BAG Urteil v. - 4 AZR 366/10

Auslegung einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitgeberverband als Tarifvertrag - konkludenter Ausschluss der Nachwirkung

Leitsatz

Tarifverträge wirken kraft Gesetzes nach (§ 4 Abs. 5 TVG). Jedoch können die Tarifvertragsparteien die Nachwirkung ausschließen. Das kann ausdrücklich oder auch konkludent geschehen.

Gesetze: § 1 Abs 1 TVG, § 1 Abs 2 TVG, § 3 Abs 1 TVG, § 4 Abs 1 TVG, § 4 Abs 5 TVG

Instanzenzug: ArbG Bochum Az: 5 Ca 1454/09 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 12 Sa 1477/09 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten noch über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit des Klägers im Zeitraum von Januar bis einschließlich April 2009 und damit verbunden um die Höhe des Arbeitsentgelts.

2Der Kläger ist Mitglied der Industriegewerkschaft Metall (IG Metall) und war im Zeitraum vom bis zum bei der Beklagten beschäftigt. Im Arbeitsvertrag des Klägers vom ist keine Regelung zur Arbeitszeit enthalten.

3Die Beklagte war bis zum tarifgebundenes Mitglied im Arbeitgeberverband der Eisen- und Metallindustrie für Bochum und Umgebung e. V. (AGV Metall B/U), der Mitgliedsverband des Verbandes der Metall- und Elektro-Industrie Nordrhein-Westfalen e. V. (Metall NRW) ist. Gleichfalls mit dem Ende des Jahres 2001 endete der bisher geltende, zwischen Metall NRW und der IG Metall abgeschlossene Manteltarifvertrag für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vom in der Fassung vom / (MTV Metall NRW 1996). An dessen Stelle trat mit Inkrafttreten am der Manteltarifvertrag für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vom 24. August/ (MTV Metall NRW 2001, dort § 26). Nach § 3 Abs. 1 MTV Metall NRW 1996 betrug die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit seit dem 35 Stunden. Gewerbliche Arbeitnehmer erhielten ein monatliches Entgelt, dessen Höhe sich aus der Monatsgrundlohntabelle des (jeweils geltenden) Lohnabkommens ergab und für das die wöchentliche Arbeitszeit nach § 3 Abs. 1 MTV Metall NRW 1996 maßgebend war (§ 15 Abs. 6 MTV Metall NRW 1996).

4Zum wurde die Beklagte erneut Mitglied im AGV Metall B/U, nun allerdings ohne Tarifbindung (sog. OT-Mitgliedschaft).

Am schlossen die Beklagte und der AGV Metall B/U auf der einen Seite und die IG Metall auf der anderen Seite eine Vereinbarung (im Folgenden: Vereinbarung vom ), die ua. folgende Regelungen enthält:

6Eine nachfolgende Vereinbarung wurde zwischen den Vertragsparteien nicht geschlossen.

Im Dezember 2008 erfolgte ein Vertragsangebot der Beklagten für ca. 75 vH der bei ihr Beschäftigten, darunter an den Kläger, zu einer auf drei Jahre befristeten Änderung des Arbeitsvertrages, das auszugsweise wie folgt lautete:

8Der Kläger nahm dieses Vertragsangebot nicht an. Er arbeitete auch nach Beginn des Jahres 2009 weiterhin wöchentlich 40 Stunden bei einem Arbeitsentgelt, das seit dem Inkrafttreten der Vereinbarung vom auf der Basis einer wöchentlichen Arbeitszeit von 36 Stunden berechnet wurde.

9Mit Schreiben vom machte der Kläger gegenüber der Beklagten geltend, seit dem träfe für ihn wieder eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden nach dem MTV Metall NRW (ohne Jahresangabe) statt einer von 40 Stunden bei einer Entgeltberechnung auf Basis von nur 36 Stunden zu. Solange ihm gegenüber eine Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche angeordnet werde, seien die zusätzlichen wöchentlichen Arbeitsstunden ab dem zu vergüten.

