BAG Urteil v. - 4 AZR 759/10

Tarifliche Eingruppierung - vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit

Gesetze: § 14 TVöD, § 22 Abs 2 BAT, § 24 Abs 1 BAT

Instanzenzug: Az: 7 Ca 243/09 Urteilvorgehend Az: 7 Ca 301/09 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Az: 5 Sa 757/09 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Eingruppierung der Kläger und in diesem Zusammenhang darüber, ob die tariflichen Voraussetzungen für die vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit vorliegen.

2Die bei der Beklagten beschäftigten Kläger sind seit 2002 im Logistikzentrum der Bundeswehr in B tätig. Auf die Arbeitsverhältnisse fanden aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung zunächst der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und ab dem der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (in der Fassung für die Beschäftigten des Bundes, TVöD) Anwendung. Die Kläger erhielten ein Entgelt nach der VergGr. VI b der Anlage 1a zum BAT und wurden mit Inkrafttreten des TVöD in die Entgeltgruppe 6 TVöD übergeleitet.

3Seit Oktober 2002 wurden dem Kläger zu 2. und seit August 2004 dem Kläger zu 1. von der Beklagten mehrfach nach der VergGr. V c BAT bewertete Tätigkeiten eines „Disponent B“ vorübergehend übertragen. Die Übertragungen erfolgten seit dem Jahre 2004 aufgrund der im Jahr 2001 im Rahmen der „Zusammenführung dislozierter Teileinheiten des LogZBw in W“ beschlossenen Verlagerung ua. des Logistikzentrums am Standort B nach W. Nach einem Strukturkonzept des Kommandeurs des Logistikzentrums der Bundeswehr vom sollte die sukzessive Verlegung im Zeitraum von fünf bis sieben Jahren erfolgen.

Mit Schreiben vom verlängerte die Beklagte die vorübergehenden Übertragungen der Dienstposten „Disponent B“ für den Zeitraum vom bis zum . Sie stützte ihre letzte Maßnahme auf den „Befehl Nr. 5 für die Zusammenführung dislozierter Teileinheiten des LogZBw in W“ (nachfolgend Befehl Nr. 5) des Kommandeurs des Logistikzentrums der Bundeswehr vom , der ihr zum Zeitpunkt der Übertragung bereits im Entwurf bekannt war, sowie auf eine Struktursicherheitsbescheinigung vom . In dem Befehl Nr. 5 heißt es ua.:

5In der Anlage 2 zum Befehl Nr. 5 - „Migrationsplan LogZBw“ - ist eine Verlagerung des Bereichs, in dem die Kläger tätig sind, für Ende des zweiten Kalenderquartals 2010 vorgesehen, allerdings - im Gegensatz zu anderen Bereichen - mit dem Fußnotenvermerk „Planung, Entscheidung steht aus (abhängig von verfügbarer Infrastruktur, Personalgewinnung, Ausbildung Personal)“. Durch sog. Struktursicherheitsbescheinigungen wird für die jeweilige Einheit, die von Organisationsbefehlen betroffen ist, bis zu einem bestimmten Datum eine „Struktursicherheit“ bescheinigt.

6Die Kläger haben aufgrund der ihnen übertragenen Tätigkeit eine Vergütung nach der Entgeltgruppe E 9 TVöD erfolglos geltend gemacht.

7Mit ihren Klagen verfolgen sie ihr Begehren weiter. Sie sind der Auffassung, dass die mehrfache, nur vorübergehende Übertragung der höherwertigen Tätigkeit eines „Disponenten B“ billigem Ermessen widerspreche, die insbesondere zu niedrigeren Versorgungsanwartschaften führen würde. Die Beklagte könne sich nicht auf die Verlagerungsplanung aus dem Jahre 2002 berufen. In W seien bis Mitte des Jahres 2009 weder die organisatorischen noch die personellen Voraussetzungen für eine Zusammenführung der Logistikzentren der Bundeswehr geschaffen worden. Der Zeitpunkt der Verlagerung sei nach wie vor ungewiss.

