BAG Urteil v. - 6 AZR 677/10

Kein Abfindungsanspruch nach der Sicherungsordnung des Diakonischen Werkes der EKD bei einer personenbedingten Kündigung - Beschränkung der AGB-Kontrolle

Gesetze: DWArbVtrRL, § 310 Abs 4 S 2 BGB, § 305 BGB, §§ 305ff BGB

Instanzenzug: ArbG Dessau-Roßlau Az: 10 Ca 70/09 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Az: 4 Sa 483/09 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über einen Abfindungsanspruch aus der Sicherungsordnung des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

2Der Beklagte beschäftigte die 1953 geborene Klägerin seit Mai 1991 als Rettungssanitäterin zu einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt 2.131,00 Euro. Nach § 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags vom galten für das Dienstverhältnis die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR) in der jeweils gültigen Fassung.

Die zu den AVR erlassene, am in Kraft getretene Ordnung zur Sicherung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Rationalisierungsmaßnahmen und Einschränkungen von Einrichtungen (SicherungsO) lautet auszugsweise:

4Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom aus krankheitsbedingten Gründen ordentlich zum . Die Klägerin ging nicht gegen die Kündigung vor.

5Die Klägerin verlangt mit der Klage eine Abfindung aus der SicherungsO iHv. 27.703,00 Euro brutto. Sie hat die Auffassung vertreten, auch eine krankheitsbedingte Kündigung erfülle die Voraussetzungen der SicherungsO. Das Regelwerk sei einer sog. AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB zu unterziehen. Auch die ausgesprochene krankheitsbedingte Kündigung löse einen Abfindungsanspruch aus, weil ein betriebsbedingter Kündigungsgrund in §§ 8 und 9 SicherungsO nicht ausdrücklich genannt werde. Jedenfalls werde sie gegenüber betriebsbedingt gekündigten Arbeitnehmern unangemessen benachteiligt iSv. § 307 Abs. 1 BGB, wenn sie nicht in den Abfindungsanspruch aus der SicherungsO einbezogen werde. Die Ursache ihrer Erkrankung liege zudem nicht in ihrer Sphäre, sondern beruhe auf ihrer Tätigkeit als Rettungssanitäterin.

Die Klägerin hat beantragt,

7Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat gemeint, schon die Überschrift der SicherungsO bestimme deren Anwendungsbereich abschließend. § 8 SicherungsO erfasse nur betriebsbedingte Kündigungen. Die Ursache der Kündigung müsse stets im Bereich des Arbeitgebers liegen. Das sei auch sachgerecht, weil der Arbeitgeber nur Abfindungen für Kündigungsgründe leisten wolle, die aus seiner Sphäre stammten.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

Gründe

9Die Revision ist zulässig, aber unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen.

10A. Die Revision ist zulässig. Sie setzt sich hinreichend mit den Gründen des Berufungsurteils auseinander.

11I. Nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört die Angabe der Revisionsgründe zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung. Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung den angenommenen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Die Revisionsbegründung hat sich mit den tragenden Gründen des Berufungsurteils auseinanderzusetzen. Das erfordert die konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll. Dadurch soll sichergestellt werden, dass der Revisionskläger das angefochtene Urteil im Hinblick auf das Rechtsmittel und die Rechtslage überprüft und durchdenkt. Die Revisionsbegründung soll durch ihre Kritik an dem angefochtenen Urteil außerdem zur richtigen Rechtsfindung durch das Revisionsgericht beitragen (vgl.  - Rn. 13 mwN, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 57 = EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 18). Ist die Berufungsentscheidung über einen Streitgegenstand auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Revisionsbegründung alle Erwägungen angreifen. Sie muss geeignet sein, die Entscheidung infrage zu stellen. Setzt sich die Revisionsbegründung nur mit einer der Begründungen auseinander, ist die Revision hinsichtlich dieses Streitgegenstands unzulässig (vgl.  - Rn. 19 mwN, NZA 2010, 1446).

12II. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung entgegen der Ansicht des Beklagten gerecht.

131. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass die Klägerin aufgrund der ausgesprochenen krankheitsbedingten Kündigung nicht dem sachlichen Anwendungsbereich der SicherungsO unterfalle. Nur betriebsbedingte Kündigungen lösten den Abfindungsanspruch aus. Das Berufungsgericht hat ferner ausgeführt, eine Abfindung sei nach § 8 Abs. 3 Buchst. a SicherungsO ausgeschlossen, weil die negative Gesundheitsprognose nicht erwarten lasse, dass die Klägerin ihre arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit in Zukunft noch werde ausüben können.

142. Die Klägerin setzt sich hinreichend mit diesen Erwägungen auseinander.

15a) Die Revision rügt hinsichtlich der vom Landesarbeitsgericht angenommenen Ausnahme krankheitsbedingter Kündigungen vom Geltungsbereich des Abfindungsanspruchs, das Berufungsgericht habe die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB und die Inhaltskontrollnorm des § 307 Abs. 1 BGB verletzt. Damit wiederholt die Klägerin zwar in zusammengefasster Form die bereits in den Vorinstanzen geäußerten Rechtsauffassungen. Sie ordnet ihre Argumente aber den konkreten Begründungslinien des Landesarbeitsgerichts zu. Mit Blick darauf, dass das Revisionsgericht an die Revisionsgründe nicht gebunden ist, war eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit den Gründen des angegriffenen Urteils nicht erforderlich (vgl.  - Rn. 10 mwN, BAGE 129, 170).

16b) Die Revision wendet sich auch hinreichend gegen die Argumentation des Landesarbeitsgerichts, der Beklagte habe die Kündigung aus einem von der Klägerin zu vertretenden Grund erklärt. Die Klägerin beanstandet mit einer Sachrüge, das Landesarbeitsgericht habe die tatsächlichen Besonderheiten des Arbeitsrechts iSv. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB nicht ausreichend beachtet, weil sie den krankheitsbedingten Grund für die Kündigung nicht zu vertreten habe. Mit einem Verfahrensangriff macht die Revision geltend, das Landesarbeitsgericht habe nicht aufgeklärt, dass Ursache der Erkrankung die langjährige Tätigkeit der Klägerin als Rettungssanitäterin gewesen sei.

17B. Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Abfindungsanspruch. Die Voraussetzungen der SicherungsO sind im Fall einer aus Krankheitsgründen erklärten Kündigung nicht erfüllt.

18I. Die gegenüber der Klägerin ausgesprochene Kündigung unterfällt nicht dem sachlichen Geltungsbereich der SicherungsO. Die Auslegung von § 8 Abs. 1 Satz 1 SicherungsO und den mit dieser Bestimmung in Zusammenhang stehenden Regelungen der SicherungsO ergibt, dass eine Abfindung nur bei Rationalisierungsmaßnahmen oder bei der Einschränkung von Tätigkeitsfeldern verlangt werden kann, nicht aber im Fall einer Kündigung, die auf Gründe in der Person des Arbeitnehmers gestützt wird.

191. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SicherungsO erhält der Mitarbeiter, der aufgrund einer Kündigung durch den Dienstgeber aus dem Dienstverhältnis ausscheidet, nach Maßgabe einer vorgegebenen Formel eine Abfindung. § 8 Abs. 1 Satz 1 SicherungsO regelt damit selbst nicht alle Tatbestandsvoraussetzungen des Abfindungsanspruchs. Die weiteren Voraussetzungen sind in den vorangehenden Vorschriften enthalten. In § 8 SicherungsO ist vor allem nicht geregelt, bei welchen Kündigungsgründen ein Abfindungsanspruch besteht. Aus der Bezeichnung des gesamten Regelwerks und seiner Vorbemerkung ergibt sich jedoch, dass nur sog. betriebsbedingte Gründe den Abfindungsanspruch auslösen. So ist die SicherungsO mit „Ordnung zur Sicherung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Rationalisierungsmaßnahmen und Einschränkungen von Einrichtungen“ überschrieben. Im ersten Satz der Vorbemerkung ist festgehalten, dass „bei der Durchführung von Rationalisierungsmaßnahmen und anderen Einschränkungen - insbesondere der Aufgabe von Tätigkeitsfeldern -“ „die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Belange der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu berücksichtigen und soziale Härten möglichst zu vermeiden“ sind. Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich bei der SicherungsO um ein in sich geschlossenes Regelwerk.

