BGH Beschluss v. - VII ZR 63/11

Baumängelgewährleistung im VOB-Vertrag: Ende der Verjährungshemmung bei Nichtabnahme von Mängelbeseitigungsarbeiten

Gesetze: § 203 BGB, § 13 Nr 5 Abs 1 S 2 VOB B 2000, § 13 Nr 5 Abs 1 S 3 VOB B 2000, § 139 ZPO, § 544 Abs 7 ZPO, Art 103 Abs 1 GG

Instanzenzug: Az: 1 U 92/10vorgehend LG Erfurt Az: 9 O 2071/05

Gründe

I.

1Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen mangelhafter Errichtung von sog. "Tausalzsilos" in Anspruch. Die Beklagte verteidigt sich dagegen insbesondere mit der Einrede der Verjährung.

2Die Klägerin erteilte der Beklagten mit Schreiben vom - unter Einbeziehung der VOB/B 2000 (im Folgenden nur: VOB/B) - den Auftrag zur Errichtung von sechs Tausalzsilos. Am erfolgte die Abnahme der Werkleistungen.

3Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben und eine Verjährung des Anspruchs auf Ersatz der Mängelbeseitigungskosten verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt, die zweijährige Verjährungsfrist sei mit Zugang der schriftlichen Mängelanzeige der Klägerin vom gemäß § 13 Nr. 5 Abs. 1 Satz 2 VOB/B in Gang gesetzt worden, weswegen eine Verjährung frühestens zum eingetreten sein könne. Wegen zwischen den Parteien mindestens vom bis zum geführter Verhandlungen habe sich die Verjährungsfrist um den Hemmungszeitraum von zwei Monaten und 15 Tagen verlängert, § 203 Satz 1 BGB. Nach dem Ende der Hemmung sei gemäß § 203 Satz 2 BGB eine weitere Verlängerung der Verjährungsfrist um drei Monate eingetreten, was zur Folge habe, dass die am eingegangene Klage in unverjährter Zeit erhoben worden sei.

4Die Berufung der Beklagten hat vor dem Berufungsgericht im Wesentlichen keinen Erfolg gehabt. Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten, mit der sie ihren Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgt.

II.

5Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit hierin zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist, und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

61. Das Berufungsgericht meint, Ansprüche der Klägerin seien nicht verjährt. Im Unterschied zum Landgericht lässt es bei der Beurteilung der Verjährung die dreimonatige Ablaufhemmungsfrist des § 203 Satz 2 BGB unberücksichtigt, da diese nur dann relevant werde, wenn die nach dem Ende der Hemmung verbleibende Verjährungsfrist kürzer als drei Monate sei, was hier erkennbar nicht der Fall sei. Nach der Verjährungsfrist gemäß § 13 Nr. 5 Abs. 1 Satz 2 VOB/B habe jedoch eine Verjährungsfrist gemäß § 13 Nr. 5 Abs. 1 Satz 3 VOB/B eingesetzt. Die Beklagte habe vom 23. bis zum Mängelbeseitigungsleistungen, nämlich Nachspannarbeiten an den Spannringen der Silos, durchgeführt. Diese Leistungen habe die Klägerin mit Schreiben vom abgenommen. Die zweijährige Verjährungsfrist nach § 13 Nr. 5 Abs. 1 Satz 3 VOB/B sei wegen zwischen den Parteien vom bis zum geführter Verhandlungen von Anfang an gehemmt gewesen und habe daher erst am zu laufen begonnen. Die Klage sei damit rechtzeitig erhoben worden.

72. Das Berufungsgericht hat, wie die Beschwerde zu Recht rügt, den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt, indem es seine Beurteilung der Verjährung überraschend auf § 13 Nr. 5 Abs. 1 Satz 3 VOB/B gestützt hat, ohne der Beklagten zuvor einen Hinweis gemäß § 139 ZPO zu erteilen und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

8a) Nach Art. 103 Abs. 1 GG darf ein Gericht ohne vorherigen Hinweis nicht auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellen, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte. Es hat in einem solchen Fall auf seine Rechtsauffassung hinzuweisen und den Prozessbeteiligten eine Möglichkeit zur Stellungnahme zu eröffnen (, NJW-RR 2007, 1221 Rn. 5 m.w.N.).

