BAG Urteil v. - 5 AZR 127/12

Instanzenzug: ArbG Eberswalde Az: 2 Ca 866/10 Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 10 Sa 668/11 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über laufende Vergütung.

Der Kläger ist beim beklagten Speditionsunternehmen als Kraftfahrer beschäftigt. Der Arbeitsvertrag enthält ua. folgende Regelungen:

3Die Beklagte zahlte dem Kläger bis Juli 2010 ein monatliches Bruttoentgelt von 2.045,17 Euro, bot ihm aber einen neuen Arbeitsvertrag an, der ein geringeres Festentgelt vorsah. Der Kläger nahm das Angebot nicht an. Ab August 2010 leistete die Beklagte lediglich das verminderte Entgelt.

4Der Kläger hat für den Zeitraum August bis November 2010 die Differenzvergütung begehrt.

Der Kläger hat beantragt,

6Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Die arbeitsvertragliche Regelung enthalte eine Bestimmung des Umfangs der vom Kläger geschuldeten Arbeitszeit. Damit verstoße sie - unbeschadet der fehlenden Tarifbindung des Klägers - gegen die zugleich in Bezug genommenen tariflichen Bestimmungen und das Arbeitszeitrecht. Die deshalb nichtige Regelung sei durch Rückgriff auf die tarifgerechte Arbeitszeit zu ersetzen und das Entgelt entsprechend anzupassen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Gründe

8Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zu Recht zurückgewiesen. Der Kläger hat für den Klagezeitraum Anspruch auf Zahlung eines monatlichen Bruttoentgelts iHv. 2.045,17 Euro. Der monatliche Entgeltanspruch ist in der vertraglich vereinbarten Höhe entstanden und lediglich teilweise erfüllt worden, § 362 Abs. 1 BGB.

91. Die Beklagte war nicht berechtigt, ab August 2010 einseitig in die vereinbarte Entgeltstruktur einzugreifen. Soweit sich die Beklagte auf das Urteil des Senats vom (- 5 AZR 530/02 - BAGE 109, 254) beruft, geht dies fehl. Ein Recht auf einseitige „Anpassung“ eines vereinbarten Entgelts folgt hieraus nicht.

102. Die Beklagte war auch nicht aufgrund einer ergänzenden Vertragsauslegung berechtigt, ab August 2010 ein vermindertes Entgelt zu zahlen.

11a) Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist, dass die Vereinbarung der Parteien eine Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit aufweist (vgl.  - Rn. 24 mwN; - 4 AZR 796/08 - Rn. 23 mwN, BAGE 134, 283).

12b) Das Landesarbeitsgericht hat eine Regelungslücke im Arbeitsvertrag der Parteien zutreffend verneint. Die vertragliche Entgeltregelung ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht gemäß § 134 BGB nichtig. Sie ist weder intransparent noch aus anderen Gründen rechtswidrig. Dementsprechend besteht kein Raum für eine ergänzende Auslegung.

13aa) Der Arbeitsvertrag enthält Allgemeine Geschäftsbedingungen (§ 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB). Diese sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Dabei unterliegt die Auslegung der uneingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht ( - Rn. 14 mwN, EzA TzBfG § 4 Nr. 22).

14bb) Bereits aus der (orthographisch fehlerhaften) Überschrift der Ziffer 7 des Arbeitsvertrags („Arbeitsentgeld“) folgt, dass entgegen der Auffassung der Beklagten mit dieser Klausel nicht der Umfang der geschuldeten Arbeitszeit, sondern ausschließlich das Arbeitsentgelt geregelt wird. Die Arbeitspflicht des Klägers ist unter der Überschrift „Tätigkeit“ in Ziffer 6 des Arbeitsvertrags bestimmt.

15Auch den einzelnen in Ziffer 7 geregelten Unterpunkten kann nicht entnommen werden, die Parteien hätten damit die vom Kläger zu leistende Arbeitszeit konkretisiert. Buchst. a des Arbeitsvertrags bezieht sich durch die Verwendung des Wortes „für“ erkennbar auf die in Buchst. b bis d getroffenen Regelungen und verdeutlicht damit, dass für eine monatliche Arbeitszeit von bis zu 260 Stunden keine Zuschlagspflicht besteht, sondern ausschließlich das unter Buchst. b bezifferte Bruttomonatsentgelt gezahlt werden soll. Erst bei Überschreiten von 260 Stunden/mtl. soll eine Zuschlagspflicht begründet werden. Gleichermaßen regelt Buchst. d eine Erweiterung der Vergütungspflicht: Bei Arbeit an Sonn- und Feiertagen sind Aufschläge zu leisten.

16Die vertragliche Entgeltregelung kann nicht dahin verstanden werden, dass das monatliche Bruttoentgelt nur dann in voller Höhe zu zahlen sei, wenn der Kläger eine Arbeitsleistung von 260 Stunden im Monat erbringe. Der Hinweis auf die monatliche Arbeitszeit von „bis zu 260 Stunden“ besagt vielmehr, dass das Entgelt gerade unabhängig von der Erbringung einer monatlich festgelegten (Mindest-)Arbeitszeit geschuldet sein soll. Damit betrifft die Klausel allein die Vergütung, ohne zugleich den Umfang der Arbeitszeit zu regeln (vgl.  - Rn. 26, NZA 2012, 908).

17cc) Ziffer 7 des Arbeitsvertrags ist nicht wegen Intransparenz unwirksam, § 307 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 1 Satz 2 BGB. Der Arbeitnehmer weiß bei einer solchen Bestimmung, welche Leistung dem monatlichen Bruttoentgelt entspricht (vgl.  - Rn. 15, BAGE 135, 250; - 5 AZR 200/10 - Rn. 16, BAGE 137, 366, jeweils mwN). Die im Streitfall getroffene Regelung ist wegen der vereinbarten Obergrenze nicht mit der Vertragsabrede vergleichbar, die dem von der Beklagten angezogenen - 9 AZR 238/10 - AP BGB § 307 Nr. 54 = EzA BGB 2002 § 306 Nr. 5) zugrunde lag.

18dd) Einer weitergehenden Inhaltskontrolle unterliegt die streitgegenständliche Klausel nicht, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB. Die Entgeltbestimmung stellt eine Hauptleistungsabrede dar, die allein die Gegenleistung des Arbeitgebers für die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung betrifft (vgl.  - Rn. 26, NZA 2012, 908). Im Übrigen kann für die Entscheidung des Rechtsstreits offenbleiben, ob und welche vertragliche Abrede zum Umfang der Arbeitspflicht die Parteien getroffen haben.

193. Der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB iVm. § 288 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB.

4. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
VAAAE-27451