BAG Urteil v. - 4 AZR 48/11

Eingruppierung einer Heilerziehungspflegerin

Gesetze: § 12 DCVArbVtrRL, Anl 1 Entgeltgr 7 DCVArbVtrRL, Anl 1 Entgeltgr 8 DCVArbVtrRL, Anl 1 Entgeltgr 9 DCVArbVtrRL

Instanzenzug: ArbG Bielefeld Az: 1 Ca 2671/09 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 19 Sa 1616/10 Urteilnachgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 10 Sa 353/13 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin nach den Arbeitsvertragsrichtlinien für Einrichtungen, die dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland angeschlossen sind (AVR-DW EKD).

Der Beklagte ist Träger von diakonischen Einrichtungen und betreibt ua. das „Haus W“, eine Wohneinrichtung für Menschen mit geistigen Behinderungen. Die Klägerin ist ausgebildete Erzieherin. In dem mit der Klägerin geschlossenen Dienstvertrag vom ist ua. vereinbart:

3Die Klägerin ist im „Haus W“ für die Wohngruppe 6 zuständig, in der sieben Personen von fünf Beschäftigten betreut werden. In den Jahren 2002 bis 2007 absolvierte sie den 210 Unterrichtsstunden umfassenden Qualifikationslehrgang „e-Motion“. Seit der Neufassung der AVR-DW EKD zum erhält sie eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 7 AVR-DW EKD.

4Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Feststellung begehrt, sie sei nach der Entgeltgruppe 9 AVR-DW EKD, hilfsweise der Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD zu vergüten. Die ihr übertragene Tätigkeit ergebe sich aus der Aufgabenbeschreibung von Mai 1995, die für alle pädagogischen Beschäftigten im „Haus W“ gelte. Zu ihren Aufgaben gehörten Betreuungs- und Personalangelegenheiten mit teilweiser Finanzverantwortung. Insbesondere sei sie mit der Erstellung von Sozial- und Verlaufsberichten befasst, in denen die Art und Schwere der Behinderung zum Zeitpunkt der Aufnahme, der gegebene Hilfsbedarf sowie die bestehenden Perspektiven der Bewohner dargestellt würden. Sie besitze anwendungsbezogene wissenschaftliche Kenntnisse iSd. Entgeltgruppe 9 AVR-DW EKD, ohne die sie ihre Aufgaben nicht erbringen könne. Ihre Befugnisse und Kompetenzen entsprächen den Aufgaben einer Diplom-Pädagogin. Jedenfalls nehme sie eigenständig schwierige Aufgaben iSd. Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD wahr. Die betreuten Bewohner wiesen eine Vielzahl unterschiedlicher psychischer Behinderungen, psychiatrischer Erkrankungen und Störungen auf, die sich teilweise in schweren sozialen Auffälligkeiten und aggressiven Verhaltensweisen zeigten. Sie benötige deshalb erhebliche medizinische, sozialtherapeutische und pädagogische Kenntnisse, die sie im Rahmen ihrer Tätigkeit zusätzlich erworben habe. Die besondere Schwierigkeit der Aufgaben zeige sich auch darin, dass der Beklagte jahrelang von seinen Mitarbeitern eine sonderpädagogische Zusatzqualifikation verlangt habe. Da sie im Übrigen die gleichen Aufgaben wie die übrigen Mitarbeiter mit Fachhochschulabschluss wahrnehme, rechtfertige sich ihre Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9 AVR-DW EKD auch aus Gründen der Gleichbehandlung.

