BAG Beschluss v. - 7 ABR 37/11

Anfechtung einer Betriebsratswahl - Größe des Betriebsrats - passive Wahlberechtigung

Gesetze: § 5 Abs 1 S 3 BetrVG, § 8 Abs 1 S 1 BetrVG, § 9 S 1 BetrVG, § 19 Abs 1 BetrVG, § 7 Abs 1 BetrVG

Instanzenzug: Az: 4 BV 25 b/10 Beschlussvorgehend Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Az: 3 TaBV 36/10 Beschluss

Gründe

1A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.

Die zu 1. beteiligte Arbeitgeberin ist als privatrechtlich organisierte Gesellschaft im Bereich der Abfallwirtschaft und Abfallbehandlung tätig. Sie gehört - ebenso wie ua. die G S Gesellschaft mbH (G-SG) - zum „G-Unternehmensverbund“. Die Arbeitgeberin beschäftigt 50 Arbeitnehmer, die einen Arbeitsvertrag mit ihr geschlossen haben. Außerdem beschäftigt sie neun Arbeitnehmer der G-SG, die ihr auf der Grundlage eines mit dieser Gesellschaft geschlossenen „Rahmenvertrags zur konzerninternen Überlassung von Arbeitnehmern“ zur Arbeitsleistung überlassen sind. Schließlich setzt sie vor dem Hintergrund eines zwischen ihrer Rechtsvorgängerin und dem Kreis P geschlossenen Personalüberlassungsvertrags vom vier beim Kreis P angestellte Arbeitnehmer (Kreisbedienstete) ein. Diesen bei der Arbeitgeberin seit mehreren Jahren tätigen Arbeitnehmern erteilt sie alle fachlichen Weisungen, bestimmt Arbeitszeit und Arbeitsort und entscheidet über Urlaub und Vertretungsbedarf. Der Personalüberlassungsvertrag lautet auszugsweise:

3Im Frühjahr 2010 wurde im Betrieb der Arbeitgeberin turnusgemäß der zu 2. beteiligte Betriebsrat gewählt. Der Wahlvorstand führte in der am von ihm erstellten, am nebst dem Wahlausschreiben ausgehängten und am aktualisierten Wählerliste die 50 Arbeitnehmer der Arbeitgeberin, die vier Kreisbediensteten und die neun von der G-SG überlassenen Arbeitnehmer nach Geschlechtern getrennt und in alphabetischer Reihenfolge auf. In dem ausgefüllten Wählerlistenformular enthalten die Felder „Bemerkungen“ - in welchen nach der Legende „zwingend zu vermerken ist“, falls ein Arbeitnehmer nur wahlberechtigt, aber nicht wählbar ist - keine Angaben. Am fand die Stimmabgabe statt. Nach der Wahlniederschrift des Wahlvorstands vom selben Tag entfielen von 28 gültig abgegebenen Stimmen 18 auf die Liste 1 und zehn auf die Liste 2. Der Wahlvorstand stellte ua. fest, dass „der zu wählende Betriebsrat nach § 9 BetrVG aus fünf Mitgliedern besteht“. Mit Schreiben vom teilte der Wahlvorstand der Arbeitgeberin das Ergebnis der Wahl eines aus fünf Mitgliedern bestehenden Betriebsrats mit. Keiner der neun Arbeitnehmer der G-SG wurde in den Betriebsrat gewählt.

4Mit ihrer am beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift hat die Arbeitgeberin begehrt, die Wahl für unwirksam zu erklären. Sie hat die Auffassung vertreten, es hätte ein aus drei Mitgliedern bestehender Betriebsrat gewählt werden müssen, da in ihrem Betrieb regelmäßig nicht mehr als 50 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt seien. Die Arbeitnehmer des Kreises P und der G-SG zählten bei der für die Größe des Betriebsrats maßgeblichen Belegschaftsstärke nicht mit. Auch seien diese Arbeitnehmer in der Wählerliste zu Unrecht als wählbar ausgewiesen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass bei richtigen Angaben über das Fehlen der passiven Wahlberechtigungen die Wähler ihre Stimmen anders vergeben hätten.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

6Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Er hat sich auf den Standpunkt gestellt, die 13 gestellten bzw. überlassenen Arbeitnehmer seien bei der Betriebsratsgröße zu berücksichtigen. Dies folge für die vier Arbeitnehmer mit arbeitsvertraglicher Bindung zum Kreis P aus § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG. Aber auch bei den neun von der G-SG überlassenen Arbeitnehmern handele es sich um bei der Arbeitgeberin „in der Regel“ beschäftigte - weil auf Dauer überlassene - Arbeitnehmer. Jedenfalls die vier Kreisbediensteten seien auch passiv wahlberechtigt. Hinsichtlich der von der G-SG überlassenen neun Arbeitnehmer führte die ggf. fehlerhafte Annahme ihrer passiven Wahlberechtigung nicht zur Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl, weil keine der abgegebenen Stimmen auf einen dieser Mitarbeiter entfallen sei.

7Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat ihn auf die Beschwerde des Betriebsrats abgewiesen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde begehrt die Arbeitgeberin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Im Rechtsbeschwerdeverfahren haben die Beteiligten übereinstimmend angegeben, dass die G-SG seit Ende Dezember 2009 über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung verfügt und keiner der neun von dieser Gesellschaft der Arbeitgeberin zur Arbeitsleistung überlassenen Arbeitnehmer Wahlbewerber war.

8B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Wahlanfechtungsantrag der Arbeitgeberin zu Recht abgewiesen. Die im Betrieb der Arbeitgeberin am durchgeführte Betriebsratswahl ist wirksam. Bei ihr wurde nicht gegen § 9 Satz 1 BetrVG verstoßen. Ein im Hinblick auf die neun bei der Arbeitgeberin eingesetzten Arbeitnehmer der G-SG ggf. anzunehmender Verstoß gegen § 8 BetrVG oder gegen § 2 Abs. 1 Satz 3 WO kann sich nicht auf das Wahlergebnis ausgewirkt haben.

9I. Die förmlichen Voraussetzungen einer zulässigen Wahlanfechtung sind erfüllt. Die Arbeitgeberin ist nach § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG anfechtungsberechtigt. Sie hat die Wahl, deren Ergebnis nicht vor dem iSv. § 18 Satz 1 WO bekannt gemacht sein kann, mit ihrer am beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift fristgerecht - dh. innerhalb der zweiwöchigen Anfechtungsfrist nach § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG - angefochten.

10II. Der Antrag ist unbegründet. Nach § 19 Abs. 1 BetrVG kann eine Betriebsratswahl beim Arbeitsgericht angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden ist und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Diese Voraussetzungen einer begründeten Wahlanfechtung sind nicht erfüllt.

111. Der Betriebsrat ist nicht unter Verstoß gegen § 9 Satz 1 BetrVG gewählt worden. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass ein aus fünf Mitgliedern bestehender Betriebsrat zu wählen war.

12a) Nach § 9 Satz 1 BetrVG besteht der Betriebsrat in Betrieben mit in der Regel 21 bis 50 wahlberechtigten Arbeitnehmern aus drei Mitgliedern und in Betrieben mit in der Regel 51 wahlberechtigten Arbeitnehmern bis 100 Arbeitnehmern aus fünf Mitgliedern. Die Betriebsratsgröße knüpft an die Anzahl der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer an. Dabei kommt es nicht auf die Belegschaftsstärke an einem bestimmten Stichtag, zB am Tag der Betriebsratswahl oder am Tag des Erlasses des Wahlausschreibens, an, sondern auf die Anzahl der „in der Regel“ Beschäftigten (vgl. zB  - Rn. 14). § 9 BetrVG ist eine wesentliche Vorschrift über das Wahlrecht (vgl.  - Rn. 10). Wird ein Betriebsrat mit zu hoher Mitgliederzahl gewählt, so kann das Wahlergebnis nicht berichtigt werden; eine auf diesem Fehler beruhende Wahl ist insgesamt für unwirksam zu erklären (vgl. bereits  - zu B II 4 der Gründe, BAGE 68, 74).

13b) Vorliegend handelt es sich um einen Betrieb „mit in der Regel 51 wahlberechtigten Arbeitnehmern bis 100 Arbeitnehmern“ iSv. § 9 Satz 1 BetrVG. Daher ist zutreffend ein fünfköpfiger Betriebsrat gewählt worden.

14aa) Die Arbeitgeberin beschäftigt regelmäßig 50 Arbeitnehmer, die mit ihr einen Arbeitsvertrag geschlossen haben. Diese Beschäftigten zählen ohne weiteres zu den „wahlberechtigten Arbeitnehmern“ iSv. § 9 Satz 1 BetrVG.