202. An Satz 1 der Vorbemerkung der SicherungsO wird deren Sinn und Zweck deutlich. Danach sind die Belange der Mitarbeiter zu berücksichtigen und soziale Härten zu vermeiden, soweit der Dienstgeber Rationalisierungsmaßnahmen oder Einschränkungen von Tätigkeitsbereichen vornimmt. Das entspricht den Maßnahmenbegriffen in § 2 Abs. 1 Buchst. a und Buchst. b SicherungsO, die in den nicht abschließenden Beispielen des § 2 Abs. 2 SicherungsO weiter ausdifferenziert werden. Die SicherungsO dient dazu, solche Maßnahmen aus der Arbeitgebersphäre sozialverträglich abzufedern (vgl.  - Rn. 15, AP TV SozSich § 4 Nr. 3 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 16; - 6 AZR 430/03 - zu 2 der Gründe, AP AVR Caritasverband § 1a Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 4). Die Abfindung aus der SicherungsO hat dieselbe Funktion wie eine Abfindung aus einem Sozialplan nach §§ 112 ff. BetrVG (vgl.  - zu 5 der Gründe, aaO).

213. Diese Auslegung entspricht dem gesamten Regelungszusammenhang der SicherungsO. Ihre Bestimmungen bauen inhaltlich aufeinander auf. Sie bringen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei sog. betriebsbedingten Kündigungen, deren Gründe aus der Sphäre des Arbeitgebers stammen, zum Ausdruck. Erst dann, wenn eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus betrieblichen Gründen unvermeidbar wird, weil der Arbeitnehmer nicht auf einem gleichwertigen oder zumutbaren Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann, sind Abfindungsleistungen vorgesehen (vgl. Scheffer/Mayer AVR-Kommentar 5. Aufl. Stand Juni 2008 SicherungsO Erl. 1). In § 4 SicherungsO ist geregelt, dass der Arbeitgeber verschiedene Maßnahmen mit dem Ziel des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses zu ergreifen hat. Im ersten Schritt ist zu prüfen, ob ein gleichwertiger Arbeitsplatz in derselben Einrichtung am selben Ort angeboten werden kann (§ 4 Abs. 2 SicherungsO), ggf. nach Umschulung oder Fortbildung (§ 4 Abs. 2 Unterabs. 3, § 5 SicherungsO). Soweit diese Prüfungen erfolglos verlaufen, ist der Arbeitgeber im zweiten Schritt verpflichtet zu prüfen, ob der Arbeitnehmer auf einem Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann, der nicht gleichwertig ist (§ 4 Abs. 3 SicherungsO). Für diesen Fall sieht § 7 SicherungsO eine Vergütungssicherung vor. Erst dann, wenn die Bemühungen des Arbeitgebers, den Arbeitsplatz zu sichern, erfolglos geblieben sind, steht dem aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidenden Arbeitnehmer eine Abfindung zu, die in § 8 SicherungsO geregelt ist (vgl. Scheffer/Mayer aaO SicherungsO Erl. 2 bis 9). Alle Regelungen der SicherungsO zeigen, dass der Arbeitsplatzverlust nur bei Kündigungen aufgrund betrieblicher Gründe durch eine Abfindung abgesichert werden soll.

22II. Die Klägerin beruft sich zu Unrecht darauf, § 8 SicherungsO sei intransparent oder benachteilige sie unangemessen. Die Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB beschränkt sich bei arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Richtlinien zu Arbeitsverträgen (AVR) wie bei Tarifverträgen auf eine Rechtskontrolle. Daher ist § 307 BGB nicht anzuwenden.

231. Bei den AVR und der hierzu erlassenen SicherungsO handelt es sich um Kollektivvereinbarungen besonderer Art, in denen allgemeine Bedingungen für die Vertragsverhältnisse der bei den Kirchen beschäftigten Arbeitnehmer durch eine paritätisch zusammengesetzte Arbeitsrechtliche Kommission festgelegt werden (vgl.  - Rn. 23, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 45 = EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 7; - 6 AZR 430/03 - zu 1 der Gründe, AP AVR Caritasverband § 1a Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 4). Kirchliche Arbeitsvertragsregelungen entfalten nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine normative Wirkung, sondern können als vom jeweiligen Arbeitgeber gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen lediglich kraft einzelvertraglicher Einbeziehung auf ein Arbeitsverhältnis anzuwenden sein (vgl. nur  - Rn. 21 mwN, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 57 = EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 18).

