BAG Urteil v. - 2 AZR 224/11

Zugang eines Kündigungsschreibens - Wahrung der Klagefrist - nachträgliche Klagezulassung - Anwaltsverschulden - Zwischenstreit

Gesetze: § 4 S 1 KSchG, § 5 Abs 1 S 1 KSchG, § 5 Abs 2 KSchG, § 5 Abs 3 S 1 KSchG, § 130 Abs 1 S 1 BGB, § 85 Abs 2 ZPO, § 303 ZPO

Instanzenzug: ArbG Regensburg Az: 1 Ca 2124/09 Zwischenurteilvorgehend Landesarbeitsgericht München Az: 11 Sa 17/10 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier fristloser Kündigungen. In diesem Zusammenhang streiten sie vorab darüber, ob die Klage gegen eine der Kündigungen verspätet und ggf. nachträglich zuzulassen ist.

2Die Beklagte betreibt das Krankenhaus M. Der Kläger war dort seit dem als „OP-Pfleger“ beschäftigt. In der Zeit vom 12. bis hatte er Erholungsurlaub und hielt sich im Ausland auf.

3Bei seiner Rückkehr am fand er in seinem Briefkasten ein Kündigungsschreiben vom und ein weiteres vom vor. Im Schreiben vom erklärte die Beklagte eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen „Arbeitszeitbetrugs“ am . Im Schreiben vom erklärte sie eine außerordentliche Kündigung, weil der Kläger am unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben sei, um seinen Urlaub „mit einem Flug nach K vorzeitig anzutreten“.

4Am erhob der Kläger zur Niederschrift bei der Rechtsantragsstelle des Arbeitsgerichts Klage mit dem Antrag festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom nicht aufgelöst worden sei. Er legte der Antragsstelle zwar das Kündigungsschreiben vom , nicht aber das vom vor. Am suchte der Kläger einen Rechtsanwalt auf und zeigte ihm die Klageschrift vom sowie beide Kündigungsschreiben; am entzog er ihm die Vollmacht wieder.

5Mit Schriftsatz vom , der am selben Tag beim Arbeitsgericht einging, erhob der jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers Klage auch gegen die Kündigung vom . In der Klagebegründung heißt es, das Schreiben vom sei dem Kläger zusammen mit dem zweiten Kündigungsschreiben am zugegangen.

6Mit Schriftsatz vom , dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugegangen am , behauptete die Beklagte, das Kündigungsschreiben vom sei noch am selben Tag in den Briefkasten des Klägers eingeworfen worden.

7Mit Schriftsatz vom , beim Arbeitsgericht am selben Tag eingegangen, beantragte der Kläger, die gegen die außerordentliche Kündigung vom gerichtete Klage nachträglich zuzulassen.

8Der Kläger hat mit Nichtwissen bestritten, dass die Kündigungserklärung vom noch am selben Tag in seinen Briefkasten eingeworfen worden sei. Er hat die Auffassung vertreten, die gegen diese Kündigung gerichtete Klage sei für den Fall, dass dem doch so gewesen sei, nachträglich zuzulassen. Er habe annehmen dürfen, dass er mit seiner Klage gegen die Kündigung vom zugleich die Kündigung vom Tag zuvor angegriffen habe. Auch habe er annehmen dürfen, dass die Klagefrist erst begonnen habe, nachdem er von den Kündigungserklärungen am tatsächlich Kenntnis erhalten habe. Er habe ferner davon ausgehen können, dass der ursprünglich von ihm beauftragte Rechtsanwalt noch vor der Mandatsbeendigung die Klage entsprechend erweitert habe. Der Kläger hat behauptet, erst mit Zugang des Schriftsatzes vom davon erfahren zu haben, dass die Beklagte das Kündigungsschreiben vom noch am Ausstellungstag in seinen Briefkasten eingelegt haben will.