10Mit seiner Klage beansprucht der Kläger zuletzt noch die Bezahlung von wöchentlich weiteren vier Stunden für den Zeitraum von Januar bis April 2009 in zwischen den Parteien unstreitiger Höhe. Nach § 3 Abs. 1 MTV Metall NRW 1996, dessen Anwendung sowohl aus mitgliedschaftlicher Gebundenheit als auch aus arbeitsvertraglicher Bezugnahme folge, ergebe sich eine wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden. Die Vereinbarung vom , falls es sich dabei überhaupt um einen Tarifvertrag handele, entfalte keine Nachwirkung. Diese Standortsicherungsvereinbarung sei ausdrücklich bis zum befristet gewesen. Auch hätten sich die Parteien verpflichtet, noch innerhalb von deren Dauer, nämlich spätestens in der zweiten Jahreshälfte 2008, Verhandlungen über eine Nachfolgeregelung aufzunehmen. Darin liege ein Ausschluss von Nachwirkung. Die Verknüpfung des Ausschlusses betriebsbedingter Kündigungen mit der Ableistung unbezahlter Arbeitsstunden spreche gleichfalls dafür, dass eine Nachwirkung nicht gewollt gewesen sei.

Der Kläger hat zuletzt, soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung, beantragt,

12Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Vereinbarung vom sei ein Tarifvertrag und wirke über den gemäß § 4 Abs. 5 TVG nach. Ein Ausschluss der Nachwirkung sei weder ausdrücklich noch konkludent vereinbart worden. Insbesondere seien die Bestimmungen zur Arbeitszeit anders als diejenigen zum Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen nicht befristet worden. Die Nachwirkung des MTV Metall NRW 1996 habe für die nicht mehr an die Tarifverträge des Verbandes gebundene Beklagte mit Abschluss der Vereinbarung vom als „andere Abmachung“ iSv. § 4 Abs. 5 TVG geendet. Eine Rückkehr zu den Regelungen des Verbandstarifvertrages finde daher nicht statt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung - abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision strebt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung an. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

14Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Klage - soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung - begründet ist.

15I. Der Anspruch des Klägers auf Vergütung der vom bis einschließlich über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden nach § 3 Abs. 1 MTV Metall NRW 1996 hinaus geleisteten Arbeitsstunden ist begründet. Dem Kläger steht die geforderte Differenzvergütung zu den von der Beklagten tatsächlich vergüteten 36 Wochenarbeitsstunden zu. Dem steht die Vereinbarung vom nicht entgegen. Sie wirkt nicht gemäß § 4 Abs. 5 TVG nach. Die Tarifvertragsparteien haben die Nachwirkung dieses Tarifvertrages bei dessen Abschluss zulässigerweise konkludent ausgeschlossen. Die Arbeitszeit- und Vergütungsregelungen in Nr. 1 der Vereinbarung vom waren deshalb nur für den Zeitraum vom bis zum die maßgebende Rechtsgrundlage für die Arbeitszeit im Arbeitsverhältnis der Parteien.

161. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit des Klägers richtete sich bis einschließlich gemäß § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit unmittelbar und zwingend nach § 3 Abs. 1 MTV Metall NRW 1996 und belief sich auf 35 Stunden.

172. Ab dem wirkten die Bestimmungen des MTV Metall NRW 1996 für das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis gemäß § 4 Abs. 5 TVG nach.

18a) Bei Wegfall der nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG aus der Mitgliedschaft in einer tarifschließenden Koalition folgenden unmittelbaren und zwingenden Rechtswirkung eines Tarifvertrages bleibt gemäß § 3 Abs. 3 TVG die Tarifgebundenheit bestehen, bis der Tarifvertrag endet.

