BAG Beschluss v. - 5 AZR 617/13 (F)

Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt ("equal pay") - Darlegungslast - Gehörsrüge

Gesetze: § 78a Abs 2 ArbGG, Art 103 Abs 1 GG, § 10 Abs 4 AÜG, § 13 AÜG

Instanzenzug: ArbG Chemnitz Az: 4 Ca 3529/10 Urteilvorgehend Sächsisches Landesarbeitsgericht Az: 1 Sa 322/11 Urteilvorgehend Az: 5 AZR 146/12 Urteilnachgehend Az: 1 BvR 3199/13 Beschluss

Gründe

1I. Die Parteien haben über Differenzvergütung unter dem Gesichtspunkt des equal pay gestritten. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Der Senat hat die Revision des Klägers mit Urteil vom (- 5 AZR 146/12 -) zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die auf eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gestützte Rüge des Klägers.

2II. Die nach § 78a Abs. 2 ArbGG zulässige Anhörungsrüge ist unbegründet. Der Senat hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör nicht verletzt.

31. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das entscheidende Gericht, die Ausführungen der Prozessparteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gebot rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die vom Fachgericht zu treffende Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben ( - Rn. 25 mwN). Außerdem darf das Gericht seine Entscheidung nicht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellen, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter unter Berücksichtigung der Vielzahl von vertretenen Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte ( - zu III 2 a der Gründe). Denn die Parteien müssen bei Anwendung der von ihnen zu verlangenden Sorgfalt erkennen können, auf welche Gesichtspunkte es für die Entscheidung ankommt. Ansonsten ist das Gericht vor Schluss der mündlichen Verhandlung grundsätzlich nicht zur Offenlegung seiner Rechtsauffassung verpflichtet. Ein Prozessbevollmächtigter muss, auch wenn die Rechtslage umstritten oder problematisch ist, alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und bei seinem Sachvortrag berücksichtigen (vgl.  (F) - Rn. 5, BAGE 118, 229). Ferner muss er schon in den Tatsacheninstanzen bedenken, dass das Bundesarbeitsgericht als Revisionsgericht den Bindungen des Revisionsrechts unterliegt und neuer Sachvortrag in der Revisionsinstanz nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 559 ZPO grundsätzlich nicht berücksichtigungsfähig ist (vgl. statt aller  - Rn. 23 f.).

42. Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom (- 5 AZR 7/10 - Rn. 36, BAGE 137, 249) darauf hingewiesen, der Leiharbeitnehmer sei für den Anspruch aus § 10 Abs. 4 AÜG darlegungs- und beweispflichtig. Dies ergibt sich aus dem allgemeinen Grundsatz, dass der Anspruchsteller die anspruchsbegründenden Tatsachen darlegen und beweisen muss. Der Leiharbeitnehmer kann sich dazu auf eine ihm nach § 13 AÜG erteilte Auskunft berufen und diese in den Prozess einführen. Bestreitet jedoch der Verleiher die maßgeblichen Umstände der Auskunft in erheblicher Art und im Einzelnen, verbleibt es bei der Darlegung- und Beweislast des Leiharbeitnehmers.

5Der Kläger bzw. seine Prozessbevollmächtigte mussten deshalb damit rechnen, dass dem Kläger, gerade wenn er davon absieht, eine Auskunft nach § 13 AÜG einzuholen und in den Prozess einzuführen, die volle Darlegungs- und Beweislast für die Höhe des Anspruchs auf Differenzvergütung nach § 10 Abs. 4 AÜG obliegt. Ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter hätte in den Tatsacheninstanzen alle ihm bekannten, für die Anspruchshöhe relevant sein könnenden Tatsachen substantiiert vorgetragen, insbesondere eine Auskunft nach § 13 AÜG eingeholt und in den Prozess eingeführt, zumal die Beklagte schon erstinstanzlich bestritten hatte, in den entleihenden Unternehmen würden vergleichbaren Stammarbeitnehmern die vom Kläger seiner Forderungsberechnung zugrunde gelegten Tariflöhne gezahlt.

6Die Vorinstanzen haben ihre die Klage abweisende Entscheidung zwar auf einen Verfall des - möglichen - Anspruchs nach der arbeitsvertraglichen Ausschlussfristenregelung gestützt und dabei zu diesem Zeitpunkt höchstrichterlich noch ungeklärte Rechtsfragen beantwortet. Weder das Arbeitsgericht noch das Landesarbeitsgericht haben sich aber, aus ihrer Sicht konsequent, mit der Frage beschäftigt (geschweige denn diese bejaht), ob der Kläger die Höhe des geltend gemachten Anspruchs überhaupt ausreichend substantiiert dargelegt hat. Der Kläger durfte nicht - auch nicht aufgrund der erstinstanzlich nach § 11a ArbGG gebotenen Beiordnung einer Rechtsanwältin und der Gewährung von Prozesskostenhilfe in der Berufungs- und Revisionsinstanz, die nur eine hinreichende Erfolgsaussicht voraussetzt (§ 114 Satz 1 ZPO) - darauf vertrauen, in einem weiteren Berufungsverfahren Gelegenheit zu erhalten, in den Tascheninstanzen zurückgehaltenen Sachvortrag oder eine erst nach der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingeholte Auskunft nach § 13 AÜG in das Verfahren einführen zu können.

7Ob der Senat die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Leiharbeitnehmers zur Höhe des Anspruchs aus § 10 Abs. 4 AÜG überspannt hat, ist eine Frage der - vermeintlich - fehlerhaften Rechtsanwendung, die nicht geeignet ist, den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör zu verletzen. Art. 103 Abs. 1 GG schützt nicht davor, dass den Gerichten Rechtsfehler unterlaufen und gewährt kein Anrecht auf eine aus Sicht der Parteien „richtige“ Entscheidung (vgl.  - Rn. 5).

8III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rügeverfahrens zu tragen.

Fundstelle(n):
DB 2013 S. 2686 Nr. 47
VAAAE-47455