Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Pflicht des Einzelanwalts zu Vorkehrungen für den Fall einer unvorhergesehenen Erkrankung
Gesetze: § 233 ZPO, § 234 Abs 1 ZPO, § 236 Abs 2 ZPO
Instanzenzug: Az: 17 S 1/13 Beschlussvorgehend AG Lünen Az: 8 C 430/11
Gründe
I.
1Durch dem Kläger am zugestelltes Urteil ist die auf Ableitung von Niederschlagswasser gerichtete Klage abgewiesen worden. Gegen dieses Urteil hat der Kläger am Berufung eingelegt. Durch gerichtliches Schreiben vom ist der Kläger auf das Ausbleiben der Berufungsbegründung hingewiesen worden. Mit am eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der anwaltlich versicherten Begründung beantragt, sein Prozessbevollmächtigter sei am unvorhersehbar erkrankt und dadurch bedingt nicht in der Lage gewesen, seine Kanzlei aufzusuchen.
2Das Landgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde, mit welcher er die Durchführung des Berufungsverfahrens erreichen will.
II.
3Das Berufungsgericht meint, dem Kläger sei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu versagen, weil er diese schuldhaft nicht eingehalten habe. Die Versäumung der Frist könne der Kläger nicht mit einer unvorhergesehenen Erkrankung des Prozessbevollmächtigten entschuldigen. Sein Prozessbevollmächtigter habe Vorsorge für den Fall treffen müssen, dass er unvorhergesehen an der Wahrnehmung seiner Aufgaben gehindert werde. Das gelte gerade dann, wenn er seine Kanzlei allein und ohne eigenes Personal betreibe. Eine Ausnahmesituation, der mit solchen Vorsorgemaßnahmen nicht zu begegnen sei, liege nicht vor.
III.
4Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
51. Sie ist zwar gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO ohne Zulassung statthaft. Zulässig ist sie aber gemäß § 574 Abs. 2 ZPO nur, wenn auch die dort bestimmten weiteren Voraussetzungen gegeben sind. Das ist nicht der Fall. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) noch ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Insbesondere hat das Berufungsgericht keine überzogenen Anforderungen gestellt, die dem Kläger den Zugang zu der an sich gegebenen Berufung unzumutbar erschweren (vgl. dazu nur Senat, Beschluss vom - V ZB 224/09, NJW-RR 2010, 1096 Rn. 4 mwN).
62. Die Begründung, mit der das Berufungsgericht dem Kläger die form- und fristgerecht beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist versagt hat, entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die weder fortzubilden noch zu ergänzen ist.
7a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss ein Rechtsanwalt allgemeine Vorkehrungen dafür treffen, dass das zur Wahrung von Fristen Erforderliche auch dann unternommen wird, wenn er unvorhergesehen ausfällt. Er muss seinem Personal die notwendigen allgemeinen Anweisungen für einen solchen Fall geben. Ist er als Einzelanwalt ohne eigenes Personal tätig, muss er ihm zumutbare Vorkehrungen für einen Verhinderungsfall, z.B. durch Absprache mit einem vertretungsbereiten Kollegen treffen (BGH, Beschlüsse vom - VI ZB 4/90, VersR 1990, 1026 und vom - XII ZB 62/94, FamRZ 1994, 1520). Durch konkrete Maßnahmen im Einzelfall muss sich der Rechtsanwalt allerdings nur dann vorbereiten, wenn er einen solchen konkreten Ausfall vorhersehen kann (BGH, Beschlüsse vom - III ZB 13/84, VersR 1985, 139, 140 und Senat, Beschlüsse vom - V ZB 20/95, NJW 1996, 997, 998 und vom - V ZB 32/08, NJW 2008, 3571, 3572 Rn. 9).
8b) Diesen Anforderungen hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers, wie das Berufungsgericht zu Recht entschieden hat, nicht entsprochen. Nach seiner anwaltlichen Versicherung vom hat er nur für die Annahme von Telefonaten sowie den Empfang und den Versand von Post durch Beauftragung eines Dienstleisters Sorge getragen. Dass er auch Vorkehrungen für eine Vertretung getroffen hat, die etwa Anträge zur Verlängerung von Fristen für ihn bei Gericht einreichen könnte, lässt sich dieser Versicherung dagegen nicht entnehmen.
9c) Dieses Versäumnis hat sich hier auch ausgewirkt.
10aa) Ein Rechtsanwalt muss zwar, wenn er - wie hier - unvorhergesehen erkrankt, nur das, aber auch alles zur Fristwahrung unternehmen, was ihm dann möglich und zumutbar ist (BGH, Beschlüsse vom - VIII ZB 2/87, VersR 1987, 785, 786, vom - VI ZB 4/90, VersR 1990, 1026 und vom - XI ZB 20/99, juris Rn. 12; Senat, Beschlüsse vom - V ZB 23/03, FamRZ 2004, 182 und vom - V ZB 32/08, NJW 2008, 3571, 3572 Rn. 9). Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat hier das ihm Zumutbare nicht unternommen.
11bb) Die unvorhergesehene Erkrankung kann den Rechtsanwalt zwar außerstande setzen, noch irgendwelche fristwahrenden Maßnahmen zu ergreifen (Senat, Beschluss vom - V ZB 32/08, NJW 2008, 3571, 3572 Rn. 12). So lag es hier jedoch nach der anwaltlichen Versicherung des Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht. Danach litt er an einer Enteritis mit Diarrhoe, Übelkeit und Erbrechen und konnte das Haus nicht verlassen. Daraus ergibt sich indes nicht, dass er auf Grund dieser Erkrankung nicht in der Lage gewesen wäre, einen Vertreter zu benachrichtigen und diesen zu bitten, in der Sache um Verlängerung der Frist zu bitten, die, da es sich um die erste Fristverlängerung gehandelt hätte, auch nicht aufwendig hätte begründet werden müssen (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 42/10, NJW-RR 2011, 285 Rn. 8, 10). Seiner anwaltlichen Versicherung ist, wie gesagt, auch nicht zu entnehmen, dass er Absprachen mit einer Vertretung, die er hätte bitten können, getroffen hätte. Dieses schuldhafte Versäumnis wirkte sich in dem jetzt eingetretenen Verhinderungsfall aus.
12d) In dieser Hinsicht unterscheidet sich der Fall des Klägers von dem Fall, der dem Beschluss des Senats vom (V ZB 32/08, NJW 2008, 3571) zugrunde lag. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in jenem Fall hatte für eine Vertretung Vorsorge getroffen (Senat, Beschluss vom - V ZB 3/08, NJW 2008, 3571, 3572 Rn. 11). Außerdem war er bettlägerig und so schwer erkrankt, dass er selbst den bereit stehenden Vertreter nicht mehr hatte verständigen können (Senat, aaO Rn. 12). Dergleichen lässt sich der hier maßgeblichen anwaltlichen Versicherung des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom nicht entnehmen. Dass dieser in einer nach Erlass der angefochtenen Entscheidung vorgelegten weiteren anwaltlichen Versicherung vom entsprechende Angaben gemacht hat, ist unerheblich. Auf solche neue Tatsachen kann die Wiedereinsetzung nach § 234 Abs. 1, § 236 Abs. 2 ZPO nicht gestützt werden (, NJW 1997, 1708, 1709).
IV.
13Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Stresemann Lemke Schmidt-Räntsch
Czub Kazele
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
DStR 2014 S. 14 Nr. 6
NJW 2014 S. 228 Nr. 4
WAAAE-48337