BAG Urteil v. - 4 AZR 696/10

Auslegung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel - Stichtagsregelung bezüglich der Gewerkschaftszugehörigkeit

Gesetze: § 4 Abs 1 TVG, § 3 Abs 1 TVG

Instanzenzug: ArbG Schwerin Az: 66 Ca 340/08 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Az: 3 Sa 82/09 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Höhe einer Sonderzahlung für das Jahr 2007.

Die Klägerin, die seit dem Mitglied der Gewerkschaft ver.di ist, ist seit 1979 im Städtischen Krankenhaus in W beschäftigt. In § 2 des schriftlichen Änderungsvertrages vom heißt es ua.:

3Das Städtische Krankenhaus W war ein Eigenbetrieb der Hansestadt W, die Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband Mecklenburg-Vorpommern (KAV Mecklenburg-Vorpommern) war, einem Mitgliedsverband der VKA. Das Krankenhaus wurde im Jahr 2005 nach § 168 UmwG aus dem Vermögen der Hansestadt W ausgegliedert und auf die Städtische Krankenhaus W gGmbH i.G., die nicht Mitglied im KAV Mecklenburg-Vorpommern war, übertragen. Mit Schreiben vom wurden die Beschäftigten über den Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf den neuen Rechtsträger zum informiert. In einer von der Hansestadt W und der Städtische Krankenhaus W gGmbH i.G. geschlossenen Personalüberleitungsvereinbarung vom (PÜV) ist ua. ausgeführt, dass der Übergang der Arbeitsverhältnisse der beim Eigenbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer erst mit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister eintreten soll und dass abweichend von § 613a BGB die bisherigen tarifvertraglichen Rechte und Pflichten nach dem Betriebsübergang jedenfalls für einen bestimmten Zeitraum dynamisch weitergeführt werden. Für den Fall einer wirksamen Ablösung tarifvertraglicher Arbeitsbedingungen durch ua. Haustarifverträge waren besondere Regeln vereinbart worden. Die Damp Holding AG erwarb in der Folgezeit einen Mehrheitsanteil an der Beklagten, die im Herbst 2006 zunächst in die H-Klinikum W GmbH umbenannt wurde und seit 2012 unter dem jetzigen Namen firmiert.

4Die Damp Holding AG schloss am mit den Gewerkschaften ver.di und NGG den Tarifvertrag über die Gewährung einer jährlichen Sonderzahlung (TV-Sonderzahlung Damp 2007) ab. Dieser am in Kraft getretene und bis zum befristete Tarifvertrag sah ua. für die Arbeitnehmer der Beklagten eine Sonderzahlung vor, deren Höhe von der Entwicklung des Betriebsergebnisses des Konzerns der Damp Holding AG im betreffenden Kalenderjahr, der Dauer der Betriebszugehörigkeit und von der Zugehörigkeit entweder zu der Gewerkschaft ver.di oder der NGG zu einem bestimmten Stichtag abhängig war. Diesen Tarifvertrag hat der Senat mit Urteil vom (- 4 AZR 491/08 - BAGE 132, 268) im Verhältnis zu den abhängigen Unternehmen des Konzerns - wie der Beklagten - als unwirksam angesehen, da er von der herrschenden Konzerngesellschaft nicht unter offengelegter Vertretung für die abhängigen Unternehmen geschlossen worden war. Am schlossen die Damp Holding AG und die Konzerngesellschaften - darunter die Beklagte - einerseits und die Gewerkschaften ver.di und NGG andererseits erneut einen Tarifvertrag über die Gewährung einer jährlichen Sonderzahlung (TV-Sonderzahlung Damp 2010) mit Wirkung ab dem Jahre 2007 ab, dessen Regelungen weitgehend denen im TV-Sonderzahlung Damp 2007 entsprachen.

5Die Klägerin erhielt bis 2006 die jährliche Sonderzahlung nach den Tarifwerken des öffentlichen Dienstes. Für das Jahr 2007 zahlte die Beklagte ihr eine Sonderzahlung nach dem TV-Sonderzahlung Damp in Höhe von insgesamt 818,86 Euro brutto.