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

6Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Stellenbeschreibung aus dem Monat Mai 1995 sei unverbindlich; sie beschreibe nur ganz allgemein den Arbeitsbereich einer Fachkraft im Betreuungsdienst und werde seit dem Jahr 2000 nicht mehr angewendet. Bei den in der Stellenbeschreibung genannten Tätigkeiten handele es sich um klassische Aufgaben einer Heilerziehungspflegerin, zu denen auch die Erstellung von Sozial- und Verlaufsberichten gehöre. Die der Klägerin tatsächlich übertragenen Aufgaben seien nicht „spezieller“ erzieherischer, sondern heilerzieherischer Art. Deshalb komme es auf die Qualifikation als Erzieherin nicht an. Vielmehr seien der Schwierigkeits- und Verantwortungsgrad der Tätigkeit an einer heilerzieherischen Ausbildung zu messen. Die Klägerin erfülle auch die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD nicht, weil die Betreuung von Bewohnern des „Hauses W“ keine schwierige Aufgabe iSd. Tätigkeitsmerkmales sei. Für eine Eingruppierung nach der Entgeltgruppe 9 AVR-DW EKD fehle es an der Notwendigkeit von wissenschaftlichen Kenntnissen für die Tätigkeit der Klägerin. Der Gleichbehandlungsgrundsatz sei nicht verletzt. Soweit einzelne Mitarbeiter mit Fachhochschulausbildung Tätigkeiten nach der Entgeltgruppe 7 AVR-DW EKD ausübten, seien diese als Sozialarbeiter mit einer Vergütung nach Entgeltgruppe 9 AVR-DW EKD eingestellt worden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage im Hilfsantrag stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen sowie die Anschlussberufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre ursprünglichen Anträge weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

8Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts konnte die Klage nicht abgewiesen werden. Ob sie aus anderen Gründen begründet ist, kann der Senat mangels hinreichender Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung (§ 563 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO).

I. Die Eingruppierung der Klägerin richtet sich aufgrund ihres Arbeitsvertrages nach den AVR-DW EKD in ihrer jeweils geltenden Fassung. Danach gelten für die Eingruppierung der Klägerin seit dem folgende Regelungen:

10II. Die begehrte Eingruppierung setzt voraus, dass die Klägerin nach Maßgabe der für Arbeitsvertragsrichtlinien der kirchlichen Einrichtungen geltenden Auslegungsregelungen (dazu s. nur  - Rn. 29 mwN, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 54 = EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 13; - 10 AZR 188/03 - mwN, AP AVR Caritasverband Anlage 1 Nr. 3) entweder die allgemeinen Merkmale der Entgeltgruppe 9, hilfsweise der Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD oder eines der dort jeweils genannten Richtbeispiele gemäß den Anforderungen des § 12 Abs. 2 AVR-DW EKD erfüllt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, die für die Vergütungsordnung der AVR-DW EKD entsprechend anzuwenden ist, sind die Erfordernisse der Tätigkeitsmerkmale regelmäßig dann als erfüllt anzusehen, wenn die Mitarbeiterin eine diesen Beispielen entsprechende Tätigkeit ausübt (st. Rspr., etwa  - Rn. 20 f. mwN, AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 95; - 4 ABR 92/07 - Rn. 27 mwN, BAGE 129, 238). Auf die allgemeinen Merkmale muss nur dann zurückgegriffen werden, wenn die vom Arbeitnehmer ausgeübte Tätigkeit von einem Tätigkeitsbeispiel nicht oder nicht voll erfasst wird (st. Rspr.,  - Rn. 11; - 4 AZR 87/91 - mwN, AP TVG § 1 Tarifverträge: Großhandel Nr. 7 = EzA TVG § 4 Großhandel Nr. 2). Weiterhin ist nach den Eingruppierungsregelungen des § 12 Abs. 3 AVR-DW EKD nicht die berufliche Ausbildung, sondern die auszuübende Tätigkeit maßgebend.

11III. In Anwendung dieser Grundsätze erweist sich die Stattgabe der Berufung der Beklagten und die Zurückweisung der Anschlussberufung der Klägerin als rechtsfehlerhaft.

121. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts konnte der Hauptantrag der Klägerin, mit dem sie die Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9 AVR-DW EKD geltend gemacht hat, nicht abgewiesen werden.

13a) Allerdings hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend angenommen, die Klägerin könne eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 9 AVR-DW EKD nicht aus dem Gesichtspunkt des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes verlangen.

14aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gebietet der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, der inhaltlich durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bestimmt wird, dem Arbeitgeber, Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in gleicher oder vergleichbarer Lage befinden, gleich zu behandeln. Untersagt ist ihm sowohl eine willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe als auch eine sachfremde Gruppenbildung. Im Bereich der Vergütung gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz nur eingeschränkt. Vorrang hat der Grundsatz der Vertragsfreiheit für individuell ausgehandelte Gehälter. Der Gleichbehandlungsgrundsatz findet aber auch im Bereich der Entgeltzahlung Anwendung, wenn der Arbeitgeber die Vergütung nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, indem er bestimmte Voraussetzungen oder bestimmte Zwecke festlegt (vgl. nur  - Rn. 49 mwN, AP TVG § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 39). Allerdings greift der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz wegen seines Schutzcharakters gegenüber der Gestaltungsmacht des Arbeitgebers nur dort ein, wo dieser auch durch eigenes gestaltendes Verhalten ein eigenes Regelwerk oder eine eigene Ordnung schafft, nicht hingegen bei bloßem - auch vermeintlichem - Normenvollzug (s. nur  - Rn. 23 mwN, NZA 2011, 1426).

15bb) Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, dass es sich aus der Sicht der Klägerin lediglich um einen Normenvollzug durch den Beklagten handele. Es liege kein Fall einer bewussten freiwilligen Leistung durch die Weitergewährung einer als zu hoch erkannten und bislang irrtümlich gewährten Vergütungszahlung vor. Der Beklagte halte die Eingruppierung der Fachhochschulkräfte in die Entgeltgruppe 9 AVR-DW EKD wegen der geschlossenen Arbeitsverträge über eine Tätigkeit als Sozialarbeiter für richtig.

16cc) Dies ist jedenfalls im Ergebnis zutreffend. Die Klägerin hätte darlegen müssen, dass die Eingruppierung der Mitarbeiter mit einem Fachhochschulabschluss in die Entgeltgruppe 9 AVR-DW EKD durch den Beklagten nicht nur objektiv fehlerhaft ist, sondern dass die gewährte Vergütung auf einer bewusst nicht an der Eingruppierungsautomatik der AVR-DW EKD orientierten und auf einer sachfremden Gruppenbildung beruhenden Regelentscheidung des Beklagten beruht.

17Eine mögliche fehlerhafte Eingruppierung der Mitarbeiter mit einem Fachhochschulabschluss durch den Beklagten - selbst wenn sie vorläge, was aber die Klägerin bereits nicht ausdrücklich vorträgt - kann eine ebenfalls fehlerhafte Eingruppierung der Klägerin nicht begründen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz kommt als Anspruchsgrundlage nur dann zum Tragen, wenn der Arbeitgeber allein nach einem anderen, in der Regel von ihm aufgestellten Grundsatz Leistungen gewährt, von denen der Arbeitnehmer trotz Erfüllung der für den begünstigten Arbeitnehmerkreis aufgestellten Voraussetzungen zu Unrecht ausgeschlossen ist. Eine solche bewusste Entscheidung des Beklagten unter Ausgrenzung ihrer Person nach sachfremden Kriterien legt die Klägerin jedoch nicht dar.

18b) Die Revision der Klägerin ist jedoch begründet, soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, die allgemeinen Merkmale der Entgeltgruppe 9 AVR-DW EKD seien nicht erfüllt.

19aa) Nach § 12 Abs. 3 AVR-DW EKD ist für die Eingruppierung nicht die tatsächliche Qualifikation der Mitarbeiterin entscheidend, sondern die Qualifikation, die für die Ausübung der beschriebenen Tätigkeit in der Regel erforderliche ist. Nehmen die Tätigkeitsmerkmale der Entgeltordnung auf eine Ausbildung oder sonstige Qualifikation Bezug, wird damit ein Merkmal der zu bewertenden Tätigkeit und der hierzu erforderlichen Kenntnisse beschrieben, nicht aber ein persönliches Merkmal der betreffenden Mitarbeiterin.

20bb) Danach erweist sich die Begründung des Landesarbeitsgerichts als rechtsfehlerhaft. Es hat entscheidend auf die fachlichen Kenntnisse der Klägerin abgestellt, nicht aber darauf, ob diese für die ausdrücklich übertragene Tätigkeit erforderlich sind.

212. Auch die vom Landesarbeitsgericht für die Zurückweisung des Hilfsantrages der Klägerin angeführte Begründung, die Klägerin erfülle zwar das Richtbeispiel „Erzieherin“ der Entgeltgruppe 7 AVR-DW EKD, nicht aber das Richtbeispiel „Erzieherin mit speziellen Aufgaben und entsprechenden Kenntnissen“ der Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD, ist nicht rechtsfehlerfrei.