15bb) Bei der Bemessung der für die Größe des Betriebsrats maßgeblichen Belegschaftsstärke sind aber auch die vier Kreisbediensteten zu berücksichtigen, deren „regelmäßige“ Beschäftigung die Arbeitgeberin nicht in Abrede gestellt hat. Es handelt sich um in Privatbetrieben tätige Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes iSv. § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG. Diese Vorschrift ist durch Artikel 9 des Gesetzes zur Errichtung eines Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung und zur Änderung und Anpassung weiterer Vorschriften vom (BGBl. I S. 2424) mit Wirkung vom neu in § 5 Abs. 1 BetrVG eingefügt worden und war damit im Zeitpunkt der Betriebsratswahl in Kraft.

16(1) Die in § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG genannten Beschäftigten sind bei den organisatorischen Schwellenwerten des Betriebsverfassungsgesetzes - so auch bei § 9 BetrVG - zu berücksichtigen (vgl.  - EzA BetrVG 2001 § 5 Nr. 7; abl. Entscheidungsbesprechung Rieble NZA 2012, 485). Dies ergibt eine am Wortlaut, an der Systematik und an Sinn und Zweck des § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG orientierte Auslegung, für die ebenso das teleologische Verständnis der in den organisatorischen Bestimmungen festgelegten Schwellenwerte streitet. Die Entstehungsgeschichte von § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG stützt dieses Auslegungsergebnis, gegen das keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (ausf.  - Rn. 21 ff., aaO). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde gebietet die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, nach der Leiharbeitnehmer bei der für die Betriebsratsgröße maßgeblichen Belegschaftsstärke grundsätzlich nicht „mitzählten“ (vgl. hierzu [noch vor Inkrafttreten des § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG]  - BAGE 110, 27 und - 7 ABR 3/03 - BAGE 108, 185), kein Verständnis von § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG dahingehend, dass auch die dort genannten Arbeitnehmer bei der Belegschaftsstärke des § 9 Satz 1 BetrVG nicht berücksichtigt werden dürften (vgl. ausf.  - Rn. 30, aaO). Die Argumente der Arbeitgeberin, die vier Arbeitnehmer hätten an den Wahlen des bei ihrem Dienstherrn gebildeten Personalrats teilgenommen und außerdem bestehe wegen des Gesetzes über die Mitbestimmung der Personalräte (Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein) keine „mitbestimmungsrechtliche Schutzlücke“, zwingen ebenfalls nicht zu einer anderen Beurteilung. Die Beteiligungsrechte des Personalrats und des Betriebsrats sowie ihre Organisationsvorgaben sind verschieden ausgestaltet und schützen unterschiedliche Interessen. Auch hat der Gesetzgeber jedenfalls ein „doppeltes Wahlrecht“ bewusst in Kauf genommen (hierzu BT-Drucks. 16/11608 S. 21 und BT-Drucks. 16/1336 S. 17; vgl. auch  - Rn. 28, aaO). Im Übrigen kann die Auslegung von § 9 Satz 1 BetrVG und von § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG nicht von der jeweiligen landesgesetzlichen Ausgestaltung des Personalvertretungsrechts abhängen.

17(2) Hiernach gehören die vier Arbeitnehmer des Kreises P zu den wahlberechtigten Arbeitnehmern iSv. § 9 Satz 1 iVm. § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG.

18(a) Die vier Kreisbediensteten sind „Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes“ iSv. § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG. Ihr Dienstherr ist der Kreis P; sie sind mit diesem arbeitsvertraglich verbunden (vgl. auch § 2 Abs. 2 und § 3 des Personalüberlassungsvertrags).

19(b) Die vier beim Kreis P angestellten Arbeitnehmer sind in einem „Betrieb eines privatrechtlichen Unternehmens“ iSv. § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG eingesetzt. Die Arbeitgeberin ist in der Rechtsform einer GmbH privatrechtlich organisiert.

20(c) Die vier Arbeitnehmer sind schließlich auch im Betrieb der Arbeitgeberin „tätig“ iSv. § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG.

21(aa) Das Tatbestandsmerkmal „Tätigsein“ iSd. § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG knüpft an einen tatsächlichen Umstand an. Entscheidend ist nur die Betriebsangehörigkeit ( - Rn. 31 und - 7 ABR 34/11 - Rn. 35). Betriebsangehörig sind - da es auf ein individualrechtliches Beschäftigungsverhältnis zum Inhaber oder Träger des Einsatzbetriebs nicht ankommt - alle Beschäftigten, die nach den allgemeinen in der Betriebsverfassung geltenden Grundsätzen in die Betriebsorganisation eingegliedert sind (zu diesen Grundsätzen  - zu B I 2 a der Gründe mwN, AP BetrVG 1972 § 9 Nr. 8 = EzA BetrVG 2001 § 9 Nr. 3).