19b) An das Ende der Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 3 TVG schließt sich die Nachwirkung nach § 4 Abs. 5 TVG an (vgl. dazu die st. Rspr., ua.  - Rn. 45, AP TVG § 3 Nr. 51 = EzA TVG § 3 Verbandsaustritt Nr. 5; - 4 AZR 261/08 - Rn. 56, BAGE 131, 176; - 4 AZR 186/04 - AP TVG § 4 Nachwirkung Nr. 42 = EzA TVG § 3 Verbandsaustritt Nr. 2). Nach dem Austritt der Beklagten mit Ablauf des aus dem AGV Metall B/U und der zeitgleichen Beendigung des MTV Metall NRW 1996 im Wege der Ablösung durch den Nachfolgetarifvertrag galten für die Parteien die Regelungen des MTV Metall NRW 1996 im Wege der Nachwirkung nach wie vor unmittelbar.

203. Vom bis einschließlich richtete sich die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit des Klägers und deren Vergütung nach der Vereinbarung vom . In diesem Zeitraum waren die entsprechenden nachwirkenden Regelungen des MTV Metall NRW 1996 durch die Bestimmungen der Vereinbarung vom in diesen Regelungsbereichen verdrängt. Bei der Vereinbarung vom handelt es sich zwar um einen Tarifvertrag. Dessen Nachwirkung war aber für die hier einschlägigen Regelungen unter Nr. 1 konkludent ausgeschlossen. Mit Ablauf der Vereinbarung vom am galten hinsichtlich der dort zwischenzeitlich abweichend festgelegten Regelungsbereiche, insbesondere für den Umfang der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit, wieder unmittelbar die Bestimmungen des nachwirkenden MTV Metall NRW 1996.

21a) Nach § 4 Abs. 5 TVG gelten nach Ablauf eines Tarifvertrages seine Rechtsnormen unmittelbar weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. § 4 Abs. 5 TVG sieht eine zeitliche Begrenzung nicht vor; die Nachwirkung des abgelaufenen Tarifvertrages ist abdingbar und entfällt dann, wenn eine andere Abmachung getroffen wird, die denselben Regelungsbereich erfasst und eine für das einzelne Arbeitsverhältnis verbindliche Regelung darstellt. Das kann durch einen für beide Parteien geltenden Tarifvertrag, eine Betriebsvereinbarung oder eine arbeitsvertragliche Regelung geschehen ( - Rn. 62, BAGE 131, 176; - 4 AZR 789/07 - Rn. 27, BAGE 128, 175; - 4 AZR 439/06 - Rn. 21, EzA TVG § 4 Nachwirkung Nr. 40). In welchem Umfang eine „andere Abmachung“ einen nach § 4 Abs. 5 TVG nachwirkenden Tarifvertrag in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht ersetzen soll, bestimmt sich nach dem in ihr zum Ausdruck kommenden Regelungswillen, der durch Auslegung zu ermitteln ist.

22b) Nach diesen Vorgaben galt für das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger im Streitzeitraum vom bis einschließlich die Arbeitszeitregelung des § 3 Abs. 1 MTV Metall NRW 1996 mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden. Die Vereinbarung vom über eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden galt für diesen Zeitraum nicht mehr im Wege der Nachwirkung.

23aa) Bei der Vereinbarung vom handelt es sich um einen Tarifvertrag, an den der Kläger und die Beklagte nach § 3 Abs. 1 TVG gebunden waren.

24(1) Nicht jede dem Schriftformerfordernis des § 126 BGB und damit des § 1 Abs. 2 TVG entsprechende schriftliche Vereinbarung zwischen nach § 2 Abs. 1 TVG tariffähigen Parteien ist ein Tarifvertrag im Sinne des TVG. Als Tarifvertrag im Sinne des TVG kann nur ein zwischen einer Gewerkschaft und einem oder mehreren Arbeitgebern oder einer Vereinigung von Arbeitgebern - oder mehreren davon - abgeschlossener schriftlicher Vertrag angesehen werden, der - abgesehen von den vorliegend nicht interessierenden schuldrechtlichen Vereinbarungen - der Festlegung von Rechtsnormen zur Regelung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dient und damit tarifliche Rechte und Pflichten der tarifunterworfenen Arbeitnehmer und Arbeitgeber als Inhaltsnorm iSv. § 4 Abs. 1 iVm. § 1 Abs. 1 Halbs. 2 TVG unmittelbar begründen soll. Auf eine Benennung als Tarifvertrag kommt es nicht an (vgl. etwa  - BAGE 110, 164).

