BGH Beschluss v. - IV ZR 78/11

Instanzenzug:

Gründe

1 Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor und das Rechtsmittel hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a ZPO).

2 I. Die am geborene Klägerin wendet sich mit mehreren Klageanträgen gegen die von der beklagten Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder festgesetzte Höhe ihrer Zusatzrente sowie gegen deren Abfindung nach § 43 der Satzung der Beklagten (V BLS) mit einer Einmalzahlung von 4.704,96 €.

3 Die Klägerin war vom bis zum im öffentlichen Dienst des Landes B. angestellt und in dieser Zeit bei der Beklagten pflichtversichert. Am und am gebar sie jeweils eine Tochter. Seit dem bezieht sie eine gesetzliche Altersrente für schwerbehinderte Menschen.

4 Mit Schreiben vom errechnete die Beklagte nach § 25 VBLS für die Klägerin eine Betriebsrente in Höhe von monatlich 27,04 €, die sie da ein Monatsbetrag von 30 € nicht erreicht war gemäß § 43 VBLS mit der vorgenannten Einmalzahlung abfand.

5 Die Klägerin meint, die Beklagte habe die Höhe ihrer Rente aus mehreren Gründen fehlerhaft ermittelt. Die Beklagte habe die Rente nicht als Versicherungsrente nach § 80 Satz 1 VBLS n.F i.V.m. § 44 VBLS a.F., sondern als Versorgungsrente nach § 37 VBLS a.F. , zumindest aber als so genannte qualifizierte Versicherungsrente unter Anwendung des § 44a VBLS a.F. berechnen müssen. Auch seien die Steigerung des Lebenshaltungskostenindex seit Ende der sechziger Jahre und die Besitzstandsregelungen der §§ 92, 93 VBLS a.F. weder bei Ermittlung des gesamtversorgungsfähigen Entgelts noch bei der Kapitalabfindung ausreichend berücksichtigt worden; soweit die letztgenannten Satzungsbestimmungen auf sie nicht anzuwenden seien, liege darin eine willkürliche Benachteiligung. Bei der Mutterschutzzeit für ihre 1969 geborene Tochter müsse zudem eine fiktive durchschnittliche Umlage in Anrechnung gebracht werden. Die Rentenmitteilung vom sei schon deshalb unverbindlich, weil die aus Anlass des Wechsels des Versicherungssystems der Beklagten in das Punktemodell für beitragsfrei Versicherte geschaffene Übergangsklausel des § 80 VBLS n.F. gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße und im Übrigen intransparent sei. Die Kapitalabfindung verletze sie in ihren Grundrechten aus Art. 3 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG. Die eingesetzten Berechnungsfaktoren entsprächen schon nicht der zugrunde zu legenden Restlebenserwartung.

6 Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der Revision, deren Zulassung das Landgericht auf den Antrag auf Feststellung der Unverbindlichkeit der Rentenmitteilung vom beschränkt hat, verfolgt die Klägerin ihr Rechtsschutzbegehren weiter.

7 II. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe die Zusatzrente zutreffend nach § 80 Satz 1 VBLS n.F. errechnet. Die Differenzierung zwischen Versorgungs- und Versicherungsrente müsse die Klägerin hinnehmen, sie habe deshalb keinen Anspruch auf eine Rentenberechnung nach § 37 VBLS a.F. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet gewesen, ihrer Rentenberechnung noch § 44a VBLS a.F. zugrunde zu legen, nachdem das Bundesverfassungsgericht § 18 BetrAVG in der Fassung vom mit Wirkung ab dem 31. Deze mber 2000 für unwirksam erklärt habe ( BVerfGE 98, 365 ff.). Die Kapitalabfindung von Kleinstrenten sei rechtmäßig, insbesondere seien die Berechnungsfaktoren nicht zu beanstanden. §§ 92 Abs. 1 und 93 VBLS a.F. fänden auf die Klägerin keine Anwendung, weil sie deren zeitliche Voraussetzungen nicht erfülle. Darin liege keine spezifische Benachteiligung von Frauen. Art. 3 GG gebiete insoweit keine erweiternde Auslegung zugunsten der Klägerin. Die neuere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Erwerb von Rentenanwartschaften während Mutterschutzzeiten lasse sich auf die Mutterschutzzeit der Klägerin für ihr 1969 geborenes Kind nicht übertragen, weil die zugrundeliegenden Richtlinien 92/85 EWG, 86/378 EWG und 96/97 EG für Beschäftigungszeiten vor dem Jahre 1990 noch keine Geltung hätten. Die Übergangsregelung des § 80 VBLS n.F. sei nicht intransparent, soweit sie auf die Berechnung der Versicherungsrente nach § 44 VBLS a.F. und nicht auf § 18 Abs. 2 BetrAVG Bezug nehme . Da die Startgutschrift hier nach §§ 80 VBLS n.F. , 44 VBLS a.F. berechnet sei, sei die Rentenmitteilung vom 1. März 200 4 nicht zu beanstanden.

