BGH Beschluss v. - EnVR 10/10

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Instanzenzug: OLG Brandenburg, Kart W 1/09 vom

Gründe

I. Die Betroffene betreibt ein Elektrizitätsverteilernetz. Mit Bescheid vom erhielt sie eine auf den Daten des Geschäftsjahres 2004 beruhende und später bis zum verlängerte Genehmigung der Entgelte für den Netzzugang gemäß § 23a EnWG. Für die Folgezeit beantragte sie am die Teilnahme am vereinfachten Verfahren der Anreizregulierung gemäß § 24 ARegV; dem Antrag gab die Landesregulierungsbehörde am statt. Ferner beantragte die Betroffene am die Anerkennung eines Härtefalls nach § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ARegV wegen gestiegener Kosten für die Beschaffung von Verlustenergie.

Mit Bescheid vom legte die Landesregulierungsbehörde die einzelnen Erlösobergrenzen für die Jahre 2009 bis 2013 niedriger als von der Betroffenen begehrt fest. Sie begründete dies im Rahmen der Ermittlung des Ausgangsniveaus nach § 34 Abs. 3 ARegV unter anderem mit Kürzungen bei den Kosten für die Beschaffung von Verlustenergie. Den insoweit gestellten Härtefallantrag lehnte sie ab.

Auf die hiergegen gerichtete und nur auf die Frage der Berücksichtigungsfähigkeit der gestiegenen Kosten für die Beschaffung von Verlustenergie bezogene Beschwerde der Betroffenen hat das Beschwerdegericht den Bescheid der Landesregulierungsbehörde aufgehoben und diese verpflichtet, die Erlösobergrenzen unter Berücksichtigung seiner Rechtsauffassung neu zu bestimmen. Die weitergehende Beschwerde der Betroffenen hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen.

Hiergegen richten sich die - vom Beschwerdegericht zugelassenen - Rechtsbeschwerden der Landesregulierungsbehörde und der Bundesnetzagentur. Seit dem sind nach dem Verwaltungsabkommen über die Wahrnehmung bestimmter Aufgaben nach dem Energiewirtschaftsgesetz zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Land Brandenburg (GVBl. Brdbg. I 2011 Nummer 8) unter anderem die Aufgaben der Landesregulierungsbehörde im Rahmen der Bestimmung der Entgelte für den Netzzugang im Wege der Anreizregulierung nach § 21a EnWG auf die Bundesnetzagentur übertragen worden. Die Betroffene hat die von ihr eingelegte Rechtsbeschwerde zurückgenommen.

II. Die Rechtsbeschwerden der - nach Anhängigkeit des Rechtsbeschwerdeverfahrens infolge der Übernahme der Aufgaben der Landesregulierungsbehörde im Wege der Organleihe an deren Stelle getretenen - Bundesnetzagentur haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur vollumfänglichen Zurückweisung der Beschwerde der Betroffenen gegen den Bescheid der Landesregulierungsbehörde.

1. Das Beschwerdegericht hat angenommen, dass die Landesregulierungsbehörde im Rahmen der - von der Betroffenen mit der Beschwerde angegriffenen - Bestimmung des Ausgangsniveaus der Erlösobergrenzen die Plankosten für die Beschaffung von Verlustenergie für das Jahr 2009 nicht habe berücksichtigen müssen. Die Landesregulierungsbehörde habe auch den insoweit gestellten Härtefallantrag zu Recht abgelehnt, weil die Betroffene bereits nicht dargelegt habe, dass die Kostensteigerung unter Berücksichtigung aller Umstände und bei einer Zusammenschau aller Kosten für sie eine unzumutbare Härte darstelle. Gleichwohl sei der angefochtene Bescheid aufzuheben und die Landesregulierungsbehörde zu einer Neubestimmung der Erlösobergrenzen zu verpflichten, weil der Bescheid aus anderen Gründen fehlerhaft sei. Die Landesregulierungsbehörde habe bei der Ermittlung der Erlösobergrenzen zu Unrecht den generellen sektoralen Produktivitätsfaktor nach § 9 ARegV berücksichtigt, obwohl es hierfür an einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung fehle; insbesondere stelle § 21a Abs. 6 EnWG keine solche dar. Des Weiteren widerspreche die von der Landesregulierungsbehörde auf der Grundlage ihrer Festlegung vom anerkannte Anhebung des Zinssatzes für die Verzinsung des Eigenkapitals gemäß § 7 Abs. 6 StromNEV den Vorgaben des § 34 Abs. 3 ARegV, weshalb die Landesregulierungsbehörde insoweit bei der Neubestimmung der Erlösobergrenzen eine Kürzung vorzunehmen habe. Das Verschlechterungsverbot stehe dem nicht entgegen, weil Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens nicht eine einzelne Kostenposition, sondern die Höhe der Erlösobergrenze sei. Aufgrund dessen könnten im Beschwerdeverfahren auch solche Einzelpunkte überprüft werden, die nicht mit der Beschwerde angegriffen worden seien.

