Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen - S 0127

Örtliche Zuständigkeit in Fällen der Verschmelzung, der Umwandlung, der Anwachsung und der Aufspaltung

1. Verschmelzungsfälle:

a) Kapitalgesellschaft auf Kapitalgesellschaft

  • Es liegt ein Fall der Gesamtrechtsnachfolge vor (Nummer 1 Satz 1 des AEAO zu § 45).

  • Hinsichtlich der Körperschaftsteuer tritt ein Zuständigkeitswechsel ein, wenn die Geschäftsleitung der untergegangenen Gesellschaft und die Geschäftsleitung der aufnehmenden Gesellschaft sich in den Bezirken verschiedener Finanzämter befunden haben bzw. sich befinden (§ 20 Absatz 1 AO).

  • Hinsichtlich der Umsatzsteuer tritt ein Zuständigkeitswechsel ein, wenn das Unternehmen der untergegangenen Kapitalgesellschaft und das Unternehmen der aufnehmenden Kapitalgesellschaft ganz oder vorwiegend von den Bezirken verschiedener Finanzämter aus betrieben worden sind bzw. werden (§ 21 Absatz 1 Satz 1 AO).

  • Die Zuständigkeit für die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags wechselt, wenn sich der Ort der Geschäftsleitung der untergegangenen Kapitalgesellschaft und der Ort der Geschäftsleitung der aufnehmenden Kapitalgesellschaft in den Bezirken verschiedener Finanzämter befunden haben bzw. befinden (§ 22 Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit § 18 Absatz 1 Nr. 2 AO).

b) Personengesellschaft auf Personengesellschaft

zuständig, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung dieser Personengesellschaft befindet (§ 18 Absatz 1 Nr. 2 AO).

d) Personengesellschaft auf Kapitalgesellschaft

  • Eine Gesamtrechtsnachfolge tritt nur ein, soweit die Personengesellschaft Steuersubjekt war, somit nicht hinsichtlich der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen (Nummer 1 Satz 2 des AEAO zu § 45).

  • Hinsichtlich der gesonderten und einheitlichen Feststellungen der Besteuerungsgrundlagen für die erloschene Personengesellschaft tritt somit kein Zuständigkeitswechsel ein.

  • Zuständigkeit für die Umsatzsteuer und für die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags analog zu a).

2. Formwechselnde Umwandlung

a) Umwandlung ohne Wechsel des Steuersubjekts

Dieser Fall führt nicht zu einer Gesamtrechtsnachfolge im Sinne von § 45 Absatz 1 AO, da lediglich ein Wechsel der Rechtsform eines Rechtsträgers unter Wahrung seiner rechtlichen Identität vorliegt (Nummer 3 Satz 1 des AEAO zu § 45).

Ein Zuständigkeitswechsel tritt somit nach den allgemeinen Grundsätzen ein, also dann, wenn mit der Umwandlung auch ein Wechsel des Ortes der Geschäftsleitung bzw. des Bezirks, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen ganz oder vorwiegend betreibt, verbunden ist.

b) Umwandlung mit Wechsel des Steuersubjekts

Nach Nummer 3 Satz 2 des AEAO zu § 45 ist insoweit § 45 Absatz 1 AO sinngemäß anzuwenden. Es ist somit analog zu den Verschmelzungsfällen zu verfahren.

3. Anwachsung

Eine Anwachsung (§ 738 BGB) liegt vor, wenn aus einer Gesamthandsgemeinschaft (Personengesellschaft) ein Gesamthänder ohne Weiteres ausscheidet. In diesem Fall wächst die Beteiligung des Ausscheidenden den übrigen Gesamthändern kraft Gesetzes ohne besonderen Übertragungsakt an.

Eine Anwachsung liegt auch dann vor, wenn aus einer Gesamthandsgemeinschaft alle Gesellschafter bis auf einen ausscheiden und eine Gesamthandsgemeinschaft nicht mehr gegeben ist. Handelsrechtlich wächst dem verbleibenden letzten Gesellschafter der vormals zwei- bzw. mehrgliedrigen Personengesellschaft das Vermögen der – ohne Liquidation aufgelösten – Personengesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge im Sinne des § 45 Absatz 1 Satz 1 AO zu. Insoweit wird ergänzend auf die ( BStBl. 1981 II S. 293) und (BFH/NV 2008 S. 1289) verwiesen.

In diesem Zusammenhang ist aber zu beachten, dass § 45 Absatz 1 AO – abweichend von der zivilrechtlichen Betrachtung in Fällen der Anwachsung – nicht in Bezug auf die gesonderte und einheitliche Feststellung gilt (vgl. Nummer 1 des AEAO zu § 45 AO).