8 III. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand, wobei die für die Entscheidung bedeutsamen grundsätzlichen Fragen bereits durch die Senatsrechtsprechung geklärt und deshalb die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht erfüllt sind.

9 1. Unwirksam ist allerdings die Beschränkung auf die Frage der Unverbindlichkeit der Rentenmittelung vom . Die Zulassung der Revision kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffes beschränkt werden, der Gegenstand eines Teilurteils sein oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte (, BGHZ 161, 15, 18 m.w.N.). Danach scheidet hier die Beschränkung der Zulassung auf die Frage der Verbindlichkeit der genannten Rentenmitteilung aus.

Das Berufungsgericht hat übersehen, dass die darin errechnete Startgutschrift Grundlage der weiteren Rentenberechnung und mithin auch entscheidend für die Frage ist, ob eine kapitalisierbare Kleinstrente vorliegt. Würde über die Frage der Verbindlichkeit der Rentenmitteilung gesondert entschieden, ließe sich die Gefahr von Widersprüchen zu den Entscheidungen über weitere Anträge der Klägerin nicht sicher ausschließen.

10 Deshalb muss das angefochtene Urteil in vollem Umfang überprüft werden (BGH aaO). Die Überprüfung ergibt indes keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Klägerin.

11 2. Die Revision rügt, die der Rentenmitteilung vom zugrunde liegende Startgutschriftenberechnung habe nicht nach § 80 VBLS erfolgen dürfen, da diese Klausel intransparent sei; im Übrigen verstoße die Beklagte gegen Grundrechte, weil sie die Besitzstandsklauseln der §§ 92 und 93 VBLS a.F. nicht zugunsten der Klägerin angewendet und die Rente der Klägerin als "Kleinstrente" nach § 43 VBLS durch eine Einmalzahlung abgefunden habe.

12 a) Wie der Senat im Urteil vom (IV ZR 11/10, VersR 2011, 63 Rn. 14 ff., 27, 34) im Einzelnen dargelegt hat, begegnet die Übergangsregelung des § 80 VBLS keinen rechtlichen Bedenken, soweit wie im Falle der Klägerin, welche bei Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst die Unverfallbarkeitsvoraussetzungen de s § 44a VBLS a.F. noch nicht erfüllt, insbesondere das 35. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte die Startgutschriftenberechnung allein nach § 44 VBLS a.F. zu erfolgen hat (vgl. grundlegend zum Verhältnis von § 44 VBLS a.F. und § 44a VBLS a.F. das Senatsurteil vom IV ZR 56/03, VersR 2004, 453).

13 aa) Nach den §§ 44, 44a VBLS a.F. war wegen der Ansprüche von bei Eintritt des Versicherungsfalls freiwillig oder beitragsfrei Versicherten, die die Voraussetzungen für eine Versorgungsrente nach § 37 Abs. 1 Buchst. a VBLS a.F. nicht erfüllten, zwischen der einfachen Versicherungsrente (§ 44 VBLS a.F.) und der qualifizierten Versicherungsrente (§ 44a VBLS a.F.) zu unterscheiden. Bedenken gegen die Transparenz der Übergangsregelung des § 80 VBLS sind nur insoweit gerechtfertigt, als es um die Frage geht, inwieweit der infolge der Entscheidung des zu § 18 BetrAVG i.d.F. vom (BVerfGE 98, 365) nicht mehr an wendbare § 44a VBLS a.F. für die Rentenberechnung hätte maßgeblich sein können (vgl. dazu Senatsurteil vom aaO unter II 1 a und b). Diese Frage stellt sich im Falle der Klägerin aber nicht.