6Nach erfolgloser Geltendmachung eines darüber hinausgehenden Betrages auf Zahlung von Weihnachtsgeld nach den Regelungen des BAT-O hat die Klägerin Klage erhoben und die Auffassung vertreten, ihr stehe für das Jahr 2007 entweder eine Sonderzahlung nach § 20 TVöD in Höhe von insgesamt 2.068,20 Euro brutto abzüglich der erhaltenen Beträge oder ansonsten ein Anspruch nach dem TV-Sonderzahlung Damp 2010 in restlicher Höhe von 1.228,29 Euro brutto zu. Aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel sei auf das Arbeitsverhältnis der BAT-O bzw. der TVöD in seiner jeweiligen Fassung anzuwenden. Die Vereinbarung sei keine sog. Tarifwechselklausel. Im Übrigen ergebe sich ihr Anspruch auch aus der PÜV. Falls die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel doch auf den TV-Sonderzahlung Damp 2010 verweisen sollte, stehe ihr hieraus der begehrte Anspruch zu. Die in diesem Tarifvertrag vereinbarte Stichtagsregelung sei unzulässig.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

8Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag der Klägerin erfasse sämtliche für den Betrieb maßgebenden Tarifverträge. Deshalb sei für die Sonderzahlung der TV-Sonderzahlung Damp 2010 anzuwenden, der keine unzulässige Differenzierungsklausel enthalte. Da die Klägerin nicht spätestens am Mitglied einer der Gewerkschaften gewesen sei, habe sie keinen Anspruch auf die höhere Sonderzahlung.

Das Arbeitsgericht hat der Klage im zuletzt beantragten Umfang stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Gründe

10Die Revision der Beklagten ist begründet. Das angegriffene Urteil ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen konnte das Landesarbeitsgericht der Klage mit der von ihm gegebenen Begründung nicht stattgeben. Die Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Der Senat kann aber mangels ausreichender Feststellungen in der Sache nicht abschließend entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).

11I. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts wird der TV-Sonderzahlung Damp 2010 von der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel in § 2 des Änderungsvertrages vom nicht erfasst. Deshalb richtet sich der Anspruch auf eine Sonderzahlung für das Jahr 2007 nicht nach diesem Tarifvertrag.

121. Zutreffend haben die Vorinstanzen die Bezugnahmeklausel in § 2 des Änderungsvertrages vom als eine sog. Gleichstellungsabrede iSd. früheren Senatsrechtsprechung behandelt (ausf.  - Rn. 17 ff., AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 92). Voraussetzung für die Auslegung einer solchen Vertragsklausel als Gleichstellungsabrede ist die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an den in Bezug genommenen Tarifvertrag bei Vertragsschluss (vgl. nur  - Rn. 18 mwN, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 85). Die Stadt W als Träger des Eigenbetriebs „Städtisches Krankenhaus“ (zur Arbeitgebereigenschaft beim Eigenbetrieb vgl.  - Rn. 57 mwN, BAGE 132, 10) war bei Abschluss des Änderungsvertrages im Jahre 1993 Mitglied des KAV Mecklenburg-Vorpommern und deshalb an die in Bezug genommenen Tarifverträge gebunden.

132. Die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel bezieht die Tarifverträge der Damp Holding AG und insbesondere den TV-Sonderzahlung Damp 2010 nicht mit ein. Das ergibt die Auslegung.

14a) Bei dem Änderungsvertrag der Parteien handelt es sich um einen Formularvertrag, dessen Bestimmungen nach den Regelungen über Allgemeine Geschäftsbedingungen, dh. nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen sind, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (näher  - Rn. 15, BAGE 134, 283; - 5 AZR 888/08 - Rn. 12, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 73 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44). Die Auslegung durch das Landesarbeitsgericht kann vom Revisionsgericht ohne Einschränkung überprüft werden (st. Rspr., vgl. nur  - zu I 1 b der Gründe mwN, BAGE 95, 296). Dies gilt auch für arbeitsvertragliche Bezugnahmeklauseln ( - aaO; - 4 AZR 652/05 - Rn. 24, BAGE 122, 74).

15b) Weder aus dem Wortlaut noch aus den weiteren Umständen bei Abschluss des maßgeblichen Änderungsvertrages folgt eine Bezugnahme auf die Tarifverträge der Damp Holding AG oder den TV-Sonderzahlung Damp 2010.

