BAG Urteil v. - 6 AZR 675/11

Kein Anspruch auf hälftige Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung bei Pflichtversicherung - TV UmBw

Gesetze: § 2 Abs 1 Nr 1 KVLG, § 3 Abs 2 Nr 1 KVLG, § 1 TVG, § 7 Abs 1 S 1 SGB 4, § 5 Abs 1 Nr 1 SGB 5, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB 11

Instanzenzug: ArbG Heilbronn Az: 1 Ca 232/10 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Az: 14 Sa 11/11 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte die Hälfte der Beiträge des Klägers zur Kranken- und Pflegeversicherung der Landwirte zu tragen hat.

2Die Beklagte beschäftigte den Kläger als Facharbeiter in Entgeltgruppe 6 TVöD am Bundeswehrstandort Niederstetten. Der Kläger übt seit 1974 eine von der Beklagten genehmigte Nebentätigkeit als Landwirt aus.

3Am trafen die Parteien zum eine Ruhensregelung iSv. § 11 Abs. 1 Satz 1 des Tarifvertrags über sozialverträgliche Begleitmaßnahmen im Zusammenhang mit der Umgestaltung der Bundeswehr vom (TV UmBw) idF des Änderungstarifvertrags Nr. 1 vom . Die Beklagte gewährt dem Kläger unter Verzicht auf die Arbeitsleistung eine Ausgleichszahlung auf der Grundlage des um 28 vH verminderten Einkommens.

4In § 11 TV UmBw in der bis geltenden, insoweit wortgleichen Fassung der Änderungstarifverträge Nr. 1 vom und Nr. 2 vom heißt es auszugsweise (TV UmBw aF):

5Während seiner aktiven Beschäftigung war der Kläger in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung bei der AOK Baden-Württemberg pflichtversichert. Mit Rücksicht auf die Subsidiarität der Versicherungspflicht nach dem Zweiten Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG 1989) informierte die Landwirtschaftliche Sozialversicherung Baden-Württemberg (LSV) den Kläger mit Schreiben vom darüber, dass die Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung der Landwirte bestehe, sobald die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V bei der AOK Baden-Württemberg ende. Der Kläger bewirtschafte einen landwirtschaftlichen Betrieb, der die Mindestgröße übersteige, die von der Landwirtschaftlichen Alterskasse Baden-Württemberg festgesetzt worden sei. Die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung der Landwirte sind nach Beitragsklassen gestaffelt (§ 40 Abs. 1 KVLG 1989) und grundsätzlich von den versicherungspflichtigen oder freiwilligen Mitgliedern allein zu tragen.

6Mit Bescheid vom stellte die LSV ab die Versicherungspflicht des Klägers als landwirtschaftlicher Unternehmer in der Landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegeversicherung Baden-Württemberg (LKK BW) fest. Der Kläger entrichtet seine Beiträge an die LKK BW. Der Berechnung der Beiträge liegt nach der Satzung der LKK BW ein berichtigter Flächenwert zugrunde.

7In der Zeit vom bis leistete die Beklagte die Hälfte der Versicherungsbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung bei der LKK BW an den Kläger. Nachdem die Beklagte den Kläger Anfang 2007 darüber informiert hatte, dass keine Verpflichtung zur Zahlung der Hälfte der Beiträge zur LSV bestehe, stellte sie die Zahlungen ab April 2007 ein. Der Kläger widersprach dem mit Schreiben vom .

8Der Kläger verlangt mit seiner Klage die Hälfte der im Zeitraum von April 2007 bis Juni 2010 gezahlten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge und will die Leistungspflicht der Beklagten festgestellt wissen. Er hat gemeint, die Verpflichtung der Beklagten aus § 11 Abs. 4 Buchst. a TV UmBw aF, die Hälfte der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu tragen, sei nicht auf eine freiwillige Versicherung beschränkt. Die Tarifvertragsparteien hätten die Situation von Nebenerwerbslandwirten nicht bedacht. Hätten sie sich über deren Lage Gedanken gemacht, hätten sie eine Regelung getroffen, wonach der Arbeitgeber die Beiträge zu einer ggf. bestehenden anderen Pflichtversicherung anteilig zu tragen habe.