14 bb) Anders als das Berufungsgericht meint, stellt es keinen Revisionszulassungsgrund dar, dass das , n.v.) vor der genannten Senatsentscheidung vom noch die Auffassung vertreten hat, § 80 VBLS sei insgesamt intransparent.

15 cc) Die mit den §§ 37, 44 VBLS a.F. getroffene Unterscheidung von Versorgungs- und Versicherungsrente (vgl. dazu Senatsurteil vom aaO unter I 1) hat die Klägerin hi nzunehmen (Senat aaO unter I 2). Die Revision zeigt nicht auf, dass darüber im Anschluss an die Senatsentscheidung vom (aaO) in Rechtsprechung und Literatur neuer Streit entstanden wäre.

16 b) Soweit die Revision eine erweiterte oder ana loge Anwendung der Besitzstandsregelungen der §§ 92 und 93 VBLS a.F. mit Blick auf sonst vermeintlich gegebene Verletzunge n der Art. 3 Abs. 1 und 2, Art. 12 und 14 Abs. 1 GG fordert, kann sie ebenfalls nicht durchdringen.

17 Die §§ 92 und 93 VBLS a.F. waren als die System- und Satzungsänderung zum begleitende, der Besitzstandswahrung dienende Übergangsklauseln geschaffen worden.

18 aa) § 93 VBLS erfasste dabei nur Rentner, deren Versicherungsfall bereits vor dem Jahr des Satzungswech sels, d.h. vor dem , eingetreten war (Gilbert/Hesse, Die Versorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, Stand August 2002 § 92 VBLS Anm. 1; § 93 VBLS Anm. 1). Zweck der Regelung war es, die bereits vor der System -umstellung zum leistungsberechtigten Bestandsrentner, denen bis dahin eine Zusatzrente gezahlt worden war, die nur von den versicherten Entgelten und der Versicherungsdauer abhing, an den Vorteilen des 1967 geschaffenen Gesamtversorgungssystems teilhaben zu lassen. Dass der Gleichbehandlungsgrundsatz oder andere Grundrechte insoweit eine Erstreckung der Regelung auf die 1967 noch aktiv beschäftigte Klägerin geböten, ist nicht erkennbar.

19 bb) Die Klägerin kann sich auch nicht auf § 92 VBLS a.F. berufen. Die Regelung gilt für alle Versicherten, die bereits am bei der Beklagten versichert waren und bei denen entweder der Versicherungsfall bis spätestens am ein trat oder die bis zu diesem Zeitpunkt ununterbrochen pflichtversichert oder freiwillig weiterversichert waren. Die letztgenannten Voraussetzungen liegen bei der Klägerin, deren Pflichtversicherung schon 1970 endete und die danach nicht freiwillig weiterversichert war, nicht vor.

20 (1) Die Klausel sollte denjenigen Versiche rten, die durch die Systemumstellung des Jahres 1967 einen Nachteil hätten erleiden können, unter den vorgenannten Voraussetzungen zumindest eine nach den bis zum geltenden Bestimmungen errechnete Rente sichern (Gilbert/Hesse aaO § 92 VBLS Anm. 1).

21 Auch wenn die Klägerin ihre berufliche Tätigkeit im Jahre 1970 aus familiären Gründen aufgegeben haben mag und damit eine Fortdauer ihrer Pflichtversicherung bis zum Jahre 1975 nicht mehr möglich war, lässt sich damit ein Verstoß der Übergangsregelung gegen Art. 3 GG oder Art. 12 GG nicht begründen, denn die Klägerin hätte die Möglichkeit gehabt, die zeitlichen Voraussetzungen auch mittels eine r freiwilligen Weiterversicherung zu erfüllen. Im Übrigen ist es eine sachgerechte Erwägung, den Bestandsschutz für Rentenleistungen an bestimmte Versicherungszeiten zu knüpfen. Dass Frauen nicht in der Lage gewesen wären , die zeitlichen Vorgaben des § 92 VBLS a.F. zu erfüllen, ist nicht ersichtlich. Die Revision legt im Übrigen auch nicht im Einzelnen dar, dass die Klägerin im bis zur Umstellung im Jahre 1967 von der Beklagten gewährten Rentensystem eine höhere Zusatzrente erreicht hätte als nunmehr von der Beklagten errechnet. Insoweit ist schon nicht dargelegt, ob sie durch die Systemumstellung im Jahre 1967 überhaupt einen Nachteil erlitten hat, der mittels der Bestandsschutzregelung des § 92 VBLS a.F. auszugleichen gewesen wäre.

