Instanzenzug: Az: 14 Ca 86/09 Urteilvorgehend Sächsisches Landesarbeitsgericht Az: 6 Sa 334/09 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten darüber, welche tariflichen Regelungen aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf ihr Arbeitsverhältnis anzuwenden sind.
Die Klägerin hat am mit der Deutschen Bundespost Telekom einen Änderungsvertrag geschlossen, in dem es ua. heißt:
3Im Zuge der sog. Postreform II wurden die Geschäftsbereiche der Deutschen Bundespost durch das Gesetz zur Umwandlung der Unternehmen der Deutschen Bundespost in die Rechtsform der Aktiengesellschaft (vom , BGBl. I S. 2325, 2339 - Postumwandlungsgesetz - PostUmwG) privatisiert. Aus dem Geschäftsbereich, in dem die Klägerin tätig gewesen war, entstand kraft Gesetzes die Deutsche Telekom AG (nachfolgend DT AG). Das Arbeitsverhältnis der Klägerin wurde zum auf die DT AG übergeleitet.
4Die DT AG vereinbarte in der Folgezeit mit der Deutschen Postgewerkschaft (DPG) Tarifverträge, die ua. die zuvor zwischen der Deutschen Bundespost und der DPG geschlossenen Tarifverträge für die Arbeiter und Angestellten der Deutschen Bundespost in Ost und West für den Bereich der DT AG abänderten. Eine weitgehende Ablösung der vormals mit der Deutschen Bundespost geschlossenen und nachfolgend geänderten Tarifverträge erfolgte anlässlich der Einführung des „Neuen Bewertungs- und Bezahlungssystems - NBBS“ zum in einem gesonderten Übergangstarifvertrag, dem Tarifvertrag zur Umstellung auf das NBBS.
5Auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin wurden in dieser Zeit die jeweiligen für sie einschlägigen Tarifverträge der Deutschen Bundespost Telekom und später die der DT AG angewendet.
6Mit Wirkung ab dem wurde die Kundenniederlassung Spezial der DT AG, in der die Klägerin beschäftigt war, von der Beklagten zu 1., einer Tochtergesellschaft der DT AG, im Wege des Betriebsübergangs übernommen. Die Beklagte zu 1. wandte auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin in der Folgezeit den zwischen ihr und der Gewerkschaft ver.di vereinbarten Tarifvertrag zur Umsetzung des Beschäftigungsbündnisses (Umsetzungs-Tarifvertrag, UTV) in der Fassung vom an, der Abweichungen von den Tarifverträgen der DT AG enthält, ua. bei der Arbeitszeit und beim Entgelt.
7Der Beschäftigungsbetrieb der Klägerin wurde im Wege eines weiteren Betriebsübergangs zum von der Beklagten zu 2. übernommen.
8Mit ihrer am beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin die gerichtliche Feststellung angestrebt, dass auf das Arbeitsverhältnis die Tarifverträge der DT AG mit dem Regelungsbestand vom anzuwenden seien. Bei der im Arbeitsvertrag vereinbarten Bezugnahmeklausel handele es sich um eine kleine dynamische Bezugnahme, aufgrund deren das Tarifwerk der Deutschen Bundespost und später dasjenige der DT AG anzuwenden gewesen sei. Daran habe sich nichts geändert, weil eine Tarifwechselklausel nicht vereinbart worden sei, so dass der UTV nicht an die Stelle des Tarifwerks der DT AG getreten sei.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt
in der Revisionsinstanz hat sie hilfsweise beantragt,
10Die Beklagten haben beantragt, die Klagen abzuweisen.
11Die Beklagte zu 1. ist der Auffassung, dass die Klage gegen sie bereits wegen des Vorrangs der Leistungsklage unzulässig sei. Es handele sich um eine lediglich vergangenheitsbezogene Feststellungsklage. Das Rechtsverhältnis zu ihr sei wegen des weiteren Betriebsübergangs am bei Klageerhebung bereits beendet gewesen.
12Die Klage sei auch unbegründet, weil mit dem Betriebsübergang auf die Beklagte zu 1. die für die DT AG geltenden Tarifbestimmungen durch den bei ihr geltenden UTV ersetzt worden seien.
Das Arbeitsgericht hat der Feststellungsklage gegen beide Beklagten stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht für die Klägerin zugelassenen Revision strebt diese die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils an. Die Beklagten beantragen, die Revision zurückzuweisen. In der Revisionsinstanz hat die Klägerin vorgetragen, sie habe im Laufe des Rechtsstreits dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses sowohl auf die Beklagte zu 1. als auch auf die Beklagte zu 2. widersprochen.