2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Es kann dahinstehen, ob das Beschwerdegericht zu einer Überprüfung der von ihm beanstandeten Teile des Genehmigungsbescheids, nämlich der Berücksichtigung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors bei der Ermittlung der Erlösobergrenzen nach § 9 ARegV und der Anpassung des Eigenkapitalzinssatzes an die Festlegung vom , befugt war, obwohl die Betroffene ihre Beschwerde nicht auf diese Punkte gestützt hat. Die angefochtene Entscheidung ist bereits deshalb aufzuheben, weil das Beschwerdegericht den Genehmigungsbescheid in der Sache zu Unrecht als fehlerhaft angesehen hat.

b) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts hat die Landesregulierungsbehörde bei der Ermittlung der Erlösobergrenzen den generellen sektoralen Produktivitätsfaktor nach § 9 ARegV zu Recht berücksichtigt.

aa) Der Senat hat zwar mit Beschluss vom (EnVR 48/10, RdE 2011, 308 Rn. 36 ff. - EnBW Regional AG) entschieden, dass § 21a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 EnWG in Verbindung mit § 21a Abs. 6 Satz 2 Nr. 5 EnWG aF nicht dazu ermächtigt hat, einen generellen sektoralen Produktivitätsfaktor - wie in § 9 Abs. 1 ARegV aF vorgegeben - unter Berücksichtigung der Abweichung des netzwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritts vom gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritt zu ermitteln. Diese Rechtsprechung ist aber durch das Zweite Gesetz zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften vom (BGBl. I S. 3034) gegenstandslos geworden, weil der Gesetzgeber darin mit § 21a Abs. 4 Satz 7, Abs. 6 Satz 2 Nr. 5 EnWG nF mit Rückwirkung zum eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Einbeziehung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors in die Erlösobergrenzen geschaffen und § 9 ARegV neu erlassen hat. Die konkrete Festlegung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors in § 9 Abs. 2 ARegV und dessen konkrete Berechnung durch die Landesregulierungsbehörde für die einzelnen Jahre der Regulierungsperiode sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Im Einzelnen:

bb) Der gerichtlichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit des § 9 ARegV steht nicht entgegen, dass die Norm in der geltenden Fassung vom parlamentarischen Gesetzgeber verabschiedet worden ist. An der einheitlichen Einordnung des Normengefüges als Verordnung ändert dies nichts. Weder die Wahl des zutreffenden Rechtsweges noch die Prüfungskompetenz des angerufenen Gerichts oder der anzuwendende Prüfungsmaßstab hängen davon ab, ob Änderungen im parlamentarischen Verfahren vorgenommen wurden. Vielmehr ist auch der parlamentarische Gesetzgeber bei der Änderung einer Verordnung an die Grenzen der Ermächtigungsgrundlage des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG gebunden. Die Verordnung ist umfassend auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht zu überprüfen (vgl. BVerfGE 114, 196, 239).

cc) § 9 Abs. 2 ARegV ist nicht bereits deswegen rechtswidrig, weil § 9 Abs. 1 ARegV nicht in der vom parlamentarischen Gesetzgeber beschlossenen Fassung (BT-Drucks. 17/7984, S. 2 und BT-Plenarprotokoll 17/146, S. 17361B) verkündet worden ist, indem nach den Wörtern "aus der Abweichung des netzwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritts" die Wörter "vom gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritt" fehlen. Hierbei handelt es sich um ein offensichtliches Redaktionsversehen, das bereits im Regierungsentwurf (BT-Drucks. 17/7632, S. 3) enthalten war und im Wege der Berichtigung behoben werden kann (vgl. nunmehr BGBl. I 2012 S. 131). Aufgrund dessen ist § 9 Abs. 1 ARegV in diesem Sinne auszulegen. Zudem ist für die erste und zweite Regulierungsperiode als speziellere Regelung ohnehin § 9 Abs. 2 ARegV maßgeblich, der mit zutreffendem Inhalt verkündet worden ist und für dessen Regelungsinhalt ein Rückgriff auf § 9 Abs. 1 ARegV nicht erforderlich ist.

dd) Die Berücksichtigung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors bei der Ermittlung der Erlösobergrenzen nach § 9 ARegV nF ist durch die Ermächtigungsgrundlage des § 21a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 EnWG in Verbindung mit § 21a Abs. 6 Satz 2 Nr. 5 EnWG nF gedeckt.

