BGH Urteil v. - IX ZR 95/11

Insolvenzanfechtung: Einzahlung der Versicherungsprämien für eine Direktversicherung des Geschäftsführers trotz drohender Zahlungsunfähigkeit einer GmbH

Leitsatz

Entrichtet eine GmbH nach drohender Zahlungsunfähigkeit die Prämien für eine Direktversicherung ihres Geschäftsführers weiter, auf welche dieser nach seinem Anstellungsvertrag Anspruch hat, so benachteiligt dies im Regelfall trotz der als Gegenleistung erhaltenen Dienste die Gläubiger der Gesellschaft und kann bei entsprechendem Vorsatz gegenüber dem Geschäftsführer angefochten werden.

Gesetze: § 129 Abs 1 InsO, § 133 Abs 1 InsO

Instanzenzug: LG Bochum Az: I-9 S 251/10 Urteilvorgehend AG Bochum Az: 38 C 273/10

Tatbestand

1Der Beklagte ist Geschäftsführer der D.      H.        GmbH, der Kläger Verwalter in dem Insolvenzverfahren über ihr Vermögen, welches auf den Antrag vom am 30. Juli desselben Jahres eröffnet worden ist. Als Teil der Bezüge aus dem Anstellungsverhältnis leistete die Schuldnerin Prämien auf eine Direktversicherung des Beklagten bei der G.         G.        in Höhe von 102,26 €, die jeweils zur Monatsmitte im Lastschriftverfahren eingezogen wurden. Der Kläger hat die Prämienzahlungen der Schuldnerin für den Zeitraum vom Juli 2008 bis einschließlich Juni 2009 gegenüber dem Beklagten angefochten und verlangt den Prämienbetrag von 1.227,12 € nebst Zinsen seit Insolvenzeröffnung zur Masse zurück.

2Das Amtsgericht hat den Beklagten verurteilt. Die Berufung hatte Erfolg. Mit seiner vom Landgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Gründe

3Die Revision ist begründet.

I.

4Den hilfsweise auch auf § 133 Abs. 1 InsO gestützten Klageanspruch hat das Berufungsgericht mangels objektiver Gläubigerbenachteiligung verneint. Die Schuldnerin habe mit der Tätigkeit ihres Geschäftsführers eine gleichwertige und angemessene Gegenleistung für seine Bezüge erhalten. Die Unwiderruflichkeit des Bezugsrechts sei dem Beklagten schon vor der drohenden Insolvenz und nicht lediglich für diesen Fall gewährt worden. Auch bei Ermächtigung der Versicherungsgesellschaft zum Lastschrifteinzug der Prämien habe eine Insolvenz der Schuldnerin noch nicht konkret gedroht. Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.

II.

5Der Bundesgerichtshof ist unabhängig von § 17a Abs. 5 GVG zur Entscheidung über die Revision berufen. Denn der Geschäftsführer einer GmbH gilt nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht als Arbeitnehmer (vgl. BAG ZIP 2011, 2175 Rn. 12).

III.

6Wird von der Insolvenzschuldnerin nach Eintritt der wirtschaftlichen Krise durch weitere Prämienzahlungen der Rückkaufswert einer Direktversicherung für ihren Geschäftsführer erhöht, so kommt deswegen die Insolvenzanfechtung in Betracht (, NJW 1998, 312, 315, in BGHZ 136, 220 nicht mit abgedruckt). Die Annahme des Berufungsgerichts, die Prämienzahlungen an den Lebensversicherer seien wegen der Gegenleistung des Beklagten im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO nicht gläubigerbenachteiligend (ebenso OLG Brandenburg, NZI 2002, 439, 440 f unter 2.), ist rechtsfehlerhaft. Denn für die Gläubiger der Insolvenzschuldnerin gewähren die erbrachten Tätigkeiten des Beklagten keine Zugriffsmöglichkeit, wie sie die zur Entrichtung der Versicherungsprämien abgeflossenen Zahlungsmittel boten (vgl. Jaeger/Henckel, InsO, § 133 Rn. 19).

