BAG Beschluss v. - 10 AZB 8/13

Berichtigung einer Lohnsteuerbescheinigung - kein Rechtsweg zur Arbeitsgerichtsbarkeit

Gesetze: § 2 Abs 1 Nr 3 Buchst e ArbGG, § 33 FGO, § 17 GVG

Instanzenzug: Az: 9 Ca 4782/12 Beschlussvorgehend Landesarbeitsgericht Nürnberg Az: 3 Ta 31/13 Beschluss

Gründe

1I. Die Parteien streiten im Ausgangsverfahren noch darüber, ob die Beklagte die Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 2011 richtig ausgefüllt hat und vorab über den Rechtsweg.

2Der Kläger trat im September 2010 als Angestellter in die Dienste der Beklagten. Er kündigte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum . Die Beklagte sprach ihrerseits eine außerordentliche und fristlose Kündigung zum aus. Auf die vom Kläger erhobene Klage stellte das - 9 Ca 7364/11 -) die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung und den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum fest. Ferner verurteilte es die Beklagte zur Zahlung der Vergütung für Dezember 2011. Die Beklagte kam der Zahlungsverpflichtung nach. In der für das Jahr 2011 von der Beklagten erteilten Lohnsteuerbescheinigung ist die im Jahr 2012 gezahlte Vergütung für Dezember 2011 nicht enthalten. Stattdessen wies die Beklagte diesen Betrag unter Berufung auf das steuerrechtliche „Zuflussprinzip“ in einer von ihr für das Jahr 2012 erteilten Bescheinigung aus. Der Kläger hält die Auffassung der Beklagten für unzutreffend. Das „Zuflussprinzip“ gelte nicht im Streitfall.

Der Kläger hat - soweit noch von Interesse - beantragt,

4Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht für gegeben erachtet und den Rechtsstreit an das Finanzgericht verwiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die sofortige Beschwerde des Klägers, nachdem das Arbeitsgericht ihr nicht abgeholfen hatte, zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

5II. Die Beschwerde ist unbegründet. Für den Rechtsstreit ist der Finanzrechtsweg gegeben (§ 33 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 33 Abs. 2 FGO). Die Voraussetzungen des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen (hier: § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e ArbGG) liegen nicht vor.

61. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern über Arbeitspapiere. Nach der Gesetzesbegründung soll sich eine Streitigkeit über Arbeitspapiere wegen des engen Sachzusammenhangs nicht nur auf die Herausgabe der Arbeitspapiere, sondern auch auf deren Berichtigung beziehen (BT-Drucks. 8/2535 S. 34). Damit hat der Gesetzgeber aber nicht bewirkt, dass ein Arbeitnehmer eine Klage auf Berichtigung einer Arbeitsbescheinigung stets vor den Gerichten für Arbeitssachen verfolgen kann. Denn nach den Eingangsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e ArbGG werden nur „bürgerliche Rechtsstreitigkeiten“ zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern „über Arbeitspapiere“ erfasst. Wegen dieses eindeutigen, die Zuständigkeit auf bürgerliche Rechtsstreitigkeiten beschränkenden Wortlauts kann trotz der Entstehungsgeschichte nicht angenommen werden, es sei eine ausdrückliche Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen kraft Zuweisung ohne Rücksicht darauf begründet, ob es sich um eine öffentlich-rechtliche oder um eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit handelt ( - zu II 1 der Gründe; - 5 AZR 467/87 - zu II 1 der Gründe, BAGE 59, 169).

72. Ob eine Streitigkeit bürgerlich-rechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Art ist, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Maßgebend ist, ob der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge von Rechtssätzen des Arbeitsrechts oder des öffentlichen Rechts geprägt wird ( - zu II 2 der Gründe mwN).

83. Nach diesen Grundsätzen, denen sich auch der Bundesfinanzhof angeschlossen hat ( - Rn. 5), handelt es sich hier nicht um eine bürgerlich-rechtliche, sondern um eine öffentlich-rechtliche, nämlich abgabenrechtliche Streitigkeit iSd. § 33 FGO.

9a) Der von den Parteien ursprünglich geführte arbeitsrechtliche Streit um den Zeitpunkt der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses ist durch - 9 Ca 7364/11 -) entschieden. Das Arbeitsverhältnis hat am geendet. Die Parteien streiten nicht - auch nicht indirekt - um Zahlung von Arbeitsvergütung oder sonstige nach Rechtssätzen des bürgerlichen Rechts zu beurteilende Fragen. Die einzige Meinungsverschiedenheit der Parteien betrifft das Steuerrecht. Der Kläger begehrt eine in bestimmter Weise ausgefüllte Lohnsteuerbescheinigung. Die Verpflichtung zur Erstellung dieser Bescheinigung folgt aus § 41b Abs. 1 EStG. Dort ist auch der gesetzlich vorgeschriebene Inhalt der Bescheinigung geregelt. Die Beklagte vertritt die Auffassung, sie habe in Anwendung des „Zuflussprinzips“ die im Jahr 2012 erfolgte Zahlung der Vergütung für Dezember 2011 in der Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 2012 ausweisen müssen. Der Kläger meint, aus § 38a Abs. 1 EStG ergebe sich, dass die Bescheinigung über die Zahlung von Arbeitsvergütungen stets für das Jahr zu erfolgen habe, für das sie geschuldet werden. Die Parteien streiten damit im Kern um eine öffentlich-rechtliche, nämlich steuerrechtliche Frage. Ein Rechtssatz des bürgerlichen Rechts, der die Frage beantworten würde, besteht nicht. Außersteuerliche Rechtswirkungen sind mit der Lohnsteuerbescheinigung nicht verbunden ( - Rn. 6).