16aa) Der Wortlaut der Bezugnahmeklausel enthält keine Verweisung auf Haustarifverträge oder gar Konzerntarifverträge an die der Arbeitgeber gebunden ist. In Bezug genommen worden sind allein die bei Vertragsabschluss für die Arbeitgeberin einschlägigen „von der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) für den Bereich des für den Arbeitgeber zuständigen kommunalen Arbeitgeberverbandes“ geschlossenen Verbandstarifverträge sowie die vom zuständigen kommunalen Arbeitgeberverband - hier der KAV Mecklenburg-Vorpommern - selbst geschlossenen Tarifverträge. Eine weitergehende Bezugnahme auf andere Tarifverträge, die auf Arbeitgeberseite von einer anderen Tarifvertragspartei geschlossen worden sind, haben die Parteien des Arbeitsvertrages erkennbar im Hinblick auf die Einbindung der damaligen öffentlich-rechtlich organisierten Arbeitgeberin in die Kommune „Hansestadt W“ und deren Mitgliedschaft im KAV Mecklenburg-Vorpommern, einem Mitgliedsverband der VKA, ausschließen wollen. Es sind auch keine - für die Klägerin aus damaliger Sicht erkennbaren - Anhaltspunkte oder Umstände ersichtlich, wonach der damalige Arbeitgeber als Partei des Arbeitsvertrages andere, weitergehende und ggf. sogar konkurrierende Haus- oder Konzerntarifverträge einbeziehen wollte.

17bb) An dieser Rechtslage hat sich durch den Betriebsübergang zur Beklagten nichts geändert. Die sich aus dieser Klausel des Arbeitsvertrages ergebenden Rechte und Pflichten gehören zu denen, in die die ausgegliederte Städtische Krankenhaus W gGmbH und nunmehr unter dem neuen Namen firmierende Beklagte nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB eingetreten ist, als hätte sie sie selbst vereinbart (vgl. dazu im Einzelnen die Rspr. des Senats, bspw.  - Rn. 38 mwN, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 75 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 47).

18II. Die klagestattgebende Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Es steht noch nicht fest, dass die Klägerin einen über den geleisteten Betrag hinausgehenden Anspruch auf Sonderzahlung für das Jahr 2007 hat. Die Sache ist deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

191. Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich nicht gemäß § 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 TVG.

20a) Die Klageforderung steht der Klägerin nicht auf der Grundlage beiderseitiger Tarifgebundenheit nach den Tarifwerken des öffentlichen Dienstes zu. Jedenfalls die Beklagte ist nicht normativ (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG) an diese Tarifverträge gebunden.

21b) Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus dem TV-Sonderzahlung Damp 2010.

22Zwar bestand nach dem Beitritt der Klägerin zur Gewerkschaft ver.di ab dem eine beiderseitige Tarifgebundenheit der Parteien an den TV-Sonderzahlung Damp 2010. Die Klägerin erfüllt mit dieser Mitgliedschaft in der Gewerkschaft ver.di jedoch nicht die Voraussetzungen für eine höhere Sonderzahlung 2007 nach § 5 Ziffer 5 TV-Sonderzahlung Damp 2010. Sie war nicht seit spätestens Mitglied in dieser Gewerkschaft (§ 5 Ziffer 13 TV-Sonderzahlung Damp 2010). Gegen diese Stichtagsvoraussetzungen des rückwirkend geschlossenen TV-Sonderzahlung Damp 2010 bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

23aa) Der TV-Sonderzahlung Damp 2010 findet zwar aufgrund der beiderseitigen Tarifgebundenheit auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.

24bb) Aus der Geltung des TV-Sonderzahlung Damp 2010 im Arbeitsverhältnis der Parteien ergibt sich aber der begehrte Zahlungsanspruch für das Jahr 2007 nicht. Die in § 5 Ziffer 5, Ziffer 12 iVm. Ziffer 13 TV-Sonderzahlung Damp 2010 als Anspruchsvoraussetzung genannte Mitgliedschaft in der Gewerkschaft ver.di zum erfüllt die Klägerin nicht.

(1) In § 5 TV-Sonderzahlung Damp 2010 heißt es zur Berechnung der Sonderzahlung für das Wirtschaftsjahr 2007 auszugsweise:

26(2) Diese Voraussetzungen werden von der erst ab dem iSv. § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG tarifgebundenen Klägerin nicht erfüllt.

