Übergang zur Feststellungsklage; Auslegung des Klagebegehrens; isolierte Anfechtung der Höhe des laufenden Gewinns und des Veräußerungsgewinns bei einem einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid
Leitsatz
1. Ein vor dem FG geführter Rechtsstreit ist in der Hauptsache erledigt, wenn nach Eintritt der Rechtshängigkeit ein Ereignis eingetreten ist, durch welches das gesamte im Verfahren streitige - nach Maßgabe des Klageantrags zu bestimmende - Klagebegehren objektiv gegenstandlos geworden ist.
2. Ein Feststellungsbescheid i.S. von §§ 179, 180 AO ist eine Zusammenfassung einzelner Feststellungen von Besteuerungsgrundalgen (z.B. Aussagen zur Ordnungsmäßigkeit der Buchführung, zur Qualifikation der Einkünfte, zum Vorliegen einer Mitunternehmerschaft, zur Höhe des Gesamtgewinns, des laufenden Gewinns, eines Veräußerungsgewinns oder eines Sondergewinns), die - soweit sie eine rechtlich selbständige Würdigung enthalten - auch als selbständiger Gegenstand eines Klageverfahrens in Betracht kommen und demgemäß einem eingeständigen prozessualen Schicksal unterliegen.
3. Die Selbständigkeit und damit die Möglichkeit der Teilanfechtung einer gesondert festgestellten Besteuerungsgrundlage ist ausnahmsweise nur dann zu verneinen, wenn die Änderung der angefochtenen Besteuerungsgrundlage zwangsläufig, im Sinne einer untrennbaren Verknüpfung, Auswirkungen auf eine andere Besteuerungsgrundlage hat.
Gesetze: FGO § 65 Abs. 1 Satz 1, FGO § 96 Abs. 1, AO § 179, AO § 180, BGB § 133, EStG § 24 Nr. 2, EStG § 2 Abs.1, EStG § 15
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
1 I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) —eine GbR— betrieb auf einem eigenen Grundstück ein Tagungshotel und führte gegen Entgelt verschiedene Aus- und Fortbildungsveranstaltungen durch. Auf Grund wirtschaftlicher Schwierigkeiten stellte die Klägerin den Tagungsbetrieb 1995 ein und verpachtete das gesamte Objekt zunächst an die B GmbH. Ab Herbst 1998 stand das Objekt leer. Am wurde das gesamte Grundstück für 1,4 Mio. DM versteigert.
2 Die Klägerin ermittelte für 1999 (Streitjahr) durch Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) einen laufenden Verlust von 325.090,94 DM und in einer „Aufgabeschlussbilanz” zum einen Veräußerungsverlust von 497.901,43 DM.
3 Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) veranlagte die Klägerin weitgehend erklärungsgemäß. Auf Grund weiterer aktenkundiger Aufwendungen berücksichtigte es in dem Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Streitjahr vom bei den laufenden Einkünften aus Gewerbebetrieb einen Verlust in Höhe von 330.412,94 DM und daneben einen Veräußerungsverlust in Höhe von 497.482,34 DM. Der Bescheid erging gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
4 Da die Verbindlichkeiten durch den Versteigerungserlös nur zum Teil befriedigt werden konnten, kam es in der Folgezeit zu Verhandlungen der Klägerin mit den Gläubigern, die schließlich zu einem Teilerlass der Restverbindlichkeiten in Höhe von insgesamt 1.776.279 DM führten. Nach Kenntnisnahme von diesem Umstand vertrat das FA die Auffassung, dass der Erlass der Verbindlichkeiten durch die Gläubiger rückwirkend zu einem Veräußerungsgewinn geführt habe.
5 Mit Änderungsbescheid vom stellte das FA die Einkünfte aus Gewerbebetrieb 1999 nunmehr in Höhe von 869.166,32 DM fest, die sich —insoweit unverändert— aus einem laufenden Verlust in Höhe von 330.412,94 DM und einem Veräußerungsgewinn in Höhe von 1.199.579,26 DM zusammensetzten. Gleichzeitig wurde der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben.
6 Gegen den Änderungsbescheid erhob die Klägerin mit Zustimmung des FA Sprungklage, mit der sie die Änderung des Feststellungsbescheides dahin begehrte, dass ein Veräußerungsgewinn nicht zu berücksichtigen sei, und hilfsweise, dass der Veräußerungsgewinn im Wege einer Billigkeitsmaßnahme gemäß § 163 Satz 1 AO nur in Höhe von 159.549,46 DM festgestellt werde. Zur Begründung des Hauptantrags machte die Klägerin insbesondere geltend, dass ein Veräußerungsgewinn (nunmehr als Aufgabegewinn) bereits im Veranlagungszeitraum 1998 und nicht im Streitjahr zu erfassen sei.
