BAG Urteil v. - 9 AZR 532/11

Urlaubsabgeltung - Tod des Arbeitnehmers

Gesetze: § 7 Abs 4 BUrlG, § 1922 Abs 1 BGB

Instanzenzug: ArbG Erfurt Az: 8 Ca 1955/09 Urteilvorgehend Thüringer Landesarbeitsgericht Az: 6 Sa 21/11 Urteil

Tatbestand

1Die Klägerin zu 1. und die Klägerin zu 2. (Klägerinnen) begehren von der Beklagten, Urlaub aus den Jahren 2006 bis 2009 abzugelten.

2Die Klägerinnen sind Erbinnen ihrer am verstorbenen Mutter (Erblasserin). Die Beklagte beschäftigte diese seit dem bis zu ihrem Tod als Promotionsmitarbeiterin. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags vom hatte die seit dem als schwerbehindert anerkannte Erblasserin einen Anspruch auf jährlich 28 Werktage Urlaub. Vom bis zu ihrem Tod war sie durchgehend arbeitsunfähig krank.

3Mit Schreiben vom erklärte die Beklagte die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum . Die spätere Erblasserin erhob Kündigungsschutzklage und verlangte im Weiteren ohne Erfolg von der Beklagten, ihr für das Jahr 2006 einen Arbeitstag, für das Jahr 2007 28 Arbeitstage, für das Jahr 2008 33 Arbeitstage und für das Jahr 2009 35 Arbeitstage Urlaub zu gewähren. Hilfweise beantragte sie, den Urlaub abzugelten.

4Mit rechtskräftigem Teilanerkenntnisurteil vom stellte das Arbeitsgericht fest, das Arbeitsverhältnis zwischen der Erblasserin und der Beklagten sei nicht durch die Kündigung vom aufgelöst worden, sondern habe erst mit dem Tod der Erblasserin am sein Ende gefunden.

5Die Klägerinnen haben die Rechtsauffassung vertreten, der Anspruch auf Urlaubsabgeltung falle als bloße Geldforderung in den Nachlass der Erblasserin. Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Abgeltung offener Urlaubsansprüche sei seiner Natur nach eine Art finanzielle Abfindung für die Urlaubsansprüche, die der Arbeitgeber bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht erfüllt habe.

Die Klägerinnen haben zuletzt beantragt,

7Die Beklagte hat die Abweisung der Klage mit der Begründung beantragt, etwaige Urlaubsansprüche der Erblasserin seien mit deren Tod untergegangen, sodass zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses kein Abgeltungsanspruch habe entstehen können.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerinnen zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Klägerinnen ihre Zahlungsanträge weiter.

Gründe

9Die Revision der Klägerinnen ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Soweit die Urlaubsansprüche der Erblasserin, deren Abgeltung die Klägerinnen verlangen, am nicht bereits verfallen waren, finden die Klageansprüche weder in § 7 Abs. 4 BUrlG iVm. § 1922 Abs. 1 BGB noch in den Vorschriften des Schadensersatzrechts eine Rechtfertigung.

10I. Die von den Klägerinnen erhobenen Ansprüche folgen nicht aus § 7 Abs. 4 BUrlG iVm. § 1922 Abs. 1 BGB.

111. Gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG hat der Arbeitgeber Urlaub abzugelten, wenn dieser wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Vor ihrem Tod hatte die Erblasserin Anspruch auf 56 Werktage Urlaub und zehn Werktage Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen (Zusatzurlaub) aus den Jahren 2008 und 2009. Der Urlaubsanspruch aus den Jahren 2006 und 2007 verfiel 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG. Der Senat hat die unionsrechtskonforme Auslegung des § 7 Abs. 3 BUrlG in seiner Entscheidung vom (- 9 AZR 353/10 - Rn. 23 ff.; siehe ferner  - Rn. 14) ausführlich begründet.