(1) Nach der Regulierungsformel in Anlage 1 zu § 7 ARegV nF modifiziert der generelle sektorale Produktivitätsfaktor den nach Maßgabe des § 8 ARegV berechneten Wert für die allgemeine Geldwertentwicklung. Er wird gemäß § 9 Abs. 1 ARegV (in der berichtigten Fassung) aus der Abweichung des netzwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritts vom gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritt und der gesamtwirtschaftlichen Einstandspreisentwicklung von der netzwirtschaftlichen Einstandspreisentwicklung ermittelt. Für die ersten beiden Regulierungsperioden hat der Verordnungsgeber die Höhe des Produktivitätsfaktors in § 9 Abs. 2 ARegV selbst festgelegt.

(2) Mit dieser Regelung hat der Verordnungsgeber die ihm in § 21a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 EnWG eingeräumte Verordnungsbefugnis nicht überschritten. Diese Vorschrift räumt ihm ausdrücklich die Ermächtigung ein, die Methode der Anreizregulierung näher auszugestalten. Diese Ermächtigung wird in § 21a Abs. 6 Satz 2 Nr. 5 EnWG nF dahin näher bestimmt, dass der Verordnungsgeber insbesondere Regelungen zum Verfahren bei der Berücksichtigung der Inflationsrate unter Einbeziehung der Besonderheiten der Einstandspreisentwicklung und des Produktivitätsfortschritts in der Netzwirtschaft treffen kann. Nichts anderes ist in § 9 Abs.1 ARegV in Verbindung mit Anlage 1 zu § 7 ARegV nF erfolgt. Damit hat der Gesetzgeber zugleich was auch § 21a Abs. 4 Satz 7 EnWG nF zeigt - den generellen sektoralen Produktivitätsfaktor als Korrekturfaktor der allgemeinen Geldentwertung und nicht als Effizienzvorgabe im Sinne des § 21a Abs. 5 EnWG eingeordnet (so auch BT-Drucks. 17/7632, S. 4). Aufgrund dessen ist es nur konsequent und begegnet keinen Bedenken, dass der generelle sektorale Produktivitätsfaktor in der Regulierungsformel auch auf andere als beeinflussbare Kosten bezogen wird.

ee) Die Neuregelung ist rückwirkend zum anwendbar.

(1) Die Rückwirkung der Neuregelung ergibt sich aus dem Wortlaut des Änderungsgesetzes vom (BGBl. I S. 3034). Der in dessen Artikel 2 neu gefasste § 9 ARegV soll ersichtlich für die gesamte erste Regulierungsperiode und nicht erst ab dem Inkrafttreten des Gesetzes am gelten. Dies folgt insbesondere aus § 9 Abs. 2 ARegV, wonach der generelle sektorale Produktivitätsfaktor in der ersten Regulierungsperiode jährlich 1,25% beträgt, aber auch aus § 9 Abs. 5 ARegV, der die Einbeziehung des Produktivitätsfaktors in die Erlösobergrenzen durch die "Potenzierung" des Wertes nach Absatz 2 mit dem jeweiligen Jahr der Regulierungsperiode vorschreibt. Eine Potenzierung setzt jedoch - anders als der Oberbegriff der Multiplikation - voraus, dass die einzelnen Multiplikatoren gleich hoch sind, mithin für die einzelnen Jahre der ersten Regulierungsperiode jeweils ein Wert von 1,25% zugrundegelegt werden soll. Diese vom Gesetzgeber gewollte rückwirkende Anwendung des § 9 ARegV nF hat auch Auswirkung auf den zeitlichen Anwendungsbereich der in Artikel 1 des Änderungsgesetzes neu gefassten Ermächtigungsgrundlage für diese Vorschrift in § 21a EnWG. Denn die Rückwirkung der Verordnungsänderung bedingt zwingend die Rückwirkung der Änderung ihrer Ermächtigungsgrundlage. Dass der Gesetzgeber beides gewollt hat, ergibt sich auch aus den Gesetzgebungsmaterialien. Danach soll der vom , RdE 2011, 308 Rn. 36 ff. - EnBW Regional AG) festgestellte Mangel in der Verordnungsermächtigung für die Regelung des § 9 ARegV geheilt werden (BT-Drucks. 17/7632, S. 4). Dass diese Heilung nicht erst ab Inkrafttreten des Änderungsgesetzes, sondern rückwirkend erfolgen sollte, ergibt sich daraus, dass Ziel des Gesetzes die Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Berücksichtigung eines generellen sektoralen Produktivitätsfaktors für die laufende Regulierungsperiode ist (BT-Drucks. 17/7632, S. 1). Dass damit in zeitlicher Hinsicht nur einzelne Jahre der ersten Regulierungsperiode umfasst sein sollten, lässt sich den Materialien nicht entnehmen.

