BAG Urteil v. - 5 AZR 138/10

Rückkehrrecht nach § 17 HVFG - Krankengeldzuschuss

Gesetze: § 17 LBKHG HA vom , § 22 Abs 2 TV-L, § 1 TVÜ-L, § 13 Abs 1 TVÜ-L

Instanzenzug: Az: 3 Ca 548/08 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamburg Az: 2 Sa 139/09 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch über die Höhe eines tariflichen Krankengeldzuschusses.

2Die 1954 geborene Klägerin war seit dem bei der Beklagten im Allgemeinen Krankenhaus H (teilzeit-)beschäftigt. Arbeitsvertraglich war die Geltung des Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT) und der diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der für die Beklagte geltenden Fassung vereinbart.

Aufgrund § 17 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Errichtung der Anstalt Landesbetrieb Krankenhäuser vom (LBKHG, HmbGVBl. I S. 77) gingen die Arbeitsverhältnisse der in den städtischen Krankenhäusern tätigen Arbeitnehmer auf den Landesbetrieb Krankenhäuser Hamburg (LBK Hamburg), eine rechtsfähige Anstalt öffentlichen Rechts, über. Träger des LBK Hamburg war gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 LBKHG die Beklagte. § 17 Abs. 2 LBKHG lautete:

4Mit dem Gesetz zur Errichtung der Betriebsanstalt LBK Hamburg vom (LBKBetriebG, HmbGVBl. I S. 487) wurde mit Wirkung zum die Betriebsanstalt „LBK Hamburg - Anstalt öffentlichen Rechts“ (Betriebsanstalt LBK Hamburg) errichtet. Zugleich wurde das LBKHG in „Gesetz zur Errichtung der Anstalt Landesbetrieb Krankenhäuser Hamburg Immobilien Anstalt öffentlichen Rechts“ und der bisherige LBK Hamburg in LBK-Immobilien umbenannt. Bei dem nur noch als Besitzanstalt fungierenden LBK-Immobilien verblieben vier Personalstellen. Der Betrieb der Krankenhäuser wurde auf die Betriebsanstalt LBK Hamburg übertragen, deren Träger der LBK-Immobilien war. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 LBKBetriebG gingen die Arbeitsverhältnisse der bisher beim („alten“) LBK Hamburg beschäftigten Arbeitnehmer mit Wirkung zum auf die Betriebsanstalt LBK Hamburg (dem „neuen“ LBK Hamburg) über. Dabei war ein Widerspruchsrecht der betroffenen Arbeitnehmer entsprechend § 613a Abs. 6 BGB vorgesehen.

5Mit der Verordnung zur Umwandlung der Betriebsanstalt LBK Hamburg in eine Kapitalgesellschaft vom (HmbGVBl. I S. 4) wurde die Betriebsanstalt LBK Hamburg in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung umgewandelt, deren Mehrheitsgesellschafterin zunächst noch die Besitzanstalt LBK-Immobilien war. Die Rechte und Pflichten der Beschäftigten aus den bestehenden Arbeitsverträgen blieben durch den Formwechsel unberührt. Der früheren Regelung zum Rückkehrrecht der Arbeitnehmer in § 17 Abs. 2 LBKHG entsprach nunmehr § 15 Abs. 2 LBK-Immobiliengesetz. Ergänzend bestimmte § 15 Abs. 3 LBK-Immobiliengesetz, dass das Rückkehrrecht auch dann besteht, wenn die neu errichtete Anstalt öffentlichen Rechts in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt worden ist und der LBK-Immobilien seine Beteiligung an der Kapitalgesellschaft mehrheitlich veräußert.

6Die Mehrheit der Anteile an der LBK Hamburg GmbH (74,9 %) gingen am von der Beklagten auf einen privaten Krankenhausträger über unter nachfolgender Umfirmierung in A GmbH. Zuvor war das LBK-Immobiliengesetz in „Gesetz über den Hamburgischen Versorgungsfonds - Anstalt öffentlichen Rechts - (HVFG)“ und der LBK-Immobilien in Hamburger Versorgungsfonds (HVF) umbenannt worden.

In § 17 HVFG wurde das Rückkehrrecht mit Wirkung vom wie folgt geregelt:

8Auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin beim LBK Hamburg fand bis zum der zwischen der Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg e.V. (AVH) und ver.di abgeschlossene Manteltarifvertrag für Angestellte (MTV Angestellte AVH), der inhaltlich im Wesentlichen dem BAT entsprach, Anwendung. Zum erfolgte die Überleitung in den - dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) nachgebildeten - Tarifvertrag für den Krankenhaus-Arbeitgeberverband Hamburg e.V. (TV-KAH) nach Maßgabe des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten von Mitgliedern des Krankenhausarbeitgeberverbandes Hamburg (KAH) vom (TVÜ-KAH). Dieser entspricht im Wesentlichen dem Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Länder).