7 Das FA schloss sich während des Klageverfahrens der Ansicht der Klägerin an, dass der Betrieb bereits in 1998 aufgegeben worden und deshalb der Aufgabegewinn in 1998 zu berücksichtigen sei. Im Hinblick auf die bisher im Streitjahr berücksichtigten laufenden Einkünfte vertrat es allerdings die Auffassung, dass diese ebenfalls einer neuen rechtlichen Beurteilung zu unterziehen seien. Sie seien nunmehr als nachträgliche Einkünfte zu berücksichtigen, sofern die Klägerin den Abfluss der geltend gemachten Aufwendungen nachweise.
8 Vor Abschluss des Klageverfahrens erließ das FA am einen weiteren geänderten Feststellungsbescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für das Streitjahr (im Weiteren Änderungsbescheid) und stellte den Veräußerungsgewinn, gestützt auf § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO, sowie die laufenden Einkünfte, gestützt auf § 174 AO, jeweils mit 0 DM fest. In den Erläuterungen zum Bescheid ist u.a. der Hinweis enthalten, dass die laufenden Einkünfte mit 0 DM geschätzt worden seien, weil die Klägerin den tatsächlichen Abfluss der Betriebsausgaben in 1999 nicht durch Belege nachgewiesen habe.
9 Ebenfalls am erließ das FA einen geänderten Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für 1998, in dem sie den Veräußerungsgewinn in Höhe von 1.153.003,26 DM feststellte. Der Änderungsbescheid 1998 ist bestandskräftig geworden.
10 Die Klägerin ging davon aus, dass sich durch die Herabsetzung des Veräußerungsgewinns auf 0 DM ihr Klagebegehren erledigt habe. Die Klage habe sich nur gegen die Feststellung des Veräußerungsgewinns gerichtet. Der Feststellungsbescheid 1999 im Übrigen, also insbesondere die Feststellung der laufenden Einkünfte, sei deshalb in Bestandskraft erwachsen. Der Änderungsbescheid vom sei hinsichtlich der laufenden Einkünfte auch nicht gemäß § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden.
11 Die Klägerin beantragte daher festzustellen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt sei; hilfsweise, die laufenden Einkünfte wie bisher in Höhe eines Verlustes von 330.412,94 DM festzustellen, und weiter hilfsweise, das FA zu verpflichten, einen negativen Feststellungsbescheid für 1999 zu erlassen.
12 Das Finanzgericht (FG) hat die Klage insgesamt als unbegründet abgewiesen. Der Rechtsstreit sei nicht in der Hauptsache erledigt. Das Klagebegehren habe von Anfang an die im Bescheid vom enthaltenen Feststellungen des laufenden Verlustes und des Veräußerungsgewinns umfasst, da beide Feststellungen untrennbar miteinander verbunden gewesen seien. Eine isolierte Anfechtung des Veräußerungsgewinns sei in diesem Fall rechtlich nicht möglich gewesen. Die Anfechtung habe sich daher auf beide Feststellungen erstreckt. Der angefochtene Feststellungsbescheid sei mithin in vollem Umfang zur Überprüfung gestellt worden. Teilbestandskraft in Bezug auf die Feststellung der laufenden Einkünfte sei nicht eingetreten. In Folge dessen habe sich der Rechtsstreit in der Hauptsache auch nicht erledigt.
13 Der erste Hilfsantrag sei unbegründet. Ein laufender Verlust in Höhe von 330.412,94 DM sei nicht zu berücksichtigen gewesen. Der Gewinn habe für das Streitjahr 1999 gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermittelt werden müssen. Die Schätzung der Einkünfte durch das FA auf 0 DM sei nicht zu beanstanden, da die Klägerin den Abfluss der geltend gemachten Aufwendungen nicht nachgewiesen habe.
14 Der weitere Hilfsantrag sei ebenfalls unbegründet, da eine gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte bis zur Vollbeendigung der Personengesellschaft erforderlich sei.