27(a) In § 5 TV-Sonderzahlung Damp 2010 ist als Voraussetzung für diesen tariflichen Anspruch nicht nur eine Mitgliedschaft in der Gewerkschaft ver.di (oder der Gewerkschaft NGG) festgelegt. In dieser Bestimmung wird bei den Faktoren für die Sonderzahlung des Wirtschaftsjahres 2007 in den Ziffern 4 und 5 iVm. Ziffer 13 - sowie für eine garantierte Sonderzahlung in der Ziffer 12 - vielmehr zwischen zwei Gruppen von Gewerkschaftsmitgliedern differenziert, nämlich zwischen denjenigen, die zu einem bestimmten Stichtag Mitglieder der Gewerkschaften ver.di bzw. NGG sind (Ziffern 5, 12) und den „anderen“ (Ziffer 4), deren Mitgliedschaft zum Stichtag noch nicht bestand.

28(b) Mit diesen Regelungen wiederholen die Tarifnormen nicht nur deklaratorisch die Voraussetzungen der normativen Wirkung eines Tarifvertrages nach § 4 Abs. 1 TVG, sondern legen eine zusätzliche Anspruchsvoraussetzung fest. Dies ergibt sich aus der Auslegung der vorstehenden Tarifbestimmungen (zu den Kriterien der Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages ua.  - Rn. 21 mwN, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bewachungsgewerbe Nr. 22;  - 4 AZR 180/00 - zu I 2 a der Gründe, BAGE 97, 271), insbesondere aus den unterschiedlichen Anspruchsvoraussetzungen für die Sonderzahlung 2007 in den Ziffern 4 und 5 des § 5 TV-Sonderzahlung Damp 2010. Während der weitergehende Anspruch aufgrund der Gestaltung der Faktoren der Sonderzahlung nach Ziffer 5 sich ausdrücklich nur auf die Mitglieder der Gewerkschaften ver.di und NGG bezieht, die zu einem bestimmten Zeitpunkt bereits Mitglieder dieser Gewerkschaften waren und noch zu einem bestimmten Zeitpunkt sein müssen, besteht der - geringere - Sonderzahlungsanspruch nach Ziffer 4 für die Mitarbeiter, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen. Da ein solcher Tarifvertrag ohnehin nur tarifgebundenen Arbeitnehmern einen Anspruch verschaffen kann, muss die „Stichtagssonderregelung“ nach dem Willen der Tarifvertragsparteien eine eigene, konstitutive Bedeutung haben (vgl.  - Rn. 25, BAGE 130, 43).

29(c) Gegen den als Anspruchsvoraussetzung für eine erhöhte Sonderzahlung für das Jahr 2007 formulierten „Stichtag“ -  - in § 5 Ziffer 13 TV-Sonderzahlung Damp 2010 bestehen keine rechtlichen Bedenken. Die Tarifnorm enthält keine unzulässige Differenzierung.

30(aa) Dabei geht es im Entscheidungsfall nicht um eine Differenzierung zwischen Mitgliedern einer Gewerkschaft und „Unorganisierten“ (zur Zulässigkeit einer „einfachen“ Differenzierungsklausel  - Rn. 46 ff., BAGE 130, 43). Die vorliegende Tarifregelung differenziert vielmehr zwischen verschiedenen Gruppen von Gewerkschaftsmitgliedern. Mitglieder, die vor dem Stichtag in einer der beiden Gewerkschaften waren, werden anders behandelt, als später eingetretene Mitglieder.

31(bb) Daraus folgt keine Unwirksamkeit dieser Tarifregelung. Die Vertragsparteien eines Firmentarifvertrages sind weitgehend bei der Bestimmung der Voraussetzungen frei, unter denen eine Sonderzahlung geleistet werden soll. Sie können zulässigerweise ohne Weiteres eine bestimmte vorherige Dauer der Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft als Anspruchsvoraussetzung formulieren und als zulässiges Differenzierungskriterium vereinbaren ( - Rn. 46 ff., BAGE 130, 43; zur zulässigen Berücksichtigung koalitionsspezifischer Interessen - 4 AZR 563/99 - BAGE 95, 277; - 6 AZR 129/03 - BAGE 111, 8). Dies gilt umso mehr, wenn ein solcher Stichtag nicht willkürlich gewählt wird, sondern einen sachlichen Grund aufweist, beispielsweise weil er im zeitlichen Zusammenhang mit dem Beginn der Tarifauseinandersetzung oder dem Abschluss des Tarifvertrages steht. Das ist im Entscheidungsfall gegeben. Der ursprüngliche Tarifvertragsabschluss (TV-Sonderzahlung Damp 2007) datiert nämlich vom und steht damit in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem gewählten Stichtag.

