BAG Urteil v. - 4 AZR 708/08

Fortgeltung der Zusatzurlaubsregelung wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach § 5 BZTV Nr 2

Gesetze: § 2 Abs 1 TVÜ-VKA, § 2 Abs 2 TVÜ-VKA, § 27 TVöD, § 280 Abs 1 BGB, § 23 Abs 1 MuSchBV BW 2005

Instanzenzug: ArbG Mannheim Az: 3 Ca 175/07 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Az: 19 Sa 69/07 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Fortgeltung der tariflichen Zusatzurlaubsregelung wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach § 5 Abs. 1 des Bezirkszusatztarifvertrages Nr. 2 zum BMT-G II vom über die Erhaltung von Besitzständen gemäß § 68 Abs. 2 BMT-G in der Fassung des 2. Änderungstarifvertrages vom (nachfolgend BZTV Nr. 2), der zwischen dem Kommunalen Arbeitgeberverband Baden-Württemberg e.V. (KAV) und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) abgeschlossen wurde.

2Der Kläger, dessen Behinderung mit einem Grad von 40 anerkannt wurde, ist Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft(ver.di) und seit dem bei der Beklagten als Kraftfahrer zuletzt im Eigenbetrieb für Abfallwirtschaft und Stadtreinigung beschäftigt. Die Beklagte ist Mitglied im KAV, der wiederum Mitglied der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA) ist.

Bis zum Ende des Jahres 2005 gewährte die Beklagte dem Kläger auf der Grundlage von § 5 BZTV Nr. 2 jährlich drei Zusatzurlaubstage. Diese Vorschrift hat folgenden Wortlaut:

Zum Geltungsbereich des BZTV Nr. 2 bestimmt sein § 1:

In § 23 der zum in Kraft getretenen Verordnung der Landesregierung Baden-Württemberg über die Arbeitszeit, den Urlaub, den Mutterschutz, die Elternzeit und den Arbeitsschutz der Beamtinnen, Beamten, Richterinnen und Richter vom (Arbeitszeit- und Urlaubsverordnung - AzUVO -,GBl. 2005, 716) ist bestimmt:

Zum sind die Neuregelungen des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst vom (TVöD) wirksam geworden. Zur Überleitung in diesen Tarifvertrag hatte die VKA, mit der Gewerkschaft ver.di den Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts vom (TVÜ-VKA) geschlossen. In § 2 TVÜ-VKA heißt es:

7Der KAV und die Rechtsnachfolgerin der Gewerkschaft ÖTV, die Gewerkschaft ver.di, haben durch den Landesbezirklichen Tarifvertrag zur Verlängerung der Frist des § 2 Abs. 2 des Tarifvertrages zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts vom (TVÜ-VKA) vom die Frist des § 2 Abs. 2 TVÜ-VKA bis zum verlängert.

8Der Kläger verlangte von der Beklagten mit Schreiben vom erfolglos, ihm drei Zusatzurlaubstage zu gewähren. Mit Zustellung vom erhob er die vorliegende Klage, mit der er zudem die Gewährung von weiteren drei Zusatzurlaubstagen für das Jahr 2007 verlangt. Ab dem war der Kläger fortdauernd krankheitsbedingt arbeitsunfähig, wobei im Zeitraum vom 14. Januar bis zum eine Maßnahme der Wiedereingliederung mit vier Stunden täglich stattfand. Seit dem ist der Kläger wieder arbeitsfähig.

9Er hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei auch nach Inkrafttreten von TVöD und TVÜ-VKA noch an den BZTV Nr. 2 gebunden. Dieser Tarifvertrag sei nicht durch das neue Tarifrecht abgelöst worden. Dies ergebe sich aus dem Inhalt und der Entstehungsgeschichte des § 2 Abs. 2 TVÜ-VKA. Die Beklagte habe aufgrund des zwischenzeitlich eingetretenen Zeitablaufs für den zu Unrecht verweigerten Urlaub Ersatz zu gewähren.

