Schwerer Raub: Begriff des Verwendens eines anderen gefährlichen Werkzeugs
Gesetze: § 250 Abs 2 Nr 1 StGB
Instanzenzug: LG Duisburg Az: 31 KLs 37/11
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und zehn Monaten verurteilt. Es hat die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass ein Jahr und vier Monate Freiheitsstrafe vor der Maßregel zu vollziehen sind. Die dagegen gerichtete und auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
21. Der Schuldspruch unterliegt der Aufhebung, soweit das Landgericht den Angeklagten im Fall II. 1. der Urteilsgründe wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung verurteilt hat.
3a) Nach den Feststellungen begaben sich der Angeklagte, der einen ungeladenen Revolver mit sich führte, und der mit einem Brotmesser bewaffnete frühere Mitangeklagte M. entsprechend dem gemeinsamen Tatplan in eine Spielhalle. Dort forderte der Angeklagte die Spielhallenaufsicht unter Vorhalt des Revolvers zur Übergabe von Geld auf, woraufhin sie aus Angst den zum Öffnen der Kasse erforderlichen Code eingab und begann, Scheine aus der Kasse herauszugeben. Währenddessen hielt sich M. mit dem Messer, das die Spielhallenaufsicht wahrnahm, im Eingangsbereich auf und bewachte die Tür. Da dem Angeklagten die Herausgabe des Geldes nicht hinreichend schnell ging, entnahm er der Kasse selbst weiteres Geld. Anschließend verließen der Angeklagte und M. die Spielhalle.
4b) Diese Feststellungen belegen nicht die Verwendung eines anderen gefährlichen Werkzeugs im Sinne von § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB, die allein in dem Einsatz des Messers, aber nicht des ungeladenen Revolvers gelegen haben könnte (, BGHSt 45, 249, 250 f.).
5aa) Eine Waffe oder - wie hier - ein Messer als ein anderes gefährliches Werkzeug wird nur dann gemäß § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB bei der Tat verwendet, wenn es der Täter als Raubmittel oder Mittel der räuberischen Erpressung zweckgerichtet einsetzt, das Opfer die Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben mittels des gefährlichen Werkzeugs wahrnimmt und somit in die entsprechende qualifizierte Zwangslage versetzt wird (, StV 2012, 153 mwN). Kein Verwenden ist dagegen das bloße Mitsichführen, und zwar grundsätzlich auch dann nicht, wenn es offen geschieht (, BGHR StGB § 250 Abs. 2 Nr. 1 Verwenden 9 mwN).
6bb) Die Feststellungen ergeben nicht, dass das Messer verwendet wurde, indem der Angeklagte und M. - zumindest durch schlüssiges Verhalten - mit seinem Einsatz drohten. Die Urteilsgründe teilen über den Umstand hinaus, dass die Spielhallenaufsicht das Messer sah, nicht mit, ob und wie es M. hielt bzw. der Spielhallenaufsicht präsentierte. Die Urteilsgründe belegen damit lediglich ein offenes Mitsichführen, das die Qualifikation des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht erfüllt.
7c) Eine Änderung des Schuldspruchs in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO kommt aufgrund der unzureichenden Feststellungen, die ihrerseits der Aufhebung unterliegen (§ 353 Abs. 2 StPO), nicht in Betracht. Im Übrigen schließt der Senat nicht aus, dass ein neuer Tatrichter weitergehende Feststellungen zum konkreten Einsatz des Messers treffen kann.
82. Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall II. 1. der Urteilsgründe führt zum Wegfall der in diesem Fall verhängten Einzelstrafe. Die Gesamtstrafe muss daher ebenfalls neu zugemessen werden.
93. Das Urteil hat überdies keinen Bestand, soweit das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet hat.
10a) Es hat sachverständig beraten die Anordnung nach § 64 StGB auf die Feststellung gestützt, "bei dem Angeklagten", zu dessen Trinkmengen in der Vergangenheit es Feststellungen getroffen hat, bestehe "mit hoher Wahrscheinlichkeit neben einer pathologischen Spielsucht eine Alkoholabhängigkeit", mit der "die von ihm begangenen Straftaten in Zusammenhang stünden und aufgrund derer ohne eine Behandlung mit der Begehung ähnlicher Taten zu rechnen sei".
11b) Damit sind die Voraussetzungen der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht rechtsfehlerfrei belegt.
12Das Landgericht hat nicht beachtet, dass eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nur in Betracht kommt, wenn die Voraussetzungen des § 64 StGB im Zeitpunkt der Hauptverhandlung (, NStZ-RR 2001, 295) sicher feststehen; eine "hohe Wahrscheinlichkeit" genügt nicht (, NStZ-RR 2003, 106, 107). Dass das Landgericht an anderer Stelle von einer (sicheren?) Alkoholabhängigkeit des Angeklagten gesprochen hat, räumt den Rechtsfehler nicht aus, weil die Urteilsgründe insoweit zumindest widersprüchlich sind.
13Es hat weiter den symptomatischen Zusammenhang zwischen einem Hang des Angeklagten, alkoholische Getränke im Übermaß zu sich zu nehmen, und den Anlasstaten mit der bloßen Behauptung, dieser Zusammenhang bestehe, nicht hinreichend dargelegt. Auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich dazu näheres über den Umstand hinaus, dass der Angeklagte vor der Tat II. 3. der Urteilsgründe "erhebliche Mengen Alkohol zu sich genommen hatte", was nach den Angaben des M. "zu deutlich wahrnehmbaren Ausfallerscheinungen geführt habe", nicht entnehmen. Schließlich hat das Landgericht eine konkrete Gefahrenprognose nicht gestellt.
14c) Die Aufhebung des Maßregelausspruchs hat keine (weitere) Auswirkung auf den Bestand der in den Fällen II. 2. und II. 3. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen. Zwar hat das Landgericht zugunsten des Angeklagten bei der Strafzumessung im engeren Sinne bei allen Taten berücksichtigt, dass es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet hat. Dies beschwert den Angeklagten indessen nicht.
154. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
16Für den Fall, dass der neue Tatrichter nach sachverständiger Beratung (§ 246a StPO) erneut zur Anordnung der Maßregel des § 64 StGB gelangen sollte, wird er zu beachten haben, dass die erlittene Untersuchungshaft bei der Bestimmung des Vorwegvollzugs nach § 67 Abs. 2 StGB nicht in Abzug zu bringen ist (Fischer, StGB, 59. Aufl., § 67 Rn. 9a).
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Fundstelle(n):
VAAAE-12903