BAG Beschluss v. - 2 AZB 45/12

Sofortige Beschwerde wegen verspäteter Absetzung des Berufungsurteils

Gesetze: § 72b Abs 1 S 1 ArbGG

Instanzenzug: ArbG Frankfurt Az: 15 Ca 2854/10 Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht Az: 12 Sa 170/11 Urteil

Gründe

1I. Der Kläger begehrt im Wege der sofortigen Beschwerde nach § 72b ArbGG die Aufhebung des Berufungsurteils und die Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.

2 Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am schlossen die Parteien einen Vergleich unter dem Vorbehalt des Widerrufs. Nachdem der Vergleich widerrufen worden war, verkündete das Landesarbeitsgericht am ein Urteil. Dieses wurde den Parteien am mit Tatbestand und Entscheidungsgründen versehen zugestellt. Anstelle der Unterschriften der an der mündlichen Verhandlung am beteiligten ehrenamtlichen Richter trug es solche derjenigen ehrenamtlichen Richter, die am Verkündungstermin vom anwesend waren.

3 Am legte der Kläger gegen das Urteil sofortige Beschwerde mit der Begründung ein, das Urteil sei nicht vor Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung mit den Unterschriften sämtlicher Mitglieder der Kammer versehen der Geschäftsstelle übergeben worden.

4 Mit Beschluss vom berichtigte das Landesarbeitsgericht das Urteil dahingehend, dass das Datum, an welchem die Verhandlung geschlossen worden war, vom auf den geändert sowie die Namen der ehrenamtlichen Richter durch diejenigen ersetzt wurden, welche an der mündlichen Verhandlung vom beteiligt waren. Dieser Beschluss war vom Vorsitzenden und den letztgenannten ehrenamtlichen Richtern unterschrieben. Er wurde mit einer erneut gefertigten und von diesen ehrenamtlichen Richtern unterschriebenen Urschrift des Urteils verbunden. Beides wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am zugestellt.

5 Mit Schriftsatz vom erweiterte der Kläger die sofortige Beschwerde vom auf das am zugestellte Urteil und beantragte für den Fall der Fristversäumnis Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

6II. Die sofortige Beschwerde hat Erfolg.

71. Gem. § 72b Abs. 1 Satz 1 ArbGG kann das Urteil eines Landesarbeitsgerichts durch sofortige Beschwerde angefochten werden, wenn es nicht binnen fünf Monaten nach der Verkündung vollständig abgefasst und mit den Unterschriften sämtlicher Mitglieder der Kammer versehen der Geschäftsstelle übergeben worden ist. Erforderlich sind die Unterschriften derjenigen Mitglieder der Kammer, die an der Entscheidung mitgewirkt haben ( - Rn. 4, BAGE 120, 358). Ist das vollständig abgefasste Urteil ganz oder teilweise von anderen Mitgliedern der Kammer unterschrieben, ohne dass ein Verhinderungsgrund vorgelegen hätte, ist es nicht iSv. § 72b Abs. 1 Satz 1 ArbGG mit den Unterschriften sämtlicher Mitglieder der Kammer versehen. Fehlende richterliche Unterschriften können zwar mit Wirkung für die Zukunft nachgeholt werden ( -, NJW 2003, 3057). Dies gilt jedoch nicht, wenn die für die Einlegung eines Rechtsmittels längste Frist von fünf Monaten nach der Verkündung der Entscheidung abgelaufen ist ( - NJW 2006, 1881).

8 Die sofortige Beschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat einzulegen und zu begründen. Die Frist beginnt mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Urteils.

92. Danach ist die sofortige Beschwerde zulässig und begründet.

10a) Der Kläger hat die Beschwerdefrist von einem Monat, welche gem. § 188 Abs. 2 Alt. 1 iVm. § 187 Abs. 1 BGB am ablief, gewahrt. Dies gilt auch, soweit sich die Beschwerde auf das am zugestellte „Urteil“ bezieht. Bei diesem handelt es sich nicht um ein (neues) Urteil iSv. § 72b ArbGG, welches eigenständig angegriffen werden müsste.

11b) Das Urteil des Landesarbeitsgerichts wies bis zum Ablauf von fünf Monaten nach seiner Verkündung nicht die Unterschriften sämtlicher Mitglieder der Kammer auf, die an der Entscheidung mitgewirkt haben. Die Berichtigung und erneute Zustellung des Urteils nach Ablauf der Fünfmonatsfrist, dieses Mal mit den „richtigen“ Unterschriften, vermochte den Fehler nicht zu heilen.

3. Das Berufungsurteil war gem. § 72b Abs. 5 ArbGG aufzuheben. Die Sache war zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

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Fundstelle(n):
NJW 2013 S. 1982 Nr. 27
QAAAE-36717