NWB Nr. 9 vom Seite 697

„Glaubenskriege”

Heinrich Steinfeld | Verantw. Redakteur | nwb-redaktion@nwb.de

Der gesetzliche Richter,

genauer gesagt das verfassungsrechtlich in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Recht auf ihn, erscheint in einem demokratischen Rechtsstaat als ebenso elementar wie selbstverständlich. So dürfte ein Verstoß gegen dieses Prinzip in heutiger Zeit weniger im Hinblick auf die zumeist klar geregelten Zuständigkeitsfragen als bei den oft etwas heiklen Vorlagepflichten an den EuGH diskutiert werden. Gleichwohl haben sich an Bundesgerichten kürzlich delikate Konstellationen der Besetzung, Nichtbesetzung oder Mehrfachbesetzung aufgetan, die eine entsprechende Rüge findiger oder streitbarer Prozessvertreter provozieren könnte bzw. hätte können; man denke an die aktuelle Doppelzuständigkeit ein und desselben Richters als Vorsitzender zweier Strafsenate des BGH oder die mehrmonatige Vakanz im Amte des BFH-Präsidenten. Noch bemerkenswerter sind Fälle, in denen Instanzgerichte Klägern die Rüge dieses Verfahrensverstoßes für den weiteren Rechtszug gleichsam in den Mund legen: Die Doppelbelastung aus Grunderwerb- und Umsatzsteuer für Empfänger von Bauerrichtungsleistungen bringt den 7. Senat des FG Niedersachsen offenbar derart in Rage, dass er die Revisionszulassung gleich mit der Anregung ausschmückt, wegen der divergierenden Rechtsprechung des BFH den Großen Senat anzurufen, und den Klägern – sollte dies nicht geschehen – nahelegt, wegen der Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG das BVerfG anzurufen. Die Rechtsprechung zum sog. einheitlichen Vertragswerk des II. BFH-Senats brandmarkt das FG als ausschweifend und konturenlos (Hilbertz, S. 704); bei aller journalistischer Zurückhaltung: zu Recht. Die kaum übersehbare Kasuistik verschiebt sich immer mehr zulasten des Grundstückserwerbers, und zwar gleichgültig, inwieweit er selbst in die Bauplanung oder in das Antragsverfahren eingreift, und beinahe ohne Rücksicht darauf, ob tatsächlich eine rechtliche oder wirtschaftliche Verbundenheit zwischen Grundstücksveräußerer und Bauunternehmer vorliegt.

Erfreulicher trotz möglicher grunderwerbsteuerlicher Implikationen ist für „Häuslebauer” die Solarförderung. Die Betreiber von Fotovoltaikanlagen erhalten immer noch bis zu 24,43 Cent je Kilowattstunde (ins öffentliche Netz eingespeisten) Strom. Auch hier haben steigende Strompreise aber einen wahren Glaubenskrieg über den Sinn der Subvention entfacht. Nun half Lobbyarbeit aus Sibirien: Der trockene Frost hat die Fotovoltaikanlagen schneefrei gehalten und die nach der Energiewende fragile Stromversorgung kräftig unterstützt. Die baurechtlichen Hürden, die im Hinblick auf eine mögliche Nutzungsänderung nach Installation der Anlage fatale Folgen für Betreiber und finanzierende Bank haben können, wurden nach Änderung des BauGB und landesrechtlicher Vorschriften abgetragen (Berndt/Schelske, S. 744). Neue Gefahren drohen nun aber für Grundstücksgesellschaften. Deren gewerbesteuerlichen Privilegien werden nach aktuellem Urteil des FG Berlin-Brandenburg (S. 709) durch das Betreiben einer Fotovoltaikanlage beseitigt, eine schädliche Betätigung liegt zumindest dann vor, wenn der gewonnene Strom nicht ausschließlich für den eigenen Grundbesitz genutzt wird.

Beste Grüße

Heinrich Steinfeld

Fundstelle(n):
NWB 2012 Seite 697
NWB LAAAE-02965