Der Kläger hat zuletzt beantragt

10Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe gegen die Kündigung vom nicht rechtzeitig Klage erhoben.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf nachträgliche Zulassung durch Zwischenurteil zurückgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen eingelegte Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Gründe

12Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das Zwischenurteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die Klage gegen die Kündigung vom war verspätet. Gründe für ihre nachträgliche Zulassung liegen nicht vor.

13I. Gegenstand der Revision ist allein der Zwischenstreit über den Antrag des Klägers auf nachträgliche Zulassung seiner Klage gegen die Kündigung vom .

141. Das Arbeitsgericht hat das Verfahren zunächst auf den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Klage beschränkt und darüber durch Zwischenurteil (§ 303 ZPO) entschieden. Dies ist auch nach Einführung des sog. Verbundverfahrens zum gem. § 5 Abs. 4 Satz 2 und Satz 3 KSchG zulässig. Im Rahmen des Zwischenstreits ist zu prüfen, ob die Klage verspätet war und ggf. nachträglich zuzulassen ist. Der Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage ist ein Hilfsantrag für den Fall, dass die Klage verspätet ist. Das Gericht darf daher über den Antrag nur entscheiden, wenn es zu der Ansicht gelangt ist, der Kläger habe gegen eine dem Arbeitgeber zuzurechnende Kündigung verspätet Klage erhoben ( - Rn. 17, BAGE 131, 105; Germelmann in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 7. Aufl. § 46 Rn. 118).

152. Nach rechtskräftigem Abschluss des Zwischenstreits hat das Arbeitsgericht unter Beachtung von § 318 ZPO von Amts wegen abschließend über die Kündigungsschutzklage zu entscheiden.

16II. Die Revision ist unbegründet. Der Antrag auf nachträgliche Klagezulassung ist zwar zulässig, aber nicht begründet.

171. Der Antrag ist gem. § 5 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG zulässig. Er ist insbesondere innerhalb der Frist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG gestellt worden. Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, der Kläger habe entsprechend seinem Vorbringen erst am erfahren, dass das Kündigungsschreiben vom noch an diesem Tag in seinen Briefkasten eingeworfen worden sei. Mit seinem am beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger folglich innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG beantragt, die gegen diese Kündigung gerichtete Klage nachträglich zuzulassen.

182. Der Antrag ist unbegründet.

19a) Die am beim Arbeitsgericht eingegangene Klage gegen die Kündigung vom wahrte nicht die Frist des § 4 Satz 1 KSchG. Das Kündigungsschreiben war dem Kläger iSv. § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB noch am zugegangen. Die Kündigungsschutzklage hätte daher spätestens am beim Arbeitsgericht eingehen müssen. Die am zur Niederschrift bei der Rechtsantragsstelle erhobene Klage richtete sich allein gegen die Kündigung vom . Der Beklagten ist es auch mit Blick auf § 242 BGB nicht verwehrt, sich auf die Versäumung der Frist für eine Klage gegen die Kündigung vom zu berufen.

20aa) Nach § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB wird eine unter Abwesenden abgegebene Willenserklärung in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie dem Empfänger zugeht.

21(1) Eine verkörperte Willenserklärung ist zugegangen, sobald sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt ist und für diesen unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von dem Schreiben Kenntnis zu nehmen ( - zu III 1 der Gründe, AP BGB § 130 Nr. 18 = EzA BGB § 130 Nr. 24; - 7 AZR 587/87 - zu I 1 der Gründe, BAGE 58, 9;  - zu II der Gründe, NJW 2002, 2391). Zum Bereich des Empfängers gehören auch von ihm vorgehaltene Empfangseinrichtungen wie zB ein Briefkasten (Palandt/Ellenberger 70. Aufl. § 130 BGB Rn. 5). Ob die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, ist nach den „gewöhnlichen Verhältnissen“ und den „Gepflogenheiten des Verkehrs“ zu beurteilen ( - zu B II 2 a der Gründe, AP BGB § 130 Nr. 12 = EzA BGB § 130 Nr. 13;  - zu 2 b aa der Gründe, BGHZ 67, 271; Palandt/Ellenberger aaO; Staudinger/Dilcher BGB § 130 Rn. 21). So bewirkt der Einwurf in einen Briefkasten den Zugang, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist (vgl.  - aaO; Palandt/Ellenberger aaO Rn. 6; jurisPK-BGB/Reichold 5. Aufl. § 130 Rn. 12). Dabei ist nicht auf die individuellen Verhältnisse des Empfängers abzustellen, sondern im Interesse der Rechtssicherheit zu generalisieren (vgl.  - zu II 2 b der Gründe, EzA BGB 2002 § 130 Nr. 3; Palandt/Ellenberger aaO). Bei Hausbriefkästen ist mit einer Leerung im Allgemeinen zum Zeitpunkt der üblichen Postzustellzeiten zu rechnen, die allerdings stark variieren können (Reichold aaO).

