BAG Urteil v. - 9 AZR 136/11

Tarifliche Regelung der Altersteilzeit - Auslegung einer vertraglichen Bezugnahmeklausel

Gesetze: § 1 AltTZTV, § 3 Abs 1 TVG

Instanzenzug: ArbG Freiburg (Breisgau) Az: 2 Ca 358/09 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Az: 11 Sa 33/10 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über den Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags.

Die Klägerin wurde am geboren. Die beklagte Kirchengemeinde betreibt einen Kindergarten, in dem die Klägerin seit dem als Kindergärtnerin beschäftigt ist. Ihr Bruttomonatsverdienst betrug zuletzt 2.879,94 Euro. Im schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien vom heißt es ua.:

Der Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit vom in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom (TV ATZ) enthält ua. folgende Regelung:

4Mit Schreiben vom beantragte die Klägerin erfolglos den Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags mit einer Gesamtlaufzeit von sechs Jahren und acht Monaten für den Zeitraum vom bis zum . Die Altersteilzeit sollte im Blockmodell durchgeführt werden mit einer Arbeitsphase bis zum und einer sich anschließenden Freistellungsphase.

5Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der TV ATZ finde aufgrund der Vereinbarungen im Arbeitsvertrag auf ihr Arbeitsverhältnis Anwendung. Sie habe daher einen Anspruch auf Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses, weil dringende dienstliche bzw. betriebliche Gründe nicht entgegenstünden. Jedenfalls sei die Ablehnung des Abschlusses eines Altersteilzeitarbeitsvertrags durch die Beklagte ermessensfehlerhaft.

Die Klägerin hat beantragt,

7Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, im Zeitpunkt der Entscheidung über den Abschluss des Altersteilzeitarbeitsvertrags sei nicht absehbar gewesen, ob und zu welchen Bedingungen eine Ersatzeinstellung möglich sein werde. Die von der Klägerin beantragte Vertragslaufzeit gehe über den durch die Agentur für Arbeit förderfähigen Zeitraum hinaus. Nach einer Entscheidung der Diözese Rottenburg-Stuttgart sollten keine Altersteilzeitarbeitsverhältnisse vereinbart werden, deren Dauer den Zeitraum von sechs Jahren übersteige.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Gründe

9Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses aus dem TV ATZ.

10I. Entgegen der Ansicht der Klägerin finden die Regelungen des TV ATZ nicht aufgrund der Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrags Anwendung.

111. Vorformulierte Arbeitsvertragsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (st. Rspr., vgl.  - Rn. 24 mwN, BAGE 132, 261; - 6 AZR 557/07 - Rn. 21, AP BGB § 611 Arbeitgeberdarlehen Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 17). Die Auslegung eines Formulararbeitsvertrags durch das Landesarbeitsgericht kann vom Revisionsgericht ohne Einschränkung überprüft werden (st. Rspr., vgl.  - Rn. 14 mwN, BAGE 128, 165).

122. Die erkennbar von der Beklagten vorformulierte Vertragsklausel in § 2 des Arbeitsvertrags erklärt nur den BAT und den Vergütungstarifvertrag sowie die jeweiligen Änderungen zum Bestandteil des Vertrags. Von dem Wortlaut der Klausel wird der TV ATZ mithin nicht erfasst. Darauf hat bereits das Landesarbeitsgericht zutreffend hingewiesen. Der TV ATZ hat den BAT nicht geändert. Es handelt sich vielmehr nach § 1 Buchst. a TV ATZ um einen den BAT ergänzenden Tarifvertrag (vgl. Rittweger/Petri/Schweikert Altersteilzeit 2. Aufl. § 1 TV ATZ Rn. 1).

13a) Gegen ein über den Wortlaut hinausgehendes, auch Ergänzungen einschließendes Verständnis der Bezugnahmeklausel spricht zunächst die Abweichung von üblichen Formulierungen. Die typische zeitdynamische Verweisung auf die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes war die Vertragsbestimmung: „Auf das Arbeitsverhältnis finden die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrags und der diesen ändernden, ergänzenden und ersetzenden Tarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung Anwendung“ (BeckOK B/B/M/S/Bepler TVöD Stand Anh. § 1 Exkurs: Tarifbindung und Tarifgeltung Rn. 17). Die streitgegenständliche Klausel beschränkt sich demgegenüber auf die ändernden Tarifverträge. Außerdem zählt die Klausel die in Bezug genommenen Tarifverträge ausdrücklich auf, indem auf den BAT und den Vergütungstarifvertrag Bezug genommen wird.