Der Kläger zu 1. hat zuletzt beantragt

Der Kläger zu 2. hat zuletzt beantragt

10Die Beklagte hat beantragt, die Klagen abzuweisen. Die Verlagerung nach W erfolge auf der Grundlage des Strukturkonzepts von Juli 2004. Diese Planung sei fortgeschrieben und durch endgültige Entscheidung des Kommandeurs vom realisiert worden. In dieser komme die Absicht zum Ausdruck, die Zusammenführung der Teileinheiten im Jahr 2010 abzuschließen. Im Jahre 2008 sei die Sachlage im Hinblick auf die Prognose klar gewesen. Allerdings habe die fehlende Sicherheit über die zukünftigen Strukturen einer dauerhaften Übertragung entgegengestanden. Erst im Jahr 2010 sei erkannt worden, dass das ursprüngliche Konzept zum nicht mehr habe umgesetzt werden können. Die Realisierung des Strukturkonzepts sei nunmehr zum vorgesehen.

Das Arbeitsgericht hat den Klagen für die Zeit ab dem stattgegeben. Auf die Berufungen der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klagen insgesamt abgewiesen. Mit den vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revisionen verfolgen die beiden Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revisionen zurückzuweisen.

Gründe

12Die Revisionen der Kläger sind begründet. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO). Die nur vorübergehende Übertragung der höher bewerteten Tätigkeit eines „Disponenten B“ entspricht nicht billigem Ermessen. Es steht jedoch noch nicht fest, ob die Kläger die weiteren Voraussetzungen der Entgeltgruppe E 9 Stufe 4 TVöD erfüllen.

13I. Die nach ständiger Rechtsprechung als sog. Elementenfeststellungsklagen (st. Rspr., s. nur  - Rn. 11 mwN, BAGE 128, 165) zulässigen Feststellungsklagen sind, wie die gebotene Auslegung (dazu  - Rn. 11, AP ZPO § 253 Nr. 50 = EzA ZPO 2002 § 253 Nr. 3) ergibt, auch hinreichend bestimmt (zu diesem Erfordernis  - aaO; - 9 AZR 70/07 - Rn. 16, BAGE 126, 26). Nach dem Vorbringen der Kläger bleibt nicht offen, auf welchen Differenzbetrag sich eine etwaige Verzinsungspflicht der Beklagten bezieht. Sie haben bereits in den Tatsacheninstanzen klargestellt, maßgebend sei der Unterschiedsbetrag, der sich in Anwendung der Entgeltgruppe E 9, Stufe 4 TVöD und demjenigen Entgelt ergebe, welches sie im besagten Zeitraum von der Beklagten (Entgeltgruppe E 6 TVöD zzgl. der Zulage) erhalten haben.

14II. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung konnten die Feststellungsanträge nicht abgewiesen werden.

151. Eine Vergütungspflicht der Beklagten nach der Entgeltgruppe E 9 TVöD setzt nach § 22 BAT, der nach § 17 Abs. 1 Satz 1 des Tarifvertrages vom zur Überleitung der Beschäftigten des Bundes in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Bund) nach wie vor anzuwenden ist, weil der TVöD in den §§ 12 und 13 noch keine eigenen Eingruppierungsregelungen enthält, voraus, dass bei der auszuübenden Tätigkeit zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die jeweils für sich genommen die Anforderungen mindestens eines Tätigkeitsmerkmales der von ihnen in Anspruch genommenen Entgeltgruppe E 9 TVöD erfüllen. Weiterhin ist nach § 22 Abs. 2 BAT eine nicht nur vorübergehende Übertragung der auszuübenden Tätigkeit erforderlich.

162. Den Feststellungsklagen steht nicht schon entgegen, dass den Klägern die Tätigkeit eines „Disponenten B“ von der Beklagten nur vorübergehend übertragen wurde und § 22 Abs. 2 BAT eine „nicht nur vorübergehende“ Übertragung verlangt. Die vorübergehende Übertragung der höherwertigen Tätigkeit für den Zeitraum vom bis zum , der nach der Revisionsbegründung der Kläger allein noch vom Senat zu beurteilen ist, entsprach nicht billigem Ermessen. Dementsprechend ist die höherwertige Tätigkeit als auf Dauer übertragen anzusehen.

