BGH Beschluss v. - 5 StR 12/12

Bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge: Anforderungen an eine Zusammenfassung mehrerer Einzelverkäufe zu einer einheitlichen Tat

Gesetze: § 29a Abs 1 Nr 2 BtMG, § 52 StGB, § 53 StGB

Instanzenzug: Az: 273 Js 9/11 (524) KLs (56/11)

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt und gegen ihn den Verfall von Wertersatz in Höhe eines Betrages von 22.980 € angeordnet. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.

2Nach den Feststellungen des Landgerichts schlossen sich der Angeklagte, die gesondert verfolgten Y.   E.    , A.   , G.   E.     , A.   E.     und Y.   sowie weitere Personen zusammen, „um in einer Vielzahl von Fällen Heroin- und Kokaingemische zu erwerben und organisiert in wechselseitigem Zusammenwirken an Endabnehmer und weitere Zwischenhändler zu veräußern, wobei die Gewinne aufgeteilt wurden“ (UA S. 3). Der Angeklagte verkaufte als sogenannter Läufer von Anfang Januar 2011 bis zu seiner Festnahme am aus „einem einheitlichen Vorrat“ (UA S. 3) dreimal wöchentlich je Verkaufstag durchschnittlich 50 Szenekugeln Heroin und Kokain zu je 10 €. Die Verkaufserlöse in Höhe von insgesamt 24.000 € leitete er jeweils an den gesondert verfolgten Y.   weiter und erhielt als Lohn hierfür von einem anderen Mitglied der Gruppierung jeweils 50 bis 60 €. Die insgesamt im Tatzeitraum vorgenommenen Drogengeschäfte des Angeklagten wertete die Jugendkammer als eine Tat. Ausgehend von einem Verkaufserlös von 24.000 € hat das Landgericht einen Abzug „des bereits einbehaltenen Geldes von 650 und 370 €“ (UA S. 6) vorgenommen und den tenorierten Betrag von 22.980 € errechnet.

31. Der Schuldspruch hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

4a) Die Feststellungen der Jugendkammer rechtfertigen nicht die Zusammenfassung der einzelnen Verkäufe des Angeklagten zu einer einheitlichen Tat. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bilden mehrere Fälle des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nur dann eine einheitliche Tat, wenn sie ein und denselben Güterumsatz betreffen (, BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 12; BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 618/80, BGHSt 30, 28, und vom – 5 StR 445/11, NStZ-RR 2012, 121). Vorliegend bleibt jedoch offen, inwieweit die den einzelnen Verkäufen jeweils zugrunde liegenden Betäubungsmittel aus einem einheitlichen, zuvor erworbenen, Vorrat herrühren. Die im Urteil floskelhaft gewählte Formulierung, die Betäubungsmittel stammten „aus einem einheitlichen Vorrat“ (UA S. 3) wird vom Landgericht weder im Einzelnen näher konkretisiert noch von Tatsachen gestützt.

5Eine eingehende Erörterung hätte sich für die Jugendkammer bereits deshalb aufdrängen müssen, weil nicht nur die Anklage und der Eröffnungsbeschluss von mehreren Heroinlieferungen an die Gruppierung ausgingen, sondern auch die Jugendkammer an anderer Stelle festgestellt hat, dass anlässlich der Festnahmen des Angeklagten und der weiteren Bandenmitglieder an mehreren Stellen Rauschgift sichergestellt wurde. Zudem bestanden ausweislich der Urteilsgründe deutliche Unterschiede in den Wirkstoffmengen zwischen dem am und dem am sichergestellten Heroin und Kokain sowie zwischen den weiteren sichergestellten Heroinkugeln (UA S. 5).

6Nicht einmal der Zweifelsgrundsatz gebietet es, eine einheitliche Tat im Sinne der Bewertungseinheit anzunehmen, wenn sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass mehrere Fälle des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln ein und dieselbe Rauschgiftmenge betreffen (, NJW 1995, 2300; ; , NStZ 1997, 137 und 344, und vom – 2 StR 296/05, NStZ-RR 2006, 55). Die mit der Zusammenfassung der einzelnen Taten verbundene Addition der Betäubungsmittelmengen kann den Angeklagten gerade durch das Erreichen der nicht geringen Menge in den Verbrechenstatbeständen des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG und – sofern eine bandenmäßige Tatbegehung vorliegt – des § 30a Abs. 1 BtMG beschweren (vgl. Rissing-van Saan in LK, 12. Aufl., Vor § 52 Rn. 44).

7Das neue Tatgericht wird bei der Prüfung, ob die einzelnen Drogengeschäfte zu einer oder mehreren Bewertungseinheiten zusammenzufassen sind, zu prüfen haben, inwieweit die Betäubungsmittel aus einer oder mehreren Erwerbsmengen stammen. Dabei wird es zu beachten haben, dass auch die Wirkstoffmengen der umgesetzten Drogen neu zu bestimmen sind und ob – sollte es mehrere Taten feststellen können – jeweils die nicht geringe Menge der verfahrensgegenständlichen Drogen überschritten und deshalb der Tatbestand des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG und – sofern eine bandenmäßige Tatbegehung vorliegt – des § 30a Abs. 1 BtMG anzuwenden ist. Auch sind die bisherigen Angaben zum Mengenverhältnis der von dem Angeklagten verkauften Heroin- und Kokainkugeln in den Urteilsgründen widersprüchlich. Während die Jugendkammer in der Beweiswürdigung, ausgehend von beschlagnahmten 80 Kugeln Heroin und 17 Kugel Kokain, das Verhältnis dieser Drogen mit 4:1 zueinander bestimmt (entspräche angesichts der umgesetzten Gesamtmenge von 2.400 Kugeln: 1.920 Kugeln Heroin und 480 Kugeln Kokain), legt sie den Feststellungen ein Verhältnis von 7:1 (2.100 Kugeln Heroin und 300 Kugeln Kokain) zugrunde.

8b) Ebenso können die Feststellungen zur bandenmäßigen Begehungsweise nicht bestehen bleiben, denn sie erschöpfen sich in einer formelhaften Wiedergabe der Bandenvereinbarung und werden nicht näher mit konkreten Tatsachen belegt. Angesichts des Umstandes, dass der Angeklagte als weisungsgebundener „Läufer“ von dem anderweitig verfolgten Y.   die Drogen in kleinen Mengen erhielt und an diesen auch den Erlös abzugeben hatte, dafür von einem anderen Mitglied einen Tageslohn erhielt, erschließt sich nicht, inwieweit der Angeklagte verbindlich in die Bande eingegliedert und am Gewinn beteiligt werden sollte. Feststellungen hierzu wären vom neuen Tatgericht nachzuholen.

92. Der Ausspruch über den Wertersatzverfall kann ebenfalls keinen Bestand haben.

10Die Anordnung des Verfalls begegnet angesichts der vollständigen Weiterleitung der Verkaufserlöse an ein Mitglied der Gruppierung sogar ohne Nachweis eines Anteils des Angeklagten am Gruppenerlös durchgreifenden Bedenken (vgl. , BGHR StGB § 73 Erlangtes 9; , NJW 2012, 92). Das Landgericht hätte zudem prüfen müssen, ob eine Verfallsanordnung in dieser Höhe für den Angeklagten eine unbillige Härte im Sinne des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB bedeuten würde oder ob ge-mäß § 73c Abs. 1 Satz 2, 1. Alt. StGB von einem Verfall wenigstens teilweise abgesehen werden soll (, NStZ 2008, 565, 566).

Basdorf                                Schaal                                Schneider

                       König                                 Bellay

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




Fundstelle(n):
NAAAE-12320