22(bb) Hiernach sind die Kreisbediensteten betriebsangehörige Arbeitnehmer der Arbeitgeberin. Nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und für den Senat bindenden (§ 559 Abs. 2 ZPO) Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sind sie in den Betrieb der Arbeitgeberin eingegliedert; diese erteilt die fachlichen Weisungen, bestimmt Arbeitszeit und Arbeitsort und entscheidet über Urlaub und Vertretungsbedarf. Bestätigt wird dies durch § 4 Abs. 2 des Personalüberlassungsvertrags, nach dem die Mitarbeiter „fachbezogen ausschließlich dem Weisungsrecht der GmbH unterliegen“.

23cc) Damit kommt es für die Größe des Betriebsrats nicht auf die neun der Arbeitgeberin von der G-SG überlassenen Arbeitnehmer an.

242. Zutreffend rügt die Arbeitgeberin, dass sich das Landesarbeitsgericht nicht mit ihrem Argument eines Verstoßes gegen die Bestimmungen über die Wählbarkeit nach § 8 BetrVG auseinandergesetzt habe. Dennoch erweist sich die angefochtene Entscheidung im Ergebnis als zutreffend.

25a) Neben den 50 „eigenen“ Arbeitnehmern der Arbeitgeberin waren jedenfalls die vier beim Kreis P angestellten Arbeitnehmer passiv wahlberechtigt.

26aa) Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 BetrVG sind wählbar alle Wahlberechtigten, die sechs Monate dem Betrieb angehören (oder als in Heimarbeit Beschäftigte in der Hauptsache für den Betrieb gearbeitet haben). Wahlberechtigt sind nach § 7 Satz 1 BetrVG alle Arbeitnehmer des Betriebs, die das 18. Lebensjahr vollendet haben.

27(1) Arbeitnehmer iSv. § 7 Satz 1 BetrVG sind solche, die in einem Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber stehen und in die Betriebsorganisation des Arbeitgebers eingegliedert sind (vgl. zB  - zu B I 1 a aa der Gründe, BAGE 110, 27). Sie sind - wenn die weiteren Voraussetzungen des § 8 BetrVG vorliegen - damit auch passiv wahlberechtigt.

28(2) Wählbar sind aber auch in Privatbetrieben tätige Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes. Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG gelten sie als Arbeitnehmer. Sie sind im Einsatzbetrieb passiv wahlberechtigt nach § 8 BetrVG, soweit sie die dort genannten weiteren Voraussetzungen erfüllen. Dies hat der Senat in zwei Entscheidungen vom (- 7 ABR 24/11 - und - 7 ABR 34/11 -) ausführlich begründet. Für die Wählbarkeit der in § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG genannten Beschäftigten sprechen der Wortlaut der Bestimmung, die Gesetzesbegründung, die Entstehungsgeschichte der Norm und insbesondere ihr Zweck. Aus rechtssystematischen Erwägungen und einem Vergleich mit den Bestimmungen über die Wahlberechtigung von Leiharbeitnehmern folgt nichts anderes. Auch verfassungsrechtliche Gründe stehen der Annahme der Wählbarkeit von Arbeitnehmern iSv. § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG im Einsatzbetrieb nicht entgegen (ausf.  - und - 7 ABR 34/11 -).

29bb) Hiernach waren die vier beim Kreis P angestellten Arbeitnehmer im Betrieb der Arbeitgeberin nach § 8 Abs. 1 Satz 1, § 7 Satz 1, § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG passiv wahlberechtigt. Sie sind Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, im Betrieb der Arbeitgeberin als einem privatrechtlich organisierten Unternehmen tätig und gehörten dem Betrieb im Zeitpunkt der Betriebsratswahl mehr als sechs Monate an.

30b) Zugunsten der Arbeitgeberin kann davon ausgegangen werden, dass die neun ihr von der G-SG überlassenen Arbeitnehmer wegen § 14 Abs. 2 Satz 1 AÜG (ggf. iVm. § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG in der bis geltenden Fassung: aF) im Betrieb der Arbeitgeberin nicht wählbar waren (vgl. zur Anwendung des § 14 Abs. 2 Satz 1 AÜG aF auch auf die nicht gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung ausf.  - Rn. 25 ff., BAGE 133, 202) und dies in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung des § 2 Abs. 1 Satz 3 WO in der Wählerliste hätte ausgewiesen werden müssen. Der darin ggf. liegende Verstoß gegen eine wesentliche Wahlvorschrift konnte jedenfalls das Wahlergebnis nicht beeinflussen.