242. Die Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB beschränkt sich bei kirchlichen Arbeitsvertragsregelungen auf eine Rechtskontrolle, wenn die AVR - wie hier - auf dem Dritten Weg nach den einschlägigen Organisations- und Verfahrensvorschriften von einer paritätisch mit weisungsunabhängigen Mitgliedern besetzten Arbeitsrechtlichen Kommission beschlossen wurden (vgl.  - Rn. 32, BAGE 135, 163; - 6 AZR 170/08 - Rn. 62, BB 2011, 186). Die paritätische Besetzung und die Unabhängigkeit der Mitglieder der Arbeitsrechtlichen Kommission gewährleisten, dass die Arbeitgeberseite ihre Interessen bei der Festlegung des Inhalts der Arbeitsbedingungen nicht einseitig durchsetzen kann. Dabei handelt es sich um eine im Arbeitsrecht geltende Besonderheit iSv. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB, die durch eine bloße Rechtskontrolle angemessen zu berücksichtigen ist. Maßstab der Rechtskontrolle ist wie bei Tarifverträgen, ob die Regelung gegen die Verfassung, höherrangiges zwingendes Recht oder die guten Sitten verstößt (vgl.  - Rn. 31, aaO; - 6 AZR 170/08 - Rn. 61, aaO, jeweils mwN).

253. Die Abfindungsregelung in § 8 Abs. 1 Satz 1 SicherungsO verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.

26a) § 8 Abs. 1 Satz 1 SicherungsO verletzt das Gebot der Bestimmtheit und Normenklarheit nicht.

27aa) Das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Gebot der Bestimmtheit und Normenklarheit verlangt grundsätzlich, dass der Normgeber die von ihm erlassenen Regelungen so bestimmt fasst, dass die Rechtsunterworfenen in zumutbarer Weise feststellen können, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die in der Rechtsnorm ausgesprochene Rechtsfolge erfüllt sind (vgl. zu dem für gesetzliche Grundrechtsbeschränkungen entwickelten Klarheits- und Bestimmtheitsgebot die st. Rspr., zB  - Rn. 123, 168 f., WM 2012, 562; - 1 BvR 1932/08 - Rn. 25, DVBl. 2012, 230; - 2 BvR 2500/09, 2 BvR 1857/10 - Rn. 143, 165, NJW 2012, 907;  6 C 9.11 - Rn. 27, 38 f., DSB 2012 Nr. 3, 66). Das gilt grundsätzlich auch für tarifvertragliche Regelungen. Tarifvertragliche Rechtsnormen sind Bestandteil der staatlichen Rechtsordnung (vgl.  - zu 5 bis 7 der Gründe mwN, BAGE 51, 59; vgl. auch - 2 AZR 809/96 - zu B II 3 der Gründe, BAGE 87, 210; Wiedemann/Thüsing 7. Aufl. § 1 TVG Rn. 230 mwN). Die Tarifvertragsparteien haben bei der technischen Umsetzung der von ihnen verfolgten Zwecke regelmäßig einen weiten Gestaltungsspielraum. Sie können insbesondere unbestimmte Rechtsbegriffe verwenden. Gerichte dürfen tarifliche Regelungen nur in ganz besonderen Ausnahmefällen wegen mangelnder Bestimmtheit und des darauf beruhenden Verstoßes gegen rechtsstaatliche Grundsätze für unwirksam erachten. Der Normgeber muss die von ihm erlassenen Regelungen jedoch so bestimmt fassen, dass die Rechtsunterworfenen in zumutbarer Weise feststellen können, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die in der Rechtsnorm ausgesprochene Rechtsfolge erfüllt sind (vgl.  - Rn. 36 mwN, NZA-RR 2012, 186). Die für Tarifverträge entwickelten Grundsätze gelten wegen der paritätischen Besetzung und der Unabhängigkeit der Mitglieder der Arbeitsrechtlichen Kommission auch für die Rechtskontrolle kirchlicher Arbeitsvertragsregelungen, die auf dem sog. Dritten Weg erarbeitet wurden.