25(2) Danach handelt es sich bei der Vereinbarung vom um einen Tarifvertrag.

26(a) Die Vereinbarung vom ist ein zwischen tariffähigen Parteien iSd. § 2 Abs. 1 TVG - einerseits der IG Metall und andererseits einem Arbeitgeber - der Beklagten - geschlossener schriftlicher Vertrag.

27(b) Mit der Vereinbarung vom wurden Rechtsnormen zur Regelung der Rechte und Pflichten im Verhältnis der Beklagten als Arbeitgeberin und der bei ihr beschäftigten tarifunterworfenen Arbeitnehmer geschaffen. Das ergibt sich aus ihrer Auslegung.

28(aa) Unmittelbar festgelegt wurde darin eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden bei Vollzeitbeschäftigung und für Teilzeitbeschäftigte in einem entsprechenden Verhältnis. Diese Festlegung erfolgte ausdrücklich unter Bezugnahme auf und in Abweichung von einer nachwirkenden tarifvertraglichen Regelung. Dieser auf eine unmittelbare Wirkung gerichtete Wille zeigt sich ausdrücklich im Wortlaut unter Nr. 1 der Vereinbarung vom , wo es heißt: „verändert sich die tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf 40 Stunden“. Diese auf die „Veränderung“ der tariflichen Arbeitszeit gerichtete Regelung von tariffähigen Parteien lässt erkennen, dass Inhaltsnormen iSd. § 1 Abs. 1 TVG vereinbart werden sollten. Die gegenteilige Auffassung des Klägers, die beiden tariffähigen Parteien hätten für die Vereinbarung vom nicht „die Wirkungen eines Tarifvertrags“ gewollt, demnach also nur eine schuldrechtliche Wirkung beabsichtigt, trifft nicht zu. Für die dem zugrundeliegende Annahme, die Tarifvertragsparteien hätten eine Arbeitszeitregelung in Abweichung von den nachwirkenden Regelungen des MTV Metall NRW 1996 getroffen, die sich als schuldrechtliche Vereinbarung für den einzelnen Arbeitnehmer als Vertrag zu Lasten Dritter dargestellt hätte, fehlt es an jeglichem Anhaltspunkt.

29(bb) Gleiches gilt für die Entgeltberechnung. Diese wurde bereits dem Wortlaut nach unmittelbar festgelegt. „Die Entgeltberechnung erfolgt“ danach auf der Basis einer 36-Stunden-Woche, bei Teilzeitbeschäftigung in einem dem entsprechenden Verhältnis.

30(cc) Eine Regelung mit unmittelbarer Wirkung wurde auch hinsichtlich der prozentualen Entgelterhöhung und der Einmalzahlung in Nr. 2 der Vereinbarung vom getroffen. Bezüglich Letzterer heißt es ausdrücklich, dass sie „nicht tabellenwirksam“ wird, woraus sich für die prozentuale Entgelterhöhung im Umkehrschluss ergibt, dass diese tabellenwirksam sein soll. Auch diese Regelungen haben bereits „an sich“ den Charakter typischer tarifvertraglicher Regelungen, die für die normunterworfenen Arbeitnehmer unmittelbar und zwingend Ansprüche auf ein entsprechendes Entgelt regeln sollen. Dies kann wirksam nur durch eine normative Regelung iSd. § 1 Abs. 1 TVG geschehen.

31bb) Die tarifvertragliche Vereinbarung vom ist im Arbeitsverhältnis der kongruent daran gebundenen Parteien des Rechtsstreits eine andere Abmachung iSd. § 4 Abs. 5 TVG. Die in ihr enthaltenen Bestimmungen zur regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit und zur Entgeltberechnung ersetzten in dem in dieser Vereinbarung geregelten Umfang die entsprechenden Bestimmungen des nachwirkenden MTV Metall NRW 1996 - insbesondere § 3 Abs. 1 und § 15 Abs. 6 - sowie des einschlägigen Lohnabkommens.