10b) Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich bei Anwendung der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Frage des zutreffenden Rechtswegs bei Ansprüchen auf Berichtigung der Lohnsteuerbescheinigung im Streitfall kein anderes Ergebnis.

11aa) In dem vom Kläger herangezogenen Beschluss ( - Rn. 8) hat der BFH ausgeführt, bei einem Streit um die Berichtigung einer Lohnsteuerbescheinigung sei der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten jedenfalls dann gegeben, wenn es bei dem Rechtsstreit im Kern um arbeitsrechtliche Fragen gehe, zu denen die vom Arbeitnehmer beanstandeten Eintragungen in der Lohnsteuerbescheinigung oder das Begehren des Arbeitnehmers auf Ausstellung einer Lohnsteuerbescheinigung einen bloßen Reflex bildeten. Der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt werde für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge insbesondere dann von Rechtssätzen des Arbeitsrechts geprägt, wenn Streit bestehe, ob überhaupt ein Arbeitsverhältnis vorgelegen habe, für welchen Zeitraum ein Arbeitsverhältnis bestanden habe oder welche arbeitsrechtlichen Ansprüche - insbesondere Barlohnansprüche - bestünden oder bestanden hätten. Die letztgenannte Frage präge insbesondere dann den Kern des Rechtsstreits, wenn um Bestehen und Inhalt einer Nettolohnvereinbarung gestritten und damit nach dem sachlichen Gehalt des Klagebegehrens zusätzlicher Lohn gefordert werde. Der Bundesfinanzhof hat in seiner Entscheidung vom (- VI R 57/04 - Rn. 12, BFHE 220, 124; ebenso - VI S 7/05 - Rn. 4) ausdrücklich festgehalten, dass dann, wenn die Entscheidung des Streits um die richtige Ausfüllung der Lohnsteuerbescheinigung die Anwendung steuerrechtlicher Normen erfordert, der Rechtsweg zu den Finanzgerichten gegeben ist. Der gegenteiligen Auffassung, nach der eine Zuständigkeit der Finanzgerichte für alle Klagen auf Berichtigung von Lohnsteuerbescheinigungen ausgeschlossen sein soll ( - Rn. 17 mwN; vgl. zum Streitstand auch: GK-ArbGG/Schütz Stand März 2013 § 2 ArbGG Rn. 145 ff.; Küttner/Poeche/Reinecke Personalbuch 2013 Lohnsteuerbescheinigung Rn. 1 ff.; ErfK/Koch 13. Aufl. § 2 ArbGG Rn. 22; BeckOK ArbGG Stand § 2 Rn. 21; GMP/Matthes/Schlewing 7. Aufl. § 2 Rn. 79 ff.; Hohmann Arbeitsgerichtsgesetz § 2 Rn. 15 f.; Bartone jurisPR-SteuerR 6/2009 Anm. 6), hat sich der BFH nicht angeschlossen.

12bb) Im hier gegebenen Fall stehen keine bürgerlich-rechtlichen Fragen zur Entscheidung. Es geht nicht darum, ob, für welchen Zeitraum oder in welcher Höhe dem Kläger arbeitsrechtliche Ansprüche zustehen. Es kann deshalb dahinstehen, ob Ansprüche auf Berichtigung der Lohnsteuerbescheinigung stets (so wohl  - zu II der Gründe) oder nur dann dem Rechtsweg zu den Finanzgerichten zuzuordnen sind, wenn es „im Kern“ um abgabenrechtliche Fragen geht (so  - Rn. 8 f.). Im Streitfall ist das steuerrechtliche Begehren des Klägers auch kein bloßer „Reflex“ eines arbeitsrechtlichen Anspruchs. Es liegt vielmehr gerade umgekehrt: Die vom Kläger geltend gemachte Nebenpflicht des Arbeitgebers auf richtige Erstellung der Lohnsteuerbescheinigung erweist sich als bloßer Reflex des im Kern abgabenrechtlichen Streits der Parteien.

134. Im Übrigen dürfte die Klage unzulässig sein. Die Lohnsteuerbescheinigung ist nur ein Beweismittel für den Lohnsteuerabzug, wie er tatsächlich stattgefunden hat ( - Rn. 10, BFHE 223, 202). Sie dient aber nicht dem Nachweis des Lohnsteuerabzugs, wie er hätte durchgeführt werden müssen. Etwaige Fehler beim Lohnsteuerabzug können im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung berichtigt werden ( - Rn. 3). Eine abweichende Einkommensteuerveranlagung ist durch eine unrichtige Lohnsteuerbescheinigung nicht ausgeschlossen, da dieser lediglich eine widerlegbare Beweiswirkung bei der Veranlagung zukommt ( - Rn. 8). Eine Bindungswirkung kommt ihr nicht zu ( - Rn. 10, 11).

III. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens fallen nach § 97 Abs. 1 ZPO dem Kläger zur Last.

Fundstelle(n):
BB 2013 S. 1524 Nr. 25
BFH/NV 2013 S. 1536 Nr. 9
DB 2013 S. 1308 Nr. 23
DB 2013 S. 22 Nr. 23
DStR 2013 S. 1345 Nr. 26
DStR 2013 S. 1345 Nr. 26
HFR 2013 S. 953 Nr. 10
NJW 2013 S. 8 Nr. 27
TAAAE-36729