15 Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
16 Das FG habe rechtswidrig den Eintritt der Erledigung der Hauptsache verneint. Die Klägerin habe nur die Feststellung des Veräußerungsgewinns angefochten. Diese bilde eine gesondert feststellbare Besteuerungsgrundlage, die einer isolierten Anfechtung zugänglich sei. Durch den Bescheid vom sei diesem Klagebegehren vollständig abgeholfen worden, was zu der Erledigung des Rechtsstreits geführt habe. Die Vorentscheidung sei auch hinsichtlich des Hilfsantrags materiell fehlerhaft. Sie, die Klägerin, sei berechtigt gewesen, die Einkünfte des Jahres 1999 nach § 4 Abs. 1 EStG durch Vermögensvergleich zu ermitteln. Insoweit stünde ihr ein Wahlrecht zwischen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG und nach § 4 Abs. 1 EStG zu. Sie habe ihr Wahlrecht durch die Aufstellung der Bilanz nach § 4 Abs. 1 EStG ausgeübt.
17 Die Klägerin beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und festzustellen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist;
hilfsweise sinngemäß, die Vorentscheidung sowie die Einspruchsentscheidung vom aufzuheben und den Änderungsbescheid vom insoweit zu ändern, als Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit einem Verlust in Höhe von 330.412,94 DM festgestellt werden.
18 Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
19 Das FG habe die Klage zu Recht hinsichtlich des Hauptantrags und der Hilfsanträge abgewiesen. Die Feststellung des laufenden Gewinns und die des Aufgabegewinns hätten nur gemeinsam angefochten werden können. Zu Recht habe das FG deshalb angenommen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache nicht erledigt sei. Die Frage, ob die Betriebsaufgabe im Streitjahr oder in einem früheren Jahr stattgefunden habe, sei untrennbar damit verbunden, ob überhaupt noch gemeinschaftlich gewerbliche Einkünfte erzielt worden und damit die Voraussetzungen für ein Feststellungsverfahren gegeben seien. Ferner beeinflusse der Aufgabegewinn auch den laufenden Gewinn, da bestimmte Betriebsausgaben durch Bildung einer Rückstellung zwingend in der Aufgabebilanz und nicht zu einem späteren Zahlungszeitpunkt zu erfassen seien. Die Betriebsaufgabe könne sowohl zu einer Änderung der Methode als auch der Bemessungsgrundlage der Absetzung für Abnutzung (AfA) führen, wenn nunmehr nicht mehr die Anschaffungskosten, sondern der Entnahmewert maßgebliche Bemessungsgrundlage sei. Eine gegenseitige Abhängigkeit von den vorliegend streitigen Feststellungen ergebe sich auch durch die zwangsweise Umstellung der Gewinnermittlungsart auf die Einnahmen-Überschussrechnung zum Zeitpunkt der Betriebsaufgabe.
20 Der Änderungsbescheid sei auch materiell rechtmäßig. Nach einer Betriebsaufgabe oder -veräußerung sei eine Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG nicht mehr möglich, da ab diesem Zeitpunkt kein Betriebsvermögen mehr vorhanden sei.
21 II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Das FG-Urteil ist aufzuheben und die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache ist festzustellen. Der Hauptantrag der Klägerin hat Erfolg.
22 1. Der Rechtsstreit über den geänderten Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für 1999 vom war in dem von der Klägerin angefochtenen Umfang im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, auf der das angefochtene Urteil beruht, durch den wirksam ergangenen Änderungsbescheid vom in der Hauptsache erledigt.
23 a) Erklärt der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und schließt sich der Beklagte dieser Erklärung nicht an (sog. einseitige Erledigungserklärung des Klägers), ist der Rechtsstreit als Streit über die Erledigung fortzuführen. Mit der einseitigen Erledigungserklärung nimmt der Kläger von seinem bisherigen Klagebegehren Abstand und beantragt stattdessen die Feststellung, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist (, BFHE 128, 492, BStBl II 1979, 779; vom I R 8/95, BFH/NV 1998, 187, mit umfangreichen Nachweisen). Das Gericht hat nur noch über den Feststellungsantrag zu entscheiden. Über den ursprünglichen Antrag kann grundsätzlich nicht mehr entschieden werden, es sei denn, er wurde, wie im Streitfall, hilfsweise aufrechterhalten (vgl. zur Zulässigkeit eines solchen Hilfsantrags: BFH-Urteile in BFHE 128, 492, BStBl II 1979, 779, und in BFH/NV 1998, 187).