22(2) Wenn danach für den Empfänger unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, ist es unerheblich, ob und wann er die Erklärung tatsächlich zur Kenntnis genommen hat und ob er daran durch Krankheit, zeitweilige Abwesenheit oder andere besondere Umstände einige Zeit gehindert war ( - zu III 1 der Gründe, AP BGB § 130 Nr. 18 = EzA BGB § 130 Nr. 24; - 7 AZR 587/87 - zu I 1 der Gründe, BAGE 58, 9;  - zu II 2 b der Gründe, EzA BGB 2002 § 130 Nr. 3). In diesem Fall trifft den Empfänger die Obliegenheit, die nötigen Vorkehrungen für eine tatsächliche Kenntnisnahme zu treffen. Unterlässt er dies, so wird der Zugang durch solche - allein in seiner Person liegende - Gründe nicht ausgeschlossen ( - aaO). Ein an die Heimatanschrift des Arbeitnehmers gerichtetes Kündigungsschreiben kann diesem deshalb selbst dann zugehen, wenn der Arbeitgeber von einer urlaubsbedingten Ortsabwesenheit weiß ( - zu B I 2 a der Gründe, AP BGB § 620 Kündigungserklärung Nr. 22 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 9; - 7 AZR 587/87 - zu I 4 a der Gründe, BAGE 58, 9).

23Daran hält der Senat auch angesichts der Kritik der Revision fest. Es besteht keine rechtliche Notwendigkeit, dem Urlaub des Arbeitnehmers allein in der Rechtsbeziehung zum Arbeitgeber eine zugangshemmende Wirkung zukommen zu lassen, während dies im sonstigen Rechtsverkehr nicht der Fall ist ( - zu III 1 der Gründe, RzK I 2c Nr. 14; - 7 AZR 587/87 - zu I 1 der Gründe mwN, BAGE 58, 9). Ist ein Arbeitnehmer infolge von Urlaubsabwesenheit unverschuldet an einer rechtzeitigen Klageerhebung nach § 4 Satz 1 KSchG gehindert, besteht die Möglichkeit einer nachträglichen Zulassung seiner Klage gemäß § 5 KSchG. Dem Arbeitgeber wiederum muss es möglich sein, den Zugang einer Kündigung auch während einer urlaubsbedingten Abwesenheit des Arbeitnehmers zu bewirken, nicht zuletzt, um Erklärungsfristen wie etwa nach § 626 Abs. 2 BGB wahren zu können.

24bb) Danach ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, dem Kläger sei das Kündigungsschreiben vom durch Einwurf in seinen Hausbriefkasten gegen 13:00 Uhr noch am selben Tag zugegangen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

25(1) Das Landesarbeitsgericht hat nach Beweisaufnahme für wahr gehalten, dass das Kündigungsschreiben vom an diesem Tag gegen 13:00 Uhr in den Briefkasten des Klägers eingeworfen wurde.

