Hinzuziehung eines Dritten nach § 174 Abs. 5 AO
1. Allgemeines
§ 174 Abs. 4 AO betrifft die Fälle, in denen das Finanzamt einen aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ergangenen Steuerbescheid aufgrund eines Rechtsbehelfs oder eines Antrags des Stpfl. zu dessen Gunsten aufhebt oder ändert. Aus dieser Änderung zugunsten des Stpfl. kann das Finanzamt aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen Folgerungen ziehen.
Nach § 174 Abs. 5 Satz 1 AO ist § 174 Abs. 4 AO auch gegenüber einem Dritten anwendbar, wenn dieser an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheides geführt hat, beteiligt war. Die Vorschrift gibt eine eigenständige Regelung der Zulässigkeit der Hinzuziehung oder Beiladung des Dritten ( BFH/NV 1987, 479); die Voraussetzungen der §§ 360 AO, 60 FGO brauchen nicht vorzuliegen.
Der Erlass oder die Änderung eines Steuerbescheids gegenüber dem Dritten setzt voraus, dass dieser vor Ablauf der Festsetzungsfrist für den gegen ihn gerichteten Steueranspruch zu dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, hinzugezogen oder beigeladen worden ist ( BFH/NV 2001 S. 137).
2. Hinzuziehung zum Einspruchsverfahren
Sobald in einem Einspruchsverfahren erkennbar wird, dass ein bei dem Einspruchsführer erfasster bestimmter Sachverhalt gegebenenfalls bei einer Steuerfestsetzung eines Dritten zu berücksichtigen ist, muss der Dritte zum Verfahren nach § 174 Abs. 5 AO hinzugezogen werden, damit bei ihm die entsprechenden steuerlichen Folgerungen nach § 174 Abs. 4 AO gezogen werden können (vgl. hierzu im weiteren AEAO zu § 174 AO Nrn. 6 und 7).
Ist die Steuerfestsetzung zu ändern oder aufzuheben, weil die entsprechenden steuerlichen Folgerungen beim Dritten zu berücksichtigen sind, setzt eine Änderung der Steuerfestsetzung des Dritten nach § 174 Abs. 4 und Abs. 5 AO neben der förmlichen Hinzuziehung voraus, dass ihm die Entscheidung über den Einspruch als Beteiligten (§ 359 Nr. 2 AO) bekannt gegeben wird.
Das Einspruchsverfahren ist stets mit einer (stattgebenden) Einspruchsentscheidung abzuschließen. Diese ist sowohl dem Einspruchsführer als auch dem hinzugezogenen Dritten bekanntzugeben, selbst wenn sich nur beim Steuerpflichtigen steuerliche Folgerungen ergeben sollten. Dabei ist das Steuergeheimnis (§ 30 AO) zu wahren; andere steuerliche Verhältnisse als die des strittigen Sachverhalts sind dem Dritten nicht zu offenbaren.
In der Einspruchsentscheidung ist der Dritte darauf hinzuweisen, dass ihm die Entscheidung als Beteiligten bekannt gegeben wird und die entsprechenden steuerlichen Folgerungen aus dem bestimmten Sachverhalt bei seiner Veranlagung nach § 174 Abs. 4 und Abs. 5 AO gezogen werden. Ferner ist er darüber zu belehren, dass Einwendungen zum Ansatz des bestimmten Sachverhalts und dessen rechtlicher Würdigung bei seiner Veranlagung nur mit einer Klage gegen diese Einspruchsentscheidung geltend gemacht werden können ( BStBl 2009 II S. 732 und vom BStBl 2010 II S. 109).
Ein Änderungsbescheid nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 a AO, der allerdings auch dem hinzugezogenen Dritten bekanntzugeben wäre, beendet das Verfahren nur dann, wenn er auch die Rechte des Hinzugezogenen wahrt, das heißt, wenn dadurch seinem Antrag entsprochen wird oder er der Änderung zugestimmt hat ( BStBl 1991 II S. 605 und vom BStBl. 1993 II S. 817). Dies dürfte sich wegen der widerstreitenden Interessenlage auf Ausnahmefälle beschränken.
3. Beiladung zu einem Klageverfahren
Erkennt das Finanzamt, dass es im FG-Verfahren ganz oder zum Teil unterliegen könnte und der bestimmte Sachverhalt bei einem Dritten berücksichtigt werden könnte, kann es die Beiladung des Dritten beim Finanzgericht gem. § 174 Abs. 5 AO beantragen. Das Finanzgericht ist von sich aus hierzu nicht befugt (vgl. , BStBl 1991 II S. 888).