Gründe
14Die zulässige Revision der Klägerin bleibt in der Sache ohne Erfolg. Sie ist unbegründet, wobei die Klageanträge bereits unzulässig sind, weshalb die Revision mit dieser Maßgabe zurückzuweisen ist.
15I. Die Revision der Klägerin ist unbegründet, weil die Klagen in der Berufungsinstanz im Ergebnis zu Recht abgewiesen wurden. Die Klagen sind allerdings bereits unzulässig.
161. Die Begründetheit der Revision ergibt sich, was die Klage gegen die Beklagte zu 2. angeht, entgegen der Auffassung der Klägerin nicht daraus, dass die Beklagte zu 2. bei der Einlegung und Durchführung der Berufung nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen wäre, so dass deren Berufung als unzulässig hätte zurückgewiesen werden müssen. Die Klägerin hat sich hierfür zu Unrecht darauf gestützt, der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu 2. sei zwar zugelassener Rechtsanwalt, jedoch zumindest zeitweise gleichzeitig auch Personalleiter und zeitweise auch „Director Human Resources“ der Beklagten zu 2. gewesen. Es kann dahinstehen, ob dieser Einwand der Klägerin materiell richtig ist. Er kann jedenfalls nur von der Partei geltend gemacht werden, um deren Vertretung es geht. Die gesetzlichen Vorschriften über die Vertretung einer Partei im Prozess dienen nur deren Schutz. Allein sie soll davor geschützt werden, dass sie ihre prozessualen Rechte nicht wahrnehmen konnte, weil sie nicht gesetzlich vertreten war. Im Übrigen ist Rechtsfolge eines Verstoßes gegen das Verbot aus § 46 Abs. 1 BRAO auch nur die Unwirksamkeit des Rechtsanwaltsvertrages und nicht die Unwirksamkeit der von dem Prozessbevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen. Soweit der Prozessbevollmächtigte die Prozesshandlungen - wie vorliegend - nach außen erkennbar in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt und nicht als Angestellter einer Partei wahrgenommen hat, sind sie wirksam (vgl. ausführlich - Rn. 9 ff. mwN, AP ArbGG 1979 § 72a Nr. 73 = EzA ArbGG 1979 § 72 Nr. 42).
172. Der gegen die Beklagte zu 1. gerichtete Feststellungsantrag ist bereits deshalb unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO nicht erfüllt sind.
18a) Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Das besondere Feststellungsinteresse ist eine in jedem Stadium des Rechtsstreits von Amts wegen zu prüfende Sachurteilsvoraussetzung. Es muss noch in der Revisionsinstanz gegeben sein (vgl. nur - Rn. 66 mwN, BAGE 123, 46).
19Das Feststellungsinteresse fehlt, wenn dem Antragsteller ein einfacherer Weg zur Verfügung steht, um sein Ziel zu erreichen, oder wenn die begehrte Feststellung zu einer abschließenden Klarstellung des Streits nicht geeignet ist ( - zu B III der Gründe mwN, BAGE 109, 227). Das rechtliche Interesse an der Erhebung einer Feststellungsklage ist in der Regel zu verneinen, wenn eine Leistungsklage möglich ist. Allerdings kann auch in diesem Fall ein Feststellungsinteresse statthaft sein, wenn das angestrebte Urteil mit seiner lediglich grundsätzlich klärenden, der Vollstreckung nicht zugänglichen Wirkung geeignet ist, den Konflikt der Parteien endgültig zu lösen und weitere Prozesse zwischen ihnen zu verhindern ( - zu II 2 der Gründe; - 5 AZR 181/04 - zu I 4 der Gründe; - 4 AZR 755/08 - Rn. 21, AP ZPO 1977 § 256 Nr. 101 = EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 9).
20§ 256 Abs. 1 ZPO verlangt zudem ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung. Erforderlich ist grundsätzlich, dass es sich um ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis handelt. Wird ein Antrag auf Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses gerichtet, ist er nur zulässig, wenn sich aus der Entscheidung noch Rechtsfolgen für die Zukunft ergeben (vgl. ua. - zu B I 1 c aa der Gründe, BAGE 91, 235; - 1 AZR 463/00 - zu I 1 a der Gründe, BAGE 98, 76; - 4 AZR 708/01 - zu I 1 der Gründe; weiterhin - 4 AZR 632/02 - zu I 2 a der Gründe, BAGE 108, 224).