32cc) Die in der tarifvertraglichen Vereinbarung vom unter Nr. 1 enthaltenen Rechtsnormen wirkten jedoch nicht nach § 4 Abs. 5 TVG über den hinaus nach. Die Tarifvertragsparteien haben in der Vereinbarung vom deren Nachwirkung konkludent ausgeschlossen.

33(1) Tarifverträge wirken zwar kraft Gesetzes (§ 4 Abs. 5 TVG) grundsätzlich nach. Die Tarifvertragsparteien können die Nachwirkung jedoch auch wirksam ausschließen (vgl. nur  - Rn. 14, EzA BetrVG 2001 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 24; - 8 AZR 439/89 - BAGE 65, 359; - 4 AZR 536/73 - AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 2; - 4 AZR 288/73 - AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 1). Das kann ausdrücklich oder auch konkludent geschehen ( - BAGE 86, 366; - 5 AZR 319/85 - BAGE 53, 1).

34(2) Die Regelungen unter Nr. 1 der Vereinbarung vom wirkten nach deren Auslaufen ab dem nicht nach, weil die Tarifvertragsparteien deren Nachwirkung ausgeschlossen haben. Ihnen ging es mit der Regelung um eine Reduzierung der Kosten aus einem an sich anzuwendenden Verbandstarifvertrag durch zeitlich begrenzte Anhebung der dort vereinbarten Wochenarbeitszeit - im Wesentlichen ohne Entgeltausgleich - bei gleichzeitig vereinbarter Beschäftigungssicherung durch den zeitlich begrenzten Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen.

35(a) Zwar enthält die Vereinbarung vom keinen ausdrücklichen, wortwörtlichen Ausschluss der gesetzlich vorgesehenen Nachwirkung.

36(b) Aus ihren Regelungen folgt jedoch mit hinreichender Deutlichkeit, dass eine Nachwirkung nach dem gemeinsamen Willen der Tarifvertragsparteien ausgeschlossen werden sollte. Der Regelungswille der Tarifvertragsparteien der Vereinbarung vom ging dahin, hinsichtlich der Tarifbestimmungen unter Nr. 1 zeitlich nur befristete Regelungen unter Ausschluss der Nachwirkung zu treffen. Dies folgt aus den in der Vereinbarung miteinander in Ausgleich gebrachten wechselseitigen Interessen.

37(aa) In Nr. 1 der Vereinbarung vom zur Anhebung der Wochenarbeitszeit ohne entsprechenden Entgeltausgleich und in Nr. 3 dieser Vereinbarung zu einem befristeten Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen kommt ein zwischen den Parteien der Vereinbarung bestimmtes Verhältnis der jeweiligen Beiträge von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite zur Verringerung der Entgeltkosten einerseits und der Beschäftigungssicherung andererseits zum Ausdruck. Der dabei von den Tarifvertragsparteien als angemessen befundene Interessenausgleich ist von ihnen inhaltlich und zeitlich genau bestimmt worden. Ein zweijähriger Verzicht des Arbeitgebers auf den Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen entspricht dabei nach der Wertung der Tarifvertragsparteien einer dreijährigen Arbeitszeiterhöhung ohne Lohnausgleich.

38(bb) Eine solche Befristung setzt den Ausschluss der Nachwirkung der Vereinbarung voraus. Die gegenteilige Annahme einer Nachwirkung des Tarifvertrages würde zu einer zeitlich (zunächst) unbefristeten Verlängerung der Arbeitszeiterhöhung ohne Lohnausgleich führen, ohne dass sich dies in einer entsprechenden Anpassung des Beitrages des Arbeitgebers ausdrücken würde. Dadurch würde das von den Tarifvertragsparteien als angemessen vorausgesetzte und als solches vereinbarte Verhältnis von „Leistung“ und „Gegenleistung“ verändert werden. Denn es würde nur einem die eine Seite belastenden Teil dieses ausgehandelten Ausgleichs eine zeitlich nicht begrenzte Nachwirkung eingeräumt (Nr. 1 der Vereinbarung vom ), während der andere Teil (Nr. 3 der Vereinbarung vom ) mit Ablauf des Jahres 2007 endet. Dies stellte eine Veränderung des von den Tarifvertragsparteien als angemessen befundenen Ausgleichs dar (ähnlich  - Rn. 19, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 91). Für die gegenteilige Auffassung der Beklagten, die meint, die Kongruenz von Leistung und Gegenleistung werde dadurch hergestellt, dass das eine frühzeitig ende, während die Gegenleistung für einen unbestimmten Zeitraum nachwirke, findet sich keinerlei Anhaltspunkt in der Vereinbarung.

