BFH Beschluss v. - XI S 2/13 (PKH)

Wechsel des beigeordneten Prozessbevollmächtigten im Prozesskostenhilfe-Verfahren

Gesetze: FGO § 142 Abs. 1, ZPO § 121 Abs. 1

Instanzenzug:

Gründe

1 I. Mit Beschluss des vormals zuständigen III. Senats des  (PKH) wurde der Antragstellerin für das Revisionsverfahren gegen das Prozesskostenhilfe bewilligt und die Rechtsanwältin A als Prozessbevollmächtigte gemäß § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 121 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) beigeordnet.

2 Der nunmehr für die Antragstellerin als prozessbevollmächtigt auftretende Rechtsanwalt B teilte durch am beim BFH eingegangenes Schreiben vom mit, dass die zunächst beigeordnete Rechtsanwältin das Mandat niedergelegt habe. Er beantragte zugleich, diese zu entpflichten und ihn selbst beizuordnen.

3 Dem Antrag vom waren eine den Prozessbevollmächtigten legitimierende Vollmacht der Antragstellerin vom im Original sowie eine Kopie des Schreibens der zunächst beigeordneten Rechtsanwältin vom beigefügt. Diese erklärte darin, sie werde ihre Tätigkeit zum einstellen, sie habe „nichts abgerechnet” und werde dies auch nicht tun.

4 II. Antragsgemäß wird die Beiordnung von Rechtsanwältin A aufgehoben und der Antragstellerin Rechtsanwalt B beigeordnet.

5 1. Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf Entpflichtung der zunächst beigeordneten Rechtsanwältin.

6 a) In Verfahren, die der Parteiherrschaft unterliegen, kann einer Partei kein Rechtsanwalt gegen ihren Willen aufgezwungen werden. Die Partei kann daher jederzeit die Entpflichtung des ihr beigeordneten Rechtsanwalts verlangen, ohne dass hierfür ein wichtiger Grund vorliegen müsste (vgl. dazu Oberlandesgericht —OLG— Nürnberg, Beschluss vom 4 W 66/03, Monatsschrift für Deutsches Recht —MDR— 2003, 712; OLG Celle, Beschluss vom 6 W 2/07, OLG-Report —OLGR— Celle 2007, 579, m.w.N.). Gleiches gilt —wie hier— gemäß § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 121 Abs. 1 ZPO für die Verfahren nach der FGO.

7 b) Einem eigenen Antragsrecht der Partei —hier der Antragstellerin als Beteiligte i.S. des § 57 Nr. 1 FGO— steht § 48 Abs. 2 der Bundesrechtsanwaltsordnung nicht entgegen. Zwar räumt diese Vorschrift ihrem Wortlaut nach lediglich dem beigeordneten Rechtsanwalt das Recht ein, aus wichtigem Grund die Aufhebung der Beiordnung zu beantragen. Daraus kann jedoch nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass es der Partei verwehrt ist, selbst einen solchen Antrag zu stellen. Zwingende Rückschlüsse auf das Antragsrecht der Partei lassen sich dieser auf den Rechtsanwalt zugeschnittenen Vorschrift nicht entnehmen (vgl. dazu z.B. OLG Nürnberg, Beschluss in MDR 2003, 712, m.w.N.; ferner  (PKH), BFH/NV 2012, 954; Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, 71. Aufl., § 121 Rz 24; a.A. z.B. II-8 WF 256/11, nicht veröffentlicht, juris; Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl., § 121 Rz 34, jeweils m.w.N.; vgl. auch  (PKH), BFH/NV 2012, 441; Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 142 FGO Rz 194).

8 Denn die Beiordnung verliert ihren Sinn, wenn die Prozessvollmacht widerrufen —oder wie hier das Mandat im Hinblick auf die bevorstehende Beendigung der Berufstätigkeit der zunächst beigeordneten Rechtsanwältin niedergelegt— ist, weil der beigeordnete Rechtsanwalt ohne Prozessvollmacht nicht mehr wirksam für die Partei handeln kann (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss in MDR 2003, 712, m.w.N.). Dann aber besteht kein Grund mehr, gegen den Willen der Partei an der nunmehr sinnlos gewordenen Beiordnung festzuhalten.

9 Die Antragstellerin konnte damit verlangen, dass die zunächst getroffene Beiordnung aufgehoben wird.

10 2. Ein Anwaltswechsel kann —wie hier— zur Beiordnung des neuen Prozessbevollmächtigten führen (vgl. dazu , Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report Zivilrecht —NJW-RR— 1992, 189; OLG Celle, Beschluss in OLGR Celle 2007, 579; ferner BFH-Beschluss in BFH/NV 2012, 954).

11 a) Ein derartiger Anspruch besteht regelmäßig nur dann, wenn der Staatskasse dadurch keine höheren Ausgaben entstehen oder wenn das Vertrauensverhältnis zum beigeordneten Rechtsanwalt nicht durch sachlich ungerechtfertigtes und mutwilliges Verhalten des Antragstellers gestört worden ist, d.h. wenn der zunächst beigeordnete Rechtsanwalt aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen ohne ein Dazutun des Antragstellers zur Vertretung nicht mehr in der Lage ist oder wenn der Antragsteller Veranlassung hatte, den Mandatsvertrag aus einem Grund zu kündigen, der auch einen vermögenden Kläger veranlasst hätte, sich von seinem Wahlanwalt zu trennen (vgl. dazu BGH-Beschluss in NJW-RR 1992, 189; OLG Frankfurt, Beschluss vom 1 WF 143/00, OLGR Frankfurt 2000, 310; OLG Celle, Beschluss in OLGR Celle 2007, 579; ferner BFH-Beschluss in BFH/NV 2012, 954).

12 b) Im Streitfall hatte die zunächst beigeordnete Rechtsanwältin mit Schreiben vom das Mandat im Hinblick auf die bevorstehende Beendigung ihrer beruflichen Tätigkeit niedergelegt. Die Antragstellerin hatte die Trennung von ihrer zunächst beigeordneten Rechtsanwältin mithin nicht zu vertreten. Eine weitere Zusammenarbeit war —ohne ein Verschulden der Antragstellerin— nicht mehr möglich.

13 Darüber hinaus fallen durch die Beiordnung des neuen Prozessbevollmächtigten keine zusätzlichen Anwaltskosten an. Denn die zunächst beigeordnete Rechtsanwältin hat bisher keine Kosten liquidiert und beabsichtigt dies nach ihrer Erklärung im Schreiben vom auch nicht nachzuholen.

14 Hiernach war dem Antrag auf Beiordnung des nunmehr als prozessbevollmächtigt auftretenden Rechtsanwalts ebenso zu entsprechen.

15 3. Als Zeitpunkt der Aufhebung der bisherigen und Anordnung der neuen Beiordnung ist der Tag des Zugangs der neuen Prozessvollmacht bei Gericht —hier der — zu bestimmen (vgl. dazu BFH-Beschluss in BFH/NV 2012, 954).

16 4. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2013 S. 967 Nr. 6
WAAAE-35422