BFH Beschluss v. - III B 114/12

Klassifikation der Wirtschaftszweige für die investitionszulagenrechtlich Zuordnung eines Betriebs zum verarbeitenden Gewerbe maßgeblich (hier: Einordnung eines Betriebs zur Forstwirtschaft)

Gesetze: GG Art. 103 Abs. 1, FGO § 96 Abs. 2, InvZulG § 2, InvZulG § 3 Abs. 1 Satz 2

Instanzenzug: FG des Landes Sachsen-Anhalt Urteil vom 1 K 1571/10

Gründe

1 Die Beschwerde ist —bei Bedenken gegen ihre Zulässigkeit— jedenfalls unbegründet und daher gemäß § 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluss zurückzuweisen. Es liegen keine Gründe vor, die die Zulassung der Revision rechtfertigen.

2 1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

3 a) Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalles maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt und die Rechtsfrage in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig und klärungsbedürftig ist. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn sich die Antwort auf die streitige Rechtsfrage ohne Weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes ergibt. Betrifft die zu klärende Rechtsfrage ausgelaufenes Recht, dann ist der Zulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO regelmäßig nicht gegeben, es sei denn, die gleiche Rechtsfrage stellt sich bei einer Nachfolgeregelung oder die Frage ist noch für eine Vielzahl anhängiger Fälle entscheidungserheblich (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 28 und 35, m.w.N.).

4 b) Im Streitfall fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit.

5 aa) Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) aufgeworfenen Fragen betreffen die Abgrenzung zwischen dem investitionszulagenrechtlich begünstigten Holzgewerbe (verarbeitendes Gewerbe) und der nicht begünstigten Forstwirtschaft. Höchstrichterlich ist bereits geklärt, dass sich im Investitionszulagenrecht der Begriff des verarbeitenden Gewerbes nach der für das jeweilige Kalenderjahr geltenden Klassifikation der Wirtschaftszweige (WZ), im Streitfall also nach der WZ 1993, bestimmt (, BFHE 209, 186, BStBl II 2005, 497; vom III R 43/11, BFH/NV 2013, 86). Die WZ ist damit zugleich maßgeblich für die Abgrenzung des verarbeitenden Gewerbes zu den sonstigen unternehmerischen Tätigkeiten, wie z.B. den Dienstleistungen und der Land- und Forstwirtschaft. Da die im Streitfall maßgebliche WZ 1993 mittlerweile von der WZ 2008 abgelöst wurde (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 des Investitionszulagengesetzes —InvZulG— 2010), haben höchstrichterliche Entscheidungen zur Abgrenzung der Wirtschaftszweige Forstwirtschaft und Holzgewerbe auf der Basis der WZ 1993 keine für die Zukunft richtungsweisende und damit keine grundsätzliche Bedeutung mehr.

6 bb) Die erste vom Kläger sinngemäß aufgeworfene Frage, ob ein Unternehmen auch dann als —nicht begünstigter— Betrieb der Forstwirtschaft eingeordnet werden kann, wenn der Betrieb nicht über Eigentum oder Besitz an Grund und Boden verfügt und er deshalb selbst kein Stammholz im Wege der Urproduktion erzeugt, kann sich im Anwendungsbereich der aktuell gültigen WZ 2008 nicht mehr stellen. Denn diese WZ bestimmt den Wirtschaftszweig der Forstwirtschaft mit seinen verschiedenen Unterklassen anders und, was die streitgegenständliche Abgrenzung angeht, so eindeutig, dass es an der Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage fehlt und eine höchstrichterliche Entscheidung nicht erforderlich ist: Die Forstwirtschaft umfasst nach der Unterklasse 02.40.0 der WZ 2008 auch die Ausübung eines Teils der forstwirtschaftlichen Tätigkeit im Lohnauftrag, z.B. den Transport von Stämmen im Wald, also das Holzrücken, als Erbringung von Dienstleistungen für die Holzgewinnung. Bereits diese Unterklasse macht deutlich, dass die investitionszulagenrechtliche Zuordnung eines Betriebs zur Forstwirtschaft nicht notwendigerweise voraussetzt, dass der Betrieb selbst Holz erzeugt. Dieser Befund findet seine Bestätigung auch darin, dass im Unterschied zur WZ 1993 in der WZ 2008 eine Unterklasse „Holzeinschlag” neu gebildet wurde, die unter anderem die Erzeugung von Stammholz für die Holzverarbeitung, aber auch die Erzeugung von Rohholz (z.B. Grubenholz, Zaunpfähle) und die Erzeugung von Holzkohle im Wald erfasst. Betriebe, die Holzkohle im traditionellen Verfahren im Wald erzeugen, gehören damit zum Wirtschaftszweig Forstwirtschaft und Holzeinschlag, auch wenn sie selbst keine Waldflächen bewirtschaften und durch den Verarbeitungsprozess an sich ein neues Produkt entsteht.

7 Der Wortlaut der einleitenden Worte zur Klasse 02 „Forstwirtschaft und Holzeinschlag” der WZ 2008 („Diese Abteilung umfasst die Erzeugung von Stammholz…. Hinzu kommt die Erzeugung bzw. Gewinnung geringfügig bearbeiteter Erzeugnisse wie Brennholz, Holzkohle oder Industrieholz ...”) kann entgegen der Auffassung des Klägers nicht dahin interpretiert werden, dass die Zuordnung zum Wirtschaftszweig Forstwirtschaft bei Einzeltätigkeiten, wie dem Holzeinschlag oder dem Holzrücken, stets kumulativ die Stammholzproduktion voraussetzen würde. Dem Kläger ist auch nicht darin zu folgen, dass der Wortlaut der entsprechenden Passage in der WZ 1993 in diesem Sinne eindeutig gewesen wäre.