7Da sich die Vermögenslage der Insolvenzschuldnerin im Anfechtungszeitraum weiter verschlechterte, war das Interesse der Gläubiger auch nicht darauf gerichtet, dass der Beklagte seine Tätigkeit als Geschäftsführer unverändert fortsetzte, sondern dass er baldigst nach § 18 Abs. 1 InsO Insolvenzantrag stellte. Die Frage, ob bei einem ernsthaften und aussichtsreichen Sanierungsversuch der Schuldnerin durch den Beklagten eine objektive Gläubigerbenachteiligung infolge der fortdauernden Prämienzahlungen zu seiner Versorgung hätte verneint werden können, bedarf deshalb keiner Prüfung. Jedenfalls in der Regel kann der Insolvenzverwalter des Schuldners gegenüber dem Bezugsberechtigten die Rechtshandlungen anfechten, die auf Kosten der Masse den Wert der Direktversicherung erhöht haben. Dies gilt gerade dann, wenn das unwiderrufliche Bezugsrecht, wie hier, in anfechtungsfreier Zeit entstanden ist (MünchKomm-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 129 Rn. 52).

8Zutreffend beanstandet die Revision ferner, dass das Berufungsgericht den anfechtungsrechtlich maßgebenden Zeitpunkt verkannt habe. Da der einzugsberechtigte Gläubiger zuvor keine gesicherte Rechtsposition innehat, entscheidet nach § 140 Abs. 1 InsO in dieser Hinsicht statt der Erteilung der Einzugsermächtigung die vom Schuldner seiner Bank erklärte Genehmigung (, WM 2003, 524, 529; vom - IX ZR 22/03, BGHZ 161, 49, 56 f; vom - IX ZR 42/07, NZI 2008, 482 Rn. 11 ff, 16; vom - IX ZR 177/07, WM 2010, 2167 Rn. 10 f; vom - IX ZR 240/09, ZInsO 2010, 2293 Rn. 7). Sie wird bei wiederkehrenden Leistungen gleicher Größenordnung an denselben Gläubiger von einem Unternehmer regelmäßig bereits konkludent vor Ablauf der Widerspruchsfrist des Nr. 7 Abs. 3 AGB-Banken erklärt (, BGHZ 186, 269 Rn. 48; vom , aaO Rn. 8; vom - XI ZR 152/09, WM 2011, 1267 Rn. 11; vom - XI ZR 328/09, WM 2011, 2259 Rn. 15 f; vom - XI ZR 368/09, ZIP 2011, 2398 Rn. 13; vom - IX ZR 58/11 unter III. 1., zVb). Das Berufungsurteil kann danach mit der gegebenen Begründung nicht aufrechterhalten bleiben.

IV.

9Die Sache ist nicht spruchreif. Das Berufungsgericht hat, aus seiner Sicht folgerichtig, keine Feststellungen dazu getroffen, ob nach den behaupteten Verlusten der Schuldnerin der Beklagte als Geschäftsführer wusste, dass dieser bereits im Juli 2008 die Zahlungsunfähigkeit drohte (§ 18 Abs. 2 InsO), oder ob sie aus anderen Gründen bei der angefochtenen Genehmigung des Prämieneinzugs mit dem Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung gehandelt hat. Dies ist im zweiten Berufungsdurchgang nachzuholen.

10Es bedarf danach voraussichtlich keiner Entscheidung, ob der Beklagte die gesamte Wertsteigerung seines unwiderruflichen Bezugsrechts aus der Direktversicherung für den Versicherungsfall oder den Rückkaufsfall, die infolge der angefochtenen Prämienzahlungen eingetreten ist, nach § 143 Abs. 1 InsO zur Insolvenzmasse zurückgewähren muss (vgl. dazu etwa Schuschke, BGH-Report 2004, 198, 199 f; Kayser, Die Lebensversicherung in der Insolvenz des Arbeitgebers, S. 72 f; MünchKomm-InsO/Kirchhof, 2. Aufl. § 129 Rn. 52 am Ende). Der Kläger hat hier nur die im Anfechtungszeitraum geleisteten Prämienzahlungen zurückverlangt, die auch vom Reichsgericht als aus dem Vermögen des Versprechensempfängers stammend in dessen Konkurs als Anfechtungsgegenstand anerkannt worden sind (vgl. RGZ 61, 217, 219 f).

Kayser                                                  Raebel                                         Vill

                          Lohmann                                               Pape

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BB 2012 S. 393 Nr. 7
DB 2012 S. 340 Nr. 6
DStR 2012 S. 762 Nr. 15
GmbH-StB 2012 S. 111 Nr. 4
GmbHR 2012 S. 340 Nr. 6
NJW 2012 S. 8 Nr. 8
NWB-Eilnachricht Nr. 8/2012 S. 630
StuB-Bilanzreport Nr. 6/2012 S. 248
WM 2012 S. 279 Nr. 6
ZIP 2012 S. 285 Nr. 6
RAAAE-01670