Der Kläger hat zuletzt beantragt

11Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Auffassung, die Zusatzurlaubsregelungen des § 27 TVöD seien für das seit dem geltende neue Tarifrecht abschließend. Eine Öffnungsklausel für Bezirkstarifverträge enthalte der TVöD nicht. Auch sei keine Besitzstandsklausel für ehemalige landesbezirkliche Tarifverträge im TVÜ-VKA enthalten. § 2 Abs. 2 TVÜ-VKA erteile den Tarifparteien auf landesbezirklicher Ebene lediglich einen Prüfauftrag.

Das Arbeitsgericht wie auch das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.

Gründe

13Die Revision ist begründet. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger den geltend gemachten Anspruch aus § 280 BGB iVm. § 5 BZTV Nr. 2.

14I. Die Klage ist zulässig.

151. Der gestellte Antrag bedarf allerdings der - auch durch das Revisionsgericht noch vorzunehmenden(vgl.  - Rn. 19 mwN) - Auslegung, weil er allein nach Maßgabe seines Wortlauts zu unbestimmt wäre. Wie sich aus der Klagebegründung ergibt, geht es dem Kläger um Urlaub nach § 5 BZTV Nr. 2 iVm. § 23 AzUVO. Die hiernach mögliche Urlaubsgewährung umfasst „Arbeitstage“ und ist Arbeitsbefreiung in Form von Zusatzurlaub iSv. § 42 BMT-G II bzw. § 27 TVöD. Ausgelegt mit der Maßgabe, dass der Antrag in der Sache auf „drei Arbeitstage Zusatzurlaub“ gerichtet ist, ist er zulässig (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

162. Der Kläger erstrebt auch nicht die - unzulässige - Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses, sondern verfolgt die Durchsetzung von Ansprüchen auf Schadensersatz wegen des mit dem Ende des Urlaubsjahres und der anschließenden Übertragungszeit untergegangenen Erfüllungsanspruchs(vgl.  - zu I der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Blumenbinder Nr. 1 = EzA BUrlG § 3 Nr. 22; - 9 AZR 712/95 - zu I 1 der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Krankenanstalten Nr. 1 = EzA TVG § 4 Privatkrankenanstalten Nr. 1). Der Feststellungsantrag ist dabei geeignet, den zwischen den Parteien seit dem Jahr 2006 bestehenden Streit über die Frage des fortbestehenden Zusatzurlaubsrechts einfach, sachgemäß und unter Erledigung sämtlicher offener Streitpunkte zu klären.

17II. Die Klage ist begründet. Der Kläger hatte nach § 5 BZTV Nr. 2 iVm. § 23 AzUVO jeweils drei Arbeitstage Zusatzurlaub für die Jahre 2006 und 2007, den er nach Ablauf der jeweiligen Übertragungszeiträume im Wege des Schadensersatzes (§ 280 BGB) als Ersatzurlaub beanspruchen kann.

181. Der BZTV Nr. 2 ist für die Jahre 2006 und 2007 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anzuwenden. Er wurde weder durch die neu abgeschlossenen Tarifverträge im öffentlichen Dienst (hier TVöD, TVÜ-VKA) abgelöst, noch wurde er gekündigt oder auf andere Weise seines Geltungsgrundes enthoben.

19a) Die Regelung des § 5 BZTV Nr. 2 wurde nicht durch die Neuordnung des Tarifrechts im öffentlichen Dienst zum abgelöst.

20aa) Regelt ein Tarifvertrag einen bestimmten Komplex von Arbeitsbedingungen insgesamt neu, ersetzt er nach dem Ablösungsprinzip den vorangehenden Tarifvertrag insoweit grundsätzlich insgesamt. Dieser Grundsatz gilt für aufeinanderfolgende Tarifregeln derselben Normgeber und damit grundsätzlich auch für die vorliegende Fallkonstellation. Tarifpartner des BZTV Nr. 2 waren die Gewerkschaft ÖTV und der der VKA angehörende KAV, also dieselben Tarifvertragsparteien oder ihre Rechtsvorgänger - die Gewerkschaft ÖTV anstelle der Gewerkschaft ver.di -, die den TVöD und den TVÜ-VKA geschlossen haben(vgl.  - Rn. 13, ZTR 2008, 161).