22a) Nach den Eingruppierungsregelungen des § 12 Abs. 3 AVR-DW EKD kommt es für die Eingruppierung nach einem Richtbeispiel nicht darauf an, ob die Klägerin die Prüfung für einen dort genannten Ausbildungsberuf erfolgreich abgelegt hat, sondern vielmehr, ob ihr eine entsprechende Tätigkeit, zB als Erzieherin auch übertragen worden ist.

23b) Die Klägerin erfüllt nicht das Richtbeispiel einer Erzieherin iSd. Entgeltgruppe 7 AVR-DW EKD. Die ihr übertragene Tätigkeit entspricht nicht dem Berufsbild einer Erzieherin, sondern dem einer Heilerziehungspflegerin.

aa) Nach den von der Bundesagentur für Arbeit veröffentlichten Berufsinformationen sind Erzieherinnen ua. wie folgt tätig:

Davon unterscheiden sich das Berufsbild und das Ausbildungsziel von Heilerziehungspflegerinnen, wie es etwa in den nordrhein-westfälischen „Richtlinien und Lehrpläne zur Erprobung - Fachschulen des Sozialwesens - Fachrichtung Heilerziehungspflege“ (hrsg. vom Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen, Amtsblatt des Ministeriums Nr. 6/08, S. 16 ff.) im Abschnitt 2.1 - Fachschule für Heilerziehungspflege - beschrieben wird:

26bb) Die der Klägerin ausdrücklich übertragenen Tätigkeiten entsprechen nicht dem Berufsbild einer Erzieherin, sondern dem einer Heilerziehungspflegerin. Sie arbeitet nicht in der Betreuung und Förderung von Kindern und Jugendlichen. Aus der von ihr selbst vorgelegten „Stellenbeschreibung“ und nach der von ihr beschriebenen Tätigkeit ergibt sich, dass die „Lebensbegleitung für Menschen mit Behinderungen“ Aufgabe und Ziel ihrer Beschäftigung ist. Ihr erstinstanzlicher Vortrag, sie sei „als Erzieherin mit speziellen Aufgaben der pädagogischen, therapeutischen und medizinischen Bereiche tätig“, steht dem nicht entgegen. Maßgebend ist allein die tatsächlich übertragene Tätigkeit, nicht aber die rechtliche Bewertung oder Einordnung in vermeintliche Berufsbilder durch eine Partei.

27cc) Etwas anderes folgt nicht aus der arbeitsvertraglichen Vereinbarung, nach der die Klägerin als „Erzieherin“ eingestellt ist.

28(1) Zwar richtet sich nach § 12 Abs. 3 AVR-DW EKD die Eingruppierung allein nach der übertragenen Tätigkeit, die nicht notwendig mit der tatsächlich ausgeübten identisch ist. Maßgebend ist grundsätzlich diejenige Tätigkeit, die nach dem Arbeitsvertrag geschuldet wird ( - Rn. 58 mwN, BAGE 132, 365). Für eine Änderung des Arbeitsvertrages ist eine darauf gerichtete Willenserklärung der Arbeitsvertragsparteien erforderlich (vgl.  - Rn. 44, EzTöD 400 Eingruppierung BAT Lehrer Nr. 2; - 4 AZR 479/94 - AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 207).

29(2) Vorliegend geht der Senat aufgrund des übereinstimmenden Vorbringens der Parteien und der einvernehmlichen Ausübung der ausdrücklich vom Arbeitgeber übertragenen Tätigkeit zugunsten der Klägerin davon aus, dass die ihr übertragene Tätigkeit entweder (noch) im Rahmen des arbeitsvertraglichen Weisungsrechts erfolgt oder es insoweit zu einer (konkludenten) Änderung der ursprünglichen vertraglichen Tätigkeitsabrede gekommen ist und die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit einer Heilerziehungspflegerin dem Arbeitsvertrag entspricht. Im anderen Fall könnte die Klägerin unter Berufung auf die ihr übertragene Tätigkeit ohnehin keine Vergütung auf Grundlage des Richtbeispiels „Erzieherin“ verlangen.

30IV. Die Rechtsverletzungen führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung. Der Senat kann auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts unter dem Gesichtspunkt des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör die Sache nicht selbst abschließend entscheiden.