122. Die Klägerinnen traten mit dem Erbfall im Wege der Universalsukzession in sämtliche Rechtsverhältnisse der Erblasserin mit der Folge ein, dass sie aus den Rechtsverhältnissen der Erblasserin berechtigt und verpflichtet wurden. Ein Urlaubsabgeltungsanspruch der Erblasserin, der Teil der Erbmasse hätte sein können, bestand indes nicht. Der Urlaubsanspruch der Erblasserin ging mit deren Tod unter und konnte sich nicht in einen Abgeltungsanspruch iSv. § 7 Abs. 4 BUrlG umwandeln. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom (- 9 AZR 416/10 - Rn. 19 ff.) im Einzelnen ausgeführt, dass in den Fällen, in denen das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet, der Urlaubsanspruch untergeht und deshalb die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht ursächlich dafür ist, dass der Urlaubsanspruch nicht mehr erfüllt werden kann. Unerheblich ist dabei, ob der Erblasser bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig krank war. Weder erwirbt der Erblasser zu Lebzeiten ein Anwartschaftsrecht auf Urlaubsabgeltung, das nach dem Erbfall zu einem Vollrecht erstarkt, noch besteht ein werdendes Recht, das als vermögenswertes Recht nach § 1922 Abs. 1 BGB auf seine Erben übergeht. Diese Grundsätze stehen im Einklang mit Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. EU L 299 vom S. 9; im Folgenden: Arbeitszeitrichtlinie).

13a) Diese Rechtsprechung hat im arbeitsrechtlichen Schrifttum weitgehend Zustimmung gefunden (vgl. Bauer ArbR 2011, 534; Biester GWR 2012, 137; Fischinger Anm. AP BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 92; Lipinski/Praß BB 2012, 1867, 1868). Soweit einzelne Stimmen kritisch anmerken, es sei kein Unterschied zwischen der Beendigung aufgrund des Todes des Arbeitnehmers und einer Beendigung aufgrund anderer Tatsachen auszumachen (Jesgarzewski BB 2012, 1347, 1349; ähnlich Bieder AuR 2012, 239, 240), gibt dies dem Senat keine Veranlassung, von seiner Rechtsprechung abzurücken. Die beiden Fallkonstellationen unterscheiden sich insofern, als bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung, Aufhebungsvertrag, Zeitablauf oder Eintritt einer auflösenden Bedingung anders als bei der Beendigung infolge des Todes des Arbeitnehmers nicht ausgeschlossen ist, dass der Zweck der Urlaubsabgeltung, die Verwendung des Abgeltungsbetrags zu Erholungszwecken, erreicht wird. Der EuGH geht davon aus, Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruch seinen zwei Aspekte eines einzigen Anspruchs (vgl. und C-520/06 - [Schultz-Hoff ua.] Rn. 60, Slg. 2009, I-179). Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie stelle sicher, dass der Arbeitnehmer sich zum einen von der Ausübung der ihm nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben erholen könne und zum anderen über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit verfüge (vgl.  - [KHS] Rn. 31). Diese Zwecke lassen sich in den Fällen, in denen das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet, nicht mehr erreichen (so zu Recht Fischinger Anm. AP BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 92). Der Arbeitnehmer kann weder in den Genuss des Urlaubsanspruchs noch in den der Urlaubsabgeltung kommen.

14b) Die vereinzelt erhobene Rüge, der Senat missachte den erbrechtlichen Schutz, den der Urlaubsabgeltungsanspruch genieße (Bieder AuR 2012, 239, 242), geht fehl. Erbrechtlich sind nur die Vermögenspositionen relevant, die im Zeitpunkt des Todes des Erblassers zu dessen Vermögen gehören. Eine solche Vermögensposition liegt nicht vor. Die verstorbene Arbeitnehmerin war niemals Inhaberin eines Anspruchs auf Urlaubsabgeltung.

15c) Der Einwand der Klägerinnen, der Urlaubsanspruch der Erblasserin sei zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits rechtshängig gewesen, verhilft der Revision nicht zum Erfolg. Ansprüche, die den Gegenstand eines Rechtsstreits bilden, sind nicht davor gefeit unterzugehen. So erlischt beispielsweise ein Anspruch gemäß § 362 Abs. 1 BGB, wenn der Schuldner im Laufe eines gerichtlichen Verfahrens die geschuldete Leistung bewirkt (vgl.  -). Auch hindert die Rechtshängigkeit eines Anspruchs nicht, dass dieser infolge Zeitablaufs erlischt (vgl.  - zu II 2 a der Gründe). Ebenso verhält es sich mit Urlaubsansprüchen. Diese erlöschen trotz Rechtshängigkeit, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet.

