Instanzenzug:
Gründe
1 Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls in drei Fällen, Wohnungseinbruchsdiebstahls, räuberischen Diebstahls, gefährlicher Körperverletzung, versuchten Diebstahls und versuchter Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Revision des Angeklagten, mit der er allgemein die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg.
I.
2 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts zu den Anlasstaten entwendete der unter umfassender Betreuung stehende Angeklagte in einem Fall den Inhalt zweier Briefkästen, die er zuvor aufgehebelt hatte. In einem weiteren Fall nahm er in einer Wohnung, in die er durch das offen stehende Schlafzimmerfenster eingestiegen war, zwei Geldbörsen mit Inhalt an sich, um diese für sich zu behalten. In zwei Fällen entwendete er jeweils ein Navigationsgerät aus einem geparkten Pkw bzw. einem unverschlossen abgestellten Lkw. In einem weiteren Fall setzte er sich mit Gewalt gegenüber einem Kaufhausdetektiv zur Wehr, der beobachtet hatte, wie der Angeklagte einen Pullover unter seiner Kleidung anzog, um diesen ohne Bezahlung mitzunehmen. Ferner brachte er dem Bewohner eines Grundstücks, auf dem er sich widerrechtlich aufhielt, durch zwei plötzliche Messerstiche stark blutende Stichverletzungen bei. Im Fall III. 6 der Urteilsgründe verschaffte sich der Angeklagte auf der Suche nach stehlenswerten Gegenständen durch eine nicht verschlossene Tür Zutritt zu einem Wohnhaus und setzte sich mit Schlägen und Tritten gegen seine Festnahme zur Wehr, nachdem er vom Hauseigentümer überrascht worden war.
3 2. Die Entscheidung zur Frage der Schuldfähigkeit und zur Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus beruht auf folgenden Feststellungen und Erwägungen der insoweit sachverständig beratenen Strafkammer:
4 Der Angeklagte leidet unter einer Intelligenzminderung mit deutlich verlangsamtem, inhaltsarmem und teilweise sprunghaftem Denken von geringer logischer Konsistenz. Seine Fähigkeiten zur Selbstreflexion, Selbstkritik, Realitätsprüfung und Abstraktionsfähigkeit sind deutlich eingeschränkt. Bei Begehung der festgestellten Taten war bei gegebener und erhalten gebliebener Einsichtsfähigkeit infolge seiner Intelligenzminderung seine Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 21 StGB erheblich vermindert. Eine Psychose oder eine hirnorganische Erkrankung sowie eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung lagen indes nicht vor. Nach Auffassung des Landgerichts besteht bei dem Angeklagten aufgrund seines nicht besserungsfähigen oder heilbaren psychischen Zustandes ein erhebliches Rückfallrisiko für einschlägige Taten. Mit hoher Wahrscheinlichkeit seien ohne langfristig strukturierte Behandlung weitere erhebliche Straftaten zu erwarten, so dass der Angeklagte für die Allgemeinheit gefährlich sei; dies gelte umso mehr, als er die hier abgeurteilten Taten binnen kurzer Zeit begangen habe. Die zu erwartenden Taten seien dabei als Folgewirkung des psychischen Zustandes des Angeklagten, einer Intelligenzminderung mit einhergehenden Verhaltensauffälligkeiten, anzusehen. Eine Aussetzung der Vollstreckung der Anordnung zur Bewährung im Sinne von § 67b Abs. 1 Satz 2 StGB komme nicht in Betracht.
II.
