kapitalgesellschaften. Das gilt sowohl für den Fall des Ansatzes eines niedrigeren (Zwischen-) Teilwerts als auch für den Falls der Vollabschreibung der Beteiligung auf 0 Euro, solange nicht endgültig ausgeschlossen werden kann, dass künftig noch Einnahmen i. S. des § 3 Nr. 40 EStG anfallen können () .

    Von der Anwendung des Halb- bzw. Teilabzugsverbots kann also grundsätzlich nur abgesehen werden, wenn in Bezug auf das Halten der Beteiligung im Rahmen der Schlussbesteuerung feststeht, dass dem Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren unterliegende Betriebsvermögensmehrungen, Einnahmen und dergleichen nicht mehr anfallen werden.

  • Mit u. ) sowie vom () hat der BFH entschieden, dass das Halb- bzw. Teilabzugsverbot nach § 3c Abs. 2 EStG dem Grunde nach auch auf Aufwendungen anzuwenden ist, die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit einer durch das Gesellschaftsverhältnis veranlassten Überlassung von Wirtschaftsgütern stehen. Die Urteile weichen jedoch von der bisherigen Verwaltungsauffassung (BStBl 2010 I S. 1292) ab. Mit dem schließt sich die Finanzverwaltung der Auffassung des BFH an und erklärt die Grundsätze der oben genannten Urteile in allen offenen Fällen für anwendbar.

    • Substanzmindernde Aufwendungen:

      Das Halb- bzw. Teilabzugsverbot ist nicht auf Aufwendungen anzuwenden, die die Substanz der überlassenen Wirtschaftsgüter betreffen. Dies sind insbesondere Teilwertabschreibungen, Absetzungen für Abnutzungen sowie Erhaltungsaufwendungen.

    • Laufende (nicht substanzbezogene) Aufwendungen:

      Unter § 3c Abs. 2 EStG fallen dagegen alle laufenden Aufwendungen wie z. B. Aufwendungen für Strom, Gas, Wasser, Heizung, Gebäudereinigungskosten, Versicherungsbeiträge, Finanzierungskosten (Zinsen) für ein Grundstück, Refinanzierungskosten im Zusammenhang mit einem Gesellschafterdarlehen.

    • Gesellschaftsrechtlich veranlasste Überlassung von Wirtschaftsgütern:

      Für die Frage, ob Aufwendungen im Zusammenhang mit der Überlassung von Wirtschaftsgütern in dem Anwendungsbereich des § 3c Abs. 2 EStG fallen, ist auf den Veranlassungszusammenhang abzustellen. Nach den Grundsätzen der Abschnittsbesteuerung ist für jeden Veranlagungszeitraum isoliert zu prüfen, durch welche Einkunftsart bzw. Einnahmen die Aufwendungen veranlasst wurden. Der Veranlassungszusammenhang kann sich demnach auch während der Dauer der Überlassung ändern.

      Erfolgt die Überlassung zu fremdüblichen Konditionen, ist davon, auszugehen, dass die Aufwendungen vorrangig mit der Einnahmeerzielung aus der Nutzungsüberlassung im Zusammenhang stehen. Erfolgt die Nutzungsüberlassung jedoch teil- oder unentgeltlich und somit zu nicht fremdüblichen Konditionen (gesellschaftsrechtliche Veranlassung), stehen die Aufwendungen vorrangig mit später zu erwartenden Beteiligungserträgen im Zusammenhang. Die Aufwendungen sind dann nach Maßgabe des § 3c Abs. 2 EStG entsprechend zu kürzen. Erfolgt die Überlassung teilentgeltlich, ist eine Aufteilung in einen voll entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil vorzunehmen.

      In dem o. a. BMF-Schreiben wird klargestellt, dass eine verbilligte Überlassung auch schuldrechtlich veranlasst sein kann (z. B. Absinken der vergleichbaren marktüblichen Pachtentgelte oder zeitlich befristete Pachtabsenkung im Rahmen von Sanierungsmaßnahmen, an denen auch gesellschaftsfremde Personen teilnehmen).

    • Aufwendungen im Zusammenhang mit im Betriebsvermögen gehaltenen Darlenhensforderungen:

      Teilwertabschreibungen auf Gesellschafterdarlehen oder Aufwendungen aus Bürgschaftsinanspruchnahmen fallen als substanzmindernde Aufwendungen nicht in den Anwendungsbereich des § 3c Abs. 2 EStG. Bei einer gesellschaftsrechtlich veranlassten Darlehensgewährung sind allerdings die für eine Refinanzierung anfallenden Aufwendungen nach Maßgabe des § 3c Abs. 2 EStG zu kürzen.

    Die Bearbeitung von Fällen, die im Hinblick auf die zu erwartende Anwendung der Urteile zurückgestellt wurde, kann wieder aufgenommen werden.

  • Laufende Aufwendungen, die mit der Beteiligung in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (z. B. Schuldzinsen für die Refinanzierung der Anschaffungskosten der Beteiligung), unterliegen bis einschl. VZ 2008 dem Halbabzugsverbot. Ab 2009 ist das Teilabzugsverbot zu beachten, wenn die Beteiligung im Betriebsvermögen gehalten wird (§ 32d Abs. 1 Satz 1 i. V. mit § 20 Abs. 8 EStG) oder der Anteilseigner von seinem Antragsrecht nach (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG Gebrauch gemacht hat (vgl. dazu , BStBl 2010 I S. 94, Rn. 138 – 143). Der Anwendung des Halb- bzw. Teilabzugsverbots nach § 3c Abs. 2 EStG steht nicht entgegen, dass in der Vergangenheit noch keine unter § 3 Nr. 40 EStG fallende Einnahmen angefallen sind, solange künftig noch solche Einnahmen anfallen können.

  • Fraglich ist, ob der Umstand, dass bis zur Auflösung der Gesellschaft keine Einnahmen aus der Beteiligung erzielt wurden, als Ereignis i. S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO anzusehen ist, das auf den Werbungskosten- bzw. Betriebsausgabenabzug der Vorjahre zurückwirkt. Auf Antrag des Steuerpflichtigen ist daher wegen dieses ungewissen Sachverhalts die Einkommensteuer nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO vorläufig festzusetzen. Die Aufwendungen sind im Rahmen dieser Vorläufigkeit zunächst nur entsprechend der Regelung des § 3c Abs. 2 EStG anteilig zu berücksichtigen.

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Fundstelle(n):
AAAAE-49004