26(a) Eine vom Berufungsgericht nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorgenommene Würdigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme ist durch das Revisionsgericht nur begrenzt überprüfbar. Dieses kann lediglich prüfen, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen und Grenzen des § 286 ZPO gewahrt und eingehalten hat. Revisionsrechtlich von Bedeutung ist nur, ob das Berufungsgericht den gesamten Inhalt der Verhandlung berücksichtigt und alle erhobenen Beweise gewürdigt hat, ob die Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei und ohne Verletzung von Denkgesetzen sowie allgemeinen Erfahrungssätzen erfolgt ist und ob sie rechtlich möglich ist. Dabei verlangt die Berücksichtigung der Ergebnisse einer Beweisaufnahme nicht eine Würdigung jeder einzelnen Ausführung eines Sachverständigen oder Zeugen. Ausreichend ist, dass das Berufungsgericht insgesamt widerspruchsfrei und umfassend zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung genommen hat. Zu verlangen ist allerdings, dass alle wesentlichen Aspekte in der Begründung des Gerichts erwähnt und gewürdigt worden sind ( - Rn. 51, EzA TzBfG § 17 Nr. 14; - 2 AZR 759/05 - Rn. 28, PatR 2008, 34;  - zu B II 3 a der Gründe, NJW 1993, 935).

27(b) Unter Anwendung dieser Grundsätze hält die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Das Berufungsgericht hat insgesamt widerspruchsfrei und umfassend zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung genommen. Es hat die Aussage des Zeugen T insbesondere deshalb für glaubhaft gehalten, weil sie sich in den wesentlichen Geschehensabläufen mit derjenigen des Zeugen Ko decke.

28(aa) Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht keine wesentlichen Teile des Beweisergebnisses unberücksichtigt gelassen.

29Der Kläger macht geltend, das Landesarbeitsgericht habe nicht gewürdigt, dass der Zeuge T die Unwahrheit gesagt haben müsse, als er bekundete, er habe nicht gewusst, dass der Kläger ortsabwesend gewesen sei. Dies ergebe sich daraus, dass die Kündigung vom damit begründet worden sei, er - der Kläger - habe mit einem Flug nach K am vorzeitig seinen Urlaub angetreten, und der Zeuge T bekundet habe, die Kündigungsschreiben selbst erstellt zu haben.

30Der vermeintliche Widerspruch in der Aussage des Zeugen besteht nicht. Es kann dahinstehen, ob sich das Landesarbeitsgericht anderenfalls damit hätte auseinandersetzen müssen. Der Zeuge hat nicht bekundet, er habe „die“, also beide Kündigungsschreiben selbst erstellt. Er hat lediglich ausgesagt, er habe „am “ „ein bereits vorgefertigtes Kündigungsschreiben“ einem der Geschäftsführer zur Unterschrift vorgelegt bzw. „das Kündigungsschreiben selbst vorbereitet“. Die Aussage betraf die Kündigung vom . Auch Thema des Beweises war nur das Kündigungsschreiben vom . Zudem müsste der Zeuge selbst dann, wenn er auch das Kündigungsschreiben vom gefertigt hätte, nicht zwangsläufig schon am Kenntnis von der Auslandsreise des Klägers gehabt haben. Im Übrigen folgt aus einer Kenntnis des Umstands, dass der Kläger am nach K geflogen ist, nicht notwendig, es habe bekannt sein müssen, dass er auch am noch ortsabwesend war.

31Der Kläger rügt ferner, es sei ungewürdigt geblieben, dass der Zeuge in der Güteverhandlung als Vertreter der Beklagten anwesend gewesen und zudem bereits vom Arbeitsgericht vernommen worden sei. Entgegen der Auffassung des Klägers musste das Landesarbeitsgericht jedoch auf diese Umstände nicht noch einmal gesondert eingehen. Der Umstand, dass der Zeuge schon erstinstanzlich vernommen wurde, war für das Gericht ersichtlich ohne besondere Bedeutung für die Beurteilung seiner Glaubwürdigkeit. Das ist ohne Weiteres nachzuvollziehen. Auch der Kläger begründet nicht näher, warum dieser Umstand gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen spreche. Er macht nicht etwa geltend, es habe Widersprüche zwischen erst- und zweitinstanzlicher Aussage gegeben. Soweit der Zeuge als Vertreter der Beklagten am Gütetermin teilgenommen hatte, hat das Landesarbeitsgericht diesen Umstand nicht unberücksichtigt gelassen. Zum einen hat es sich die Begründung des Arbeitsgerichts zu Eigen gemacht, welches den Zeugen ausdrücklich auch unter Berücksichtigung seiner Anwesenheit in der Güteverhandlung für glaubwürdig gehalten hat. Zum anderen ergibt sich aus seinen weiteren Ausführungen, in denen die Anwesenheit des Zeugen im Gütetermin erneut thematisiert wird, dass es diesen Umstand nicht übersehen hat.

