BAG Urteil v. - 3 AZR 684/10

Hinterbliebenenversorgung für einen eingetragenen Lebenspartner eines Dienstordnungsangestellten

Gesetze: Art 6 Abs 1 GG, §§ 18ff BeamtVG, § 28 BeamtVG, § 5 LPartG, § 9 LPartG, § 20 LPartG, Art 157 Abs 2 AEUV, Art 288 Abs 3 AEUV, Art 1 EGRL 78/2000, Art 2 Abs 2 Buchst a EGRL 78/2000, Art 3 Abs 1 Buchst c EGRL 78/2000, Art 16 EGRL 78/2000, Art 18 S 1 EGRL 78/2000, § 19 Abs 1 S 2 Nr 1 BeamtVG, § 19 Abs 1 S 2 Nr 2 BeamtVG

Instanzenzug: Az: 8 Ca 199/09 Ö Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen Az: 3 Sa 540/10 B Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger eine Hinterbliebenenversorgung zu zahlen.

2Der 1945 geborene B war bei der Beklagten als Dienstordnungsangestellter beschäftigt. Am begründete er mit dem Kläger eine Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz. B verstarb am .

§ 6 Abs. 1 der Dienstordnung der Beklagten lautet:

4Mit der vorliegenden Feststellungsklage hat der Kläger von der Beklagten die Zahlung einer Hinterbliebenenversorgung verlangt und die Auffassung vertreten, dass er als eingetragener Lebenspartner ebenso zu behandeln sei wie ein hinterbliebener Ehegatte.

Der Kläger hat beantragt

6Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, für einen Anspruch des Klägers gebe es keine gesetzliche Grundlage. Eine analoge Anwendung der für hinterbliebene Ehegatten bestehenden Bestimmungen des Beamtenversorgungsgesetzes scheide aus. Aufgrund des verfassungsrechtlichen Schutzes der Ehe sei es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, diese gegenüber anderen Lebensformen zu begünstigen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Im Laufe des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zunächst ab dem eine Hinterbliebenenversorgung an den Kläger geleistet und nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Übertragung ehebezogener Regelungen im öffentlichen Dienstrecht auf Lebenspartnerschaften vom (BGBl. I S. 2219) auch für den Zeitraum vom bis zum . Daraufhin hat der Kläger seinen Klageantrag auf die Zeit vom bis zum eingeschränkt und den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat im Übrigen für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich der Erledigungserklärung des Klägers angeschlossen und verfolgt mit ihrer Revision im Übrigen ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger begehrt die Zurückweisung der Revision.

Gründe

8Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben der Klage, soweit sie noch rechtshängig ist, zu Recht stattgegeben. Die Beklagte ist verpflichtet, an den Kläger für die Zeit ab dem bis zum eine Hinterbliebenenversorgung in demselben Umfang zu zahlen, wie dies nach den Bestimmungen des Beamtenversorgungsgesetzes für hinterbliebene Ehegatten vorgesehen ist.

9I. Die Feststellungsklage ist zulässig.

10Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann auf die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger begehrt die Feststellung eines Rechtsverhältnisses, nämlich der Versorgungsverpflichtung der Beklagten dem Grunde nach. Er hat auch ein Interesse an alsbaldiger Feststellung dieses Rechtsverhältnisses, da die Beklagte die geltend gemachte Pflicht zur Versorgung des Klägers leugnet. Der Vorrang der Leistungsklage greift nicht, da die Feststellungsklage eine sachgemäße, einfachere Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte ermöglicht und prozesswirtschaftliche Erwägungen gegen einen Zwang zur Leistungsklage sprechen (vgl.  - Rn. 18, AP BetrAVG § 1 Auslegung Nr. 27; - 3 AZR 655/02 - zu A der Gründe).

11II. Die Klage ist im noch streitigen Zeitraum vom bis zum begründet. Der Kläger kann von der Beklagten verlangen, dass sie an ihn auch für diese Zeit eine Hinterbliebenenversorgung in demselben Umfang leistet, wie dies die Bestimmungen des Beamtenversorgungsgesetzes für einen hinterbliebenen Ehepartner vorsehen. Der Kläger kann seinen Anspruch auf die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen seines Lebenspartners und der Beklagten iVm. § 6 Abs. 1 der Dienstordnung der Beklagten, den Vorschriften des Beamtenversorgungsgesetzes und der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom S. 16, im Folgenden RL 2000/78/EG) stützen.