16d) Soweit die Revision darauf verweist, die Erblasserin habe nicht nur den Urlaubsanspruch, sondern auch den Urlaubsabgeltungsanspruch bereits im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens zumindest hilfsweise verfolgt, übersieht sie, dass dessen Rechtshängigkeit mit dem Erlass des Teilanerkenntnisurteils vom rückwirkend entfallen ist. Hilfsanträge stehen unter der innerprozessualen Bedingung, dass dem Hauptantrag nicht entsprochen wird. Die Rechtshängigkeit des Hilfsantrags endet deshalb ohne besonderen Ausspruch rückwirkend, wenn ein dem Hauptantrag entsprechendes rechtskräftiges Urteil ergeht (vgl.  - Rn. 15, BAGE 127, 214). Das Arbeitsgericht hat dem in der Hauptsache verfolgten Kündigungsschutzantrag mit Teilanerkenntnisurteil vom entsprochen. Damit entfiel die Rechtshängigkeit des hilfsweise verfolgten Urlaubsabgeltungsanspruchs rückwirkend mit der Folge, dass der Anspruch zum Zeitpunkt des Todes der Erblasserin als nicht rechtshängig anzusehen ist. Selbst wenn man zugunsten der Klägerinnen von der Rechtshängigkeit des Anspruchs ausginge, führte dies zu keinem anderen Ergebnis, weil die Erblasserin nie Inhaberin eines Abgeltungsanspruchs war, der auf die Klägerinnen hätte übergehen können.

17e) Der Senat kann eine abschließende Sachentscheidung treffen. Es besteht keine Verpflichtung, ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zu richten (Art. 267 AEUV). Der Rechtsstreit betrifft einen rein innerstaatlichen Sachverhalt und ist unter Beachtung nationaler Regelungen zu entscheiden. Art. 7 Abs. 2 der Arbeitszeitrichtlinie sichert den Urlaubsabgeltungsanspruch eines Arbeitnehmers, der aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Endet das Arbeitsverhältnis infolge des Todes des Arbeitnehmers, kann nicht der Arbeitnehmer selbst, sondern können allenfalls seine Erben in den Genuss der Abgeltung gelangen. Die Erben stehen jedoch als solche außerhalb des Anwendungsbereichs der Arbeitszeitrichtlinie (vgl. zum Arbeitnehmerbegriff:  - [Neidel] Rn. 23).

18II. Entgegen der Ansicht der Klägerinnen stand der Erblasserin gegenüber der Beklagten kein Anspruch auf Schadensersatz zu, der nach § 1922 Abs. 1 BGB auf die Klägerinnen hätte übergehen können. Ein Schadensersatzanspruch nach § 275 Abs. 1 und Abs. 4, § 280 Abs. 1 und Abs. 3, § 283 Satz 1, § 286 Abs. 1 Satz 1, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1, § 251 Abs. 1 BGB käme nur in Betracht, wenn die Beklagte sich gegenüber der Erblasserin bereits zu deren Lebzeiten mit der Urlaubsgewährung in Verzug befunden hätte. Das ist vorliegend nicht der Fall. Die Beklagte konnte bis zum Tod der Erblasserin mit der Urlaubsgewährung nicht in Verzug geraten, da sie den Urlaubsanspruch infolge der andauernden Arbeitsunfähigkeit der Erblasserin nicht erfüllen konnte. Erst recht war die Beklagte nicht mit der Urlaubsabgeltung in Verzug. Der Erblasserin stand ein solcher Anspruch zu Lebzeiten nicht zu, da das Arbeitsverhältnis bis zu ihrem Tod fortbestand.

III. Die Klägerinnen haben die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Fundstelle(n):
BB 2013 S. 1459 Nr. 24
BB 2013 S. 1790 Nr. 30
BB 2014 S. 2038 Nr. 34
DB 2013 S. 1418 Nr. 25
NJW 2013 S. 1980 Nr. 27
NJW 2013 S. 8 Nr. 25
YAAAE-36911