Ausgehend von dieser rechtlichen Beurteilung ergibt sich daher zur Frage der örtlichen Zuständigkeit im Falle der Anwachsung unter Vollbeendigung einer Personengesellschaft folgendes:

  • Hinsichtlich der gesonderten und einheitlichen Feststellungen der Besteuerungsgrundlagen für die beendete Personengesellschaft tritt durch die Anwachsung kein Zuständigkeitswechsel ein, da insoweit keine Gesamtrechtsnachfolge vorliegt und der Ort der Geschäftsleitung der (beendeten) Personengesellschaft nicht in den Bezirk eines anderes Finanzamtes verlegt wird.

  • Für die Umsatzsteuer ist § 45 Absatz 1 AO uneingeschränkt anwendbar. Dies hat zur Folge, dass hinsichtlich der Umsatzbesteuerung ein Zuständigkeitswechsel dann eintritt, wenn das Unternehmen der beendeten Personengesellschaft und das fortgeführte Einzelunternehmen ganz oder vorwiegend von den Bezirken verschiedener Finanzämter aus betrieben worden sind bzw. werden (§ 21 Absatz 1 Satz 1 AO).

  • Die Zuständigkeit für die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags wechselt nur dann, wenn sich der Ort der Geschäftsleitung der beendeten Personengesellschaft und der Ort der Geschäftsleitung des fortgeführten Einzelunternehmens in den Bezirken verschiedener Finanzämter befunden haben bzw. befinden (§ 22 Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit § 18 Absatz 1 Nr. 2 AO).

4. Aufspaltung

Die Regelung des § 45 Absatz 1 AO zur Gesamtrechtsnachfolge ist sinngemäß anzuwenden; dies gilt nicht in Bezug auf die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (Nummer 2 Satz 2 und Satz 3 des AEAO zu § 45). Folglich liegt für die aus der Aufspaltung hervorgegangenen Gesellschaften ein Fall des § 25 AO vor (mehrfache örtliche Zuständigkeit), wenn sich die Orte der Geschäftsleitung (§ 20 Absatz 1 AO) bzw. die Bezirke, von denen aus die Unternehmer ihre Unternehmen ganz oder vorwiegend betreiben (§ 21 Absatz 1 Satz 1 AO), in den Bezirken verschiedener Finanzämter befinden.

Ist für eine aus der Aufspaltung hervorgegangene Gesellschaft das Finanzamt sachlich und örtlich zuständig, das bisher für die Besteuerung der durch Aufspaltung erloschenen Gesellschaft zuständig war, soll dieses Finanzamt auch für die Besteuerung der untergegangenen Gesellschaft örtlich zuständig bleiben.

5. Sonstiges

Der AEAO zu § 45 trifft nur Aussagen dazu, wann eine Gesamtrechtsnachfolge im Sinne des § 45 Abs. 1 AO vorliegt bzw. wann § 45 Abs. 1 AO sinngemäß anzuwenden ist. Er regelt keine Zuständigkeitsfragen.

Weiterhin gilt für alle Umwandlungsfälle, dass eine aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 17 Abs. 2 S. 3 FVG ggf. bestehende Konzentration der sachlichen Zuständigkeit der Finanzämter vorrangig zu beachten ist.

Ferner schließen die vorgenannten Regelungen eine hiervon abweichende Zuständigkeitsvereinbarung (§ 27 AO) oder die Fortführung bereits begonnener Verfahren (§ 26 Satz 2 AO) nicht aus, falls dies zweckmäßig erscheint. Darüber hinaus kann es für die Durchführung von Außenprüfungen zweckmäßig sein, das bisher für die Besteuerung der untergehenden Gesellschaft zuständige Finanzamt mit der Prüfung zu beauftragen (§ 195 Satz 2 AO).

Weiterhin sollte in Fällen, in denen aufgrund der vorangegangenen Regelungen die Zuständigkeit für die gesonderte und einheitliche Feststellung, die Umsatzsteuer und die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags auseinanderfallen, grundsätzlich eine Bündelung der Zuständigkeit (durch Zuständigkeitsvereinbarung gemäß § 27 AO) bei einem Finanzamt angestrebt und ein Auseinanderfallen der örtlichen Zuständigkeit für das Besteuerungsverfahren der Personengesellschaft vermieden werden.

Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen v. - S 0127

Fundstelle(n):
AO-StB 2012 S. 227 Nr. 8
FR 2012 S. 651 Nr. 13
FR 2012 S. 739 Nr. 15
OAAAE-11848