121. Nach den zwischen dem verstorbenen B und der Beklagten getroffenen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen einschließlich der in § 6 Abs. 1 der Dienstordnung erfolgten Bezugnahme auf die gesetzlichen Vorschriften über die Versorgung der Beamten kann der Kläger als eingetragener Lebenspartner des verstorbenen Dienstordnungsangestellten B für die Zeit vom bis zum zwar keine Hinterbliebenenversorgung von der Beklagten beanspruchen.

13§ 6 Abs. 1 der auf das Arbeitsverhältnis des verstorbenen Dienstordnungsangestellten B und der Beklagten anwendbaren Dienstordnung sicherte dem verstorbenen B eine Versorgung entsprechend den „Vorschriften für Beamte des Bundes“ zu. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses und auch noch zum Zeitpunkt des Todes von B im September 2007 galt § 85 BBG (aufgehoben mit Wirkung zum durch Art. 17 Abs. 11 des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes vom , BGBl. I S. 160), der auf das Beamtenversorgungsgesetz verwies. Dieses Gesetz ist deshalb für die Versorgung des Klägers als hinterbliebenem eingetragenen Lebenspartner von B im hier streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblich. § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 BeamtVG sah in seiner bis zum geltenden Fassung eine Hinterbliebenenversorgung nur für Ehepartner, nicht aber für eingetragene Lebenspartner vor.

142. Diese im Arbeitsvertrag iVm. der Dienstordnung der Beklagten und dem Beamtenversorgungsgesetz angelegte Unterscheidung zwischen Ehepartnern und eingetragenen Lebenspartnern hält jedoch einer Prüfung anhand der RL 2000/78/EG nicht stand mit der Folge, dass der Kläger so zu behandeln ist, als wäre er mit dem verstorbenen Dienstordnungsangestellten B verheiratet gewesen.

15a) Der Anwendungsbereich der RL 2000/78/EG ist eröffnet. Der streitgegenständliche Anspruch fällt in den Geltungsbereich dieser Richtlinie, weil die Hinterbliebenenversorgung ein Bestandteil des Arbeitsentgelts nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der RL 2000/78/EG ist. Unter Arbeitsentgelt im Sinne dieser Regelung sind nach Art. 157 Abs. 2 AEUV ua. Gehälter und alle sonstigen Vergütungen zu verstehen, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer unmittelbar oder mittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt. Dazu können auch Leistungen zählen, die erst nach dem Ende der aktiven Dienstzeit gewährt werden ( - und - C-5/02 - [Schönheit und Becker] Rn. 56 ff., Slg. 2003, I-12575;  2 C 47.09 - Rn. 12, ZTR 2011, 192).

16Die Geltung der RL 2000/78/EG für den vorliegenden Fall wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Gewährung der Hinterbliebenenversorgung ua. davon abhängt, in welchem Familienstand der Dienstordnungsangestellte lebt. Zwar lässt die RL 2000/78/EG nach ihrem Erwägungsgrund 22 einzelstaatliche Rechtsvorschriften über den Familienstand und davon abhängige Leistungen unberührt. Gleichwohl fällt die Hinterbliebenenversorgung aufgrund ihres Entgeltcharakters in den Geltungsbereich der RL 2000/78/EG ( - [Maruko] Rn. 58 f., Slg. 2008, I-1757;  2 C 47.09 - Rn. 13, ZTR 2011, 192).

17b) Der Ausschluss der Lebenspartner im Sinne des Gesetzes über die eingetragene Lebenspartnerschaft von der Gewährung der Hinterbliebenenversorgung gegenüber der Gewährung dieser Versorgungsleistung an hinterbliebene Ehepartner eines Dienstordnungsangestellten stellt jedenfalls ab dem eine unmittelbare Diskriminierung iSd. RL 2000/78/EG dar (vgl. zur Beamtenversorgung ab dem :  2 C 47.09 - Rn. 14, ZTR 2011, 192).

