BAG Urteil v. - 6 AZR 560/10

Gutschrift auf ein Arbeitszeitkonto für eine Lehrkraft

Gesetze: § 611 Abs 1 BGB, § 4 Abs 2 LehrArbZV ST

Instanzenzug: ArbG Dessau-Roßlau Az: 11 Ca 165/09 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Az: 2 Sa 437/09 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch über eine Gutschrift von 2,7 Unterrichtsstunden auf ein Arbeitszeitkonto anlässlich einer im April 2008 durchgeführten Klassenfahrt.

2Die Klägerin ist beim beklagten Land als Lehrerin beschäftigt und an einem Gymnasium tätig. Die für die Mitglieder der TdL geltenden Tarifverträge finden kraft beiderseitiger Tarifbindung Anwendung.

3Am vereinbarten die Parteien Altersteilzeit im modifizierten Blockmodell. Die Freistellungsphase soll am beginnen. Das beklagte Land legte die Arbeitszeit der Klägerin in der aktiven Phase der Altersteilzeit auf 18,69 Unterrichtsstunden pro Woche fest.

§ 5 des Altersteilzeitvertrages bestimmt:

5Beim beklagten Land gilt für die Lehrkräfte an öffentlichen Schulen des Landes Sachsen-Anhalt die Verordnung über die Arbeitszeit der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen (ArbZVO-Lehr) in der Fassung der Bekanntmachung vom (GVBl. LSA S. 376), zuletzt geändert am (GVBl. LSA S. 354). Nach deren § 3 beträgt die Regelstundenzahl, dh. die Zahl der Unterrichtsstunden, die vollbeschäftigte Lehrkräfte im Durchschnitt wöchentlich zu erteilen haben, für Lehrkräfte an Gymnasien 25 Unterrichtsstunden. Gemäß § 4 ArbZVO-Lehr kann die jeweilige Unterrichtsverpflichtung einer Lehrkraft wöchentlich bis zu vier Unterrichtsstunden über- oder unterschritten werden. Soweit dafür kein Ausgleich innerhalb des Schuljahres erfolgt, sind höchstens 80 Unterrichtsstunden in das folgende Schuljahr zu übernehmen und in diesem abzugelten.

6Durch den Tarifvertrag in Ausfüllung des Tarifvertrages zur sozialen Absicherung zur Sicherung von Arbeitsplätzen an allgemeinbildenden Schulen Sachsen-Anhalts (Arbeitsplatzsicherungstarifvertrag Schulen LSA) vom war die Arbeitszeit der vollbeschäftigten Lehrkräfte im für den Klageanspruch maßgeblichen Zeitraum abweichend von der ArbZVO-Lehr auf 20,5 Unterrichtsstunden pro Woche abgesenkt.

Beim beklagten Land gilt der Runderlass „Flexibler Unterrichtseinsatz der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen“ (sog. Flexi-Erlass) vom , zuletzt geändert am . Dieser regelt ua.:

8In der Zeit vom , 8:30 Uhr, bis zum , 16:00 Uhr, begleitete die Klägerin eine 11. Klasse auf einer vom beklagten Land genehmigten Klassenfahrt. Hierfür wurden ihr 11,214 Unterrichtsstunden, dh. drei Fünftel der wöchentlichen Arbeitszeit auf Grundlage von 18,69 wöchentlichen Unterrichtsstunden, angerechnet. Am 17. und erteilte sie den ihr vom Stundenplan vorgegebenen Unterricht.

9Mit Schreiben vom forderte die Klägerin das beklagte Land vergeblich auf, ihr die während der Klassenfahrt geleisteten Stunden als zusätzliche Freizeit („Plusstunden“) zu gewähren. Mit ihrer am beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin zunächst eine Gutschrift von 3,786 Unterrichtsstunden für die Klassenfahrt begehrt. Der Klage ist im Umfang von 1,086 Unterrichtsstunden rechtskräftig stattgegeben worden. Dadurch hat die Klägerin für die Klassenfahrt Unterrichtsstunden im selben Umfang wie vollzeitbeschäftigte Lehrkräfte unter Zugrundelegung der auf 20,5 Unterrichtsstunden abgesenkten Unterrichtsverpflichtung angerechnet erhalten. Streitbefangen ist noch, ob der Klägerin eine Gutschrift über weitere 2,7 Unterrichtsstunden zusteht.

10Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, allein die ArbZVO-Lehr lege den Umfang der Unterrichtsverpflichtung vollzeitbeschäftigter Lehrkräfte fest. Jede Unterschreitung der Regelarbeitszeit der ArbZVO-Lehr sei eine Form der Teilzeitarbeit. Die unter den Arbeitsplatzsicherungstarifvertrag Schulen LSA fallenden Lehrkräfte seien deshalb Teilzeitbeschäftigte.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

12Das beklagte Land hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags vorgetragen, die Klägerin könne keine Besserstellung gegenüber den vom Arbeitsplatzsicherungstarifvertrag Schulen LSA betroffenen Lehrkräften verlangen.

Die Vorinstanzen haben die Klage im noch streitbefangenen Umfang abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren, soweit diesem nicht bereits entsprochen worden ist, weiter. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sie auf § 5 des Altersteilzeitvertrages als Anspruchsgrundlage für ihr Begehren einer Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto verwiesen.

