BAG Urteil v. - 8 AZR 781/10 (F)

(Urteilsergänzungsantrag gemäß § 321 ZPO)

Gesetze: § 319 ZPO, § 321 Abs 1 ZPO, § 321 Abs 2 ZPO

Instanzenzug: Az: 35 Ca 7441/07 Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 15 Sa 517/08 Urteilvorgehend Az: 8 AZR 1012/08 Urteil

Tatbestand

Die Parteien haben in der Revisionsinstanz darüber gestritten, ob der Klägerin für die Vergangenheit und die Zukunft ein Schadensersatzanspruch wegen geschlechtsspezifischer Benachteiligung bei einer Beförderungsentscheidung und zu dessen künftiger Bezifferung Auskunftsansprüche gegen den Beklagten zustehen. Nachdem das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen hatte, hat das Landesarbeitsgericht auf die Berufung der Klägerin folgendes Schlussurteil verkündet:

2Auf die Nichtzulassungsbeschwerden beider Parteien hat der Senat sowohl für die Klägerin als auch für den Beklagten die Revision im vollen Umfange zugelassen.

3Die Klägerin hat mit ihrer Revision ihr Klagebegehren weiter verfolgt, während der Beklagte die Aufhebung des Berufungsurteils und die Zurückweisung der Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts beantragt hat.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom „für den Fall, dass die Revision des Beklagten insoweit ganz oder teilweise insoweit zu einer Aufhebung des Berufungsurteils des LAG Berlin-Brandenburg - AZ: 15 Sa 517/08 - vom führt, als dieses der Berufung stattgegeben und den Beklagten unter Ziffer I. 3. zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 16.000,00 € verurteilt hat“, hilfsweise Anschlussrevision eingelegt und folgenden Antrag angekündigt:

5Der Senat hat mit Urteil vom - 8 AZR 1012/08 - (EzA AGG § 22 Nr. 2) auf die Revision des Beklagten, die Anschlussrevision und die Revision der Klägerin das Schlussurteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Dieses Urteil ist der Klägerin am zugestellt worden. Sie hat mit Schriftsatz vom , beim Bundesarbeitsgericht am selben Tage eingegangen, beantragt, dieses Urteil gem. § 319 ZPO wegen fehlender Begründung „des Erfolgs der (Hilfs-)Anschlussrevision“ zu berichtigen. Hilfsweise für den Fall der Ablehnung einer Berichtigung hat sie beantragt, das Urteil „gemäß § 321 ZPO um eine Begründung zur Begründetheit der (Hilfs-)Anschlussrevision der Klägerin in Bezug auf alle von ihr erhobenen Verfahrens- und materiellrechtlichen Rügen zu ergänzen“.

6Für den Fall der Ablehnung des Berichtigungs- und des Ergänzungsantrags hat die Klägerin hilfsweise beantragt, „das Revisionsverfahren gem. § 78a ArbGG fortzuführen und … das Urteil des erkennenden Senats vom - 8 AZR 1012/08 - um eine Begründung zur Begründetheit der (Hilfs-)Anschlussrevision der Klägerin in Bezug auf alle von ihr erhobenen Verfahrens- und materiellrechtlichen Rügen zu ergänzen.“

7Die Beklagte hat die Zurückweisung aller Anträge beantragt.

Die Klägerin macht ua. geltend, das Revisionsurteil gehe auf 15 der 17 Vorfälle, welche sie als vom Berufungsgericht übersehen gerügt habe, ebenso wenig ein wie auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Sie hat die angeblich übergangenen Vorfälle (Angriffsmittel) unter Ziff. III. 1. - 17. ihres Schriftsatzes vom im Einzelnen dargelegt.

Gründe

9I. Der Ergänzungsantrag ist zulässig.

101. Nach § 321 Abs. 1 ZPO ist der Antrag statthaft.

112. Der Zulässigkeit des Antrags steht nicht entgegen, dass ihn die Klägerin unter der Bedingung gestellt hat, dass der Senat „einen Fall des § 319 ZPO verneint“. Regelmäßig dürfen nämlich Anträge oder Gesuche an das Gericht mit der Bedingung verknüpft werden, das Gericht möge nur bei Eintritt eines bestimmten innerprozessualen Vorgangs entscheiden (st. Rspr., vgl.  - NJW 1995, 1353). Da der Senat die beantragte Urteilsberichtigung nach § 319 ZPO durch Beschluss zurückgewiesen hat, ist die Bedingung für den Urteilsergänzungsantrag eingetreten.