39(cc) Für einen eine Nachwirkung ausschließenden Regelungswillen spricht schließlich, dass sich die Tarifvertragsparteien der Vereinbarung vom verpflichtet hatten, nicht erst nach Ende, sondern bereits während der Laufzeit der Vereinbarung miteinander über eine weitere Regelung zu sprechen. Auch wenn die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat betont hat, nicht von „Verhandlung“, sondern nur von einem „Gespräch“ sei die Rede gewesen, bestand jedenfalls ausweislich des Wortlauts der Vereinbarung vom gerade die Verpflichtung, spätestens in der zweiten Jahreshälfte 2008 Gespräche über eine Nachfolgeregelung aufzunehmen. Auch dieser Umstand spricht dafür, dass die Parteien nicht von einer gesetzlichen Nachwirkung ausgegangen sind, sondern vielmehr davon, frühzeitig vor dem Ende der Laufzeit der Vereinbarung das Zustandekommen einer Nachfolgeregelung anzustreben. Hierfür haben sie ausdrücklich eine frühzeitige Verhandlungspflicht beider Tarifvertragsparteien (dazu  - zu III 3 und 4 Gründe, AP GG Art. 9 Nr. 52 = EzA GG Art. 9 Nr. 44) festgelegt (vgl. ähnlich zu einer Verpflichtung, während einer längeren Kündigungsfrist Verhandlungen über den Abschluss eines neuen Tarifvertrages zu führen  - BAGE 86, 366).

40(dd) Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Regelung in Nr. 2 der Vereinbarung vom , in der ua. eine Erhöhung der Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen ab dem um 1,5 vH enthalten ist.

41(aaa) Der von den Tarifvertragsparteien als angemessen befundene Ausgleich der wechselseitigen Interessen schließt in Nr. 2 der Vereinbarung vom zwei Regelungen zur Entgelterhöhung ein, nämlich eine prozentuale Anhebung der Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen um 1,5 vH sowie eine Einmalzahlung. Diese sind integraler Bestandteil des Ausgleichs der wechselseitigen Interessen, ebenso wie die in Nr. 1 und Nr. 3 der Vereinbarung enthaltenen Regelungen zu Lohnverzicht und Beschäftigungssicherung. Hierfür spricht bereits die systematische Stellung zwischen den Regelungen in Nr. 1 und Nr. 3 der Vereinbarung vom .

42(bbb) Mit den beiden Regelungen zur Entgelterhöhung in Nr. 2 der Vereinbarung wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Beklagte nicht mehr tarifgebundenes Mitglied des AGV Metall B/U ist und dadurch die einschlägigen Verbandstarifverträge nur noch statisch mit dem am erreichten Tarifstand nachwirken. Dabei ist die Erhöhung der Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen ab dem um 1,5 vH tabellenwirksam geregelt, wie sich aus dem Regelungsunterschied bezüglich der ausdrücklich nicht tabellenwirksamen Einmalzahlung ergibt. Die Tarifvertragsparteien sind davon ausgegangen, dass diese „tabellenwirksamen“ Entgelterhöhungen nach dem Ende der Laufzeit der Vereinbarung vom erhalten bleiben. Dies ergibt sich aus dem zweiten Absatz in der Regelung unter Nr. 2 der Vereinbarung vom , in dem vereinbart worden ist, bereits im Jahr 2006, also lange vor deren Auslaufen „bezüglich einer weiteren Erhöhung analog der allgemeinen Tariferhöhungen des Flächentarifwerkes der Metallindustrie“ Verhandlungen aufzunehmen mit dem Ziel einer weiteren Entgeltsteigerung durch Einführung einer zusätzlichen, leistungsbezogenen und am Jahresergebnis der Beklagten orientierten Vergütungskomponente. Diese Abrede spricht dagegen, dass die Tarifvertragsparteien davon ausgegangen sind, nach dem Ende der Laufzeit der Vereinbarung vom solle es auch hinsichtlich der „tabellenwirksamen“ Entgelterhöhungen wieder „lediglich“ zu dem Rechtszustand kommen, der Inhalt der nachwirkenden Verbandstarifverträge, namentlich des zum bestehenden Lohnabkommens, war.

