BVerwG Beschluss v. - 8 B 91/12

Anforderungen an den Verzicht auf die mündliche Verhandlung

Gesetze: § 101 Abs 2 VwGO

Instanzenzug: Az: 29 K 235.10 Urteil

Gründe

1Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

21. Der von der Klägerin geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin zulässigerweise ohne mündliche Verhandlung entschieden.

3Allerdings hat die Klägerin mit ihrem Schreiben vom , in dem sie auf die entsprechende Anfrage des Gerichts vom mit der Erklärung antwortete, sie möchte "die angefragte Zustimmung in sofern eingeschränkt erteilen", "sofern noch offen bleiben darf, dass u.U. nach Beweisaufnahme doch noch eine mündliche Verhandlung anberaumt werden kann auf Anfrage", nicht wirksam ihr Einverständnis nach § 101 Abs. 2 VwGO zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung abgegeben. Der Verzicht auf die mündliche Verhandlung ist eine Prozesshandlung. Als Prozesshandlung muss der Verzicht klar, eindeutig und vorbehaltlos erklärt werden (vgl. BVerwG 2 C 78.81 - Buchholz 310 § 101 VwGO Nr. 13 m.w.N.; BVerwG 10 B 45.05 - juris Rn. 4; - BFHE 166, 415 = juris Rn. 12). Aus dem Schriftsatz der Klägerin vom ergibt sich ein Verzicht auf die mündliche Verhandlung jedenfalls nicht mit der notwendigen Eindeutigkeit. Ihre Einverständniserklärung war mit dem Vorbehalt versehen, dass im Falle einer Beweisaufnahme durch das Gericht (noch) eine mündliche Verhandlung stattfinden solle.

4Auf diesen, eine wirksame Einverständniserklärung nach § 101 Abs. 2 VwGO zunächst hindernden, Vorbehalt kann sich die Klägerin indes zur Begründung ihrer Verfahrensrüge nicht mehr mit Erfolg berufen. Denn das Verwaltungsgericht hat durch ein Schreiben der Vorsitzenden als Einzelrichterin vom die Klägerin darauf hingewiesen, sie verstehe das Schreiben vom so, dass die Klägerin grundsätzlich mit einer schriftlichen Entscheidung einverstanden sei, aber im Fall einer Beweisaufnahme durch das Gericht eine mündliche Verhandlung stattfinden solle. Wenn das Schreiben in diesem Sinne als richtig verstanden zu betrachten sei, brauche die Klägerin nichts weiter zu unternehmen; anderenfalls werde sie um Mitteilung binnen zwei Wochen gebeten (GA Bl. 63). Da die Klägerin mit ihrem Schreiben vom eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht grundsätzlich abgelehnt, sondern "die angefragte Zustimmung ... eingeschränkt" erteilt hatte, war es nun an ihr, auf die berechtigte Nachfrage des Gerichts zur Klarstellung ihrer Erklärung ggf. mitzuteilen, dass sie die Interpretation des Gerichts, sie sei mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden, ablehne. Denn die Klägerin war, wie jeder Verfahrensbeteiligte, gehalten, die ihr zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten zur Verwirklichung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör, der hier durch den Gesetzgeber in seinem Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung konkretisiert ist (vgl. BVerwG 8 C 1.65 - BVerwGE 22, 271 <272 f.> = Buchholz 310 § 138 Ziff. 3 VwGO Rtl. Gehör Nr. 14), wahrzunehmen, wenn sie nicht ihr Recht, eine Verletzung dieses Anspruchs rügen zu können, verlieren will (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom - BVerwG 6 B 77.75 - Buchholz 11 Art. 103 Abs. 1 GG Nr. 5 m.w.N. und vom a.a.O.; das - die gegen den zuletzt genannten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts erhobene Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen). Da das Urteil des Verwaltungsgerichts erst mehr als einen Monat nach dem Hinweis der Vorsitzenden an die Klägerin ergangen ist, hätte sie ausreichend Gelegenheit gehabt, der Auslegung des Verwaltungsgerichts zu widersprechen und auf einer mündlichen Verhandlung zu bestehen. Ihre Lage ist hier nicht vergleichbar mit dem Fall, in dem ein Beteiligter auf eine erste Anfrage des Gerichts, ob er mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden ist, nicht antwortet.

5Dem steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht nicht durch einen Rechtsanwalt, sondern durch ihren Verfahrensbevollmächtigten Herrn Jan H. vertreten war. Die Einverständniserklärung nach § 101 Abs. 2 VwGO kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch durch einen nicht vertretenen Beteiligten wirksam abgegeben werden ( BVerwG 2 C 51.78 - Buchholz 350 § 3 BRAO Nr. 4 S. 3 = juris Rn. 17, insoweit nicht abgedruckt in BVerwGE 62,169, m.w.N.).

62. Weitere Zulassungsgründe hat die Klägerin nicht geltend gemacht. Sie hat weder die grundsätzliche Bedeutung einer konkreten Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufgeworfen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch eine Abweichung des angegriffenen Urteils von einer Entscheidung eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO bezeichneten Gerichte geltend gemacht. Ihre Ausführungen unter 2. der Beschwerdebegründung erschöpfen sich in Angriffen gegen einzelne Elemente der Begründung des Urteils des Verwaltungsgerichts, ohne einen gesetzlichen Zulassungsgrund in der vom Gesetz geforderten Weise geltend zu machen und dessen Vorliegen unter Beachtung der Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO zu begründen.

Fundstelle(n):
NAAAE-36008