18aa) Nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der RL 2000/78/EG liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Art. 1 genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person erfährt. Es ist Sache des nationalen Gerichts zu entscheiden, ob eine vergleichbare Situation gegeben ist ( - [Maruko] Rn. 72 f., Slg. 2008, I-1757;  2 C 47.09 - Rn. 15, ZTR 2011, 192).

19bb) Vorliegend wird der Kläger als vormals in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft mit einem Dienstordnungsangestellten Lebender im Hinblick auf die Voraussetzungen für die Hinterbliebenenversorgung nach den Bestimmungen des Beamtenversorgungsgesetzes in der bis zum geltenden Fassung gegenüber einem Hinterbliebenen eines verheirateten Dienstordnungsangestellten benachteiligt, weil ihm als hinterbliebenem Lebenspartner eine Hinterbliebenenversorgung nicht gewährt wird, während hinterbliebene Ehepartner verheirateter Dienstordnungsangestellter eine solche beanspruchen können.

20(1) Die Benachteiligung erfolgt wegen der sexuellen Ausrichtung. Die eingetragene Lebenspartnerschaft ist Personen gleichen Geschlechts vorbehalten, während die Ehe nur von Personen unterschiedlichen Geschlechts geschlossen werden kann; regelmäßig entspricht die Wahl des Familienstands der sexuellen Orientierung der Partner. Durch diese unterschiedliche Behandlung werden Dienstordnungsangestellte, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, gegenüber verheirateten Dienstordnungsangestellten unzulässigerweise diskriminiert, weil beide Gruppen sich im Hinblick auf die Hinterbliebenenversorgung seit dem in einer vergleichbaren Lage befinden (vgl. für die Beamtenversorgung ab dem :  2 C 47.09 - Rn. 16, ZTR 2011, 192).

21(2) Nach deutschem Recht befinden sich hinterbliebene Lebenspartner jedenfalls seit dem hinsichtlich der Hinterbliebenenversorgung in einer Eheleuten vergleichbaren Situation. Art. 6 Abs. 1 GG steht nicht entgegen. Danach ist es dem Gesetzgeber zwar verwehrt, andere Lebensformen gegenüber der Ehe zu begünstigen. Es besteht jedoch keine Verpflichtung, im Sinne eines „Abstandsgebots“ andere Lebensformen gegenüber der Ehe zu benachteiligen (, 1 BvF 2/01 - zu B II 1 c cc der Gründe, BVerfGE 105, 313; - 1 BvR 1164/07 - Rn. 105, BVerfGE 124, 199). Damit ist es Sache des Gesetzgebers zu bestimmen, ob und inwieweit er zwischen der Ehe und der eingetragenen Lebenspartnerschaft eine vergleichbare Situation schafft ( - Rn. 23, AP GG Art. 3 Nr. 317 = EzA AGG § 2 Nr. 5).

22Eine solche vergleichbare Situation hat der Gesetzgeber nicht bereits durch das Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) in der ursprünglichen, am in Kraft getretenen Fassung (Art. 1, 5 des Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften vom , BGBl. I S. 266) geschaffen. Dieses Gesetz sah zwar in § 5 bereits eine Unterhaltspflicht für Lebenspartner vor, hatte jedoch Fragen der Altersversorgung nicht zum Gegenstand. Das änderte sich erst durch das Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts vom (BGBl. I S. 3396), das nach seinem Art. 7 Abs. 1 am in Kraft trat. Durch dieses Gesetz wurde ein Versorgungsausgleich wie bei der Ehescheidung auch bei der Aufhebung der Lebenspartnerschaft eingeführt (§ 20 LPartG einerseits und früher §§ 1587 ff. BGB sowie jetzt Versorgungsausgleichsgesetz andererseits). Weiter wurde § 46 SGB VI ergänzt und damit die eingetragene Lebenspartnerschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung der Ehe gleichgestellt. Dadurch wurde „das Recht der Lebenspartnerschaft weitgehend an das Recht der Ehe angeglichen“ (BT-Drucks. 15/3445 S. 14).