31aa) Nach § 19 Abs. 1 letzter Halbs. BetrVG berechtigen Verstöße gegen wesentliche Wahlvorschriften nur dann nicht zur Anfechtung der Wahl, wenn die Verstöße das Wahlergebnis objektiv weder ändern noch beeinflussen konnten. Dafür ist entscheidend, ob bei einer hypothetischen Betrachtungsweise eine Wahl ohne den Verstoß unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zwingend zu demselben Wahlergebnis geführt hätte. Eine verfahrensfehlerhafte Betriebsratswahl muss nur dann nicht wiederholt werden, wenn sich konkret feststellen lässt, dass auch bei der Einhaltung der Wahlvorschriften kein anderes Wahlergebnis erzielt worden wäre. Kann diese Feststellung nicht getroffen werden, bleibt es bei der Unwirksamkeit der Wahl (st. Rspr. vgl.  - Rn. 29, AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 61 = EzA BetrVG 2001 § 19 Nr. 7; - 7 ABR 39/04 - zu B II 2 d aa der Gründe mwN, BAGE 115, 34).

32bb) Im vorliegenden Fall kann festgestellt werden, dass die angefochtene Betriebsratswahl weder auf einem (angenommenen) Verstoß gegen § 8 Abs. 1 Satz 1 BetrVG noch gegen § 2 Abs. 1 Satz 3 WO beruht.

33(1) Die Verkennung der passiven Wahlberechtigung führt zur Unwirksamkeit der Wahl, wenn die nicht passiv Wahlberechtigten als Betriebsratsmitglieder gewählt wurden (vgl.  - Rn. 28, BAGE 125, 232) oder der Arbeitnehmer, dessen passive Wahlberechtigung im Streit steht, Wahlbewerber war (vgl. zu diesem Aspekt  - zu B II der Gründe, BAGE 112, 305).

(2) Hier ist keiner der neun überlassenen Arbeitnehmer der G-SG in den Betriebsrat gewählt worden. Nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten im Rechtsbeschwerdeverfahren hat auch keiner dieser Arbeitnehmer für den Betriebsrat kandidiert. Dieses neue Vorbringen in der Rechtsbeschwerdeinstanz kann (ausnahmsweise) berücksichtigt werden, weil es unstreitig ist (vgl. dazu  - zu II 2 b der Gründe, AP BMT-G II § 14 Nr. 1). Damit ist es ausgeschlossen, dass bei einer Behandlung der neun überlassenen Arbeitnehmer als nicht passiv wahlberechtigt sowie einer entsprechenden Kenntlichmachung in der Wählerliste nach § 2 Abs. 1 Satz 3 WO die wahlberechtigten Arbeitnehmer von ihrem Wahlrecht in anderer Weise Gebrauch gemacht hätten als dies tatsächlich geschehen ist. Allenfalls wenn ein nicht wählbarer, von der GAB-SG überlassener Arbeitnehmer für den Betriebsrat kandidiert hätte, wäre ein anderes Stimmverhalten überhaupt denkbar gewesen. Somit wäre das Wahlergebnis ohne einen Verstoß gegen § 8 BetrVG und gegen § 2 Abs. 1 Satz 3 WO zwingend dasselbe. Soweit die Arbeitgeberin (ohne nähere Erklärung) vorgebracht hat, „es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Wähler bei richtigen Angaben über die passiven Wahlberechtigungen ihre Stimmen anders vergeben hätten“, bezieht sie sich offensichtlich auf die Ausführungen in der Entscheidung des Senats vom (- 7 ABR 49/03 - zu B I 3 b der Gründe, BAGE 110, 27). Diese rechtliche Würdigung betraf aber einen anderen Sachverhalt, nämlich einen unzutreffenden Hinweis in einem Wahlausschreiben über die Mindestsitzzahl für das Minderheitengeschlecht iSv. § 15 Abs. 2 BetrVG iVm. § 3 Abs. 2 Nr. 5 WO.

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

Fundstelle(n):
BB 2013 S. 244 Nr. 5
KAAAE-27446