9Der Kläger hat zuletzt beantragt,

10Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, Zusammenhang und Zweck des § 11 Abs. 3 und 4 TV UmBw aF stünden der erstrebten Leistung entgegen. Die Tarifvertragsparteien seien davon ausgegangen, dass mit einer Ruhensregelung die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung ende. Deshalb hätten sie es dem Arbeitnehmer auferlegt, sich freiwillig zu versichern. Den Arbeitgeber hätten sie im Gegenzug dazu verpflichtet, die Hälfte der Beiträge zu tragen. Der Kläger könne jedoch keine Versicherung auf freiwilliger Basis begründen, weil eine anderweitige Pflichtversicherung bestehe. § 11 Abs. 4 TV UmBw aF sei keine Grundlage für eine Beteiligung der Beklagten an diesen Beiträgen. Wegen der rechtlichen Unmöglichkeit, sich freiwillig zu versichern, entfalle nach § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB auch der Anspruch auf die Beiträge.

11Die tariflichen Bestimmungen zu der Verpflichtung des Beschäftigten, sich während der Zeit der Ruhensregelung freiwillig in der Kranken- und Pflegeversicherung zu versichern, und zu der Pflicht des Arbeitgebers, die Hälfte der Beiträge zu tragen, wurden durch den Änderungstarifvertrag Nr. 3 zum TV UmBw vom mit Wirkung vom aufgehoben. In § 11 Abs. 3 und 4 TV UmBw sind nun andere Tatbestände geregelt.

12Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision will der Kläger das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt wissen.

Gründe

13A. Die Revision ist unbegründet. Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

14I. Die Klage ist zulässig.

151. Der Senat hat nach § 17a Abs. 5 GVG, § 73 Abs. 2, § 65 ArbGG nicht zu prüfen, ob der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen zulässig ist. Die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs ist in erster Instanz nicht gerügt worden (vgl.  - zu I der Gründe, BAGE 104, 289; - 3 AZR 349/00 - zu A der Gründe). Unabhängig davon handelt es sich hier um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit, für die die Gerichte für Arbeitssachen nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a ArbGG zuständig sind. Die Parteien streiten nicht über einen Arbeitgeberzuschuss zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung auf der Grundlage von § 257 SGB V und § 61 SGB XI, wofür der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht eröffnet wäre (vgl.  - Rn. 6; - 5 AZB 34/98 - zu II der Gründe). Der Kläger stützt die geltend gemachten Ansprüche nicht auf eine gesetzliche Grundlage der Sozialversicherung nach dem SGB V, dem SGB XI oder dem KVLG 1989, sondern allein auf die Bestimmungen des TV UmBw. In diesem Fall handelt es sich - wie bei einem Anspruch, der auf eine einzelvertragliche Vereinbarung gestützt wird - nicht um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, für die die Sozialgerichtsbarkeit zuständig wäre, sondern um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber iSv. § 2 Abs. 1 ArbGG (vgl.  GmS-OGB 2/73 - BSGE 37, 292).

162. Der Feststellungsantrag, der sich mit dem Leistungsantrag zeitlich nicht überschneidet, ist nach gebotener Auslegung zulässig. Die Erfordernisse des § 256 Abs. 1 ZPO sind gewahrt.

17a) Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO ist jedes durch die Herrschaft einer Rechtsnorm über einen konkreten Sachverhalt entstandene rechtliche Verhältnis einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache. Die Feststellungsklage kann sich als sog. Elementenfeststellungsklage auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (vgl. für die st. Rspr.  - Rn. 11; - 6 AZR 703/10 - Rn. 22).