23Diese vergleichbare Rechtslage ist der maßgebliche Anknüpfungspunkt auch für die Hinterbliebenenversorgung im Betriebsrentenrecht. Abzustellen ist dabei auf das Versorgungsinteresse des Arbeitnehmers, der die der Versorgungszusage zugrunde liegende Betriebszugehörigkeit zurückgelegt und entsprechende Arbeitsleistungen erbracht hat. Das knüpft an das Näheverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und der durch die Hinterbliebenenversorgung begünstigten Personen an. Dabei können sich zwar zu einer Differenzierung berechtigende Unterscheidungen auch aus einer unterschiedlichen gesetzlichen Ausgestaltung dieses Näheverhältnisses ergeben. Ist die gesetzliche Ausgestaltung jedoch gerade nicht unterschiedlich sondern vergleichbar, rechtfertigt sie keine unterschiedliche Behandlung im Arbeits- und im daran anknüpfenden Versorgungsverhältnis ( - Rn. 25, AP GG Art. 3 Nr. 317 = EzA AGG § 2 Nr. 5).

24(3) Es bestehen seit dem keine maßgeblichen Unterschiede zwischen Lebens- und Ehepartnern hinsichtlich der gegenseitigen Unterhalts- und Beistandspflichten. In beiden Fällen soll der Dienstordnungsangestellte in die Lage versetzt werden, sich selbst und seine Familie angemessen zu unterhalten. Zu den Unterhaltspflichten zählt auch die Vorsorge für den Todesfall (vgl. für Beamte:  2 C 47.09 - Rn. 16, ZTR 2011, 192). Deshalb kommt es nicht entscheidend darauf an, dass Ehepartner häufig vorübergehend mit der Erziehung von Kindern befasst sind und sie deshalb zum Teil zeitweise keiner eigenen Erwerbstätigkeit nachgehen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass in einer Ehe keine Kinder erzogen werden oder dies nicht zu erheblichen Versorgungsnachteilen für einen Ehepartner führt. Andererseits ist Kindererziehung auch in eingetragenen Lebenspartnerschaften nicht ausgeschlossen, wovon bereits § 9 LPartG ausgeht ( - Rn. 26, AP GG Art. 3 Nr. 317 = EzA AGG § 2 Nr. 5).

25c) Die Richtlinie 2000/78/EG ist unmittelbar anwendbar. Der Kläger kann sich auch auf diese berufen.

26aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann sich der Einzelne in allen Fällen, in denen die Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, vor den nationalen Gerichten gegenüber dem Staat auf diese Bestimmungen berufen, wenn dieser die Richtlinie nicht fristgemäß oder nur unzulänglich in das nationale Recht umgesetzt hat. Eine Unionsvorschrift ist unbedingt, wenn sie eine Verpflichtung normiert, die an keine Bedingungen geknüpft ist und zu ihrer Durchführung oder Wirksamkeit auch keiner weiteren Maßnahme der Unionsorgane oder der Mitgliedstaaten bedarf. Sie ist hinreichend genau, um von einem Einzelnen geltend gemacht und vom Gericht angewandt werden zu können, wenn sie in unzweideutigen Worten eine Verpflichtung festlegt ( - [Gassmayr] Rn. 44 f. mwN, Slg. 2010, I-6281). Eine Richtlinie ist auch dann unmittelbar anwendbar, wenn der Mitgliedstaat zwar Umsetzungsmaßnahmen ergriffen hat, diese aber keine vollständige Anwendung der Richtlinie gewährleisten ( - [Marks & Spencer] Rn. 23 ff., Slg. 2002, I-6325;  2 C 47.09 - Rn. 18, ZTR 2011, 192).

27bb) Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Die RL 2000/78/EG wurde, was die Hinterbliebenenversorgung bis zum angeht, nicht vollständig in deutsches Recht umgesetzt. Die maßgeblichen Richtlinienvorschriften sind inhaltlich unbedingt und hinreichend genau. Die Umsetzungsfrist ist im Jahr 2003 abgelaufen.