24 b) Ein vor dem FG geführter Rechtsstreit ist in der Hauptsache erledigt, wenn nach Eintritt der Rechtshängigkeit ein Ereignis eingetreten ist, durch welches das gesamte im Verfahren streitige —nach Maßgabe des Klageantrags zu bestimmende— Klagebegehren objektiv gegenstandslos geworden ist (, BFHE 207, 355, BStBl II 2005, 99, und vom I R 29/08, BFHE 224, 195, BStBl II 2009, 539).
25 c) Im Streitfall hat sich der Rechtsstreit betreffend den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für 1999 vom , soweit er Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, durch den Erlass des Änderungsbescheides vom in der Hauptsache erledigt. Die Klägerin hatte den Feststellungsbescheid vom nur hinsichtlich der Feststellung des Veräußerungsgewinns dem Grund und der Höhe nach angefochten. In dem Änderungsbescheid vom ist der Veräußerungsgewinn in Höhe von 0 DM festgestellt worden. Das Klagebegehren der Klägerin war damit objektiv gegenstandslos geworden. Der Rechtstreit hat sich mithin in der Hauptsache erledigt.
26 aa) Wird gegen einen Feststellungsbescheid i.S. von §§ 179, 180 AO Klage erhoben, ist zu beachten, dass Streitgegenstand die einzelnen gesondert festgestellten Besteuerungsgrundlagen sein können (§ 157 Abs. 2 AO). Diese sind selbst Regelungsgegenstand des Steuerverwaltungsakts. Das gilt z.B. für Aussagen zur Ordnungsmäßigkeit der Buchführung, zur Qualifikation der Einkünfte, zum Vorliegen einer Mitunternehmerschaft, zur Höhe des Gesamtgewinns, des laufenden Gewinns, eines Veräußerungsgewinns oder eines Sondergewinns (, BFHE 233, 290, BStBl II 2011, 764, m.w.N.). Der Feststellungsbescheid stellt sich daher als eine Zusammenfassung einzelner Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen dar, die —soweit sie eine rechtlich selbständige Würdigung enthalten— auch als selbständiger Gegenstand eines Klageverfahrens in Betracht kommen und demgemäß einem eigenständigen prozessualen Schicksal unterliegen.
27 bb) Eine Klage gegen einen Gewinnfeststellungsbescheid kann demzufolge verschiedene Zielsetzungen haben. Welche Besteuerungsgrundlagen der Kläger mit seiner Klage angreift und damit zum Streitgegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens gemacht hat, ist in erster Linie durch Auslegung der Klageschrift oder der darin ausdrücklich in Bezug genommenen Schriftstücke zu ermitteln (BFH-Urteil in BFHE 233, 290, BStBl II 2011, 764).
28 cc) Der BFH kann die Klageschrift ohne Bindung an die Feststellungen des FG selbst auslegen (vgl. , BFHE 189, 302, BStBl II 2000, 306, m.w.N.). Als prozessuale Willenserklärung ist die Klageschrift in gleicher Weise wie Willenserklärungen im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) analog § 133 BGB auszulegen. Dabei sind zur Bestimmung des Gegenstands des Klagebegehrens (vgl. § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO) alle dem FG und dem FA bekannten und vernünftigerweise erkennbaren Umstände tatsächlicher und rechtlicher Art zu berücksichtigen (, BFH/NV 1997, 232, m.w.N.). An die Fassung des Klageantrags ist das Gericht nicht gebunden (vgl. § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO).
29 dd) Im Streitfall war nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Klageschrift das Klagebegehren der Klägerin ausschließlich auf die Anfechtung des Veräußerungsgewinns dem Grund und der Höhe nach gerichtet. Davon gehen ersichtlich auch das FG und das FA aus, so dass es diesbezüglich keiner weiteren Ausführungen bedarf. Gleichwohl ist das FG entgegen dem eindeutigen Wortlaut der Klageschrift und dem weiteren Prozessvorbringen davon ausgegangen, dass der ursprüngliche Klageantrag auf Änderung des Bescheides über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom neben der Feststellung des Veräußerungsgewinns auch die Feststellung des laufenden Gewinns umfasste.
30 Diese Auslegung der prozessualen Willenserklärung der Klägerin durch das FG basiert dem Grunde nach nicht auf der tatsächlichen Erforschung eines von dem ausdrücklichen Inhalt der Prozesserklärung abweichenden mutmaßlichen Willens der Klägerin. Der Auslegung des FG liegt vielmehr dessen rechtliche Würdigung zu Grunde, dass im Streitfall eine isolierte Anfechtung nur des Veräußerungsgewinns verfahrensrechtlich nicht möglich war.
