Strafverfahren wegen schweren Raubes und gefährlicher Körperverletzung: Voraussetzungen der schweren körperlichen Misshandlung; Verantwortlichkeit eines Hinzutretenden für abgeschlossenes Geschehen
Gesetze: § 25 Abs 2 StGB, § 52 StGB, § 53 StGB, § 224 Abs 1 Nr 2 StGB, § 250 Abs 2 Nr 3 Buchst a StGB
Instanzenzug: LG Frankfurt Az: 5-27 KLs 16/12
Gründe
1Das Landgericht hat die Angeklagten B. und A. sowie die nichtrevidierenden Mitangeklagten El B. und El J. des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen; deswegen hat es die Angeklagten B. und A. jeweils zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und die Mitangeklagten El B. und El J. jeweils zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt.
2Die jeweils auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten erweisen sich zum Schuldspruch als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO, führen aber zu der - gemäß § 357 StPO auch auf die Mitangeklagten zu erstreckenden - Aufhebung des Strafausspruchs.
31. Nach den Feststellungen beschlossen die Mitangeklagten El B. und El J. , den an einem Rauschgiftkauf interessierten Nebenkläger "abzurippen", um an sein Bargeld zu gelangen. Die Angeklagten B. und A. erklärten sich bereit, bei dem Scheingeschäft mitzumachen. Alle vier verabredeten, dass die Scheinabwicklung des Drogengeschäfts in einer Grünanlage erfolgen sollte. Die Angeklagten B. und A. sollten sich dabei im Hintergrund verborgen halten, um gegebenenfalls eingreifen zu können, falls das Geschäft nicht erwartungsgemäß ablaufe und man dem Kaufinteressenten sein Geld mit Gewalt abnehmen müsse. Nachdem der Nebenkläger gegen 23.00 Uhr zum ursprünglich vereinbarten Treffpunkt gekommen war, wurde er von den Mitangeklagten unter dem Vorwand, dass man das Geschäft nicht auf der Straße abwickeln wolle, in einen Park gelockt. Als der Nebenkläger dort sein Geld erst nach Sichtung der Ware hergeben wollte, rief einer der beiden Mitangeklagten die beiden im Gebüsch verborgenen Angeklagten herbei. Der Angeklagte A. stürmte mit Gebrüll aus dem Gebüsch, wobei er sich mit einem dort gefundenen Ast bewaffnet hatte. Der Versuch des Nebenklägers, noch die Flucht zu ergreifen, blieb erfolglos. Der Angeklagte A. erreichte den Nebenkläger als erster und hieb ihm den Ast mit solcher Wucht gegen die Wade, dass der Nebenkläger zu Boden ging und eine 2 cm tiefe Platzwunde erlitt. Am Boden schlugen mehrere der vier Angreifer auf ihn ein, bis es dem Mitangeklagten El B. schließlich gelang, dem Nebenkläger aus dessen Tasche 1.700 € zu entreißen.
42. Der Strafausspruch des angefochtenen Urteils hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
5a) Die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten hätten bei Begehung des Raubes zusätzlich zu dem Qualifikationsmerkmal des § 250 Abs. 2 Nr. 1 2. Var. StGB auch jenes einer schweren körperlichen Misshandlung (§ 250 Abs. 2 Nr. 3a StGB) verwirklicht, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss zur Erfüllung dieses Merkmals die körperliche Integrität des Opfers schwer, das heißt mit erheblichen Folgen für die Gesundheit oder in einer Weise beeinträchtigt sein, die mit erheblichen Schmerzen verbunden ist. Es genügen dabei heftige und mit Schmerzen verbundene Schläge (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 216/98, NStZ 1998, 461; vom - 1 StR 151/06, und vom - 3 StR 1/07, NStZ-RR 2007, 175). Diese Voraussetzungen hat das Landgericht allerdings in Bezug auf den von dem Angeklagten A. geführten Stockhieb gegen das Bein des Nebenklägers und die folgenden Schläge nicht festgestellt; hinsichtlich des schwerwiegenden von dem Nebenkläger bei dem Überfall weiter erlittenen Messerstichs hat das Landgericht keinen der vier Angreifer als Täter feststellen können und diese Verletzungshandlung dementsprechend keinem der Angeklagten bzw. Mitangeklagten zugerechnet.