17a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 24 BAT, die für die Nachfolgebestimmung des § 14 TVöD herangezogen werden kann, ist die vorübergehende Übertragung einer höher bewerteten Tätigkeit an den Regeln zu messen, die der Arbeitgeber bei der Ausübung seines arbeitsvertraglichen Leistungsbestimmungsrechts (Direktionsrechts) entsprechend § 106 GewO grundsätzlich einzuhalten hat.

18aa) In einem ersten Schritt muss es billigem Ermessen entsprechen, dem Arbeitnehmer die höher bewertete Tätigkeit überhaupt zu übertragen. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob es billigem Ermessen entspricht, diese Tätigkeit nur vorübergehend zu übertragen („doppelte Billigkeitsprüfung“). Dabei ist unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls abzuwägen, ob das Interesse des Arbeitgebers an einer nur vorübergehenden Übertragung oder das Interesse des Arbeitnehmers an der Beibehaltung der höherwertigen Tätigkeit und ggf. einer höheren Vergütung überwiegt. Insgesamt ist eine „doppelte“ Billigkeitskontrolle vorzunehmen, die sich bei einer vorübergehenden Übertragung höherwertiger Tätigkeiten auf mehrere Beschäftigte in einer Verwaltung sowohl auf das Gesamtkonzept als auch auf die einzelnen personenbezogenen Übertragungsverfügungen bezieht. Die Umstände für die einzelnen vorübergehenden Übertragungen höherwertiger Tätigkeit müssen vor dem Hintergrund des Gesamtkonzepts deutlich werden (zu § 24 BAT grdl.  - zu II 3 c bb (1) der Gründe, BAGE 101, 91; weiterhin - 10 AZR 134/11 - Rn. 19 f., NZA 2012, 927; - 9 AZR 226/05 - Rn. 37, AP BAT-O § 24 Nr. 6). Bei einer mehrfachen Übertragung steigen die Anforderungen an die darzulegenden Gründe ( - Rn. 46, aaO; - 4 AZR 433/01 - zu 4 c aa der Gründe, ZTR 2003, 80).

19bb) Entspricht die vorübergehende Übertragung der Tätigkeit nicht billigem Ermessen, erfolgt die Bestimmung der „Leistung“ entsprechend § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB durch richterliche Entscheidung. Sie kann bei einer interimistischen Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit auch darin bestehen, dass die Übertragung der Tätigkeit nicht als nur vorübergehend, sondern als auf Dauer vorgenommen erklärt oder die zeitliche Dauer anders bestimmt wird. Eine solche Bestimmung kann im Eingruppierungsrechtsstreit inzident vorgenommen werden. Die Beweislast dafür, dass die Ausübung des Direktionsrechts billigem Ermessen entspricht, trägt derjenige, der das Leistungsbestimmungsrecht ausübt ( - Rn. 21, NZA 2012, 927; - 4 AZR 433/01 - zu 3 c bb (2) der Gründe, ZTR 2003, 80; - 4 AZR 174/01 - zu II 3 c bb (2) der Gründe, BAGE 101, 91).

20cc) Nach der Regelung des § 22 BAT stellt die Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit auf Dauer den Regelfall dar, wohingegen die vorübergehende Übertragung nach § 24 BAT und § 14 TVöD die Ausnahme ist und deshalb eines ausreichenden Grundes bedarf, um billigem Ermessen zu entsprechen ( - zu II 3 d der Gründe, BAGE 101, 91). Allein die mögliche Unsicherheit über die Dauer der Beschäftigungsmöglichkeit mit den übertragenen höherwertigen Tätigkeiten reicht nicht aus. Die Regelung des § 14 TVöD kann nicht dafür herangezogen werden, die Ungewissheit über die Dauer der weiteren Beschäftigungsmöglichkeit auf den Arbeitnehmer zu verlagern.

21b) Ausgehend von den vorstehenden Maßstäben konnte das Landesarbeitsgericht die Klagen nicht mit der von ihm gegebenen Begründung abweisen. Es hat bei der Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs wesentliche Umstände außer Acht gelassen (zum Prüfungsmaßstab s. bspw.  - Rn. 26 mwN, BAGE 129, 238; - 5 AZR 766/95 - zu I 4 b der Gründe, BAGE 85, 237).