28(1) Nach Art. 288 Abs. 3 AEUV ist die Richtlinie für die Mitgliedstaaten hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel zur Erreichung dieses Ziels. Dabei hat der Mitgliedstaat sicherzustellen, dass die vollständige und effektive Anwendung der Richtlinie gewährleistet ist. Rechtsvorschriften, die der Richtlinie entgegenstehen, müssen daher aufgehoben oder geändert werden oder es muss auf andere geeignete Weise und für die von der Richtlinie Begünstigten erkennbar erreicht werden, dass die sich aus der Richtlinie ergebende Rechtslage Bestandteil der mitgliedstaatlichen Rechtsordnung wird (vgl. zur Beamtenversorgung:  2 C 47.09 - Rn. 20, ZTR 2011, 192).

29(2) Diesen Anforderungen wird die Umsetzung der RL 2000/78/EG in den §§ 18 ff. und § 28 BeamtVG in ihrer bis zum geltenden Fassung, die nach § 6 Abs. 1 der Dienstordnung der Beklagten im Streitfall entsprechend anwendbar sind, nicht gerecht. Die Vorschriften schließen den hinterbliebenen Lebenspartner des Dienstordnungsangestellten von der Gewährung der Hinterbliebenenversorgung nach den für Ehepartner geltenden Vorschriften aus. Insofern ist die Umsetzung der Richtlinie unvollständig geblieben; es wäre erforderlich gewesen, die einer Einbeziehung der Lebenspartnerschaften entgegenstehenden Vorschriften zu ändern und einen entsprechenden Anspruch im deutschen Recht zu verankern (vgl. zur Beamtenversorgung:  2 C 47.09 - Rn. 21, ZTR 2011, 192).

30(3) Die maßgeblichen Vorschriften der RL 2000/78/EG - insbesondere Art. 1 bis 3 und Art. 16 - sind inhaltlich unbedingt und hinreichend genau. Aus Art. 16 ergibt sich zweifelsfrei die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, alle dem Gleichbehandlungsgrundsatz zuwiderlaufenden Rechtsvorschriften aufzuheben und dafür Sorge zu tragen, dass mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zu vereinbarende Bestimmungen ua. in Arbeitsverträgen, Tarifverträgen und Betriebsordnungen für nichtig erklärt oder geändert werden. Die Umsetzungsfrist ist nach Art. 18 Satz 1 der RL 2000/78/EG seit dem abgelaufen (vgl. zum Beamtenversorgungsrecht:  2 C 47.09 - Rn. 22, ZTR 2011, 192).

31d) Dies hat zur Folge, dass die §§ 18 ff. und § 28 BeamtVG iVm. dem Dienstvertrag des verstorbenen eingetragenen Lebenspartners des Klägers insoweit unanwendbar sind, als diese Regelungen mit Unionsrecht nicht in Einklang stehen. Die Vorschriften über die Hinterbliebenenversorgung müssen daher so angewandt werden, dass sie nicht zu einer Diskriminierung von Dienstordnungsangestellten führen, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben bzw. gelebt haben und sich im Übrigen in einer mit Eheleuten vergleichbaren Situation befinden. Dies kann nur dadurch geschehen, dass in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebende Dienstordnungsangestellte so behandelt werden wie verheiratete Dienstordnungsangestellte. Dass dies über die bloße Nichtanwendung eines Teils des Normtextes hinausgeht und dadurch ein vom Normgeber geregelter Anspruch einer von ihm bewusst nicht erfassten Gruppe von Begünstigten gewährt wird, ist nicht zu beanstanden, denn anders lässt sich die volle Wirksamkeit der RL 2000/78/EG nicht herstellen (vgl. zur Beamtenversorgung:  2 C 72.08 - BVerwGE 136, 165).

III. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen. Auch soweit die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, trifft die Beklagte nach § 91a Abs. 1 ZPO die Kostenlast. Da die Klage auch für die Zeit ab dem bis zur Zahlung der Hinterbliebenenversorgung seit diesem Zeitpunkt durch die Beklagte zulässig und begründet war, entspricht es unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes billigem Ermessen, der Beklagten die Kosten auch insoweit aufzuerlegen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




Fundstelle(n):
BB 2012 S. 3199 Nr. 51
BB 2013 S. 1140 Nr. 19
DB 2012 S. 20 Nr. 50
DB 2013 S. 1063 Nr. 19
AAAAE-33108