28bb) § 8 Abs. 1 Satz 1 SicherungsO verstößt nicht gegen das Gebot der Normenklarheit. Die Bestimmung regelt in verständlicher und unzweideutiger Weise die Höhe der Abfindungssumme durch Angabe einer Berechnungsformel als Rechtsfolge einer Kündigung aufgrund der in § 2 Abs. 1 und Abs. 2 SicherungsO beschriebenen Maßnahmen. Schon an der Bezeichnung der SicherungsO als „Ordnung zur Sicherung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Rationalisierungsmaßnahmen und Einschränkungen von Einrichtungen“ wird deutlich, dass eine Abfindung nur als Folge einer Kündigung aus betrieblichen, der Sphäre des Arbeitgebers entstammenden Gründen geschuldet ist. An Satz 1 der Vorbemerkung der SicherungsO zeigt sich derselbe Regelungsgehalt. Dort ist ausgeführt, dass die Belange der Mitarbeiter zu berücksichtigen und soziale Härten zu vermeiden sind, soweit der Dienstgeber Rationalisierungsmaßnahmen oder Einschränkungen von Tätigkeitsbereichen vornimmt. Das klare Auslegungsergebnis der aus der Sphäre des Arbeitgebers stammenden Kündigungsgründe wird durch die verschiedenen Sicherungsschritte, die einem durch Abfindung abgemilderten Arbeitsplatzverlust nach §§ 4, 5 und 7 SicherungsO vorangehen, gestützt.

29b) Der Senat kann offenlassen, ob sich die SicherungsO am AGG messen lassen muss. Soweit ihr Anwendungsbereich Kündigungen aus Krankheitsgründen nicht erfasst, liegt darin keine Benachteiligung iSv. §§ 17 Abs. 1 AGG. Die Klägerin hat sich selbst nicht darauf berufen, behindert iSv. § 1 AGG zu sein. Krankheit als solche ist kein Grund, der eine Benachteiligung aufgrund der sog. Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie 2000/78/EG vom und ihrer nationalen Umsetzung im AGG verbietet (vgl. für die Richtlinie  - [Chacón Navas] Rn. 42 bis 47, Slg. 2006, I-6467; für das AGG  - Rn. 29, AP AGG § 15 Nr. 2 = EzA AGG § 15 Nr. 4).

30c) Die Arbeitsrechtliche Kommission hat die Grenzen ihrer Regelungsmacht nicht überschritten, indem sie den Abfindungsanspruch aus der SicherungsO auf Kündigungsgründe aus der Arbeitgebersphäre beschränkt hat.

31aa) Der Arbeitsrechtlichen Kommission kommt - wie Tarifvertragsparteien - eine Einschätzungsprärogative zu (vgl.  - Rn. 32, AP TVG § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 40; - 6 AZR 170/08 - Rn. 67, BB 2011, 186). Es ist nicht Sache der Gerichte zu prüfen, ob jeweils die gerechteste oder zweckmäßigste Regelung gefunden wurde (vgl.  - Rn. 25, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 45 = EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 7).

32bb) Die Arbeitsrechtliche Kommission hat ihre Einschätzungsprärogative hier nicht überschritten. Die SicherungsO, die ausschließlich Kündigungen aus Gründen der Rationalisierung oder der Einschränkung von Tätigkeitsbereichen erfasst, hält sich innerhalb dieses Gestaltungsspielraums. Die Folgen von Kündigungen, die aus unterschiedlichen Gründen erklärt werden, können auch aus Sicht des Gesetzgebers verschieden behandelt werden. Die SicherungsO lehnt sich an die Sozialplanregelungen in §§ 112 ff. BetrVG an. Auch Sozialpläne sollen nur wirtschaftliche Nachteile ausgleichen oder mildern, die den Arbeitnehmern infolge einer geplanten Betriebsänderung entstehen (§ 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG).

33III. Auf die erhobene Verfahrensrüge kommt es nicht an. Mit ihr beanstandet die Klägerin, das Landesarbeitsgericht habe die Ursache für ihr krankheitsbedingtes Ausscheiden zu Unrecht nicht aufgeklärt. Diese Frage ist nicht entscheidungserheblich. Selbst wenn die Tätigkeit als Rettungssanitäterin ursächlich für die Erkrankung der Klägerin gewesen sein sollte, handelte es sich nicht um eine aus der betrieblichen Sphäre des Beklagten stammende Maßnahme iSv. § 2 Abs. 1 und Abs. 2 SicherungsO.

C. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

Fundstelle(n):
YAAAE-12312