BVerwG Beschluss v. - 2 B 17/12

Lehrer; Besitz von kinderpornografischen Bilddateien; Disziplinarmaßnahme; Milderungsgrund

Gesetze: § 184b Abs 4 StGB, § 13 BDG, § 13 DG NW 2004

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: 3d A 128/11.O Urteil

Gründe

1Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie auf Divergenz (§ 67 Satz 1 LDG NRW i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO) gestützte Beschwerde des Beklagten hat keinen Erfolg.

21. Der Beklagte, der als beamteter Gymnasiallehrer im Dienst des klagenden Landes stand, wurde wegen des Besitzes kinderpornografischer Schriften nach § 184b Abs. 4 StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Nach den Feststellungen des Strafgerichts war er im Jahr 2007 im Besitz von kinderpornografischen Bilddateien gewesen, die er auf einem privaten Computer gespeichert hatte. Im sachgleichen Disziplinarverfahren hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.

32. Die Revision ist nicht wegen Divergenz zuzulassen. Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 67 Satz 1 LDG NRW i.V.m. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. BVerwG 8 B 61.95 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 18 S. 3). Zwischen beiden Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines bestimmten allgemeinen Rechtsgrundsatzes bestehen. Demzufolge liegt eine Divergenz nicht vor, wenn das Oberverwaltungsgericht einen abstrakten Rechtssatz im Einzelfall rechtsfehlerhaft anwendet oder daraus nicht die rechtlichen Folgerungen zieht, die etwa für die Sachverhalts- und Beweiswürdigung geboten sind (stRspr; vgl. BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14).

4Diesen Voraussetzungen genügt die Beschwerde nicht. Sie benennt bereits weder eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts noch einen abstrakten Rechtssatz. Soweit die Beschwerde auf den im BVerwG 2 C 5.10 - (Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12) aufgestellten Leitsatz rekurriert, nach dem sich der außerdienstliche Besitz kinderpornografischer Schriften wegen der Variationsbreite der denkbaren Fallgestaltungen keiner bestimmten Disziplinarmaßnahme im Sinne einer Regelmaßnahme zuordnen lässt, waren die diesem Leitsatz zugrunde liegenden Erwägungen auf die bis zum geltende Rechtslage bezogen. Danach konnte der Besitz kinderpornografischer Schriften nach § 184 Abs. 5 StGB a.F. mit Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr geahndet werden. Diesen Strafrahmen hat der Gesetzgeber durch das Gesetz vom (BGBl I S. 3007) mit Wirkung vom auf zwei Jahre erhöht. Daher hat der Senat bereits in dem Urteil vom klargestellt, dass sich seitdem die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme für den außerdienstlichen Besitz kinderpornografischer Schriften bei Lehrern angesichts der besonderen Dienstpflichten dieser Beamten an der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu orientieren hat (Rn. 24).

5Dies hat der Senat in dem BVerwG 2 B 133.11 - (NVwZ-RR 2012, 607) dahingehend ergänzt, dass ein beamteter Lehrer, der sich nach § 184b Abs. 4 StGB strafbar gemacht hat, aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden kann, wenn das strafbare Verhalten aufgrund der Tatumstände, insbesondere der Anzahl und des Inhalts des Materials, als besonders verwerflich einzustufen ist und keine entlastenden Umstände von erheblichem Gewicht zu berücksichtigen sind (Rn. 11).

6Einen hiervon abweichenden Rechtssatz hat das Oberverwaltungsgericht nicht aufgestellt. Es hat die einschlägige Rechtsprechung des erkennenden Senats vielmehr ausdrücklich zitiert. Das Oberverwaltungsgericht hat die Maßgabe seiner Entscheidungsfindung auch der Sache nach zugrunde gelegt und sich mit den Umständen des vorliegenden Falles - insbesondere auch Zeitdauer und Häufigkeit der Zugriffe auf das Bildmaterial - sowie dem Persönlichkeitsbild des Beklagten auseinandergesetzt.

7Dass es hierbei auf das Lehreramt des Beklagten Bezug genommen hat, ist nicht zu beanstanden. Die disziplinarrechtliche Relevanz außerdienstlicher Pflichtverletzungen ist daran zu messen, ob das Verhalten in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für das Amt des Beamten oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Maßstab der Betrachtungen ist deshalb das Amt des Beamten im konkret-funktionellen Sinne (Urteil vom a.a.O. Rn. 14). Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht auch davon ausgegangen, dass die strafrechtlich geahndeten außerdienstlichen Pflichtenverstöße des Beklagten einen Bezug zu seinem Dienstposten aufweist. Der außerdienstliche Besitz kinderpornografischer Schriften bei einem Lehrer gibt begründeten Anlass zu Zweifeln an der Eignung für den Lehrerberuf. Ein Lehrer, der sich nach § 184 Abs. 4 StGB strafbar gemacht hat, bietet keine Gewähr, dass er die ihm obliegenden Erziehungsaufgaben mit der erforderlichen Autorität erfüllen kann (Beschluss vom a.a.O. Rn. 11).

8Die bisher beanstandungsfreie Tätigkeit des Beklagten steht der Maßnahme nicht entgegen. Es ist in der Rechtsprechung vielmehr geklärt, dass auch eine langjährige Dienstleistung ohne Beanstandungen und ggf. mit überdurchschnittlichen Leistungen bei gravierenden Dienstpflichtverletzungen neben der Schwere des Dienstvergehens in aller Regel nicht mildernd ins Gewicht fällt (vgl. zuletzt BVerwG 2 B 63.12 - Rn. 13). Gleiches gilt für die Frage, ob das Dienstvergehen in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist ( BVerwG 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <260> = Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 1 Rn. 26 m.w.N.).

9Der Vortrag, die erforderliche Gesamtabwägung habe im vorliegenden Fall nicht stattgefunden, wendet sich gegen die fallbezogene disziplinarrechtliche Würdigung des festgestellten Sachverhalts durch das Oberverwaltungsgericht und ist ersichtlich nicht geeignet, eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO darzulegen.

103. Die Beschwerde des Beklagten hat auch keine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage aufgezeigt. Die generellen Anforderungen an die Bemessung einer Disziplinarmaßnahme für den außerdienstlichen Besitz kinderpornografischen Materials von Lehrern sind, wie oben unter 2. dargelegt, in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt (vgl. zuletzt Beschluss vom a.a.O. Rn. 8 ff.). Neuen oder zusätzlichen Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf. Sie wendet sich vielmehr auch mit der Grundsatzrüge in der Sache gegen die fallbezogene Anwendung dieser Anforderungen durch das Oberverwaltungsgericht.

Fundstelle(n):
DAAAE-34601