BGH Beschluss v. - 3 StR 220/12

Nachträgliche Gesamtstrafenbildung: Fehlerhafte Einbeziehung früherer Verurteilungen; Nachholung der Festsetzung der Einzelstrafe durch das Revisionsgericht; Ausschluss eines Teilfreispruchs bei Zusammenfassung realkonkurrierender Betäubungsmitteldelikte zu Bewertungseinheiten

Gesetze: § 55 StGB, § 354 Abs 1 StPO, § 358 Abs 2 StPO

Instanzenzug: LG Osnabrück Az: 18 KLs 7/11

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Osnabrück vom zur Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt.

2Hiergegen richtet sich die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zur Abänderung des Strafausspruchs; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

3Die Bildung der Gesamtstrafe ist rechtsfehlerhaft. Das Landgericht hätte die Strafe aus dem Strafbefehl vom nicht einbeziehen dürfen.

4Nach den Feststellungen des Landgerichts verkaufte der Angeklagte ab Juni 2008 in mehreren Einzelverkäufen Betäubungsmittel, die er einer am erworbenen und auf einem Nachbargrundstück vergrabenen Gesamtmenge entnahm. Bereits am war beim Angeklagten ein Gramm Heroin aufgefunden worden, von dem nicht ausgeschlossen werden konnte, dass es aus dieser Menge stammte. Das hierauf eingeleitete Ermittlungsverfahren war nach § 154a Abs. 1 StPO im Hinblick auf die im Strafbefehl vom wegen eines Waffendelikts verhängte, zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe von einem Jahr eingestellt worden. Das Landgericht hat zurecht einen Strafklageverbrauch verneint, weil unabhängig von der Frage, ob die Betäubungsmittelstraftat vom tateinheitlich mit dem Waffendelikt verwirklicht worden war, die als ein einheitlicher Betäubungsmittelhandel abgeurteilten Betäubungsmittelverkäufe zeitlich erst nach dem Erlass des Strafbefehls am getätigt wurden und dieser danach begangene Taten nicht erfassen konnte. Der gerichtlichen Kognitionspflicht kann kein strafbares Verhalten unterfallen, das einem Urteil oder dem Erlass eines Strafbefehls nachfolgt (, juris). Damit lagen aber auch die rechtlichen Voraussetzungen für eine Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl vom nicht vor.

5Durch die rechtsfehlerhafte Bildung der Gesamtstrafe ist der Angeklagte beschwert, weil die im Strafbefehl vom zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe unter Wegfall der Bewährung einbezogen wurde. Das Urteil muss deshalb im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben werden. Auch die vom Landgericht in vorliegender Sache ausgesprochene Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten kann in dieser Höhe nicht bestehen bleiben. Wegen des Verschlechterungsverbotes (§ 358 Abs. 2 StPO) darf die Summe der beiden zu Unrecht zusammengezogenen Strafen drei Jahre und vier Monate nicht übersteigen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 273/90, juris und - 3 StR 370/11, NStZ-RR 2012, 170). Die Freiheitsstrafe für das hier abgeurteilte Betäubungsmitteldelikt darf daher nicht mehr als zwei Jahre und vier Monate betragen. Diese Strafe kann der Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst verhängen.

6Der geringe Teilerfolg des Rechtsmittels rechtfertigt eine Ermäßigung der Gebühr und die Auferlegung eines Teils der Auslagen auf die Staatskasse nach § 473 Abs. 4 StPO nicht.

7Ergänzend bemerkt der Senat: Der Teilfreispruch betrifft nur die dem Angeklagten unter Nr. 2, 3 und 30 der Anklageschrift vorgeworfenen Straftaten. Hinsichtlich der Tatvorwürfe Nr. 8-28 war der Angeklagte hingegen nicht freizusprechen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist in dem Fall, dass mehrere Delikte als tatmehrheitlich begangen angeklagt und die Tathandlungen in der Hauptverhandlung auch nachgewiesen werden, der Schuldspruch wegen Vorliegens einer Bewertungseinheit indes nur die einmalige Begehung der Straftat ausspricht, ein Teilfreispruch nicht veranlasst. Denn in einem solchen Fall wird der gesamte Verfahrensgegenstand durch die Verurteilung erschöpfend erledigt (, BGHR StPO § 260 Abs. 1 Teilfreispruch 14 unter Aufgabe von , NStZ 1997, 90). Damit hat die Staatskasse auch nur die durch die Freisprüche in den Fällen Nr. 2, 3 und 30 der Anklageschrift veranlassten Kosten und notwendigen Auslagen zu tragen.

Becker                            Hubert                              Schäfer

                 Gericke                            Spaniol

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
WAAAE-21065