32(bb) Es stellt - anders als der Kläger meint - keinen Verstoß gegen Denkgesetze dar, dass das Landesarbeitsgericht angenommen hat, die in Anwesenheit des Zeugen T erfolgte Darstellung des Geschäftsführers der Beklagten im Gütetermin, die Kündigung vom sei erst am in den Briefkasten eingeworfen worden, beruhe auf einer Information durch Dritte. Für das Landesarbeitsgericht war der Widerspruch zwischen dieser Darstellung des Geschäftsführers und der Aussage des Zeugen T über den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vom schon deshalb nicht entscheidend, weil Gegenstand der Beweisaufnahme nicht die Kündigung vom , sondern diejenige vom war. Soweit es ausgeführt hat, ohnehin seien Datumsangaben, zumal wenn sie auf der Information Dritter beruhten, erfahrungsgemäß irrtumsanfällig, stellt es ersichtlich darauf ab, der Geschäftsführer habe die Erklärung nicht aus eigener Kenntnis der Umstände abgegeben, sondern nach Information durch eine andere Person. Der Kläger behauptet nicht, es habe sich entgegen dieser Annahme um eine Erklärung des Zeugen T selbst gehandelt. Dies ergibt sich auch nicht aus der Sitzungsniederschrift über die Güteverhandlung. Darin ist lediglich eine Erklärung „des Beklagtenvertreters“ vermerkt, ohne nähere Angabe dazu, welcher der beiden Beklagtenvertreter sie abgegeben hat.

33(2) Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, das Kündigungsschreiben vom sei dem Kläger am selben Tag iSv. § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB zugegangen, weil nach den objektiv zu bestimmenden gewöhnlichen Verhältnissen bei einem Einwurf in den Hausbriefkasten gegen 13:00 Uhr mit einer Kenntnisnahme noch am selben Tag zu rechnen gewesen sei.

34(a) Allerdings lässt sich dem nicht - wie nach der Zweitbegründung des Landesarbeitsgerichts - die Annahme zugrunde legen, es sei wegen der zwischenzeitlich erfolgten „Liberalisierung“ der Briefzustellung mit Einwürfen in einen vorgehaltenen Hausbriefkasten - allgemein oder ortsüblich - noch bis 17:00 Uhr eines Tages zu rechnen. Das Landesarbeitsgericht hat zu den tatsächlichen Grundlagen einer solchen - gewandelten - Verkehrsanschauung keine Feststellungen getroffen. Es ist auch nicht ersichtlich, auf welches möglicherweise eigene Erfahrungswissen es insoweit abgestellt hätte.

35(b) Hingegen ist die Erstbegründung des Landesarbeitsgerichts revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Danach war am Wohnort des Klägers jedenfalls bis 14:00 Uhr gewöhnlich mit Zustellungen zu rechnen. Hierfür stützt sich das Landesarbeitsgericht maßgeblich auf die Auskunft der Deutschen Post . Dieser zufolge beginnt die Zustellung am Wohnort des Klägers in der Regel um 8:15 Uhr und endet „mit Erreichung der gesetzlichen Arbeitszeitvorschriften“. Der beispielhaft beigelegte Dienstplan weist für den zuständigen Zusteller eine Dienstzeit an vier von sechs Arbeitstagen bis 14:05 Uhr aus.