32(cc) Damit führt ein nach dem Stichtag erfolgter Beitritt zur Gewerkschaft nicht zu einer unzulässigen Vorenthaltung oder Entziehung einer tariflichen Leistung. Die streitige - höhere - Sonderzahlung war für das Jahr 2007 nur als tarifliche Leistung für die Mitglieder vereinbart worden, die bereits am Mitglieder der Gewerkschaften ver.di oder NGG waren und damit nicht nur die Anspruchsvoraussetzungen erfüllten, sondern auch schon bei der Vereinbarung dieser tariflichen Sonderzahlungsregelung Mitglieder der tarifschließenden Gewerkschaften waren. Da für die neuen, später eingetretenen Mitglieder die Möglichkeit eines entsprechenden Leistungserwerbs für das Jahr 2008 oder das Jahr 2009 (§ 5 Ziffern 8 und 9 TV-Sonderzahlung Damp 2010) eröffnet wird, bestehen auch unter dem Gesichtspunkt der positiven Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG keine rechtlichen Bedenken (vgl.  - Rn. 46 ff., BAGE 130, 43 in Abgrenzung zur Entscheidung - 4 AZR 275/06 - AP TVG § 3 Verbandszugehörigkeit Nr. 23). Ob etwas anderes für die Zulässigkeit der weitergehenden Stichtagsregelung in § 5 Ziffer 13 TV-Sonderzahlung Damp 2010 (Beendigung und/oder Kündigung der Gewerkschaftsmitgliedschaft) gilt, kann hier dahingestellt bleiben, da jedenfalls die Wirksamkeit des ersten Stichtags davon nicht betroffen wäre.

33cc) Diesem Ergebnis steht auch nicht der Umstand entgegen, dass die Tarifvertragsparteien den TV-Sonderzahlung Damp 2010 rückwirkend erst am geschlossen haben. Dieser Neuabschluss diente nur der rückwirkenden Inkraftsetzung des TV-Sonderzahlung Damp 2007 für die abhängigen Unternehmen des Konzerns wie die Beklagte und änderte nichts an der Möglichkeit der Erfüllung der Voraussetzungen bezogen auf das jeweilige Bezugsjahr der Zahlung.

342. Ein über die von der Beklagten gezahlte Sonderzahlung hinausgehender Zahlungsanspruch der Klägerin ist aber auf der Basis der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel nicht ausgeschlossen. Als mögliche Anspruchsgrundlagen kommen hier iVm. der Bezugnahmeklausel sowohl der Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte (TV Zuwendung Ang-O), als auch der TVÜ-VKA und ggf. sogar der TVöD in Betracht. Ob und ggf. in welcher Höhe die Klägerin einen weitergehenden Anspruch auf eine Sonderzahlung für 2007 hat, lässt sich auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht abschließend beurteilen. Es steht nicht fest, zu welchem Zeitpunkt es zum Betriebsübergang gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB gekommen ist.

35a) Ungeachtet dessen, dass für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch unterschiedliche Tarifwerke - TVöD/VKA sowie TVÜ-VKA einerseits und BAT-O/TV Zuwendung Ang-O andererseits - in Betracht kommen und die Höhe eines möglichen Anspruchs danach jeweils unterschiedlich zu berechnen wäre, stützt sie sich auf einen einheitlichen Lebenssachverhalt, aus dem sich nach ihrer Auffassung - jeweils abhängig vom Ergebnis der Auslegung der Bezugnahmeklausel ihres Arbeitsvertrages - die Anwendung des einen oder des anderen Tarifvertrages für das Jahr 2007 ergibt.

