OFD Frankfurt/M. - S 2295 A – 15 – St 513

Anwendung des Progressionsvorbehalts nach § 32b Abs. 1 Nr. 2 und 3 EStG

1. Progressionsvorbehalt bei zeitweiser unbeschränkter Einkommensteuerpflicht

Nach § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG unterliegen alle erzielten ausländischen Einkünfte, die im VZ nicht der deutschen Einkommensteuer unterlegen haben, dem Progressionsvorbehalt. Ausgenommen von der Anwendung sind Einkünfte, die nach einem sonstigen zwischenstaatlichen Übereinkommen im Sinne der Nr. 4 steuerfrei sind und die nach diesem Übereinkommen nicht unter dem Vorbehalt der Einbeziehung bei der Berechnung der Einkommensteuer stehen.

Dies gilt nach dem Gesetzeswortlaut unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige außerhalb des Zeitraums der unbeschränkten Steuerpflicht inländische Einkünfte i. S. d. § 49 EStG bezogen hat und damit beschränkt oder mangels entsprechender Einkünfte in Deutschland gar nicht steuerpflichtig war.

Beispiel:

Ein in Frankreich ansässiger Steuerpflichtiger (S) arbeitet vom bis zum bei einem deutschen Arbeitgeber in Frankfurt und bewohnt für diese Zeit in Deutschland eine von ihm gekaufte Eigentumswohnung. Nach seiner Rückkehr nach Frankreich vermietet er die Wohnung in Frankfurt an einen deutschen Kollegen.

Lösung:

In der Zeit vom bis ist er durch seinen inländischen Wohnsitz unbeschränkt steuerpflichtig. Bis dahin war er in Deutschland überhaupt nicht steuerpflichtig und danach wird er aufgrund inländischer Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG beschränkt steuerpflichtig.

Für beide Jahre sind Veranlagungen zur unbeschränkten Steuerpflicht durchzuführen, für das Jahr 2009 sind gem. § 2 Abs. 7 S. 3 EStG auch die Vermietungseinkünfte in diese Veranlagung miteinzubeziehen.

Bei beiden Veranlagungen unterliegen die ausländischen Einkünfte des gesamten Kalenderjahres, die nicht der deutschen Einkommensteuer unterlegen haben (z. B. Arbeitslohn in Frankreich vor und nach der Tätigkeit in Deutschland; Einkünfte aus der Vermietung eines Grundstücks in Frankreich) nach § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG dem Progressionsvorbehalt.

Die Anwendung des Progressionsvorbehalts ist vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollt, da der partiell unbeschränkt Steuerpflichtige alle Jahresfreibeträge in voller Höhe bekommt und ohne Progressionsvorbehalt nicht mit dem ganzjährig unbeschränkt Steuerpflichtigen gleichgestellt würde.

Die nach deutschem Steuerrecht zu ermittelnden positiven oder negativen Progressionseinkünfte sind im Mantelbogen ESt 1 A bei Kz. 18/122 einzutragen. § 2a Abs. 1 EStG ist zu beachten.

Der ( BStBl 2003 II, 302), ( BStBl 2002 II, 660) und ( BStBl 2004 II, 549) bestätigt, dass auch im Falle einer durch Zu- oder Wegzugs nur zeitweise bestehenden unbeschränkten Steuerpflicht die im Kalenderjahr außerhalb der unbeschränkten Steuerpflicht erzielten Einkünfte im Wege des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen sind. Die Anwendung des § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG setzt abkommensrechtlich lediglich voraus, dass das einschlägige DBA die Berücksichtigung eines Progressionsvorbehalts nicht verbietet – die Gestattung der Anwendung des Progressionsvorbehalts durch ein DBA ist nicht Voraussetzung.

2. Progressionsvorbehalt für steuerfreie DBA-Einkünfte

Bei ganzjährig unbeschränkter Steuerpflicht ist § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG einschlägig. Bezieht der Steuerpflichtige nach einem DBA in Deutschland freigestellte (und daher steuerfreie) ausländische Einkünfte, so kommt eine Anwendung des Progressionsvorbehalts nur nicht in Betracht, wenn das entsprechende DBA bei der Freistellungsmethode die Anwendung ausdrücklich ausschließt. Die Normierung des Progressionsvorbehalts in den jeweiligen DBA ist nicht Voraussetzung für die Anwendung.