(2) Die rückwirkende Anwendbarkeit des § 9 ARegV nF begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Neuregelung hat nur die Rechtslage wiederhergestellt, die bis zu der Senatsentscheidung vom (EnVR 48/10, RdE 2011, 308 - EnBW Regional AG) der allgemeinen Handhabung durch die Regulierungsbehörden und der Rechtsauffassung der meisten Oberlandesgerichte entsprach (vgl. nur OLG Düsseldorf; RdE 2011, 100, 106 f.; OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom - 11 W 4/09, [...], Rn. 42 ff.; OLG Jena, Beschluss vom - 2 Kart 11/09, [...], Rn. 50 ff.; OLG München, ZNER 2010, 604, 605 ff.; OLG Schleswig, Beschluss vom - 16 Kart 34/09, [...], Rn. 48 ff.; OLG Stuttgart, ZNER 2010, 296, 297 ff.; a.A. OLG Brandenburg, ZNER 2010, 80, 82 f.; OLG Celle, ZNER 2010, 389 ff.; OLG Naumburg, RdE 2010, 150, 154 f.). In der Zeit bis zum Erlass der Neuregelung konnte wegen deren unverzüglicher Ankündigung kein schutzwürdiges Vertrauen entstehen (vgl. BVerfGE 19, 187, 196; 81, 228, 239). Der Bundesrat hat bereits mit Entschließung vom die Bundesregierung gebeten, baldmöglichst einen Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften vorzulegen, in dem die Verordnungsermächtigung des § 21a EnWG um Regelungen zur Anwendung und Bestimmung eines generellen sektoralen Produktivitätsfaktors erweitert wird (BR-Drucks. 395/11 (Beschluss)). Dem sind die Regierungsfraktionen mit dem Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften vom (BT-Drucks. 17/7632) nachgekommen, der in der Fassung der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses für Wirtschaft und Technologie (BT-Drucks. 17/7984) vom Gesetzgeber verabschiedet worden ist. Das Gesetz wurde sodann am im Bundesgesetzblatt verkündet.

ff) Die konkrete Festlegung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors in § 9 Abs. 2 ARegV nF ist nicht zu beanstanden.

(1) Der Verordnungsgeber war im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage des § 21a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 in Verbindung mit Satz 2 Nr. 5 EnWG nF berechtigt, den Produktivitätsfaktor für die erste Regulierungsperiode pauschal festzulegen. Der Vorschrift des § 9 Abs. 2 ARegV nF liegt eine Einschätzung des Verordnungsgebers zugrunde, die ersichtlich prognostischen Charakter hat. Aufgrund dessen ist sie gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar. Hierbei kann auf normative Texte und amtliche Dokumente zurückgegriffen werden (vgl. BVerfGE 101, 1, 38 f.). Im Einzelnen handelt es sich hierbei um den - vom parlamentarischen Gesetzgeber selbst in Auftrag gegebenen - Bericht der Bundesnetzagentur nach § 112a EnWG und die Empfehlung der OECD zur Verwendung des Törnquist-Index bei der Produktivitätsmessung.

