PiR Nr. 9 vom Seite 1

Abschreibungen nach Maßgabe von Zinsen und Prognosen

WP/StB Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann | Herausgeber | pir-redaktion@nwb.de

In der Krise werden die Bilanzierung und ihre Prüfung erst richtig interessant. Während der Schönwetterperiode wirken sie eher langweilig, wenn nicht am Kapitalmarkt Analysten in die richtige Beurteilung gelenkt werden müssen. Angesichts der Krise geht es um Abschreibungserfordernisse, bei denen der steuerliche Aspekt (nach EStG) nur als Nebenkriegsschauplatz wirkt. In früheren besseren Zeiten standen in den Konjunkturtälern die Techniken zur Hebung stiller Reserven hoch im Kurs, aktuell geht es mehr um die Rechtfertigung stiller Lasten.

Wie regeln nun die Rechnungslegungssysteme die Feststellung eines Abwertungsbedarfs? Für das HGB lautet die Antwort wenig überspitzt: gar nicht. Den niedrigeren beizulegenden Wert und die voraussichtliche Dauer der Wertminderung darf der Bilanzierer selbst bestimmen. Die Ermittlung des (steuerlichen) niedrigeren Teilwerts beruht auf einem fiktiven Unternehmenserwerber, dessen mutmaßliche Entscheidungen vom Kaufmann auszuloten sind und vielleicht sechs oder zehn Jahre später von Finanzbeamten und Richtern beurteilt werden müssen. Nach IFRS wird dem Bilanzierer in IAS 36 eine andere Bilanzierungswelt für Sachanlagen, immaterielle Anlagen und insbesondere den goodwill präsentiert. Die Berechnungsvorgaben sind ungemein detailliert und bedürfen zur Erfüllung hochgradigen betriebswirtschaftlichen und finanzmathematischen Sachverstands. Aus diesem Komplex hat Jens Reinke in seinem Fokusbeitrag den Teilbereich der Bestimmung des Kalkulationszinssatzes zur Errechnung des value in use herausgegriffen. Ausgangspunkt der Zinsfestlegung ist der „risikolose Zinssatz”. Angesichts der Verwerfungen auf den Kapitalmärkten im Euro-Land wird jeder fragen: Gibt es tatsächlich eine risikolose Kapitalanlage? Und wenn ja: Wie ist mit negativen Zinsen umzugehen? Und überhaupt: Kann mit aktuellen Kapitalmarktzinsen der Zeitwert des Geldes noch ermittelt werden?

So oder so – die vielbeschworenen Ermessensspielräume sind auch bei dem hohen Detaillierungsgrad der IAS 36-Regeln unübersehbar. Sie sind noch spürbar größer, wenn die cashflows zahlungsmittelgenerierender Einheiten für die nächsten fünf Jahre zu bestimmen sind. Im Pro und Contra dieser Ausgabe sind die unlösbaren Probleme zur Bestimmung einer „richtigen” Prognose in ebenso einfacher wie überzeugender Logik dargestellt, samt einer Empfehlung zum Umgang mit den obwaltenden ökonomischen Zwängen.

Am Schluss bleibt die „empirische” Wahrheit bezüglich des Erfordernisses von außerplanmäßigen Abschreibungen unverändert bestehen. Sie erfolgen, wenn ein neuer Vorstandsvorsitzender die Bühne betritt, und unterbleiben, wenn die Vertragsverlängerung des amtierenden zur Entscheidung ansteht. Bei einem der deutschen Großkonzerne konnte man diese Erkenntnis jüngst wieder verifizieren.

Beste Grüße

Wolf-Dieter Hoffmann

Fundstelle(n):
PiR 9/2012 Seite 1
NWB FAAAE-16384