22 (2) Wegen der behaupteten Verletzung des Art. 14 Abs. 1 GG verweist der Senat auf sein Urteil vom (I V ZR 74/06, BGHZ 174, 127 Rn. 40 ff.). Danach schützt Art. 14 Abs. 1 GG nur Rechtspositionen, die einem Rechtssubjekt bereits zustehen, nicht hingegen bloße Chancen und Erwartungen. Beruht eine Rechtsposition auf privatrechtlichen Vereinbarungen, ist deren Inhalt entscheidend. Weitergehende Ansprüche schafft Art. 14 Abs. 1 GG nicht. Da die Klägerin die Voraussetzungen der §§ 92, 93 VBLS a.F. nicht erfüllt, ist ein von Art. 14 Abs. 1 GG geschützter Anspruch auf die in den genannten Übergangsvorschriften vorgesehenen Rechtsfolgen nicht gegeben.

23 c) Auch die Angriffe der Revision gegen die Abfindung der Rente der Klägerin nach § 43 VBLS n.F. können keinen Erfolg haben.

24 Der Senat (Hinweisbeschluss vom IV ZR 340/07, VersR 2010, 521 Rn. 6 ff. und Senatsurteil vom IV ZR 255/02, VersR 2006, 639) hat bereits zu einer früheren Fassung des § 43 VBLS n.F. und zu § 59 VBLS a.F. ausgesprochen, dass gegen die Abfindung von Kleinrenten keine rechtlichen Bedenken bestehen. Die dortigen Erwägungen, mit denen sich die Revision nicht auseinandersetzt, lassen sich auf die hier in Rede stehende Abfindungsregelung übertragen. Insbesondere bleibt festzuhalten, dass es bei Betriebsrenten, die aufgrund ihrer geringen Höhe keinen wesentlic hen Beitrag zur Altersversorgung des Berechtigten leisten können, hinzunehmen ist, wenn zur Vermeidung eines unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwands statt der monatlichen Rente die Zahlung eines einmaligen Kapitalbetrages vorgesehen ist (vgl. auch OLG Karl sruhe ZTR 2008, 268; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT Teil VII ATV Erl. 22.3.1; Kiefer/ Langenbrinck, Betriebliche Altersversorgung im öf fentlichen Dienst ATV § 22 Erl. 3 S. 3). Hiervon ist auch für die in der hier angegriffenen Fassung des § 43 Abs. 1 Satz 1 VBLS bezeichneten Kleinrenten auszugehen.

25 Die Angriffe der Revision gegen die Grenzziehung bei einem Betrag von 30 €, zu der die Tarifparteien die Beklagte in § 22 Abs. 2 ATV ermächtigt haben, versprechen ebenfalls keinen Erfolg. Dass bei einer Abfindungsregelung die Notwendigkeit besteht, irgendwo eine Grenze zu ziehen, nimmt auch die Revision nicht in Abr ede. Soweit die Revision mittels Erwägungen zur gesellschaftlich -wirtschaftlichen Realität in Zweifel zieht, dass bei einer Rente von 30 € monatlich noch von einer abfindungsfähigen Kleinrente gesprochen werden könne, verkennt sie die vom Schutz der Tarifautonomie (Art. 9 GG) gewährleistete Einschätzungsprärogative der Tarifvertragsparteien (vgl. Senatsurteil vom aaO Rn. 34 ff.), die insoweit nicht verpflichtet sind, die beste und gerechteste Lösung zu vereinbaren. Dass die Festsetzung de r Abfindungsgrenze gegen Verfassungsrecht oder europarechtliche Vorgaben verstieße, zeigt die Revision nicht auf und ist auch nicht erkennbar.

26 3. Auch im Übrigen ergibt die Überprüfung des Berufungsurteils nicht, dass die Rechtssache grundsätzliche Be deutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Rechtsfehler zum Nachteil der Klägerin sind nicht ersichtlich.

Fundstelle(n):
UAAAE-22431