43(ee) Entgegen der Auffassung der Beklagten spricht nicht gegen die hier vorgenommene Auslegung der Vereinbarung vom , dass „tariferfahrene Tarifvertragsparteien“ gehandelt haben sollen und dass nach „gängiger Praxis“ ein Ausschluss der Nachwirkung, so er gewollt ist, ausdrücklich vereinbart worden wäre, ggf. auch mit gleichzeitigem Anerkennungstarifvertrag zur Inbezugnahme des Verbandstarifvertrages. Dem Vorbringen der Beklagten kann schon nicht entnommen werden, auf welche Tatsachengrundlagen oder ggf. Erfahrungssätze (dazu  - Rn. 64 f., BAGE 132, 210) sich ihre Annahmen stützen.

44(ff) Der gegen das Auslegungsergebnis gerichtete Einwand der Beklagten, Vertreter der IG Metall hätten in den Verhandlungen zu der Vereinbarung vom lediglich von einer Nachfolgevereinbarung mit einer stufenweisen Rückkehr zur 35-Stunden-Woche gesprochen, führt zu keiner anderen Beurteilung. Auch wenn dies zu ihren Gunsten als zutreffend unterstellt würde und eine solche Verhandlungsoption für eine Nachfolgevereinbarung im Raum gestanden haben mag, ist nicht ersichtlich, inwieweit dieser Umstand für die Auslegung der Vereinbarung vom im Hinblick auf den Ausschluss der Nachwirkung von Bedeutung sein soll.

45(gg) Im Übrigen geht die Beklagte, die persönlich Tarifvertragspartei der Vereinbarung vom ist, ausweislich der von ihr im Dezember 2008 und damit vor dem Ende der Laufzeit der Vereinbarung angebotenen Änderungsverträge selbst davon aus, dass die Regelungen des Tarifwerkes der Metallindustrie bezogen auf die wöchentliche Arbeitszeit bei ihr - wieder - galten, wenn sie dort formuliert: „Zugleich finden die Regelungen des Tarifwerkes der Metallindustrie mit sofortiger Wirkung bezogen auf die wöchentliche Arbeitszeit keine Anwendung mehr“. Dieser Vereinbarungsvorschlag, in dem etwas grundsätzlich anderes zum Ausdruck kommt als eine einfache „Klarstellung“, wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung meinte, zeigt deutlich, dass die Beklagte die Regelungen in der Vereinbarung vom zur Arbeitszeit selbst als vorübergehend verstanden und die automatische Rückkehr zum Arbeitszeitregime des nachwirkenden MTV Metall NRW 1996 nach deren Ablauf als übereinstimmenden Regelungsgehalt angesehen hat.

46dd) In der Folge bestimmt sich die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit des Klägers nach dem Ende der Laufzeit der Vereinbarung vom für den Streitzeitraum vom bis zum nach den nachwirkenden Regelungen des MTV Metall NRW 1996.

474. Dem Kläger steht der der Höhe und Berechnung nach unstreitige Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Differenzvergütung zu.

II. Die Beklagte hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision nach § 97 ZPO zu tragen.

Fundstelle(n):
BB 2012 S. 2560 Nr. 41
SAAAE-18153