311. Die Klage ist derzeit nicht schlüssig.

32a) Der Vortrag der Klägerin zu der von ihr geltend gemachten Eingruppierung nach der Entgeltgruppe 9 AVR-DW EKD, soweit sie sich auf das allgemeine Merkmal der Fallgruppe 1 a AVR-DW EKD beruft, ist bisher unschlüssig.

33Die Klägerin hat sich insoweit bisher auf eine Darstellung der ihr obliegenden Tätigkeiten und deren Schwierigkeitsgrad, wie sie aus ihrer Sicht gegeben sind, beschränkt. Soweit hier behauptet wurde, die in der Ausbildung zur Erzieherin vermittelten Kenntnisse reichten für die Erfüllung der ihr konkret übertragenen Aufgaben nicht aus, ist dieser Vortrag nicht hinreichend. Er orientiert sich nicht an dem erforderlichen Vergleich zu den Ausbildungsinhalten des Studiengangs an einer Fachhochschule, zB der Heilpädagogik, um beurteilen zu können, ob die Klägerin im Rahmen der ihr übertragenen Heilerziehungstätigkeit „anwendungsbezogene wissenschaftliche Kenntnisse“ iSd. Tätigkeitsmerkmales benötigt.

34b) Nach dem bisherigen Vorbringen hat die Klägerin weiterhin nicht schlüssig dargetan, dass sie nach der Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD zu vergüten ist.

35aa) Das gilt zunächst für die Eingruppierung in die Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD unter dem Gesichtspunkt der Erfüllung des Richtbeispiels „Heilerziehungspflegerin mit speziellen Aufgaben und entsprechenden Kenntnissen“.

36(1) Bauen Richtbeispiele wie vorliegend dasjenige der „Heilerziehungspflegerin“ und „Heilerziehungspflegerin mit speziellen Aufgaben und entsprechenden Kenntnissen“ der Entgeltgruppen 7 und 8 AVR-DW EKD aufeinander auf, genügt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats für einen schlüssigen Vortrag nicht nur eine genaue Darstellung der eigenen Tätigkeit. Allein aus deren Betrachtung lassen sich noch keine Rückschlüsse darauf ziehen, ob sich die Tätigkeit entsprechend den Qualifizierungsmerkmalen von derjenigen einer Heilerziehungspflegerin iSd. Entgeltgruppe 7 AVR-DW EKD hervorhebt. Diese Wertung erfordert einen Vergleich mit den nicht herausgehobenen Tätigkeiten, also den „Normaltätigkeiten“, und setzt einen entsprechenden Tatsachenvortrag voraus. Dieser muss erkennen lassen, warum sich eine bestimmte Tätigkeit aus der in der Ausgangsfallgruppe erfassten Grundtätigkeit hervorhebt, und einen wertenden Vergleich mit diesen nicht unter das Hervorhebungsmerkmal fallenden Tätigkeiten erlauben (st. Rspr.,  - Rn. 24; - 4 AZR 313/09 - Rn. 21 mwN, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 62; - 4 AZR 484/07 - Rn. 19, BAGE 127, 305; s. auch Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland - I-0124/R38-09 - Rn. 38 mwN).

37(2) Diesen Anforderungen wird der Vortrag der Klägerin bisher nicht gerecht.

38(a) Die Klägerin ist auf einem Arbeitsplatz tätig, der das Richtbeispiel „Heilerziehungspflegerin“ erfüllt. Davon gehen die Parteien in Bezug auf die ausdrücklich übertragene Tätigkeit übereinstimmend aus. Nach der Rechtsprechung des Senats ist vorliegend eine pauschale Überprüfung ausreichend, soweit die Parteien die Tätigkeit der Klägerin als unstreitig und das Richtbeispiel der Entgeltgruppe 7 AVR-DW EKD als erfüllt angesehen haben (vgl. etwa  - Rn. 26; - 4 AZR 313/09 - Rn. 29, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 62; - 4 AZR 166/08 - Rn. 21 mwN, AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 311).

