Unterbringung in einer Entziehungsanstalt: Vorrang vor der Zurückstellung der Strafvollstreckung; Nachholung der Anordnung im Revisionsverfahren
Gesetze: § 64 StGB, § 358 Abs 2 S 3 StPO, § 35 BtMG
Instanzenzug: Az: 11 KLs 52/12
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung und wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt sowie eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis bestimmt. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
2Die auf die Sachrüge veranlasste Nachprüfung des Urteils hat zum Schuld-, Straf- und Maßregelausspruch nach § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
3Das Urteil hat indes keinen Bestand, soweit das Landgericht die Prüfung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) unterlassen hat, obwohl dies nach den Urteilsfeststellungen veranlasst war. Danach konsumierte der Angeklagte, der schon früher Marihuana und Speed zu sich genommen hatte, im Zeitraum vor der verfahrensgegenständlichen Tat täglich ungefähr 1,5 g Kokain sowie zwei Joints am Abend. Er beging die mit zwei Mittätern ausgeführte Tat - durch Drohung mit einer (ungeladenen) Schusswaffe erzwungene Herausgabe von zuvor bestellten 1,5 kg Marihuana -, um mit dem auf ihn entfallenden Beuteanteil Schulden, die vornehmlich aus Betäubungsmittelgeschäften herrührten, zu tilgen.
4Dies legt nahe, dass die Tat auf einen Hang des Angeklagten zum übermäßigen Konsum von berauschenden Mitteln zurückzuführen ist. Das Landgericht hätte daher prüfen müssen, ob die (weiteren) Voraussetzungen für die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gegeben sind. Der Annahme eines symptomatischen Zusammenhangs steht insbesondere nicht von vornherein entgegen, dass die erlangten Betäubungsmittel nicht unmittelbar dem Eigenkonsum dienen, sondern mit dem Erlös aus deren Verkauf Schulden aus dem eigenen Drogenkonsum zurückgeführt werden sollten (vgl. , StV 2008, 405, 406).
5Die angezeigte Prüfung war auch nicht dadurch entbehrlich, dass das Landgericht bereits im Urteil seine Zustimmung gemäß § 35 BtMG erklärt hat. Denn die Unterbringung nach § 64 StGB geht - auch nach dessen Neufassung - der Zurückstellung der Strafvollstreckung vor (BGH aaO; , NStZ-RR 2012, 314).
6Über die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt muss deshalb - unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) - neu verhandelt und entschieden werden. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (, BGHSt 37, 5). Der Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch den Tatrichter auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (, BGHSt 38, 362).
7Der aufgezeigte Rechtsfehler lässt den Strafausspruch unberührt. Der Senat kann ausschließen, dass das Landgericht bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt eine mildere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte.
Becker Pfister Hubert
Schäfer Spaniol
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Fundstelle(n):
YAAAE-41949