BGH Beschluss v. - II ZR 105/10

Nichtabführung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung: Haftung des Vorstands eines Vereins

Gesetze: § 823 Abs 2 BGB, § 14 StGB, § 266a Abs 1 StGB

Instanzenzug: LG Görlitz Az: 2 S 26/09vorgehend AG Zittau Az: 5 C 290/07nachgehend Az: II ZR 105/10 Revision zurückgewiesen

Gründe

1Die Revision ist zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen für ihre Zulassung nicht (mehr) vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat.

21. Einen Grund für die Revisionszulassung benennt weder das Berufungsgericht noch zeigt die Revision einen solchen auf. Ein Zulassungsgrund ist auch nicht ersichtlich. Insbesondere entspricht die Auffassung des Berufungsgerichts, bei Behörden und öffentlichen Körperschaften richte sich der Beginn der Verjährungsfrist für zivilrechtliche Schadensersatzansprüche nach dem Kenntnisstand der Bediensteten der für die Vorbereitung und Verfolgung des Regressanspruchs zuständigen Abteilung, der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, an der, wie der Bundesgerichtshof nach dem Erlass des Berufungsurteils klargestellt hat, auch nach dem seit dem geltenden Verjährungsrecht festzuhalten ist  ( Rn. 14; vgl. auch , WM 2012, 940 Rn. 18 ff.; Urteil vom - VI ZR 9/11 Rn. 11 ff.).

32. Die Revision hat keine Aussicht auf Erfolg.

4a) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Beklagte der Klägerin wegen der von ihm als Vorstand des Vereins zu verantwortenden Nichtabführung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung für die Monate November und Dezember 2003 gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a Abs. 1, § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB Schadensersatz zu leisten hat.

5Der Arbeitgeber ist nach § 266a Abs. 1 StGB verpflichtet, im Falle eines Mangels an Zahlungsmitteln vorrangig die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung abzuführen. Er hat geeignete Vorkehrungen zu treffen, um ausreichende Liquidität zur Begleichung dieser Beiträge bei Fälligkeit bereitzustellen. Verletzt er diese Pflicht, ist der Tatbestand des § 266a StGB auch dann verwirklicht, wenn der Beitragsschuldner zum Fälligkeitszeitpunkt zahlungsunfähig ist (, BGHZ 134, 304, 308; Urteil vom - II ZR 108/05, ZIP 2006, 2127 Rn. 10; Urteil vom - IX ZR 218/10, WM 2012, 660 Rn. 10). Das geschäftsleitende Organ einer juristischen Person hat insoweit kraft seiner Organisationsgewalt sicherzustellen, dass die der Körperschaft obliegenden Aufgaben durch die damit betrauten Personen auch tatsächlich erfüllt werden (, BGHZ 133, 370, 378; Urteil vom - II ZR 27/07, ZIP 2008, 1275 Rn. 10).

6Dies zu Grunde gelegt kann der Beklagte sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ihm infolge eines Cash-Pool-Managements zum Fälligkeitszeitpunkt keine finanziellen Mittel zur Verfügung gestanden hätten. Die Einwände, es habe dem Beklagten innerhalb des Vereinsvorstandes nicht oblegen, sich um die Beitragsabführung zu kümmern und er habe von der Nichtzahlung keine Kenntnis gehabt, sind neu und können im Revisionsverfahren gemäß § 559 Abs. 1 ZPO nicht mehr berücksichtigt werden. Entsprechend ist das Berufungsgericht auch ohne Rechtsfehler von einem vorsätzlichen Handeln des Beklagten ausgegangen (vgl. dazu , BGHZ 133, 370, 381). Im Übrigen traf den Beklagten zumindest eine Überwachungspflicht (vgl. , ZIP 2008, 1275 Rn. 11), von deren vorsätzlicher Verletzung auf der Grundlage des unstreitigen Sachverhalts und der getroffenen Feststellungen auszugehen ist.

7b) Ebenfalls rechtsfehlerfrei ist die Auffassung des Berufungsgerichts, der Anspruch sei nicht verjährt. Anders als die Revision meint, kann für den hier maßgebenden Zeitraum bis zum keine Kenntnis oder auf grober Fahrlässigkeit der Klägerin beruhende Unkenntnis der anspruchsbegründenden Umstände und der Person des Schuldners i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 BGB angenommen werden. Die mit der Einziehung der Beiträge befasste Abteilung der Klägerin war schon nicht gehalten, sofort nach dem Verstreichen des Fälligkeitstermins am die Regressabteilung einzuschalten. Im Übrigen wäre die Verjährungsfrist auch dann nicht bis zum31. Dezember 2003 in Lauf gesetzt worden, wenn die für die Beitragseinziehung zuständige Abteilung ihr Wissen grob fahrlässig nicht an die Regressabteilung weitergleitet hätte (vgl. Rn. 14).

Strohn                           Caliebe                             Reichart

                   Born                             Sunder

Hinweis: Die Revision des Beklagten wurde durch Beschluss vom gemäß § 552a ZPO zurückgewiesen.

Fundstelle(n):
DStR 2012 S. 2451 Nr. 48
VAAAE-20666