39(b) Die Klägerin hat aber nicht diejenigen Tatsachen dargelegt, die den erforderlichen Vergleich zwischen der Tätigkeit einer Heilerziehungspflegerin der Entgeltgruppe 7 AVR-DW EKD und derjenigen mit den hervorhebenden Merkmalen des entsprechenden Richtbeispiels der Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD ermöglichen, um von „speziellen Aufgaben und entsprechenden Kenntnissen“ ausgehen zu können ( - Rn. 27 mwN). Es fehlt bereits an einem Vortrag, der den erforderlichen wertenden Vergleich ermöglicht.

40(aa) Hierzu hätte sie die Normaltätigkeit einer Heilerziehungspflegerin darlegen müssen, also welche Fachkenntnisse und Fertigkeiten eine selbständig arbeitende Heilerziehungspflegerin hat, die in die Entgeltgruppe 7 AVR-DW EKD eingruppiert ist. Dazu bedarf es eines Vortrages, welche Ausbildungsinhalte - als Kenntnisse iSd. AVR-DW EKD - für diesen Beruf nach dem Stand im streitigen Anspruchszeitraum vermittelt werden und welche Aufgaben danach eine Heilerziehungspflegerin als Normaltätigkeit schuldet. Weiter hätte sie vortragen müssen, welche darüber hinausgehenden Tätigkeiten sie verrichtet und in diesem Zusammenhang, welche über die Ausbildungsinhalte hinausgehenden „speziellen Aufgaben“ sie bei der ihr übertragenen Tätigkeit auszuüben hat und welche „entsprechenden Kenntnisse“ hierfür erforderlich sind (vgl. zum Ganzen ausf.  - Rn. 28 mwN).

41Die schlagwortartige Beschreibung ihrer eigenen Tätigkeit reicht hierfür nicht aus. Warum sich die ihr übertragene Tätigkeit aus denen einer Heilerziehungspflegerin der Ausgangsentgeltgruppe heraushebt, wird nicht dargelegt.

42(bb) Weiter ist schon nicht erkennbar, in welchem Maße die ihr übertragenen Tätigkeiten der Betreuungsangelegenheiten, der Personalangelegenheiten und der Finanzverantwortung bereits in der Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin vermittelt werden und welche speziellen Aufgaben und entsprechenden Kenntnisse notwendig sein sollen, um davon ausgehen zu können, die Anforderungen des Richtbeispiels der Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD seien erfüllt. Dass es sich dabei für ausgebildete Erzieherinnen um spezielle Aufgaben handeln mag, für die entsprechende Kenntnisse erforderlich sind, ist aufgrund der eindeutigen Regelung in § 12 Abs. 3 AVR-DW EKD für die Eingruppierung als Heilerziehungspflegerin ohne Bedeutung.

43(cc) Ebenso belegt die Betreuung von Bewohnern mit mehrfachen geistigen Behinderungen für sich genommen noch nicht die Erfüllung des maßgebenden Richtbeispiels. Es fehlt an einer Darlegung, welche über die Normaltätigkeit hinausgehenden speziellen Aufgaben damit wahrgenommen werden, welche entsprechenden Kenntnisse dafür erforderlich sind und aus welchen Gründen die Klägerin über sie verfügt. Es ist nicht auszuschließen, dass sich hieraus im Ergebnis die Erfüllung der Anforderungen des Richtbeispiels ergibt; die hierfür maßgebenden Tatsachen für eine dahin gehende Bewertung hat die darlegungspflichtige Klägerin jedoch bisher nicht vorgetragen (vgl.  - Rn. 36, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 62).

44(dd) Ein anderes folgt nicht aus dem von der Klägerin vorgelegten Zwischenzeugnis, das aus dem Jahre 2009 stammt. In ihm sind lediglich Aufgaben und Tätigkeiten knapp beschrieben. Auch in der von ihr vorgelegten Stellenbeschreibung werden der „Aufgabenkatalog“ und die „Befugnisse und Kompetenzen“ lediglich durch - dort so bezeichnete - „unsortierte Stichworte“ umschrieben. Zudem kommt diese Stellenbeschreibung als Grundlage für eine Tätigkeitsbewertung schon deshalb nicht in Betracht, weil sie die tatsächlich übertragenen Tätigkeiten nicht ausreichend wiedergibt und sie sich nicht erkennbar auf das von der Klägerin in Anspruch genommene Richtbeispiel oder auf einzelne Tatbestandsmerkmale bezieht (zu diesen Anforderungen  - Rn. 23 f.). Deshalb kann dahinstehen, ob die Stellenbeschreibung überhaupt noch maßgebend ist.