6b) Rechtsfehlerhaft hat das Landgericht zudem den vom Angeklagten A. geführten Stockhieb dem Angeklagten B. und den Mitangeklagten El B. und El J. auch hinsichtlich der tateinheitlich begangenen gemeinschaftlichen Körperverletzung zugerechnet und hinsichtlich aller Angeklagten neben den Qualifikationsmerkmalen des § 224 Abs. 1 Nr. 3 und 4 StGB auch das Merkmal des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB als verwirklicht angesehen. Ein gemeinsamer Tatplan, der den Einsatz einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeugs vorsah, bestand nach den Feststellungen jedoch nicht. Da die durch das Zuschlagen mit dem Ast durch den Angeklagten A. verwirklichte qualifizierte Körperverletzung schon abgeschlossen war, als der Angeklagte B. und die Mitangeklagten begannen, auf den Nebenkläger einzuschlagen, lässt sich eine strafrechtliche Zurechnung des Stockhiebs auch nicht mit der vom Landgericht angeführten Erwägung begründen, dass alle Täter die hierdurch geschaffene Situation gemeinschaftlich ausnutzten. Für die Annahme sukzessiver Mittäterschaft des Angeklagten B. und der beiden Mitangeklagten ist in Bezug auf den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung - anders als im Hinblick auf den zugleich erfüllten Tatbestand des besonders schweren Raubes gemäß § 250 Abs. 2 Nr. 1 2. Var. StGB - kein Raum. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zieht bei einem Geschehen, welches schon vollständig abgeschlossen ist, das Einverständnis des später Hinzutretenden trotz Kenntnis, Billigung oder Ausnutzung der durch den anderen Mittäter geschaffenen Lage eine strafbare Verantwortung für das bereits abgeschlossene Geschehen nicht nach sich (, BGHSt 2, 344, 346; Senat, Beschlüsse vom - 2 StR 606/93, NStZ 1994, 123, und vom - 2 StR 28/97, NStZ 1997, 272; , NStZ 2008, 280). Das gilt auch, wenn - wie hier - eine Tatbestandsvariante vorliegt, die vom Mittäter vor Hinzutritt der weiteren Tatbeteiligten vollständig erfüllt worden ist (vgl. Senat, Beschluss vom , aaO). Insofern handelte es sich bei dem Stockhieb des Angeklagten A. um einen Mittäterexzess.
73. Diese Rechtsfehler berühren zwar den Schuldspruch wegen der rechtlich zutreffend angenommenen Verwirklichung der weiteren Tatbestandsalternativen des § 250 Abs. 2 StGB bzw. des § 224 Abs. 1 StGB nicht. Jedoch ist das Landgericht bei der Strafzumessung von einem zu großen Schuldumfang ausgegangen, indem es zu Lasten aller Angeklagten ausdrücklich berücksichtigt hat, dass durch die Tat mehrere Strafgesetze verletzt und dort jeweils mehrere Qualifikationsmerkmale verwirklicht worden seien. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Beurteilung mildere Freiheitsstrafen verhängt hätte. Gemäß § 357 Satz 1 StPO ist die Aufhebung des Strafausspruchs auch auf die als Mittäter verurteilten nicht revidierenden Mitangeklagten El B. und El J. zu erstrecken.
84. Die dem Strafausspruch zugrunde liegenden Feststellungen werden von den aufgezeigten Rechtsfehlern nicht berührt; sie können deshalb bestehen bleiben. Das neue Tatgericht ist nicht gehindert, ergänzende Feststellungen zu treffen, die den bisherigen nicht widersprechen.
Fischer Appl Schmitt
Berger Ott
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Fundstelle(n):
FAAAE-39476