Gründe

14Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht die Berufung zurückgewiesen, soweit die Klägerin die Gutschrift weiterer 2,7 Stunden auf ihr Arbeitszeitkonto begehrt. Für eine derartige Gutschrift fehlt es an einer Anspruchsgrundlage. Auf die von den Parteien und dem Landesarbeitsgericht problematisierte Frage, ob bei dem gemäß § 4 Abs. 1 TzBfG vorzunehmendem Vergleich zwischen der (alters-)teilzeitbeschäftigten Klägerin und einer vollzeitbeschäftigten Lehrkraft auf die Wochenarbeitszeit von 25 Unterrichtsstunden nach der ArbZVO-Lehr oder auf die durch den Arbeitsplatzsicherungstarifvertrag Schulen LSA auf 20,5 Unterrichtsstunden abgesenkte Unterrichtsverpflichtung abzustellen ist, kommt es darum nicht an.

15I. Die Klage ist mit dem gestellten Antrag zulässig. Der Antrag, einem Arbeitszeitkonto Zeitstunden gutzuschreiben bzw. dessen Saldo um eine genau genannte Anzahl von Zeitstunden zu erhöhen, ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Dies gilt jedenfalls, solange der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem die Stunden bisher nicht verbucht sind, tatsächlich aber noch gutgeschrieben werden können ( - Rn. 10, AP TVöD § 6 Nr. 2 = EzA EntgeltfortzG § 2 Nr. 6; - 5 AZR 766/09 - Rn. 11, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3). Nach Nr. 1.1 und 5.3 Flexi-Erlass können Mehrstunden unter bestimmten Voraussetzungen auf das nächste Schuljahr übertragen werden.

16II. Die Klage ist unbegründet. Es fehlt an einer Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin, ihr für die Klassenfahrt eine Gutschrift auf ihrem Arbeitszeitkonto zu erteilen.

171. § 4 Abs. 2 ArbZVO-Lehr regelt nur die Abgeltung von Unterrichtsstunden. Unterrichtsstunden sind nach § 3 Abs. 1 ArbZVO-Lehr die wöchentlich im Rahmen der Regelstundenzahl zu erteilenden Unterrichtsstunden. Auf Klassenfahrten erbrachte Arbeitsleistungen werden deshalb von dieser Norm nicht erfasst.

182. § 10 Abs. 3 Satz 1 TV-L findet gemäß § 44 Nr. 2 Satz 1 TV-L für Lehrkräfte ausdrücklich keine Anwendung.

193. Auch aus dem Flexi-Erlass ergibt sich kein Anspruch der Klägerin, ihrem Arbeitszeitkonto 2,7 weitere Unterrichtsstunden gutzuschreiben. Nach Nr. 2.1 Flexi-Erlass bezieht sich dieser ausschließlich auf die Unterrichtsverpflichtung von Lehrkräften. Durch andere dienstliche Tätigkeiten wie etwa Pausenaufsichten entstehen weder Mehr- noch Minderzeiten, soweit nicht in Nr. 3 Flexi-Erlass für die Durchführung von Prüfungen eine andere Regelung getroffen worden ist. In Nr. 2.4 Flexi-Erlass ist ausdrücklich geregelt, dass Mehr- und Minderzeiten für die jeweils beteiligten Lehrkräfte nicht für die Teilnahme an Klassenfahrten entstehen.

204. Auch eine vertragliche Abrede über die Führung eines Arbeitszeitkontos besteht nicht.

21a) Ein Arbeitnehmer hat aus § 611 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf korrekte Führung des Arbeitszeitkontos, sofern dieses nach der zugrunde liegenden Abrede der Vertragsparteien den Vergütungsanspruch verbindlich bestimmt ( - Rn. 10, AP BGB § 611 Feiertagsvergütung Nr. 1). Ein Arbeitszeitkonto gibt nämlich den Umfang der vom Arbeitnehmer geleisteten Arbeit wieder und drückt damit - in anderer Form - seinen Vergütungsanspruch aus ( - Rn. 13, AP BGB § 611 Arbeitszeit Nr. 36 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 4; - 5 AZR 766/09 - Rn. 16, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3; - 5 AZR 521/09 - Rn. 13, AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 195 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 2).

22b) § 5 des Altersteilzeitvertrages enthält eine solche Abrede zu einem Arbeitszeitkonto, das den Vergütungsanspruch verbindlich bestimmt, nicht. Danach sind lediglich die von der Klägerin im Rahmen der Notwendigkeiten in der Dienststelle zusätzlich geleisteten Arbeitsstunden innerhalb der folgenden drei Monate durch entsprechende Freizeit auszugleichen. Freizeitausgleich ist bezahlte Freistellung von der Arbeitspflicht ( - Rn. 11, EzA BGB 2002 § 611 Mehrarbeit Nr. 4). Der Freizeitausgleich erfolgt durch Reduzierung der Sollarbeitszeit ( - Rn. 17, AP BGB § 611 Arbeitszeit Nr. 35 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 1), setzt jedoch nicht die Einrichtung eines Arbeitszeitkontos voraus. Darüber hinaus sind die im Rahmen der Klassenfahrt im April 2008 von der Klägerin erbrachten zusätzlichen Arbeitsstunden nicht „in der Dienststelle“ geleistet worden.

23III. Der Antrag der Klägerin, ihrem Arbeitszeitkonto 2,7 Stunden gutzuschreiben, kann auch nicht dahin ausgelegt werden, dass sie eine Vergütung der streitbefangenen Stunden verlangt. Die Klägerin hat von Anfang an - beginnend mit dem Schreiben vom  - stets nur „Plusstunden“ als Freizeitausgleich begehrt und auch prozessual ausschließlich ihren Antrag hierauf gerichtet, ohne erkennen zu lassen, dass es ihr um die Bezahlung der streitbefangenen Stunden geht. Darüber hinaus läge bei einem solchen Begehren ein Wechsel im Streitgegenstand vor (vgl.  - Rn. 10, EzA BGB 2002 § 611 Mehrarbeit Nr. 4), der in der Revisionsinstanz nicht mehr erfolgen kann.

IV. Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BB 2012 S. 1536 Nr. 24
QAAAE-10216