31 ee) Dieser Würdigung vermag der Senat nicht zu folgen. Auch im Streitfall konnte die Klägerin den Veräußerungsgewinn isoliert von dem laufenden Gewinn anfechten. Die Selbständigkeit und damit die Möglichkeit der Teilanfechtung einer gesondert festgestellten Besteuerungsgrundlage hat der BFH ausnahmsweise nur dann verneint, wenn die Änderung der angefochtenen Besteuerungsgrundlage zwangsläufig, im Sinne einer untrennbaren Verknüpfung, Auswirkungen auf eine andere Besteuerungsgrundlage hat (, BFHE 192, 207, BStBl II 2001, 89). In dem BFH-Urteil in BFHE 192, 207, BStBl II 2001, 89 ging es um eine Versicherungsleistung, die als Teil eines Aufgabegewinns erfasst worden war. Das FG kam in jenem Verfahren zu der Überzeugung, dass eine Aufgabe weder im Vorjahr noch im Streitjahr stattgefunden habe. Diese Annahme hatte dann aber zur notwendigen Konsequenz, dass die bisher dem Aufgabegewinn zugerechnete Versicherungsleistung zwangsläufig dem laufenden Gewinn zuzurechnen war.
32 Von einer derart untrennbaren Verknüpfung des laufenden Gewinns mit dem Veräußerungsgewinn ist im Streitfall jedoch nicht auszugehen. Die Annahme, dass der Betrieb bereits in 1998 aufgegeben worden ist, hatte für die Besteuerungsgrundlagen, die der Ermittlung des zunächst für das Streitjahr festgestellten Verlustes (laufende Einkünfte) zu Grunde lagen, keine unmittelbare Auswirkung. Von einer solchen wäre nur dann auszugehen, wenn der bisher festgestellte Verlust nunmehr zwangsläufig dem Aufgabegewinn 1998 zuzuordnen gewesen und die Feststellung laufender Einkünfte im Streitjahr deswegen nicht mehr in Betracht gekommen wäre. Dies war vorliegend indes nicht der Fall. Das FA und auch das FG sind vielmehr zutreffend davon ausgegangen, dass es keineswegs ausgeschlossen ist, dass der ursprünglich als laufende Einkünfte festgestellte Verlust im Streitjahr jedenfalls teilweise als nachträgliche Einkünfte gemäß § 24 Nr. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und § 15 EStG festzustellen ist. Das FA und ihm folgend das FG haben die nachträglichen Einkünfte nur deshalb mit 0 DM festgestellt, weil ihrer Ansicht nach diese Einkünfte nur noch mittels Einnahmen-Überschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln seien und die Klägerin den Abfluss der Aufwendungen nicht nachgewiesen habe. Insoweit hat die rechtliche Würdigung, dass im Streitjahr wegen der bereits in 1998 vollzogenen Betriebsaufgabe kein Veräußerungsgewinn festzustellen ist, zwar mittelbar Einfluss auf die Höhe der im Streitjahr festzustellenden (nachträglichen) Einkünfte. Eine unmittelbare zwangsläufige Auswirkung der negativen Feststellung eines Veräußerungsgewinns für das Jahr 1999 auf die Feststellung der laufenden Einkünfte im Streitjahr, die es rechtfertigen könnte, diese entgegen dem eindeutigen Klageantrag als Teil des Klagegegenstands auszulegen, liegt insoweit aber nicht vor. Dies gilt gleichermaßen für das Vorbringen des FA, dass die Höhe der nunmehr festzustellenden nachträglichen Einkünfte auch dadurch beeinflusst wird, dass die bisher bei den laufenden Einkünften für das Streitjahr gewinnwirksam erfassten Vorgänge, wie z.B die Inanspruchnahme von AfA, nunmehr bei der Ermittlung der nachträglichen Einkünfte nicht mehr berücksichtigt werden können, da die in den Vermögensvergleich einzubeziehenden Wirtschaftsgüter letztmalig in der für 1998 aufzustellenden Aufgabebilanz erfasst worden sind.
33 2. Da die Revision bereits mit dem Hauptantrag Erfolg hat, ist über den Hilfsantrag nicht mehr zu entscheiden.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
AO-StB 2012 S. 265 Nr. 9
BFH/NV 2012 S. 1479 Nr. 9
HFR 2013 S. 33 Nr. 1
KAAAE-14035