22aa) Die Übertragung der höherwertigen Tätigkeit an sich haben die Kläger nicht beanstandet. Sie wenden sich lediglich gegen deren zeitliche Begrenzung.

23bb) Die nur vorübergehende Übertragung der höherwertigen Tätigkeit an die Kläger entspricht im Streitfall nicht billigem Ermessen.

24(1) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, eine vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit sei im Grundsatz sachlich begründet und entspreche billigem Ermessen, wenn der Arbeitgeber geltend machen kann, aufgrund seiner im Zeitpunkt der Übertragung getroffenen und durch hinreichende Tatsachen gestützte Prognose werde eine dauerhafte Beschäftigung des Arbeitnehmers mit der übertragenen höherwertigen Tätigkeit nicht möglich sein (vgl.  - zu II 6 a der Gründe, BAGE 101, 91; - 9 AZR 226/05 - Rn. 42 ff., AP BAT-O § 24 Nr. 6; - 4 AZR 553/01 - zu 5 a der Gründe, ZTR 2003, 514: Vertretungsbedarf).

25(2) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts lässt schon der Vortrag der Beklagten nicht erkennen, dass sie auf der Grundlage des Befehls Nr. 5 iVm. der Struktursicherheitsbescheinigung eine hinreichend gesicherte Prognose treffen konnte, dass eine höherwertige Tätigkeit, insbesondere als „Disponent B“ am Standort B mit Ablauf des zweiten Halbjahres 2010 enden werde. Von daher kann dahinstehen, ob nicht die den Klägern übertragenen Tätigkeiten selbst nach einer Verlagerung des Tätigkeitsbereichs in das Logistikzentrum W dort weiter anfallen werden und deshalb nicht als nur „vorübergehend“ zu qualifizieren wären.

26(a) In der Anlage 2 zum Befehl Nr. 5 - „Migrationsplan LogZBw“ - ist für die bisherigen Tätigkeitsbereiche der Kläger lediglich eine Verlagerung für das erste Kalenderhalbjahr 2010 als eine vorbehaltliche Planung, nicht aber als endgültige Entscheidung ausgewiesen. Für den betreffenden Bereich ist ausdrücklich vermerkt, es handele sich um eine „Planung“, eine endgültige Entscheidung stehe noch aus und hänge von der verfügbaren „Infrastruktur, Personalgewinnung“ und der „Ausbildung Personal“ ab. Dieser Vorbehalt wird auch im Wortlaut des der Anlage zugrundeliegenden Befehls Nr. 5 deutlich. Unter Nr. 1 „Lage“ wird nicht die „angepasste Migrationsplanung“ des Befehls Nr. 4 ausdrücklich fortgeschrieben, sondern unter die Voraussetzungen „einer gesicherten und funktionsfähigen Infrastruktur, einer angemessenen personellen Besetzung“ sowie eine „Verfügbarmachung“ zentraler logistischer Elemente am Standort W gestellt. Dem entsprechen die Ausführungen unter Nr. 3 Buchst. a des Befehls Nr. 5, die zudem lediglich die „eigene Absicht“ des Kommandeurs wiedergeben, die Maßnahmen „in 2010 abzuschließen“. Die „Verlegung von Aufgaben“ wird auch an dieser Stelle unter den Vorbehalt gestellt, dass die Aufgabenerfüllung „am neuen Standort sichergestellt ist“ und die hierzu erforderlichen Voraussetzungen erst noch durch die vorgesetzten Dienststellen geschaffen werden müssten.

27Inwieweit diese „Voraussetzungen“ für die Verlagerung des Logistikzentrums in B im Zeitpunkt der letztmaligen vorübergehenden Übertragung bereits vorlagen oder jedenfalls eine hinreichend gesicherte Planungs- und Prognosegrundlage bildeten, lässt sich dem Vortrag der Beklagten nicht entnehmen. Das betrifft sowohl die erforderlichen Voraussetzungen am Standort W, deren Erfüllung die Kläger stets in Abrede gestellt haben, als auch die konkreten Planungen für das Logistikzentrum in B. Deshalb ist auch nicht erkennbar, dass die Beklagte aufgrund eigener Prognose davon ausgehen konnte, es werde in der Mitte des Jahres 2010 zu einem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit für die Kläger auf dem übertragenen Dienstposten eines Disponenten B kommen. Allein der Umstand der bereits bestehenden Grundsatzentscheidung über die Verlagerung aus dem Jahre 2001, deren zeitliche Umsetzung aber auch nach dem Befehl Nr. 5 für den Bereich der Kläger noch ungewiss geblieben ist, bildet nach den dargestellten Maßstäben keine ausreichende Grundlage.