21Die Tarifvertragsparteien können aber abweichend von diesem Grundsatz vereinbaren, dass trotz der von ihnen geschaffenen Neuregelung bisher geltende Bestimmungen weiter gelten sollen. In diesem Fall löst der neue Tarifvertrag die alte Ordnung nur in dem tarifautonom festgelegten Umfang ab(vgl. ua.  - zu II 1 der Gründe, EzA TVG § 4 Ablösungsprinzip Nr. 2; - 4 AZR 382/06 - Rn. 18 mwN, EzA TVG § 4 Luftfahrt Nr. 15; - 4 AZR 477/08 - Rn. 29).

22bb) Hiervon ausgehend haben, wie das Landesarbeitsgericht insoweit zu Recht angenommen hat, der TVöD-VKA und TVÜ-VKA § 5 BZTV Nr. 2 nicht abgelöst. Die Tarifvertragsparteien dieser Tarifverträge haben vielmehr vereinbart, dass die bisher geltende landesbezirkliche Regelung über den Zusatzurlaub nicht durch die Neuregelung des Tarifvertragsrechts im öffentlichen Dienst abgelöst werden soll, sondern weitergilt. Insbesondere aus § 2 Abs. 2 iVm. § 2 Abs. 1 TVÜ-VKA folgt, dass die Tarifvertragsparteien landesbezirkliche Tarifverträge wie den BZTV Nr. 2 jedenfalls soweit bewusst von der ablösenden Wirkung des TVÜ-VKA und des TVöD ausgenommen haben, als sie nicht in Widerspruch zum Regelungsgehalt des TVöD stehen.

23(1) Eine Ablösung des BZTV Nr. 2 ergibt sich nicht aus § 2 Abs. 1 Satz 1 4. Spiegelstrich TVÜ-VKA.

24Danach ersetzen der TVöD und der TVÜ-VKA den BMT-G II und die diesen ergänzenden Tarifverträge der VKA. Davon ist der BZTV Nr. 2 nicht betroffen. Er ist weder Bestandteil des BMT-G II, noch ein ergänzender Tarifvertrag der VKA und wurde nicht von dieser geschlossen, sondern von einem der tariffähigen Mitgliedsverbände der VKA im Rahmen seiner Tarifzuständigkeit. Nach dem eindeutigen Wortlaut von § 2 Abs. 1 TVÜ-VKA ist es ausgeschlossen, dessen Ersetzungsanordnung auf ergänzende Tarifverträge der einzelnen Mitgliedsverbände zu beziehen. Zudem zeigt die Protokollerklärung zu § 2 Abs. 1 TVÜ-VKA, nach der sogar ergänzende Tarifverträge der VKA, die anstelle von landesbezirklichen Tarifverträgen stehen, von der ersetzenden Wirkung ausgenommen bleiben, dass landesbezirksbezogene Regelungen, selbst wenn sie nicht von den landesbezirklichen Tarifvertragsparteien selbst vereinbart worden sind, der generellen Ablösung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 4. Spiegelstrich TVÜ-VKA nicht unterfallen sollen.

25(2) Aus § 2 Abs. 2 TVÜ-VKA ergibt sich vielmehr die Weitergeltung des BZTV Nr. 2.

26§ 2 TVÜ-VKA enthält neben der Auflistung der Tarifverträge, die durch den TVöD ersetzt werden(§ 2 Abs. 1 TVÜ-VKA), in Abs. 2 eine eigenständige Regelung hinsichtlich der Weitergeltung der von den Mitgliedsverbänden der VKA - wozu der KAV gehört - abgeschlossenen Tarifverträge. Diese landesbezirklichen Regelungen sind nach dem Willen der Tarifvertragsparteien des TVÜ-VKA durch die landesbezirklichen Tarifvertragsparteien hinsichtlich ihrer Weitergeltung zu prüfen und bei Bedarf anzupassen. Damit haben die tarifschließenden Parteien des TVÜ-VKA die landesbezirklichen Tarifverträge nicht abgelöst. Das gilt zumindest, soweit sie nicht im Widerspruch zum Regelungsgehalt des TVöD stehen. Aus der in § 2 Abs. 2 TVÜ-VKA gesetzten Frist „bis zum “ und der diesbezüglichen Verlängerungsmöglichkeit folgt nichts anderes.