Nachdem die Klägerin ihre Rückkehr zur Beklagten verlangt hatte, schlossen die Parteien mit Wirkung zum einen neuen Arbeitsvertrag, in dem es heißt:

10Die Klägerin war vom 29. März bis zum durchgehend arbeitsunfähig krank und erhielt vom 10. Mai bis zum Krankengeld von der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK).

11Mit Schreiben vom machte die Klägerin gegenüber der Beklagten erfolglos einen Krankengeldzuschuss nach § 22 TV-L geltend.

Die Vorschrift lautet:

In § 34 Abs. 3 TV-L heißt es:

Zur Höhe des Krankengeldzuschusses bestimmt § 13 TVÜ-Länder:

§ 71 BAT lautet auszugsweise:

16Mit ihrer am zur Niederschrift der Geschäftsstelle erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, ihr stehe für die Zeit vom 1. Juni bis zum nach § 22 Abs. 2 und Abs. 3 TV-L ein Zuschuss zum Krankengeld zu, der sich aus der Differenz zwischen dem von ihr im streitbefangenen Zeitraum bezogenen Nettokrankengeld und ihrem monatlichen Nettoentgelt berechne. Die in § 3 des Arbeitsvertrags vereinbarte Anerkennung erbrachter Beschäftigungszeiten gelte auch für den Anspruch auf Krankengeldzuschuss. Zudem ergebe sich der Anspruch aus der Ausgestaltung des Rückkehrrechts in § 17 Satz 1 HVFG. Ohne die Tarifsukzession im öffentlichen Dienst hätte auf die rückkehrende Klägerin § 71 BAT wieder Anwendung gefunden.

Die Klägerin hat beantragt,

18Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und sich zuletzt nur noch gegen die Höhe des Krankengeldzuschusses gewandt. Nach § 22 Abs. 2 TV-L könne die Klägerin nur die Differenz zwischen dem Bruttokrankengeld und dem Nettoentgelt beanspruchen. § 13 TVÜ-Länder finde keine Anwendung. § 17 Satz 1 HVFG verlange nur die Sicherung des erreichten Grundentgelts.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, soweit der Klägerin ein über 167,98 Euro netto nebst Zinsen nach bestimmter zeitlicher Staffelung übersteigender Betrag zugesprochen worden ist.

Gründe

20Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht zurückgewiesen, soweit es die Berechnung des Zuschusses zum Krankengeld betrifft.

21I. Nach § 22 Abs. 2 und Abs. 3 TV-L, der jedenfalls kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet, kann die Klägerin für den streitbefangenen Zeitraum dem Grunde nach einen Zuschuss zum Krankengeld beanspruchen. Das stellt die Beklagte in der Revision nicht mehr in Abrede.

22II. Für die von der Klägerin begehrte Höhe des Krankengeldzuschusses fehlt es an einer Anspruchsgrundlage.

231. Der Zuschuss zum Krankengeld ist nach § 22 Abs. 2 TV-L in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen den tatsächlichen Barleistungen des Sozialleistungsträgers und dem Nettoentgelt geschuldet. Mit der Formulierung „tatsächliche Barleistungen“ ist das nach § 47 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGB V zu leistende Krankengeld gemeint. Bei diesem handelt es sich nach der ständigen Rechtsprechung des Senats um das volle, nicht um die Arbeitnehmeranteile zur Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung geminderte Krankengeld, also das Bruttokrankengeld ( - Rn. 21 mwN, EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 122). Dass die Tarifvertragsparteien als Rechnungsgröße nicht (nur) auf den dem Arbeitnehmer zufließenden Auszahlungsbetrag abstellen, bestätigt § 13 Abs. 1 TVÜ-Länder, der bestimmten Beschäftigten in ausdrücklicher Abweichung von § 22 Abs. 2 TV-L einen Krankengeldzuschuss in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen dem festgesetzten Nettokrankengeld und dem Nettoentgelt gewährt, wobei Nettokrankengeld als das um die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung reduzierte Krankengeld definiert wird.