18b) Dem Kläger kommt das notwendige Feststellungsinteresse zu. Der angestrebte feststellende Ausspruch ist trotz seiner lediglich feststellenden und einer Vollstreckung nicht zugänglichen Wirkung geeignet, den Streit der Parteien über tarifliche Ansprüche auf Beitragszuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung des Klägers beizulegen und weitere Prozesse zwischen ihnen zu vermeiden.

19aa) Der Feststellungsantrag ist dahin auszulegen, dass er nur die bei der LKK BW bestehende Pflichtversicherung erfasst. Mit ihm soll nicht unbegrenzt eine Pflicht der Beklagten, die Hälfte der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu leisten, festgestellt werden. Gemeint ist der Zeitraum während des Bestands eines Arbeitsverhältnisses, begrenzt auf die Zeit der Ruhensregelung, solange der Kläger nicht „reaktiviert“ wird.

20bb) Der von § 256 Abs. 1 ZPO verlangte Gegenwartsbezug des Rechtsverhältnisses wird dadurch hergestellt, dass der Kläger die Erfüllung konkreter, auf Beitragszuschüsse gerichteter Ansprüche aus einem teilweise in der Vergangenheit liegenden Zeitraum und damit gegenwärtige rechtliche Vorteile erstrebt (vgl. zB  - Rn. 13 mwN).

21cc) Der Kläger war auch nicht gehalten, ausschließlich Leistungsanträge zu stellen. Mit der erstrebten feststellenden Entscheidung wird die Streitfrage der Leistungspflicht zukunftsbezogen dem Streit der Parteien entzogen. Das rechtfertigt die Annahme eines rechtlichen Interesses. Dafür sprechen ua. prozessökonomische Gründe. Der Kläger war deswegen nicht gehalten, weitere objektiv gehäufte Leistungsklagen zu erheben (vgl. nur  - Rn. 25 mwN).

22II. Die Klage ist sowohl im Leistungs- als auch im Feststellungsantrag unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Kläger von der Beklagten nicht verlangen kann, an ihn die Hälfte der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung der Landwirte in der LKK BW zu leisten.

231. In § 11 Abs. 3 und 4 TV UmBw aF waren Regelungen getroffen, die von der Vorstellung der Tarifvertragsparteien getragen waren, im Fall der Vereinbarung einer Ruhensregelung nach § 11 Abs. 1 TV UmBw aF entfalle das Beschäftigungsverhältnis im beitragsrechtlichen Sinn mit Beginn des Ruhenszeitraums. Aus Sicht der Tarifvertragsparteien hatte das zur Folge, dass eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V und § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI nicht mehr bestand (vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese BAT Stand Januar 2005 Teil VI Begleitmaßnahmen Umgestaltung Bundeswehr Erl. 13.1 S. 374.119). Diese Auffassung traf nicht zu.