(2) Der Verordnungsgeber hat seiner Entscheidung - wie in § 112a Abs. 1 EnWG vorgesehen - den nach dieser Vorschrift zu erstellenden Bericht der Bundesnetzagentur zugrunde gelegt (vgl. BR-Drucks. 417/07, S. 48 f.). Der Bericht der Bundesnetzagentur ist entsprechend § 112a Abs. 2 EnWG unter Beteiligung der Länder, der Wissenschaft und der betroffenen Wirtschaftskreise und unter Berücksichtigung der internationalen Erfahrungen erstellt worden. In dem Konsultationsverfahren zu dem Bericht nach § 112a EnWG und in den beiden Berichten vom und hat sich die Bundesnetzagentur eingehend mit den einzelnen Kritikpunkten an der wissenschaftlichen Ermittlung des sektoralen Produktivitätsfaktors befasst. Letztendlich hat die Bundesnetzagentur in dem Bericht die Verwendung des Törnquist-Index als wissenschaftlich anerkannten methodischen Ansatz für die erstmalige Ermittlung des sektoralen Produktivitätsfaktors vorgeschlagen und - jedenfalls für die ersten beiden Regulierungsperioden - die Verwendung des ebenfalls wissenschaftlich anerkannten und möglicherweise sogar genauere Ergebnisse liefernden Malmquist-Index zurückgestellt, weil dieser aufgrund seiner höheren Datenintensität für die erstmalige Ermittlung des sektoralen Produktivitätsfaktors nicht empfehlenswert sei. Zur Vermeidung von wirtschaftlichen Nachteilen für die Netzbetreiber und unter Berücksichtigung der in anderen europäischen Staaten erfolgten Festsetzung des Produktivitätsfaktors in einer Größenordnung von 1,5% bis 2% hat der Verordnungsgeber von dem von der Bundesnetzagentur ermittelten Wert von 2,54% und dem Vorschlag in deren Bericht, den Produktivitätsfaktor mit 1,5% bis 2% zu bemessen, einen deutlicheren Sicherheitsabschlag vorgenommen und den Produktivitätsfaktor für die erste Regulierungsperiode auf 1,25% festgesetzt.

(3) Dagegen bestehen keine Bedenken. Der Verordnungsgeber durfte bei seiner Festlegung von dem Törnquist-Index ausgehen. Er hat diesen wie auch den Malmquist-Index als eine international anerkannte Methode angesehen (vgl. BR-Drucks. 417/07, S. 48 f.). Hiergegen ist insbesondere unter Berücksichtigung der Empfehlung der OECD zur Verwendung des Törnquist-Index bei der Produktivitätsmessung (vgl. OECD (2001), Measuring Productivity: Measurement of Aggregate and Industry-level Productivity Growth, OECD Manual, S. 87) nichts zu erinnern.

Dies gilt auch in Bezug auf die Höhe des für die erste Regulierungsperiode festgelegten Produktivitätsfaktors. Insoweit ist eine Überschreitung der dem Verordnungsgeber einzuräumenden Einschätzungsprärogative nicht ersichtlich. Die Bundesnetzagentur hat den Produktivitätsfaktor nach dem Törnquist-Index ermittelt. Den bereits im Bericht der Bundesnetzagentur diskutierten Bedenken der Netzwirtschaft gegen die Verlässlichkeit des ermittelten Wertes von 2,54% hat der Verordnungsgeber durch den Sicherheitsabschlag in ausreichendem Maße Rechnung getragen.

gg) Der generelle sektorale Produktivitätsfaktor ist bereits im ersten Jahr der ersten Regulierungsperiode zu berücksichtigen. Dies war bereits - auch auf der Grundlage der Senatsrechtsprechung vom (EnVR 48/10, RdE 2011, 308 - EnBW Regional AG) - nach der vor dem geltenden Fassung des § 9 ARegV der Fall und ist durch das Änderungsgesetz vom (BGBl. I S. 3034) bestätigt worden.

Die Einbeziehung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors im ersten Jahr der Regulierungsperiode ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 9 Abs. 2 ARegV, wonach in der ersten Regulierungsperiode der Produktivitätsfaktor "jährlich" anzusetzen ist. Insoweit geht der Produktivitätsfaktor auch in die Regulierungsformel in Anlage 1 zu § 7 ARegV ein. Dieses Ergebnis wird durch die Begründung der Änderung der Anlage 1 zu § 7 ARegV durch die Verordnung zur Änderung der Gasnetzzugangsverordnung, der Gasnetzentgeltverordnung, der Anreizregulierungsverordnung und der Stromnetzentgeltverordnung vom (BGBl. I S. 693) bestätigt. Das darin enthaltene Berechnungsbeispiel für den Produktivitätsfaktor des Jahres 2011 schließt den Produktivitätsfaktor für das Jahr 2009 ein (BR-Drucks. 24/08 (Beschluss), S. 9). Entsprechendes ergibt sich aus der Begründung zur Einfügung von Absatz 5 in § 9 ARegV (BT-Drucks. 17/7632, S. 5).