123. Der mit Schriftsatz vom gestellte Ergänzungsantrag ist am selben Tage beim Bundesarbeitsgericht eingegangen und damit innerhalb von zwei Wochen nach der am an die Klägerin erfolgten Zustellung des Senatsurteils vom . Er ist damit frist- und formgerecht (§ 321 Abs. 2 ZPO) gestellt.

134. Der Ergänzungsantrag kann sich zulässigerweise auch darauf beziehen, dass das Gericht nach Meinung des Antragstellers einen Rechtsmittelantrag (hier: die (Hilfs-)Anschlussrevision) übergangen hat (vgl. zum Übergehen eines Berufungsantrags:  - NJW-RR 2005, 790).

14II. Der Antrag ist jedoch unbegründet.

151. Ob sich die Entscheidung des Senats, deren Ergänzung die Klägerin beantragt, als vollständig oder unvollständig darstellt, ist im Rahmen der Begründetheit des Ergänzungsantrags zu prüfen ( - NJW 2006, 1351).

162. Das Urteil des Senats hat den mittels der Hilfsanschlussrevision vom gestellten Antrag nicht übergangen, sondern inhaltlich verbeschieden.

a) Zunächst folgt dies schon formal aus dem Wortlaut des Urteils. So lautet der Tenor:

Weiter heißt es unter C. der Entscheidungsgründe (Rn. 86):

b) Auch inhaltlich hat der Senat eine abschließende Entscheidung über Ziff. 1 des hilfsweise gestellten Anschlussrevisionsantrags getroffen, indem er - wie beantragt - das Urteil des Landesarbeitsgerichts insgesamt - und damit auch im von der Klägerin beantragten Umfange - aufgehoben hat. Der Senat hat entschieden, dass das Urteil des Landesarbeitsgerichts bezüglich der Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung an die Klägerin iHv. 20.000,00 Euro an einem Rechtsfehler leidet, weil es gegen die erforderliche „Gesamtschau“ verstößt. Zu einer abschließenden Entscheidung nach § 563 Abs. 3 ZPO über einen Anspruch der Klägerin auf Entschädigung bzw. Schadensersatz und über dessen etwaige Höhe hat sich der Senat nicht im Stande gesehen, weil die dafür erforderlichen Tatsachenfeststellungen und Tatsachenbewertungen dem Berufungsgericht als Tatsacheninstanz vorbehalten sind. Aus diesem Grunde ist der Senat auch nicht konkret auf jeden der von der Klägerin in ihrem Ergänzungsantrag aufgeführten Vorfälle eingegangen, aus denen sie den Anspruch herleitet, den sie mit ihrer (Hilfs-)Anschlussrevision geltend gemacht hat. So führt der Senat unter C II 4 der Gründe (Rn. 95) aus:

Weiter heißt es unter C II 3 (Rn. 94) des Senatsurteils:

21Damit hat der Senat auch aufgrund der für begründet erachteten (Hilfs-)Anschlussrevision der Klägerin das angefochtene Berufungsurteil gem. § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO unter Zurückverweisung aufgehoben und von einer eigenen Sachentscheidung nach § 563 Abs. 3 ZPO wegen mangelnder Entscheidungsreife abgesehen.

III. Die Zurückweisung des Ergänzungsantrags hatte durch Urteil zu erfolgen ( - WM 1982, 491; so bereits zu § 292 ZPO idF vom 30. Januar 1877: RG 7. November 1892 - Beschw.-Rep. VI. 125/92 - RGZ 30, 342). Bei diesem Ergänzungsurteil durften auch Richter mitentscheiden, die an der Hauptentscheidung des Senats vom nicht mitgewirkt hatten (allgemeine Meinung: vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 69. Aufl. § 321 Rn. 9; Reichold in Thomas/Putzo ZPO 32. Aufl. § 321 Rn. 4; Zöller/Vollkommer ZPO 28. Aufl. § 321 Rn. 10; RG 7. November 1892 - Beschw.-Rep. VI.125/92 - aaO).

Fundstelle(n):
RAAAD-99850