24a) Nach der zwischen dem Begriff der Beschäftigung im leistungsrechtlichen und im beitragsrechtlichen Sinn „funktionsdifferenzierten“ Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt eine Beschäftigung im beitragsrechtlichen Sinn nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV keine tatsächliche Arbeitsleistung voraus (vgl.  - Rn. 38). Um den ausreichenden Vollzug eines Rechtsverhältnisses, das abhängige Arbeit zum Gegenstand hat, handelt es sich auch dann, wenn der Dienstverpflichtete bei fortbestehender rechtlicher Beziehung aufgrund gesetzlicher Anordnung oder durch eine besondere vertragliche Abrede von seiner Leistungspflicht befreit wird. Damit wird gewährleistet, dass ausreichender öffentlich-rechtlicher Versicherungsschutz besteht. Soweit die Versicherungspflicht - wie in § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V und § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI - darüber hinaus Entgeltlichkeit erfordert, kann dieser Voraussetzung auch dadurch genügt werden, dass sich ein Anspruch auf Arbeitsentgelt aus einer entsprechenden vertraglichen Regelung oder - entgegen den allgemeinen schuldrechtlichen Bestimmungen der § 275 Abs. 4, § 326 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BGB - aufgrund spezialgesetzlicher Anordnung ergibt (vgl.  - Rn. 17, BSGE 101, 273; - B 12 KR 22/07 R - Rn. 14). Ein Beschäftigungsverhältnis besteht daher zB auch während der Freistellung von der Arbeit zur berufsintegrierten Ausbildung oder zum Studium, wenn die Vergütung fortgezahlt wird (vgl.  - Rn. 14 ff.). Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer nach einer Kündigung einvernehmlich, unwiderruflich und unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeitspflicht freigestellt wird (vgl.  - Rn. 14 ff.). Ein Beschäftigungsverhältnis besteht ferner, wenn der Arbeitnehmer inhaftiert wird, die Arbeitsvertragsparteien aber am Arbeitsvertrag festhalten und das vereinbarte Arbeitsentgelt weitergezahlt wird (vgl.  - BSGE 68, 236). Die Bewertung, ob das Beschäftigungsverhältnis fortdauert, ist im Wesentlichen anhand des Bestands des Rechtsverhältnisses, im Arbeitsrecht also des Arbeitsverhältnisses zu treffen (vgl. KSW/Berchtold 2. Aufl. § 7 SGB IV Rn. 30).

25b) Bei der Umsetzung einer Ruhensregelung iSv. § 11 Abs. 1 Satz 1 TV UmBw aF endet die Versicherungspflicht des Arbeitnehmers in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V und § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI demnach grundsätzlich nicht (vgl. Weiß TV UmBw Kurzkommentar für die Praxis S. 58). Das Arbeitsverhältnis bleibt bestehen, zumal die Arbeitspflicht wieder aufleben kann, wenn der Arbeitnehmer iSv. § 11 Abs. 9 Buchst. c TV UmBw „reaktiviert“ wird. Aufgrund der Ausgleichszahlung, dh. der Zahlung eines verminderten Einkommens, handelt es sich auch um eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt iSv. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI. Arbeitsentgelt sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung. Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden (§ 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV).

262. Die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung endete deshalb nicht. Der Kläger und die Beklagte haben nach § 249 Abs. 1 Satz 1 SGB V und § 58 Abs. 1 Satz 1 SGB XI aus dem Arbeitsentgelt grundsätzlich die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu tragen. Allerdings räumen die Sozialversicherungsträger infolge einer gemeinsamen Besprechung ihrer Spitzenorganisationen Freistellungen, die bereits vor dem erfolgt sind, „Bestandsschutz“ ein, wenn weder der Arbeitnehmer noch der Arbeitgeber eine Änderung der versicherungsrechtlichen Bewertung verlangen. Das hat zur Folge, dass von den Sozialversicherungsträgern für diese Fälle trotz des grundsätzlich fortbestehenden Beschäftigungsverhältnisses im beitragsrechtlichen Sinn unterstellt wird, dass kein Beschäftigungsverhältnis besteht (vgl. die Rundschreiben 2009/596 vom und 2010/63 vom des GKV-Spitzenverbands). Der Senat hat nicht zu beurteilen, ob dieses Vorgehen rechtmäßig ist.

273. Auch wenn zugunsten des Klägers angenommen wird, mit Beginn des Ruhenszeitraums am habe sein Beschäftigungsverhältnis im beitragsrechtlichen Sinn geendet, kann er auf der Grundlage von § 11 Abs. 4 Buchst. a TV UmBw aF nicht beanspruchen, dass die Beklagte an ihn die Hälfte seiner Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung leistet.

28a) Das Landesarbeitsgericht hat keine Rechtstatsachen dazu festgestellt, aus welchem Rechtsgrund der TV UmBw für das Arbeitsverhältnis gelten soll. Zugunsten des Klägers kann jedoch unterstellt werden, dass der TV UmBw auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden ist und sein Geltungsbereich eröffnet ist, weil der Arbeitsplatz des Klägers iSv. § 1 Abs. 1 TV UmBw aF weggefallen ist.