21b) Der Klägerin fehlt für ihren Antrag gegenüber der Beklagten zu 1. von Prozessbeginn an bereits deshalb das notwendige besondere Feststellungsinteresse, weil unabhängig von der Wirksamkeit ihrer Widersprüche gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses jedenfalls wegen des Betriebsübergangs vom auf die Beklagte zu 2. kein Arbeitsverhältnis mehr zwischen ihr und der Beklagten zu 1. bestand. Damit wurde bereits bei Klageeinreichung die Feststellung eines ausschließlich in der Vergangenheit liegenden Rechtsverhältnisses angestrebt. Unter diesen Umständen gilt vorliegend der Vorrang der Leistungsklage für die im Raum stehenden höheren Vergütungsansprüche. Dass eine solche auch tatsächlich möglich gewesen wäre, zeigt bereits der in der Revisionsinstanz hilfsweise gestellte Antrag zu 2. Eine nur auf die Vergangenheit bezogene gerichtliche Feststellung allein hat keine konfliktbereinigende Wirkung. Sie kann weitere gerichtliche Auseinandersetzungen, von deren Notwendigkeit die Prozessparteien übereinstimmend ausgehen, nicht verhindern.
223. Das Interesse an alsbaldiger Feststellung fehlt sowohl für den Antrag gegen die Beklagte zu 1. als auch für den inhaltsgleichen Antrag gegen die Beklagte zu 2. darüber hinaus deshalb, weil die Klägerin die ursprünglich von ihr behauptete Rechtsbeziehung zwischen ihr und beiden Beklagten nunmehr selbst in Abrede stellt. Mit ihrem Vortrag, sie habe im Laufe des Rechtsstreits dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses sowohl auf die Beklagte zu 1. als auch auf die Beklagte zu 2. widersprochen, hat die Klägerin geltend gemacht, die von ihr zunächst behaupteten Vertragsverhältnisse als Grundlage ihres Feststellungsinteresses bestünden tatsächlich nicht und hätten auch nicht bestanden. Der Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses im Zuge eines Betriebsübergangs nach § 613a Abs. 6 BGB wirkt auf den Zeitpunkt des Betriebsübergangs zurück (ständige Rechtsprechung, vgl. nur - Rn. 37 mwN, AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 57). Ist er wirksam, ist das Arbeitsverhältnis der Klägerin über den beim - ersten - Betriebsveräußerer, der DT AG, verblieben. Dann fehlt es nach dem eigenen Vortrag der Klägerin an einem Feststellungsinteresse für den Klageantrag, was auch noch in der Revisionsinstanz zu berücksichtigen ist.
23Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, sie verfolge ihre Feststellungsanträge nur noch vorsorglich für den Fall weiter, dass ihren Widersprüchen mangels Wirksamkeit diese Rechtsfolge nicht zukommen sollte. Dies ändert an der Unzulässigkeit ihrer Anträge nichts. Solange nicht festgestellt ist, dass den Widersprüchen keine Rechtswirkungen zukommen oder zumindest ihre Wirksamkeit von der Klägerin nicht weiter geltend gemacht wird, beantragt sie in der Sache eine „Feststellung auf Vorrat“ für ein Rechtsverhältnis, dessen Bestand sie derzeit selbst in Abrede stellt. Hierfür fehlt ihr das prozessual erforderliche besondere Interesse an alsbaldiger Feststellung.
24II. Die in der Revisionsinstanz erstmals hilfsweise angekündigten Anträge der Klägerin sind auch deshalb unzulässig, weil es sich dabei um eine Einführung neuer, klageändernder Sachanträge handelt, die teilweise mit neuem Tatsachenvortrag verbunden sind. Dies kann der Senat nicht berücksichtigen (vgl. statt aller - Rn. 24, AP ZPO § 253 Nr. 48; - 4 AZR 491/08 - Rn. 10, BAGE 132, 268).
III. Die Klägerin hat als unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, § 91 Abs. 1 ZPO. Dies gilt auch für die Kosten der Berufung, welche die Beklagten zu 1. und 2. erkennbar jeweils nur gegen den sie betreffenden Teil des arbeitsgerichtlichen Urteils eingelegt haben. Es besteht deshalb entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kein Anlass, den Beklagten einen Teil der Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
TAAAE-13838