242. Auf § 13 Abs. 1 TVÜ-Länder kann die Klägerin ihren Anspruch nicht stützen. Der TVÜ-Länder verlangt für seinen Geltungsbereich nach § 1 Abs. 1 ein zum Arbeitgeber über den hinaus fortbestehendes Arbeitsverhältnis. Für Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis nach dem begann, findet er nur Anwendung, soweit einzelne Vorschriften des TVÜ-Länder dies ausdrücklich bestimmen, § 1 Abs. 2 TVÜ-Länder. § 13 Abs. 1 TVÜ-Länder setzt aber wiederum ein über den hinaus ununterbrochen fortbestehendes Arbeitsverhältnis voraus. Das ist vorliegend nicht der Fall. Die Klägerin stand am nicht (mehr) in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten, sondern in einem solchen zur LBK Hamburg GmbH. Ein Arbeitsverhältnis zur Beklagten wurde - was die Klägerin nicht in Abrede stellt - erst zum wieder - und neu - begründet.

253. Auch § 17 Satz 1 HVFG kommt als Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin nicht in Betracht.

26a) Die Norm räumt unter den dort geregelten Voraussetzungen den betroffenen Arbeitnehmern einen Anspruch darauf ein, wieder bei der Beklagten beschäftigt zu werden. Dieses sog. Rückkehrrecht verwirklicht sich durch den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags zwischen der Beklagten und dem Rückkehrer. Zum Inhalt des neuen Arbeitsvertrags verpflichtet § 17 Satz 1 HVFG die Beklagte als Arbeitgeberin, die vom Rückkehrer beim LBK Hamburg erreichte Lohn- bzw. Vergütungsgruppe und Beschäftigungszeit zu wahren. Dieser Schutz umfasst bei einem Angestellten - neben der Anrechnung der Beschäftigungszeit - die am maßgeblichen Stichtag erreichte Vergütungsgruppe und die durch die Eingruppierung vermittelten Bestandteile der laufenden Vergütung ( -). Dazu gehört eine bestimmte Höhe des nach Ablauf der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (§ 22 Abs. 1 TV-L) vom Arbeitgeber zu leistenden Zuschusses zum Krankengeld nicht.

27Eine über die Wahrung der erreichten Lohn- bzw. Vergütungsgruppe und Beschäftigungszeit hinausgehende umfassende Besitzstandswahrung sieht § 17 Satz 1 HVFG ebenso wenig wie die Vorgängerregelungen in § 15 Abs. 2 LBK-Immobiliengesetz und § 17 Abs. 2 LBKHG vor. Lediglich für den Fall der Überführung der Anstalt in eine andere Trägerschaft verpflichtete § 17 Abs. 2 Satz 1 LBKHG die Beklagte, dafür Sorge zu tragen, dass die Beschäftigten vom neuen Träger „unter Wahrung ihres Besitzstandes“ übernommen werden.

28b) Art. 12 Abs. 1 GG zwingt nicht zu einem Verständnis des § 17 Satz 1 HVFG im Sinne einer umfassenden Besitzstandswahrung.

29Das Bundesverfassungsgericht hat erkannt, der Gesetzgeber müsse bei einer Privatisierung das Grundrecht der Arbeitnehmer auf freie Wahl des Arbeitsplatzes bei einem ohne ihren Willen erfolgenden Arbeitgeberwechsel schützen. Dazu stünden ihm verschiedene Regelungsalternativen, wie etwa die Einräumung eines Widerspruchs- oder eines Rückkehrrechts zur Verfügung ( - Rn. 94 ff., 115, EzA GG Art. 12 Nr. 48). Daraus folgt aber keine Verpflichtung des Gesetzgebers, die Rechtswirkungen eines Rückkehrrechts in allen Belangen denen eines Widerspruchsrechts entsprechend § 613a Abs. 6 BGB anzugleichen. Die Auffassung der Klägerin, rückkehrende Arbeitnehmer seien so zu stellen, als hätte ihr Arbeitsverhältnis durchgehend bei der Beklagten bestanden, würde das Rückkehrrecht des § 17 Satz 1 HVFG in ein ex nunc wirkendes Widerspruchsrecht umgestalten. Das überstiege die Grenzen zulässiger Norminterpretation (vgl. , 2 BvR 136/05 - zu B II 2 der Gründe, BVerfGE 118, 212; - 2 BvR 2661/06 - zu C I 1 c cc (2) der Gründe, BVerfGE 126, 286).

III. Die Klägerin hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen. Von den erst- und zweitinstanzlichen Kosten haben nach § 92 Abs. 1 ZPO die Klägerin 3/4 und die Beklagte 1/4 zu tragen.

Fundstelle(n):
XAAAE-02225