29b) Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Buchst. a und b TV UmBw aF ist der Arbeitnehmer verpflichtet, sich während der Ruhensregelung freiwillig in der Kranken- und Pflegeversicherung zu versichern. § 11 Abs. 4 Buchst. a TV UmBw aF verpflichtet den Arbeitgeber, auf der Basis der Ausgleichszahlung die Hälfte der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu tragen; die Regelungen in § 257 SGB V und § 61 SGB XI gelten sinngemäß. Der Kläger ist nicht freiwillig kranken- und pflegeversichert, sondern in der LKK BW pflichtversichert. Auf die an sie zu entrichtenden Beiträge ist § 11 Abs. 4 Buchst. a TV UmBw aF nicht anzuwenden. Das ergibt die Auslegung der Tarifnorm.

30aa) Der Kläger konnte sich mit Beginn des Ruhenszeitraums nicht freiwillig in der Kranken- und Pflegeversicherung versichern. Er ist seit als landwirtschaftlicher Unternehmer, dessen Unternehmen auf Bodenbewirtschaftung beruht und die Mindestgröße des § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVLG 1989 erreicht, nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 2 Nr. 1 KVLG 1989 in der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegeversicherung versicherungspflichtig. Die Landwirtschaftliche Sozialversicherung Baden-Württemberg stellte die Versicherungspflicht mit bestandskräftigem Bescheid vom gegenüber dem Kläger fest. Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit dieses Verwaltungsakts (§ 40 SGB X) bestehen nicht. Mit dem Wegfall der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V) endete der Vorrang dieser Pflichtversicherung gegenüber der Versicherungspflicht nach dem KVLG 1989 (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 KVLG 1989). Die damit bestehende Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung löste auch die Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Pflegeversicherung aus (§ 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB XI). Die Beiträge zur landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegeversicherung hat der versicherungspflichtige Kläger nach § 47 Abs. 1 KVLG 1989 allein zu tragen. Nach § 49 KVLG 1989 sind die Beiträge, soweit gesetzlich nichts Abweichendes bestimmt ist, von demjenigen zu zahlen, der sie zu tragen hat. Die Alleintragungspflicht des Pflegeversicherungsbeitrags, der als Zuschlag zum Krankenversicherungsbeitrag erhoben wird (§ 57 Abs. 3 SGB XI), ist gesetzlich nicht ausdrücklich angeordnet. Es kommt aber kein anderer als der landwirtschaftliche Unternehmer selbst in Betracht (vgl. KassKomm/Peters Stand August 2012 § 59 SGB XI Rn. 8). Soweit gesetzlich nichts Abweichendes bestimmt ist, sind auch diese Beiträge von demjenigen zu zahlen, der sie zu tragen hat (§ 60 Abs. 1 Satz 1 SGB XI).

31bb) Entgegen der Auffassung des Klägers verpflichtet § 11 Abs. 4 Buchst. a TV UmBw aF die Beklagte nicht, die Hälfte der Pflichtversicherungsbeiträge zur landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu tragen. Vielmehr erfasst § 11 Abs. 4 Buchst. a TV UmBw aF nur freiwillige Versicherungen iSv. § 11 Abs. 3 Satz 1 Buchst. a und b TV UmBw aF, die eine sonst auftretende Versicherungslücke des Arbeitnehmers schließen.

32(1) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass weder aus dem Wortlaut noch aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang eine Verpflichtung der Beklagten abgeleitet werden kann, sich an Pflichtversicherungsbeiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung in der Landwirtschaftlichen Sozialversicherung Baden-Württemberg zu beteiligen.