5 Die Ausführungen des Landgerichts zur erheblich verminderten Schuldfähigkeit als Grundlage für die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
6 1. Die Maßregelanordnung nach § 63 StGB setzt unter anderem die positive Feststellung eines länger andauernden, nicht nur vorübergehenden Defekts voraus, der zumindest eine erhebliche Einschränkung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB sicher begründet (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurteil vom 6. März 1986 - 4 StR 40/86, BGHSt 34, 22, 26; Senatsbeschluss vom 6. Februar 1997 - 4 StR 672/96, BGHSt 42, 385). Dabei erfolgt die richterliche Entscheidung, ob die Fähigkeit eines Täters, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert war, in einem aus mehreren Schritten bestehenden Verfahren (vgl. im Einzelnen Boetticher/ Nedopil/Bosinski/Saß, NStZ 2005, 57). Zuerst ist die Feststellung erforderlich, dass beim Angeklagten eine psychische Störung vorliegt, die ein solches Ausmaß erreicht hat, dass sie unter eines der psychopathologischen Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumieren ist. Sodann sind der Ausprägungsgrad der Störung und deren Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Täters zu untersuchen. Durch die festgestellten psychopathologischen Verhaltensmuster muss die psychische Funktionsfähigkeit des Täters bei der Tatbegehung beeinträchtigt worden sein. Dabei hat der Tatrichter bei der Entscheidung über die Bejahung eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB und bei der Annahme eingeschränkter Schuldfähigkeit nicht nur die Darlegungen des medizinischen Sachverständigen eigenständig zu überprüfen; er ist auch verpflichtet, seine Entscheidung in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise zu begründen (, NStZ-RR 2007, 74). Das abschließende Urteil über die Erheblichkeit der Verminderung von Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ist als Rechtsfrage ausschließlich Sache des Richters ( mwN).
7 2. Diesen Anforderungen genügen die Urteilsgründe hier nicht.
8 a) Den Urteilsausführungen ist schon nicht zu entnehmen, welches der psychopathologischen Eingangsmerkmale des § 20 StGB das Landgericht in der Person des Angeklagten als gegeben ansieht. Die Strafkammer beschränkt sich im Urteil darauf mitzuteilen, der Angeklagte sei bei gegebener und erhalten gebliebener Einsichtsfähigkeit infolge seiner Intelligenzminderung in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert im Sinne des § 21 StGB; eine Psychose, eine hirnorganische Erkrankung oder eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung hätten bei Begehung der Taten nicht vorgelegen.
9 b) Da sich das Landgericht auf die Mitteilung des Ergebnisses der Begutachtung des Angeklagten durch den psychiatrischen Sachverständigen beschränkt, ist das als gegeben erachtete Eingangsmerkmal auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht zu entnehmen. Zwar kann die hier vom Landgericht angenommene Intelligenzminderung des Angeklagten grundsätzlich die Annahme von Schwachsinn im Sinne des § 20 StGB rechtfertigen, die bloße Minderung der geistigen Leistungsfähigkeit begründet sie aber nicht (vgl. , BGHR StGB § 63 Zustand 17). Die Urteilsgründe verhalten sich jedoch nicht genauer zum Grad der beim Angeklagten vorhandenen Intelligenzminderung, die einerseits als leicht bis mittelgradig (UA 4), an anderer Stelle als erheblich (UA 19) bezeichnet wird. Schon im Hinblick auf die denkbare Schwankungsbreite dieser Behinderung (vgl. etwa für die Diagnose "Schwachsinn") sind die Urteilsausführungen daher wenig aussagekräftig und für die revisionsgerichtliche Überprüfung unzureichend, zumal nicht mitgeteilt wird, ob und gegebenenfalls welche psychologischen Testverfahren der Beurteilung zu Grunde liegen. Ferner bleibt offen, in welchem Zusammenhang die Intelligenzminderung mit den beim Angeklagten ebenfalls diagnostizierten Verhaltensauffälligkeiten steht.
10 c) Es kommt hinzu, dass die Ausführungen zu einer möglichen hirnorganischen Schädigung als Ursache der Intelligenzminderung in sich widersprüchlich sind. Zum einen nimmt die Strafkammer an, ursächlich für die leichte bis mittelgradige Intelligenzminderung des Angeklagten sei "mutmaßlich" ein geburtsbedingter frühkindlicher Hirnschaden (UA 4), an anderer Stelle - ebenfalls im Zusammenhang mit der beim Angeklagten vorliegenden Intelligenzminderung - wird das Vorliegen einer hirnorganischen Erkrankung verneint (UA 12).
11 3. Danach ist weder sicher feststellbar, von welcher Alternative des § 21 StGB das Landgericht ausgegangen ist, noch, ob nicht § 20 StGB anwendbar ist. Sowohl der Schuldspruch als auch die Anordnung nach § 63 StGB können daher mangels eindeutiger Feststellungen keinen Bestand haben. Die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten als Grundlage für die Anordnung der Maßregel bedarf insgesamt neuer Prüfung durch den Tatrichter. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen sind von dem Rechtsfehler indes nicht betroffen und können bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen sind möglich.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
JAAAE-20242