9So liegt der Fall hier. Im erstinstanzlichen Verfahren und auch im Berufungsverfahren standen bei der Beurteilung der Verjährung allein die Frist des § 13 Nr. 5 Abs. 1 Satz 2 VOB/B und die Frage im Vordergrund, ob die Parteien über Gewährleistungsansprüche i.S.d. § 203 Satz 1 BGB verhandelt haben und dadurch eine Hemmung der Verjährung eingetreten ist. Zwar hat die Klägerin in ihrem erstinstanzlichen Schriftsatz vom , Seite 2, ohne weitere Begründung ausgeführt, mit den Nachspannarbeiten habe eine neue Verjährungsfrist für die streitigen Mängel begonnen. Nachdem die Beklagte dem mit Schriftsatz vom , Seite 2, entgegengetreten war, sind die Parteien im Laufe des Rechtsstreits auf diesen Gesichtspunkt jedoch nicht mehr zurückgekommen. Bei dieser Sachlage stellt es eine gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßende Überraschungsentscheidung dar, wenn das Berufungsgericht ohne vorherigen Hinweis die Beurteilung der Verjährung im Unterschied zum Landgericht auf § 13 Nr. 5 Abs. 1 Satz 3 VOB/B stützt.

10b) Der Verstoß ist entscheidungserheblich. Es ist nicht auszuschließen, dass die Klage, hätte die Beklagte Gelegenheit zur ergänzenden Stellungnahme erhalten, aufgrund des in der Nichtzulassungsbeschwerde erfolgten Vortrags der Beklagten wegen Verjährung der Ansprüche abgewiesen worden wäre.

11aa) Die vom Berufungsgericht angewandte Verjährungsfrist des § 13 Nr. 5 Abs. 1 Satz 3 VOB/B kommt nach dem bisherigen Sach- und Streitstand nicht in Betracht. Diese Frist kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erst nach Beendigung und Abnahme von vorgenommenen Mängelbeseitigungsleistungen beginnen (vgl. , BGHZ 178, 123 Rn. 20, 25; , NJW-RR 1986, 98; siehe auch Weyer in Kapellmann/Messerschmidt, Kommentar zur VOB, 4. Aufl., § 13 VOB/B Rn. 239).

12(1) Sofern die Nachspannarbeiten der Beklagten als Mängelbeseitigungsleistungen anzusehen sein sollten, dürfte es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts an einer Abnahme durch die Klägerin fehlen. Mit Schreiben vom rügte die Klägerin das Verrutschen der Spannbänder und den Schiefstand eines Silos. Auch nach der Durchführung der Nachspannarbeiten an den Spannringen der Silos forderte die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom zur Beseitigung des Schiefstandes an (mittlerweile) zwei Silos auf und setzte der Beklagten mit Schreiben vom eine Nachfrist zur Einreichung eines Sanierungsvorschlages. Dies verdeutlicht, dass die Klägerin die Nachspannarbeiten gerade nicht als zur endgültigen Herstellung der Standsicherheit der Silos ausreichende Maßnahmen ansah und demzufolge in ihren Schreiben vom 11. und auch keine Abnahme einer vermeintlich durchgeführten Mängelbeseitigung liegen dürfte.

13(2) Allerdings könnte hierin die Abnahme von (vorläufigen) Sicherungsarbeiten gesehen werden. Versteht man die Nachspannarbeiten so, können sie aber keine Mängelbeseitigungsleistungen im Sinne von § 13 Nr. 5 Abs. 1 Satz 3 VOB/B darstellen, die zum Lauf der dort genannten Verjährungsfrist führen würden.

14bb) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Beurteilung der Verjährung stellt sich nach derzeitigem Sach- und Streitstand auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar.

15Für die Beurteilung der Verjährung der Schadensersatzansprüche der Klägerin, insbesondere der Frage, ob diese im Jahr 2003 gehemmt war, ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der ab dem geltenden Fassung maßgeblich, Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB.