33(a) Nach § 11 Abs. 4 Buchst. a TV UmBw aF ist der Arbeitgeber „auf der Basis der Ausgleichszahlung“ verpflichtet, die Hälfte der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zu tragen. Die Ausgleichszahlung wird nach § 11 Abs. 2 Satz 1 TV UmBw aF als vermindertes Einkommen geleistet. Bereits dieser Wortlaut schließt es in seinem Regelungszusammenhang aus, dass sich die Beklagte an dem aus dem korrigierten Flächenwert des landwirtschaftlichen Betriebs des Klägers errechneten Versicherungsbeitrag zu beteiligen hätte.

34(b) § 11 Abs. 4 Buchst. a TV UmBw aF spricht zwar nicht von Beiträgen zu einer „freiwilligen“ Kranken- und Pflegeversicherung. Aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang folgt aber, dass nur Beiträge aus einer freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung iSv. § 11 Abs. 3 Satz 1 TV UmBw aF die Pflicht des Arbeitgebers auslösen, die Beiträge zur Hälfte zu tragen.

35(aa) Durch § 11 Abs. 3 Satz 1 Buchst. a und b TV UmBw aF wird der Arbeitnehmer verpflichtet, sich während der Ruhensregelung freiwillig in der Kranken- und Pflegeversicherung zu versichern. An diese Verpflichtung knüpft die im folgenden Absatz begründete Pflicht des Arbeitgebers an, die Hälfte der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu tragen. § 11 Abs. 4 Buchst. a TV UmBw aF begründet damit nicht unabhängig von den Pflichten des Arbeitnehmers aus § 11 Abs. 3 Satz 1 TV UmBw aF die Pflicht des Arbeitgebers, die Hälfte der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge des Arbeitnehmers während des Ruhenszeitraums zu tragen. Die Bestimmung beruht - wie § 11 Abs. 3 Satz 1 TV UmBw aF - auf der Annahme der Tarifvertragsparteien, wegen der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses sei ein von Arbeitnehmer und Arbeitgeber finanzierter Versicherungsschutz - wie bei bestehender Versicherungspflicht - zu gewährleisten. § 11 Abs. 4 Buchst. a TV UmBw aF erfasst daher lediglich solche Beiträge, die sich aus einer nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Buchst. a und b TV UmBw aF abgeschlossenen freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung ergeben. Nur sie treten an die Stelle der Versicherungsbeiträge einer sonst bestehenden Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V und § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI.

36(bb) Das wird auch dadurch bestätigt, dass § 11 Abs. 4 Buchst. a Halbs. 2 TV UmBw aF die sinngemäße Geltung von § 257 SGB V und § 61 SGB XI anordnet. § 257 SGB V und - ihm nachgebildet - § 61 SGB XI regeln Beitragszuschüsse zur freiwilligen gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung mit dem Ziel, eine wirtschaftliche Gleichbehandlung mit pflichtversicherten Beschäftigten zu erreichen (vgl. zu § 257 SGB V  - zu II 1 a der Gründe, BAGE 104, 289;  -; zu § 61 SGB XI KassKomm/Peters Stand April 2009 § 61 SGB XI Rn. 2). Die Tarifvertragsparteien nahmen an, dass trotz des fortdauernden Arbeitsverhältnisses und des Ausgleichsbetrags kein Beschäftigungsverhältnis im beitragsrechtlichen Sinn bestehe. Nach dieser Sichtweise fehlte auch die Voraussetzung für Beitragszuschüsse nach § 257 SGB V. Die Tarifvertragsparteien bestimmten deshalb, dass § 257 SGB V und § 61 SGB XI, die einem entsprechenden Zweck dienen, für die nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Buchst. a und b TV UmBw aF abzuschließenden freiwilligen Versicherungen sinngemäß galten.

37(2) Auch die systematische Stellung von § 11 Abs. 4 Buchst. a TV UmBw aF spricht für die Pflicht des Arbeitgebers, nur bei einer freiwilligen Versicherung iSv. § 11 Abs. 3 Satz 1 TV UmBw aF die Hälfte der Beiträge zu tragen. § 11 Abs. 4 Buchst. a TV UmBw aF knüpft unmittelbar an die in § 11 Abs. 3 Satz 1 Buchst. a und b TV UmBw aF geregelte Verpflichtung des Arbeitnehmers an, sich freiwillig in der Kranken- und Pflegeversicherung zu versichern.