4. Beteiligung an einem Änderungsverfahren
Tritt im Rahmen einer vom Steuerpflichtigen beantragten Änderung (z. B. nach § 164 Abs. 2 AO) die Frage auf, ob ein Bescheid zugunsten des Steuerpflichtigen aufzuheben oder zu ändern ist, weil ein bestimmter Sachverhalt bei einem Dritten zu erfassen ist oder weil sich aufgrund der nunmehrigen rechtlichen Beurteilung beim Steuerpflichtigen nachteilige Folgen beim Dritten ergeben, ist dieser nach § 174 Abs. 5 AO zum Verfahren hinzuzuziehen; hierbei ist er über die beabsichtigte Sach- und Rechtsbehandlung in Kenntnis zu setzen, wobei ihm die Auswirkungen darzulegen sind, die sich für ihn ergeben. Da das Verfahren nur durch einen Änderungsbescheid abgeschlossen werden kann, werden die Rechte des hinzugezogenen Dritten nur dann gewahrt, wenn ihm ein verkürzter Änderungsbescheid oder ein besonderer Bescheid (jeweils mit Rechtsbehelfsbelehrung) bekannt gegeben wird, aus dem der bestimmte Sachverhalt und dessen steuerliche Würdigung insoweit hervorgehen, als sich Auswirkungen auf seine Steuerfestsetzung ergeben. Die Bekanntgabe der übrigen Teile des Änderungsbescheids unterbleibt im Hinblick auf das Steuergeheimnis.
Der Änderungsbescheid an den Dritten muss den Hinweis enthalten, dass die entsprechenden steuerlichen Folgen aus dem bestimmten Sachverhalt bei seiner Veranlagung nach § 174 Abs. 4 und Abs. 5 AO gezogen werden. Er ist des weiteren darüber zu belehren, dass Einwendungen zum Ansatz des bestimmten Sachverhalts und dessen rechtlicher Würdigung bei seiner Veranlagung nur gegen diesen verkürzten Änderungsbescheid bzw. besonderen Bescheid geltend gemacht werden können.
Ergeben sich beim Dritten doch keine steuerlichen Folgerungen, ist ihm ebenfalls ein besonderer Bescheid mit einer entsprechenden Aussage bekanntzugeben (z. B.: „Die Überprüfung der Festsetzung der Einkommensteuer 20__ des Steuerpflichtigen X, hat ergeben, dass steuerliche Folgerungen bei Ihnen nicht in Betracht kommen. Eine Hinzuziehung in der gleichen Sache zu einem etwaigen Rechtsbehelfsverfahren des Steuerpflichtigen X bleibt jedoch vorbehalten.”). Damit geht die Änderungsmöglichkeit nach § 174 Abs. 4 und Abs. 5 AO oder § 174 Abs. 3 AO beim Dritten auch dann nicht verloren, wenn aufgrund eines Einspruchs des Steuerpflichtigen eine erneute rechtliche Überprüfung stattfindet.
5. Besonderheit bei der Betriebsprüfung
Eine Betriebsprüfung umfasst vielfach auch Steueransprüche, die bereits von der Festsetzungsverjährung bedroht sind. Durch den Beginn der Betriebsprüfung wird zwar die Festsetzungsverjährung gehemmt (§ 171 Abs. 4 AO); diese Rechtsfolge erstreckt sich allerdings nicht auf einen Dritten. Beantragt der Steuerpflichtige während der Betriebsprüfung eine Änderung zu seinen Gunsten und können sich dadurch steuerliche Folgerungen bei einem Dritten ergeben, ist der Dritte frühzeitig zu beteiligen. In einem solchen Falle sollte der Dritte schon während der Prüfung zu dem Änderungsverfahren, das bereits durch den Antrag ausgelöst wird, hinzugezogen werden. Für die Hinzuziehung ist die Amtsprüfstelle zuständig; diese ist vom Prüfer zu unterrichten.
Eine spätere Hinzuziehung, gegebenenfalls erst im Einspruchsverfahren, bringt die Gefahr mit sich, dass beim Dritten bereits Festsetzungsverjährung eingetreten ist (siehe BStBl 1993 II S. 817).
Die bisherige Karte 1 (Kontroll-Nr. 24/2002) bitte ich auszureihen.
Bayerisches Landesamt für Steuern v. - S 0352.2.1–8/1 St 42
Fundstelle(n):
CAAAE-09082