14b) Auch im Hinblick auf die fehlende Einschränkung möglicher Regelungsgegenstände kann die Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag nicht so verstanden werden, dass von ihr jeder den BAT ergänzende Tarifvertrag erfasst wird. Wie das Beispiel der Altersteilzeit zeigt, können durch ergänzende Tarifverträge für Arbeitgeber zusätzliche finanzielle Belastungen begründet werden, die bei Abschluss des Arbeitsvertrags nicht absehbar waren. Die Möglichkeit der Altersteilzeit wurde erst durch das Altersteilzeitgesetz vom , mithin 23 Jahre nach dem Abschluss des Arbeitsvertrags, geschaffen. Dabei sah das Gesetz selbst noch keinen Anspruch auf Begründung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses vor. Diesen hat für den Bereich des öffentlichen Dienstes erst der TV ATZ begründet.

15c) Bei § 2 des Arbeitsvertrags handelt es sich auch nicht um eine sogenannte Gleistellungsabrede, mit der ein tarifgebundener Arbeitgeber tarifgebundene und nicht tarifgebundene Arbeitnehmer hinsichtlich der Tarifgeltung gleichstellen will (vgl.  - Rn. 17 mwN, BAGE 132, 261; - 4 AZR 64/08 - Rn. 28, BAGE 130, 43). Es ist weder festgestellt noch von der Klägerin behauptet, dass die beklagte Kirchengemeinde im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bezüglich der Tarifverträge der Tarifgemeinschaft deutscher Länder im Sinne des § 3 Abs. 1 TVG tarifgebunden war.

16d) Die Parteien haben § 2 des Arbeitsvertrags auch nicht übereinstimmend so verstanden, dass dadurch auch der TV ATZ in Bezug genommen sein sollte. Insoweit kann dahinstehen, inwieweit im Rahmen der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ein vom Vertragswortlaut abweichender übereinstimmender Parteiwille Berücksichtigung finden kann (vgl. dazu Hoefs in Clemenz/Kreft/Krause AGB-Arbeitsrecht § 305c Rn. 46; Däubler/Bonin/Deinert/Däubler 3. Aufl. § 305c Rn. 30). Die Beklagte ging zwar ausweislich ihres außergerichtlichen Schreibens vom von einer Anwendbarkeit der Beschlüsse der Bistums-KODA-Ordnung für das Arbeitsverhältnis aus, die ihrerseits eine Bezugnahme auf den TV ATZ enthalten sollten. Tatsachen, aus denen sich die Verbindlichkeit der Arbeitsvertragsordnung der Diözese Rottenburg-Stuttgart für ihr Arbeitsverhältnis ergeben könnte, haben die Parteien jedoch nicht vorgetragen. Entsprechenden Vortrags hätte es jedoch bedurft. Kirchliche Arbeitsvertragsregelungen entfalten nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine normative Wirkung, sondern können als vom jeweiligen Arbeitgeber gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen nur kraft einzelvertraglicher Bezugnahme auf ein Arbeitsverhältnis Anwendung finden ( - Rn. 21 mwN, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 57 = EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 18). Eine solche Bezugnahme auf die Arbeitsvertragsordnung der Diözese Rottenburg-Stuttgart hat die Klägerin nicht dargetan. In § 11 des in Kopie zur Akte gereichten Arbeitsvertrags ist lediglich die Dienstordnung für die Bediensteten in Kindertagesstätten (Kindergärten und Tagheimen) der Diözese in ihrer jeweils gültigen Fassung in Bezug genommen worden.

173. Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin folgt aus § 1 Buchst. a TV ATZ nicht, dass der Tarifvertrag auch auf die Arbeitsverhältnisse nicht iSd. § 3 Abs. 1 TVG tarifgebundener Arbeitnehmer Anwendung findet, in deren Arbeitsverträgen lediglich der BAT in Bezug genommen wurde. Unabhängig davon, dass die Tarifvertragsparteien des TV ATZ nicht die Regelungsmacht besäßen, die Geltung des Tarifvertrags für die Arbeitsverhältnisse nicht Tarifgebundener anzuordnen, beschreibt § 1 TV ATZ nur den Geltungsbereich des Tarifvertrags. Durch die Festlegung des Geltungsbereichs können die Tarifvertragsparteien auch zwischen beiderseits Tarifgebundenen die unmittelbare und zwingende Wirkung des Tarifvertrags durch räumliche, fachliche und persönliche Kriterien einschränken (vgl. Schaub/Treber ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 204 Rn. 2 f.). Die Beschreibung des Geltungsbereichs dient hingegen nicht dazu, die Wirkung des Tarifvertrags auf nicht tarifgebundene Arbeitsvertragsparteien zu erstrecken.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
BB 2013 S. 628 Nr. 11
DB 2013 S. 2509 Nr. 44
BAAAE-30867