StuB Nr. 17 vom Seite 1

Maßgeblichkeit – dabei sein ist alles?

WP/StB Dr. Christian Zwirner | Dr. Kleeberg & Partner GmbH WPG StBG, München

Aufgabe der umgekehrten Maßgeblichkeit?

Jahrelang, jahrzehntelang war auf eines Verlass: auf die Gültigkeit der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz. Die bewährte Tradition des Maßgeblichkeitsprinzips ist über 100 Jahre alt – und sogar älter als die olympischen Spiele der Neuzeit.

Bedingt durch die zunehmende Kapitalmarktorientierung der Rechnungslegung und den wachsenden Bedarf von Abschlussadressaten an unverfälschten Werten wurde die Kritik an der zu engen Verzahnung zwischen Handels- und Steuerbilanz laut. Zunächst fielen die steuerlichen Wertansätze im Konzernabschluss weg, zuletzt hat der Gesetzgeber im Zuge des BilMoG den Grundsatz der umgekehrten Maßgeblichkeit aufgegeben. Gleichzeitig wurde der über § 5 Abs. 1 EStG weiterhin bestehende Grundsatz der Maßgeblichkeit zunehmend aufgeweicht.

? und damit eigenständige Steuerbilanzpolitik

Nach dem BMF-Schreiben vom März 2010 ist mit dem Wegfall der umgekehrten Maßgeblichkeit auch eine zunehmende Durchbrechung der einfachen Maßgeblichkeit erfolgt. In einem zuvor nicht erwarteten Umfang hat das BMF den Möglichkeiten einer eigenständigen Steuerbilanzpolitik Tür und Tor geöffnet (vgl. Zwirner/Künkele, Eigenständige Steuerbilanzpolitik, StuB Beilage zu Heft 7/2012). Die OFD Chemnitz hat mit ihrer Verfügung vom Jahresende 2011 zusätzlich die Möglichkeit von Bilanzänderungen – losgelöst vom handelsrechtlichen Jahresabschluss – betont.

Damit schien klar: Handels- und Steuerbilanz gehen zunehmend eigene Wege und die Wertansätze richten sich nach den jeweiligen bewertungsrelevanten Vorschriften des HGB bzw. des EStG – typisches Beispiel: die Bewertung von Rückstellungen.

Aktuelle Verwaltungsanweisung

Nun stellt die OFD Münster in ihrer Verfügung vom - S 2170a - 234 - St 12 - 33 (StuB 2012 S. 602) alles auf den Kopf: Für den Fall eines niedrigeren handelsrechtlichen Werts im Vergleich zum Wertansatz nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG soll der handelsrechtliche Wert – unbeachtlich der konkreten steuerlichen Bewertungsvorgaben – maßgeblich sein. Es bleibt zu erahnen, wie die Ansicht der OFD gewesen wäre, wenn der handelsrechtliche Wert in einem anderen Fall über dem steuerlichen Wert läge. Die nahezu als profiskalische Willkür anmutende Begründung der OFD vermag in keinster Weise zu überzeugen.

Ausblick

Es stellt sich die Frage: „Was denn nun?”. Es ist konsequent, Handels- und Steuerbilanz zunehmend voneinander zu trennen. Eine allein profiskalische Auslegung bestimmter Regelungen ist allerdings unangemessen und erschüttert das Vertrauen des Stpfl. in eine gleichmäßige Besteuerung. Das olympische Motto „Dabei sein ist alles” könnte auch mit Blick auf die Maßgeblichkeit gelten. Allerdings weiß man derzeit in vielen Fällen gerade nicht, ob man nun „dabei” ist oder nicht.

Beste Grüße

Christian Zwirner

Fundstelle(n):
StuB 17/2012 Seite 1
NWB XAAAE-16420