Auch der Normzweck des § 9 ARegV spricht für dieses Auslegungsergebnis. Der generelle sektorale Produktivitätsfaktor dient der genaueren Berechnung des Parameters der allgemeinen Geldentwertung für den Bereich der Netzwirtschaft (BR-Drucks. 24/08 (Beschluss), S. 9 und BT-Drucks. 17/7632, S. 4). Da der Inflationsausgleich nach der Regulierungsformel schon für das erste Jahr durchzuführen ist, muss hierbei auch der Produktivitätsfaktor einbezogen werden. Der für den Verbraucherpreisindex maßgebliche Grundwert VPI0 ist auf das Basisjahr bezogen, für die erste Regulierungsperiode mithin gemäß § 6 Abs. 1 Satz 5 ARegV auf das Jahr 2006. Der für die einzelnen Jahre der Regulierungsperiode heranzuziehende Indexwert VPIt ist nach § 8 Satz 2 ARegV anhand des vorletzten Kalenderjahres vor dem Jahr, für das die Erlösobergrenze gilt, zu bestimmen. Für das Jahr 2009 fließt mithin der Anstieg des Verbraucherpreisindex zwischen den Jahren 2006 und 2007 in die Berechnung ein. Konsequenterweise muss auch für diesen Zeitraum bereits die Korrektur anhand des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors erfolgen.

hh) Nach Anlage 1 zu § 7 ARegV ist der generelle sektorale Produktivitätsfaktor in Analogie zu dem Quotienten aus dem Verbraucherpreisgesamtindex für das jeweilige Jahr der Regulierungsperiode (VPIt) und dem Verbraucherpreisgesamtindex für das Basisjahr (VPI0) durch Multiplikation der einzelnen Jahreswerte einer Regulierungsperiode zu bilden. Dabei ist der Produktivitätsfaktor progressiv kumuliert auf einen jeweils konstanten Basiswert anzuwenden und nicht degressiv auf das jeweilige regulatorisch abgesenkte Vorjahresniveau zu beziehen. Auch dies war bereits - auch auf der Grundlage der Senatsrechtsprechung vom (EnVR 48/10, RdE 2011, 308 - EnBW Regional AG) - nach der vor dem geltenden Fassung des § 9 ARegV bzw. der Anlage 1 zu § 7 ARegV der Fall und ist durch das Änderungsgesetz vom (BGBl. I S. 3034) mit der Einfügung von Absatz 5 in § 9 ARegV lediglich klargestellt worden (vgl. BT-Drucks. 17/7632, S. 5).

Diese Berechnungsweise ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Anlage 1 zu § 7 ARegV aF. Danach hat die Berechnung des Produktivitätsfaktors entsprechend dem Term VPIt/VPI0 zu erfolgen. Dieser Term wird jedoch auf der Grundlage eines Basisjahrs errechnet, so dass er progressiv kumuliert gebildet wird. Da der Produktivitätsfaktor der Anpassung dieses Terms an die Besonderheiten der Netzwirtschaft dient, muss auch er progressiv kumuliert gebildet werden. Diese Berechnungsweise steht auch mit dem Willen des Verordnungsgebers in Einklang, wie das konkrete Rechenbeispiel in der Begründung des Bundesrates zu seinen im weiteren Gesetzgebungsverfahren umgesetzten Vorschlägen zur Änderung der Anlage 1 zu § 7 ARegV durch die Verordnung zur Änderung der Gasnetzzugangsverordnung, der Gasnetzentgeltverordnung, der Anreizregulierungsverordnung und der Stromnetzentgeltverordnung vom zeigt (BR-Drucks. 24/08 (Beschluss), S. 9; so auch BT-Drucks. 17/7632, S. 5).

c) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts ist auch die Vorgehensweise der Landesregulierungsbehörde, bei der Neubestimmung der Erlösobergrenzen die Anpassung des Zinssatzes für die Verzinsung des Eigenkapitals gemäß § 7 Abs. 6 StromNEV anhand der Festlegung vom zu berücksichtigen, nicht zu beanstanden. Der Eigenkapitalzinssatz bestimmt sich nach der zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheids der Landesregulierungsbehörde geltenden Rechtslage, mithin nach der Festlegung vom (vgl. Senatsbeschluss vom - EnVR 13/10, Rn. 15 mwN - PVU Energienetze GmbH).

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Satz 1 EnWG.

Fundstelle(n):
PAAAE-06104