45bb) Die Klägerin erfüllt nach ihrem bisherigen Vorbringen auch nicht das allgemeine Tätigkeitsmerkmal der Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD, das im Untersatz Nr. 1 unter Hinweis auf die Anmerkungen 6 und 14 näher beschrieben wird.

46(1) Bei den Tätigkeitsmerkmalen nach den Obersätzen der Entgeltgruppen 7 und 8 AVR-DW EKD handelt es sich gleichfalls um Aufbaufallgruppen, bei denen ein Tatsachenvortrag erforderlich ist, der zunächst die Voraussetzungen des Tätigkeitsmerkmales der Entgeltgruppe 7 AVR-DW EKD sowie anschließend die Erfüllung der weiteren Merkmale der Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD in einer Weise darlegt, die den erforderlichen wertenden Vergleich ermöglicht (ausf. oben IV 1 b aa (1)).

47Maßstab für diesen Vergleich ist die Tätigkeit in der Ausgangsfallgruppe. Das ist vorliegend aufgrund der übertragenen Tätigkeit und der näheren Umschreibung der eigenständig wahrgenommenen Aufgaben in der Anmerkung 6 zu dieser Entgeltgruppe - dreijährige Fachschulausbildung - (wiederum) die Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin, da diese dem Berufsbild der übertragenen Tätigkeit entspricht.

48(2) Die Klägerin übt zwar auch eine Tätigkeit aus, die die Anforderungen der Entgeltgruppe 7 AVR-DW EKD erfüllt. Davon gehen die Parteien des Rechtsstreits aus (s. auch oben IV 1 b aa (2) (a)). Es fehlt aber auch insoweit an dem erforderlichen Tatsachenvortrag, der den erforderlichen wertenden Vergleich zwischen der Tätigkeit einer Mitarbeiterin, die das Tätigkeitsmerkmal des Obersatzes der Entgeltgruppe 7 AVR-DW EKD erfüllt, und einer solchen, die „schwierige Aufgaben“ iSd. Beschreibung im Untersatz Nr. 1 zur Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD auszuüben hat. Der Vortrag der Klägerin lässt aus den bereits genannten Gründen (oben IV 1 b aa (2) (b)) insoweit nicht den Schluss zu, ihr seien „schwierige Aufgaben“ übertragen worden, die im Vergleich zur Tätigkeit einer Heilerziehungspflegerin die Hervorhebungsmerkmale iSd. Anmerkung 14 dieser Entgeltgruppe erfüllen.

492. Der Senat kann die Klage allerdings auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht abweisen.

50a) Die Vorinstanz hat rechtsfehlerhaft, der Rechtsauffassung der Klägerin folgend und entgegen dem eindeutigen Wortlaut des § 12 Abs. 3 AVR-DW EKD, nicht auf die der Klägerin übertragene Tätigkeit einer Heilerziehungspflegerin, sondern auf die von ihr erworbene Qualifikation als Erzieherin abgestellt. In der Folge ist die Klägerin auch nicht auf die Fehlerhaftigkeit des von ihr angenommenen Vergleichsmaßstabes hingewiesen worden. Ihr ist deshalb unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs die Möglichkeit zu geben, anhand der vom Senat angeführten Maßstäbe ergänzend vorzutragen.

b) Das gilt auch für die Anforderung von anwendungsbezogenen wissenschaftlichen Kenntnissen bei der Erfüllung des allgemeinen Merkmales der Entgeltgruppe 9 AVR-DW EKD. Wie dargelegt entspricht die Tätigkeit der Klägerin dem Berufsfeld der Heilerziehungspflegerin. Soweit die Klägerin hier die Anforderung von anwendungsbezogenen wissenschaftlichen Kenntnissen als Merkmal ihrer Tätigkeit ansieht, ist ihr Gelegenheit zu geben, dies anhand der gerade auf dieses Berufsfeld bezogenen Fachhochschulausbildung einer Diplom-Heilpädagogin und der entsprechenden Lehrinhalte darzulegen.

Fundstelle(n):
GAAAE-32092