16(1) Unter der Voraussetzung, dass die Nachspannarbeiten an den Spannringen der Silos keine Mängelbeseitigungsleistungen i.S.d. § 13 Nr. 5 Abs. 1 Satz 3 VOB/B waren, endete die Verjährungsfrist spätestens am mit der Folge, dass die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung durchgreift.

17Mit Zugang der schriftlichen, vermutlich per Fax erfolgten Mängelrüge der Klägerin vom bei der Beklagten begann gemäß § 13 Nr. 5 Abs. 1 Satz 2 VOB/B der Lauf einer neuen zweijährigen Verjährungsfrist, die - einen Zugang bei der Beklagten am unterstellt - grundsätzlich am endete. Wird der vom Berufungsgericht angenommene und von der Beschwerde nicht beanstandete Hemmungszeitraum wegen zwischen den Parteien geführter Verhandlungen gemäß § 203 Satz 1 BGB im Umfang von zwei Monaten und 15 Tagen ( bis ) hinzugerechnet, würde diese Frist - wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat - am enden. Hinzugerechnet werden könnte gemäß § 203 Satz 1 BGB allenfalls noch ein weiterer Hemmungszeitraum im Umfang von vier Tagen wegen einer Überprüfung der gerügten Mängel durch die Beklagte im Anschluss an den Erhalt der schriftlichen Mängelrüge vom und der Ablehnung ihrer Mängelverantwortlichkeit durch die Beklagte mit Schreiben vom (siehe zur Fortgeltung der Hemmungstatbestände des § 639 Abs. 2 BGB a.F. über § 203 Satz 1 BGB n.F. , BauR 2007, 380, 381 f. = NZBau 2007, 184 = ZfBR 2007, 142; BT-Drucks. 14/6040, S. 267 und BT-Drucks. 14/7052, S. 178, 180). Eine weitere Hemmung in der Zeit zwischen dem und dem kommt nicht in Betracht, da die Beklagte in dem zwischen den Parteien in diesem Zeitraum geführten Schriftverkehr von vornherein jegliche Mängelverantwortung ablehnte.

18(2) Unter der Annahme, die Nachspannarbeiten der Beklagten seien hingegen (erste) Mängelbeseitigungsleistungen, endete die Verjährungsfrist spätestens am mit der Folge, dass die Einrede der Verjährung ebenfalls durchgreift.

19Der Bundesgerichtshof hat bereits darauf hingewiesen, dass im VOB/B-Vertrag dann, wenn es - wie hier - nicht zu einer Abnahme von Mängelbeseitigungsleistungen und damit nicht zu einer Anwendung von § 13 Nr. 5 Abs. 1 Satz 3 VOB/B kommt, die gemäß § 639 Abs. 2 BGB a.F. während der Dauer der Mängelbeseitigung eingetretene Hemmung der Verjährung unter anderem endet, wenn der Auftragnehmer die (weitere) Mängelbeseitigung endgültig verweigert (vgl. , BGHZ 178, 123 Rn. 17). Für eine Hemmung gemäß des hier anwendbaren § 203 Satz 1 BGB n.F. gilt nichts anderes (vgl. , BauR 2007, 380, 381 f. = NZBau 2007, 184 = ZfBR 2007, 142). Nach diesen Grundsätzen trat, wenn die Nachspannarbeiten an den Spannringen der Silos als Mängelbeseitigungsleistungen bewertet werden, eine Verjährungshemmung vom Beginn dieser Arbeiten am längstens bis zur endgültigen Verweigerung von (weiteren) Gewährleistungsarbeiten durch die Beklagte am ein. Im Vergleich zur zuvor dargestellten Berechnung der Verjährungsfrist ergibt dies einen zusätzlichen Hemmungszeitraum von knapp einem Monat (nämlich vom bis zum ; der weitere Zeitraum bis zum ist bereits berücksichtigt) mit der Folge, dass die Gewährleistungsfrist spätestens am endete.

Kniffka                          Eick                          Halfmeier

                 Kosziol                     Jurgeleit

Fundstelle(n):
NJW-RR 2013 S. 969 Nr. 16
FAAAE-39116