8 cc) Soweit in der Beschwerdebegründungsschrift die weitere Rechtsfrage gestellt wird, „ob eine vom statistischen Landesamt nach der Klassifikation der Wirtschaftszweige vorgenommene Einordnung eines Unternehmens in den Bereich der Forstwirtschaft, die nach ständiger Rechtsprechung des BFH und den Anweisungen des BMF…von den Finanzämtern bei der Entscheidung über die Gewährung der Investitionszulage zu übernehmen ist, durch die Finanzämter dahingehend überprüft werden muss, ob dieses Unternehmen über Grund und Boden verfügt und seine wesentlichen Erträge aus der Bodenertragnutzung bezieht”, fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit. Zum einen ist geklärt, dass die Finanzämter und die Finanzgerichte an die Einordnungsentscheidung der Statistikbehörde nicht gebunden sind, sondern eine eigenständige Prüfung und Zuordnung vorzunehmen haben (BFH-Urteil in BFH/NV 2013, 86). Zum anderen kann, wie vorstehend bereits ausgeführt, ein Forstbetrieb im Sinne der Klassifikation der Wirtschaftszweige auch dann vorliegen, wenn er ohne Stammholzerzeugung lediglich forstwirtschaftliche Dienstleistungen im Lohnauftrag erbringt.

9 2. Die Revision ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO). Denn das Finanzgericht (FG) ist bei seiner Entscheidung nicht von Entscheidungen des BFH oder des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen. Eine Divergenz kann nur vorliegen, wenn dieselbe Rechtsfrage im Urteil des FG und in der vermeintlichen Divergenzentscheidung unterschiedlich beantwortet wurde (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 58). Vorliegend fehlt es an dieser Identität der Rechtsfrage.

10 Die in der Beschwerdeschrift aufgeführten angeblichen Divergenzentscheidungen betreffen die nähere Bestimmung des Begriffs der Forstwirtschaft im Ertragsteuer-, Kraftfahrzeugsteuer-, Bewertungs- und Bauplanungsrecht. Dort gelten andere Rechtsnormen und andere Wertungen als im Investitionszulagenrecht. So kommt es etwa für die ertragsteuerrechtliche Einkünftequalifikation im Wesentlichen auf die Abgrenzung der Forstwirtschaft vom Gewerbebetrieb an, z.B. bei Nebenbetrieben oder bei der Erbringung von Maschinenarbeiten für Dritte (§ 13 Abs. 2 Nr. 1, § 15 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes; vgl. Schmidt/Kulosa, EStG, 32. Aufl., § 13 Rz 46). Diese Rechtsfrage stellt sich im Investitionszulagenrecht nicht. Dort geht es nicht um die Einkünftequalifikation oder die Vermögensbewertung, sondern um die Festlegung des Kreises der durch die Gewährung einer Wirtschaftssubvention begünstigten Betriebe. Der dafür maßgebende Begriff des verarbeitenden Gewerbes (§ 2 Abs. 2 Satz 1 InvZulG 1999, § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 2010) wird durch die Heranziehung der WZ näher bestimmt. Deren Maßgeblichkeit ist nur im Investitionszulagenrecht gesetzlich angeordnet (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 InvZulG 2010; BFH-Urteil in BFH/NV 2013, 86, zur Rechtslage vor Inkrafttreten dieser Vorschrift).

11 3. Das FG hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des GrundgesetzesGG—, § 96 Abs. 2 FGO) nicht verletzt. Daher kommt die Revisionszulassung wegen eines Verfahrensfehlers nicht in Betracht (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

12 Das FG hat den schriftsätzlich und mündlich unterbreiteten Vortrag des Klägers, dass die Einordnung in den Bereich der Forstwirtschaft die Erzeugung von Stammholz voraussetze, nicht übergangen. Wie der Tatbestand und die Entscheidungsgründe des FG-Urteils zeigen, hat das FG das klägerische Vorbringen ersichtlich zur Kenntnis genommen, in Erwägung gezogen und gewürdigt. Es war nicht verpflichtet, sich mit allen Details der Argumentation in den Gründen seiner Entscheidung zu befassen, das wesentliche Parteivorbringen wurde dort verarbeitet (vgl. z.B. , BFH/NV 2008, 1361). Nichts anderes gilt für den angeblich übergangenen Vortrag zu den mit Hilfe des Harvesters im Einzelnen ausgeübten Tätigkeiten. Der Kläger macht mit seiner Gehörsrüge im Kern lediglich geltend, dass das FG, das die erste Holzverarbeitungsstufe (Holzeinschlag mit Entastung, Holzrücken) noch dem Wirtschaftszweig Forstwirtschaft zugeordnet hat, seiner davon abweichenden Argumentation nicht gefolgt sei. Art. 103 Abs. 1 GG gewährt einen darauf gerichteten Anspruch aber nicht (, BFH/NV 2012, 1093).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2013 S. 1633 Nr. 10
OAAAE-42437