36Es hält sich innerhalb des Wertungsspielraums der Tatsacheninstanz, wenn das Landesarbeitsgericht auch angesichts der Ausführungen im letzten Absatz der Auskunft nicht davon ausgegangen ist, am Wohnort des Klägers sei mit Briefzustellungen gewöhnlich nur bis zu einem Zeitpunkt vor 14:00 Uhr, oder gar - mit Blick auf den Streitfall - vor 13:00 Uhr zu rechnen gewesen. Die Deutsche Post AG hat dort mitgeteilt: „Bei normalen Sendungsaufkommen und der Tatsache, dass sich der Zustellabschnitt in der ersten Hälfte befindet, können wir von einer Zustellzeit gegen Mittag ausgehen“. Zum einen bezeichnet die Angabe „gegen Mittag“ keine eindeutige Uhrzeit. Zum anderen ergibt sich aus dem Hinweis auf den Umfang des Sendungsaufkommens und die Lage des Zustellabschnitts, dass zeitliche Schwankungen oder Veränderungen nicht ausgeschlossen sind.

37(c) Darauf, ob die Beklagte bei Einwurf des Kündigungsschreibens vom Kenntnis vom Aufenthalt des Klägers im Ausland hatte, kommt es entgegen der Auffassung des Klägers nicht an. Maßgeblich ist allein, ob unter gewöhnlichen Umständen mit einer Kenntnisnahme des Kündigungsschreibens durch den Kläger noch am zu rechnen war. Hierfür ist im Interesse der Rechtssicherheit auf die üblichen Zustellzeiten der Briefpost abzustellen, nicht auf persönliche Besonderheiten des Erklärungsempfängers. Im Übrigen lässt sich daraus, dass im Schreiben vom als Kündigungsgrund angegeben ist, der Kläger habe durch einen Flug nach K am vorzeitig seinen Urlaub angetreten, nicht schließen, der Beklagten habe bekannt sein müssen, dass sich der Kläger auch am noch im Ausland aufhielt.

38cc) Gegen die demnach noch am zugegangene Kündigung vom selben Tag hätte der Kläger nach § 4 Satz 1 KSchG spätestens am (§ 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB) Kündigungsschutzklage erheben müssen. Die Kündigung ist jedoch erst mit der am beim Arbeitsgericht eingegangenen Klageerweiterung zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden. Die am zur Niederschrift bei der Rechtsantragsstelle erhobene Klage hat die Klagefrist in Bezug auf diese Kündigung nicht gewahrt. Sie richtete sich nur gegen die Kündigung vom und enthielt keinen allgemeinen Feststellungsantrag. Nach der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Würdigung der Vorinstanzen handelte es sich bei den Kündigungserklärungen vom 25. und nicht etwa nur um eine einzige, lediglich doppelt verlautbarte Kündigung (vgl. dazu  - Rn. 17, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 37; - 2 AZR 264/06 - Rn. 38, AP BGB § 626 Nr. 208 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 18). Es lagen vielmehr zwei eigenständige Kündigungen vor. Das Arbeitsgericht und ihm folgend das Landesarbeitsgericht stellen rechtsfehlerfrei darauf ab, die Kündigungsschreiben ließen sich auch nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont nur als zwei nebeneinander gewollte, jeweils eigenständig auf eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichtete Willenserklärungen verstehen. So tragen die Kündigungsschreiben verschiedene Daten, die Beklagte hat darin jeweils ausdrücklich eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers ausgesprochen und sie hat die Kündigungen auf unterschiedliche, in den Kündigungsschreiben im einzelnen näher ausgeführte Kündigungssachverhalte gestützt.

39dd) Im Streitfall kann dahinstehen, ob besondere Umstände in Betracht kommen, unter denen sich ein Arbeitgeber nach § 242 BGB ausnahmsweise nicht auf einen Zugang eines an die Heimatanschrift gerichteten Kündigungsschreibens berufen kann, wenn er die Urlaubsanschrift des Arbeitnehmers kannte (vgl.  - zu I 4 a der Gründe, BAGE 58, 9). Der Kläger hat nicht behauptet, der Beklagten sei seine Urlaubsanschrift bekannt gewesen.