36b) Die Bezugnahmeklausel in § 2 des Änderungsvertrages vom erfasst grundsätzlich die tariflichen Regelungen des BAT-O und der diesen ergänzenden Tarifverträge, wie den TV Zuwendung Ang-O, und auch im Wege der Auslegung die diese ablösenden Tarifverträge TVöD/VKA und TVÜ-VKA, die auch für den Bereich des KAV Mecklenburg-Vorpommern abgeschlossen worden sind. Ob und ggf. welche der möglichen Anspruchsgrundlagen für einen weitergehenden Sonderzahlungsanspruch der Klägerin gegeben sind, hängt entscheidend davon ab, inwieweit die aus den in Bezug genommenen Tarifverträgen herrührenden individualvertraglichen Rechte und Pflichten Inhalt des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten geworden sind (vgl.  - Rn. 36 mwN, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 92; - 4 AZR 404/09 - Rn. 13 bis 19, 36). Da es sich - wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben - bei der Bezugnahmeklausel in § 2 des Änderungsvertrages vom um eine sog. Gleichstellungsabrede iSd. früheren Senatsrechtsprechung handelt (vgl. oben unter I 1), ist die arbeitsvertragliche Verweisung auf die „jeweils geltenden“ Tarifverträge einschränkend dahin auszulegen, dass die auf diese Weise zum Ausdruck gebrachte Dynamik nur so weit reicht, wie sie bei einem tarifgebundenen Arbeitnehmer reichen würde. Sie endet, wenn der Arbeitgeber wegen Wegfalls seiner Tarifgebundenheit nicht mehr normativ an künftige Tarifentwicklungen gebunden ist (vgl. im Einzelnen  - Rn. 28, BAGE 130, 43). Ab diesem Zeitpunkt sind die in Bezug genommenen Tarifverträge nur noch statisch anzuwenden. Damit hängen die arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten der Parteien, wie etwa der Anspruch der Klägerin auf eine Sonderzahlung, davon ab, welche der vertraglich in Bezug genommenen tariflichen Regelungen der VKA zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs normativ galten.

37c) Es kommt deshalb entscheidend darauf an, wann der Betriebsübergang iSd. § 613a BGB von der an die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes gebundenen Hansestadt W auf die tarifungebundene Städtische Krankenhaus W gGmbH i.G. tatsächlich erfolgte. Das ist derjenige Zeitpunkt, ab dem der neue Inhaber die betreffende Einheit unter Wahrung ihrer Identität weitergeführt hat (vgl.  - Rn. 51;  - [Celtec] Rn. 35, Slg. 2005, I-4389 = AP Richtlinie 77/187/EWG Nr. 1). Dies ist anhand der tatsächlichen Verhältnisse festzustellen. So kommt es weder auf das Datum der Eintragung in das Handelsregister (hier: ) noch auf ein vereinbartes Datum - beispielsweise im PÜV - an. Auch der Zeitpunkt der Information nach § 613a Abs. 5 BGB ist genauso wenig entscheidend wie das dem Arbeitnehmer mitgeteilte Datum. Ausreichende Feststellungen zum konkreten Zeitpunkt der Übernahme der betrieblichen Leitungsmacht durch die Erwerberin hat das Landesarbeitsgericht nicht getroffen, was schon in Anbetracht des Zeitpunktes des Inkrafttretens der Regelungen zur Jahressonderzahlung des § 20 TVÜ-VKA nicht ohne Bedeutung ist.

383. Das Landesarbeitsgericht wird die entsprechenden notwendigen tatsächlichen Feststellungen treffen und die sich daraus jeweils ergebenden möglichen Anspruchsgrundlagen und deren Voraussetzungen prüfen müssen. Den Parteien ist hierzu unter dem Gesichtspunkt der Gewährung rechtlichen Gehörs Gelegenheit zur weiteren Stellungnahme zu geben.

Soweit es nach den vom Landesarbeitsgericht zu treffenden Feststellungen zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs noch auf die Wirksamkeit und die Auslegung der PÜV ankommen sollte, wird das Berufungsgericht die Vorgaben der einschlägigen Rechtsprechung des Senats ( - AP BGB § 133 Nr. 60) zu solchen Personalüberleitungsvereinbarungen zu beachten haben.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




Fundstelle(n):
BB 2013 S. 628 Nr. 11
DB 2013 S. 1123 Nr. 20
MAAAE-30859