28(b) Die Beklagte kann sich in diesem Zusammenhang nicht auf die von ihr herangezogenen Struktursicherheitsbescheinigungen stützen. Diese bestätigen lediglich, bis zu welchem Zeitpunkt Aufgaben an einem Standort auf jeden Fall ausgeübt werden können. Sie geben aber keine Auskunft darüber, zu welchem Zeitpunkt die Beschäftigungsmöglichkeiten tatsächlich wegfallen und sind daher als Prognosegrundlage nicht geeignet.

29(3) Bei der durchzuführenden Abwägung müssen deshalb die Interessen der beiden Kläger an einer dauerhaften Übertragung als dem tariflichen Regelfall schon überwiegen, weil ein zu gewichtendes Interesse der Beklagten daran, die Tätigkeiten nur vorübergehend zu übertragen, nicht vorliegt.

30(4) Die Beklagte ist deshalb in entsprechender Anwendung des § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB nach billigem Ermessen verpflichtet, den Klägern die höherwertigen Tätigkeiten dauerhaft zu übertragen. Der Senat ist gehindert, aufgrund späterer, erst nach der Übertragung im April 2008 bekannt gewordener Erkenntnisse - etwa wie sie die Beklagte im Verlauf des Rechtsstreits und auch noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angeführt hat - einen anderen Übertragungszeitraum festzusetzen.

31III. Der Rechtsfehler führt dennoch nur zur Aufhebung der Berufungsentscheidung und zur Zurückverweisung, weil die zutreffende Eingruppierung der Kläger aufgrund der fehlenden tatsächlichen Feststellungen noch nicht feststeht. Nach dem Vortrag der Kläger ist weder ersichtlich, aus welchen Gründen die beantragte Entgeltgruppe E 9 TVöD zutreffend sein soll, noch haben sie die begehrte Stufe 4 der Entgeltgruppe schlüssig dargelegt.

321. Die den Klägern übertragenen Tätigkeiten eines „Disponenten B“ hat die Beklagte in ihren Schreiben nach der VergGr. V c BAT bzw. nach der Anlage 4 zum TVÜ-Bund für die Zeit ab dem Inkrafttreten des TVöD mit der Entgeltgruppe E 8 TVöD bewertet. Auf dieser Grundlage wurde auch die geleistete Zulage berechnet. Diese Bewertung haben die Kläger weder in den Vorjahren noch im laufenden Rechtsstreit beanstandet. Sie haben auch nicht geltend gemacht, die Tätigkeit sei abweichend von der Mitteilung der Beklagten der Entgeltgruppe E 9 TVöD zugeordnet.

33Weiterhin ist nach dem bisherigen Vorbringen der Kläger nicht erkennbar, aus welchen Gründen sie nach § 17 Abs. 4 Satz 1 TVöD ein Entgelt der begehrten Entgeltgruppe nach der Stufe 4 beanspruchen können. Insbesondere fehlen Feststellungen zu dem ihnen am zustehenden Tabellenentgelt.

2. Der Senat konnte die Feststellungsanträge allerdings auch nicht unter Hinweis auf den bisher unzureichenden Tatsachenvortrag der Kläger abweisen. Das Arbeitsgericht hat den Klagen jedenfalls im Hinblick auf die beantragte Entgeltgruppe und -stufe ohne weitere Erörterung stattgegeben. Auch das Landesarbeitsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt konsequent - die Kläger nicht auf den noch unvollständigen Sachvortrag hingewiesen. Ihnen ist daher unter dem Gesichtspunkt der Gewährung rechtlichen Gehörs Gelegenheit zu geben, im Rahmen der neuen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht ergänzend vorzutragen.

Fundstelle(n):
BB 2012 S. 2944 Nr. 47
DB 2012 S. 2871 Nr. 50
QAAAE-22039