Im Rahmen des Progressionsvorbehalts sind in der Regel auch ausländische Verluste zu berücksichtigen, die im Inland nicht der Besteuerung unterliegen (negativer Progressionsvorbehalt).

Die dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte (siehe auch zur Ermittlung Einkommensteuer/aktuelle Informationen/aktueller Hinweis vom ) sind in die Anlage AUS zu Kz. 19/29.810 bis 813 getrennt nach Staat, Einkunftsquelle und Einkunftsart einzutragen. Soweit jedoch Arbeitslohn vorliegt, sind die Einnahmen in die Anlage N (ab VZ 2011 zusätzlich Anlage N-AUS) zu Kz. 47/48.139 und die Werbungskosten unter Kz. 87.57 bzw. 88.57 einzutragen.

3. Einschränkung des positiven und negativen Progressionsvorbehalts

Zusammen mit der Änderung des § 2a EStG (Hinweis auf neue Karteikarte zum § 2a EStG) durch das JStG 2009 wurde in § 32b Abs. 1 der S. 2 EStG eingefügt.

Die Anwendung des Progressionsvorbehalts bei nach DBA steuerfreien negativen und positiven ausländischen Einkünften, welche aus einem EU- oder EWR-Mitgliedstaat bezogen werden, wird bei bestimmten Einkünften ausgeschlossen.

Es handelt sich um folgende Einkünfte aus:

  • einer land- und forstwirtschaftlichen Betriebsstätte

  • einer gewerblichen Betriebsstätte, die nicht die Aktivitätsklausel des § 2a Abs. 2 S. 1 EStG erfüllt (sog. passiv tätige Betriebsstätte)

  • der Vermietung oder Verpachtung von unbeweglichem Vermögen oder Sachinbegriffen

  • der entgeltlichen Überlassung von Schiffen unter bestimmten Voraussetzungen

  • dem Ansatz des niedrigeren Teilwerts oder der Übertragung eines zu einem Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsguts i. S. der Nr. 3 und 4

Die Anwendung des § 32b Abs. 1 S. 2 EStG hat ab dem VZ 2008 zu erfolgen (§ 52 Abs. 43a S. 2 EStG).

Beispiel:

S erzielt in 2007 und 2008 aus der Vermietung einer Ferienwohnung in Österreich einen Verlust in Höhe von 5.000 € (keine Liebhaberei). Für 2007 erfolgte

a.) im Januar 2008 eine gesonderte bestandskräftige Feststellung des Verlusts nach § 2a EStG

b.) noch keine Veranlagung

Lösung:

Lt. DBA Österreich gilt für Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen die Freistellungsmethode.

a.) Nach § 32b Abs. 1 S. 2 EStG a. F. ist für den VZ 2007 der Verlust grundsätzlich im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen. Der negative Progressionsvorbehalt wird jedoch durch § 2a Abs. 1 Nr. 6a EStG a. F. ausgeschlossen. Eine Anwendung des § 2a Abs. 1 Nr. 6a EStG n. F. scheidet aus, da die Steuer bereits bestandskräftig festgesetzt wurde (§ 52 Abs. 3 S. 3 EStG).

b.) Nach § 32b Abs. 1 S. 2 EStG a. F. ist für den VZ 2007 der Verlust im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen. Ein Ausschluss durch § 2a Abs. 1 Nr. 6a EStG a. F. scheidet aus, da in Fällen, in denen die Steuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt wurde, die Neufassung anzuwenden ist (§ 52 Abs. 3 S. 2 EStG).

Nach § 32b Abs. 1 S. 2 EStG n. F. ist für den VZ 2008 kein negativer Progressionsvorbehalt anzusetzen, jedoch in den Folgejahren, wenn ein Überschuss aus Vermietung und Verpachtung erzielt wird, auch kein positiver Progressionsvorbehalt mehr zu berücksichtigen.

BStBl 2003 II, 302

BStBl 2002 II, 660

BStBl 2004 II, 549

OFD Frankfurt/M. v. - S 2295 A – 15 – St 513

Fundstelle(n):
GAAAE-09085