40b) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, Gründe für eine nachträgliche Zulassung der Klage gegen die Kündigung vom lägen nicht vor, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Der Kläger greift sie mit der Revision auch nicht mehr an.

41aa) Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist eine Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen, wenn der Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage rechtzeitig beim Arbeitsgericht zu erheben. Dabei ist ihm das Verschulden eines (Prozess-)Bevollmächtigten an der Versäumung der gesetzlichen Klagefrist nach § 4 Satz 1 KSchG gem. § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen (vgl.  - Rn. 23, BAGE 129, 32).

42bb) Der Kläger hat nicht dargelegt, dass er unverschuldet iSv. § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG daran gehindert gewesen wäre, die Klage gegen die Kündigung vom rechtzeitig zu erheben.

43(1) Trotz seiner Urlaubsabwesenheit wäre es ihm möglich gewesen, rechtzeitig bis zum Ablauf der Drei-Wochen-Frist am Klage auch gegen die Kündigung vom zu erheben. Er hat nach seiner Rückkehr am die Kündigung vom zusammen mit derjenigen vom in seinem Briefkasten vorgefunden.

44(2) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, das Vorbringen des Klägers, er habe keine Kenntnis davon gehabt, dass er gegen jede einzelne Kündigung vorgehen müsse, schließe sein Verschulden nicht aus. Es gehört zu den für jeden Arbeitnehmer geltenden Sorgfaltspflichten, sich zumindest nach Ausspruch einer Kündigung unverzüglich darum zu kümmern, ob und wie er dagegen vorgehen kann (vgl.  - zu B I 2 c aa der Gründe, AP LPVG NW § 72 Nr. 8 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 47; ErfK/Kiel 12. Aufl. § 5 KSchG Rn. 11).

45(3) Ob der Kläger selbst das Unterbleiben der rechtzeitigen Klageerhebung gegen die Kündigung vom zu vertreten hat, weil er dem am unter Vorlage beider Kündigungsschreiben mandatierten Rechtsanwalt das Mandat noch während des Laufs der Klagefrist wieder entzogen hat, bedarf keiner Entscheidung. Selbst wenn dieser die Versäumung der Klagefrist zu vertreten hätte, müsste sich der Kläger das nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen. Ebenso kann wegen dieser Bestimmung dahinstehen, ob eine uU auch nach Mandatierung seines jetzigen Prozessbevollmächtigten noch mögliche rechtzeitige Klageerweiterung infolge von dessen oder infolge eigenen Verschuldens des Klägers unterblieben ist.

46(4) Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, die Klagefrist gegen die Kündigung vom sei nicht wegen eines unverschuldeten Irrtums der Prozessbevollmächtigten darüber, wann die Kündigung dem Kläger zugegangen sei, versäumt worden. Vielmehr habe der Bevollmächtigte angesichts des Datums des Kündigungsschreibens und des zweifelsfrei erkennbaren Umstands, dass dieses nicht mit der Post befördert worden sei, einen Zugang bereits am in Betracht ziehen müssen. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Ein Irrtum über die für die Fristberechnung erheblichen tatsächlichen Umstände kann nur dann zur nachträglichen Klagezulassung führen, wenn er unverschuldet ist (vgl. für die Wiedereinsetzung Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. § 233 Rn. 23 Stichwort „Irrtum“). Das war hier nicht der Fall. Vielmehr muss auch die mögliche Unrichtigkeit einer Parteiinformation in Betracht gezogen und müssen bestehende Zweifel ausgeräumt werden (vgl. Zöller/Greger aaO).

III. Die Kosten seines erfolglos gebliebenen Rechtsmittels hat der Kläger zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
BB 2012 S. 2111 Nr. 34
DStR 2012 S. 12 Nr. 41
NZA 2012 S. 1320 Nr. 22
KAAAE-15247