38(3) Dieses Auslegungsergebnis wird durch den Zweck der Regelungen in § 11 Abs. 3 Satz 1 Buchst. a und b, Abs. 4 Buchst. a TV UmBw aF gestützt. Die soziale Absicherung der Risiken Krankheit und Pflegebedürftigkeit sowie die Pflichten des Arbeitgebers, für die Absicherung der Risiken des Arbeitnehmers Beiträge zur Sozialversicherung zu leisten, sind gesetzlich geregelt. Die Tarifvertragsparteien gingen jedoch davon aus, die gesetzlichen Regelungen seien lückenhaft, wenn der Arbeitnehmer - wie im Fall einer Ruhensregelung iSv. § 11 Abs. 1 Satz 1 TV UmBw aF - von seiner Arbeitspflicht freigestellt werde. Sie waren der Ansicht, den Arbeitnehmern und ggf. auch ihren Angehörigen fehle dann der Versicherungsschutz in der Kranken- und Pflegeversicherung. Den Arbeitnehmern, die unter die Härtefallregelung des § 11 TV UmBw aF fielen, sollte durch die Pflicht zur freiwilligen Versicherung und die hälftige Beitragspflicht des Arbeitgebers ausreichender Kranken- und Pflegeversicherungsschutz verschafft werden, obwohl sie nach der Vorstellung der Tarifvertragsparteien nicht versicherungspflichtig waren (vgl. zu § 257 SGB V  - zu II 1 a der Gründe, BAGE 104, 289). War der Arbeitnehmer dagegen schon aufgrund bestehender gesetzlicher Vorschriften - wie der Kläger nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 2 Nr. 1 KVLG 1989 - pflichtversichert, brauchte kein Versicherungsschutz verschafft zu werden. Eine Beteiligung des Arbeitgebers an den Versicherungsbeiträgen zu den bereits bestehenden Pflichtversicherungen entsprach deswegen nicht Sinn und Zweck des § 11 Abs. 4 Buchst. a TV UmBw aF.

39(4) Schließlich spricht auch die tarifliche Entwicklung dafür, dass nur eine freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung die Pflicht des Arbeitgebers nach § 11 Abs. 4 Buchst. a TV UmBw aF auslöste, die Hälfte der Beiträge zu tragen. Nach den beiden Entscheidungen des - B 12 KR 27/07 R - BSGE 101, 273; - B 12 KR 22/07 R -) gaben die Sozialversicherungsträger ihre Auffassung auf, das Beschäftigungsverhältnis im beitragsrechtlichen Sinn ende bei Freistellungen im bestehenden Arbeitsverhältnis. Die früheren Regelungen in § 11 Abs. 3 und 4 TV UmBw aF wurden damit überflüssig, weil die von den Tarifvertragsparteien angenommene Versicherungslücke nicht mehr bestand. Der geänderten Ansicht der Sozialversicherungsträger trugen die Tarifvertragsparteien mit dem Änderungstarifvertrag Nr. 3 zum TV UmBw vom Rechnung. Durch ihn wurde § 11 TV UmBw ua. in seinen Absätzen 3 und 4 zum neu gefasst.

40c) Die Regelung in § 11 Abs. 4 Buchst. a TV UmBw aF war demnach nicht unbewusst lückenhaft. Gerade die Änderung der Regelungen in § 11 Abs. 3 und 4 TV UmBw aF mit Wirkung vom zeigt, dass nur freiwillige Versicherungen iSv. § 11 Abs. 3 Satz 1 Buchst. a und b TV UmBw aF von § 11 Abs. 4 Buchst. a TV UmBw aF erfasst sein sollten.

41B. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

Fundstelle(n):
DAAAE-41434