27(a) Aus dem Wortlaut von § 2 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-VKA folgt zunächst, dass die tarifschließenden Parteien des TVÜ-VKA landesbezirkliche Tarifverträge nicht selbst abgelöst und auch keine dahingehende pauschale Automatik vereinbart haben(im Ergebnis ebenso Winter in Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr TVöD § 2 TVÜ-VKA Rn. 3; Litschen in Adam/ua. Das Tarifrecht der Beschäftigten im öffentlichen Dienst § 2 TVÜ-VKA Rn. 7; Brennecker/Hock TVöD 105 Gruppe 3 S. 17). Landesbezirkliche Tarifverträge, von denen eine Vielzahl existiert (Brennecker/Hock TVöD 105 Gruppe 3 S. 17), sind Tarifverträge, die mit einem kommunalen Arbeitgeberverband mit Wirkung nur für die eigenen Verbandsmitglieder abgeschlossen worden sind (vgl. auch Litschen in Adam/ua. Das Tarifrecht der Beschäftigten im öffentlichen Dienst § 2 TVÜ-VKA Rn. 7). Sie enthalten spezielle Regelungen in Ergänzung zu den zum Zeitpunkt ihres Abschlusses geltenden Manteltarifverträgen. Den Parteien der landesbezirklichen Tarifverträge wird überlassen, selbst zu prüfen, ob und inwieweit das von ihnen vereinbarte und durch den TVöD iVm. dem TVÜ-VKA nicht abgelöste Tarifrecht weitergelten, also in Kraft bleiben soll. Ihnen obliegt es, diese bei Bedarf selbst an das neue Tarifwerk anzupassen, beispielsweise redaktionell durch anknüpfende Bezugnahme auf den neuen statt auf die bisherigen Manteltarifverträge.

28(b) Auch § 2 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-VKA zeigt, dass die tarifschließenden Parteien des TVÜ-VKA die Handlungsbefugnis der landesbezirklichen Tarifvertragsparteien hinsichtlich der Weitergeltung der landesbezirklichen Regelungen nicht einschränken wollten. Denn soweit die landesbezirklichen Tarifvertragsparteien sich nicht im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-VKA auf dem Verhandlungsweg einigen und gemeinsam tätig werden, stellt § 2 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-VKA klar, dass das Recht zur Kündigung durch jede von ihnen unberührt bleibt. Dies ergibt nur dann einen Sinn, wenn die landesbezirklichen Regelungen zur Beendigung ihrer Geltung überhaupt gekündigt werden müssen, bis dahin also noch gelten.

29(c) Die in § 2 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-VKA gesetzte Frist „bis zum “ und deren Verlängerungsmöglichkeit führt zu keinem anderen Ergebnis. Beides beinhaltet lediglich einen schuldrechtlichen Appell an die Tarifvertragsparteien. Für den Fall eines fruchtlosen Verstreichens der Fristen sind nach dem Wortlaut der Regelung - die in diesem Zusammenhang schweigt -, keine Folgen vorgesehen(vgl. auch Brennecker/Hock TVöD 105 Gruppe 3 S. 17; Winter in Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr TVöD § 2 TVÜ-VKA Rn. 1 und 3; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVÜ-Bund/TVÜ-VKA Stand Juli 2006 Rn. 14).

Der Appellcharakter der Fristsetzung zeigt sich auch deutlich am Unterschied zu der nicht verabschiedeten Entwurfsfassung vom zu § 2 Abs. 2 TVÜ-VKA (vgl. auch Brennecker/Hock TVöD 105 Gruppe 3 S. 17). Darin heißt es:

31Danach war in Satz 2 eine Ablösungsautomatik bei fruchtlosem Fristablauf vorgesehen, die jedoch nicht vereinbart worden ist, also nicht dem übereinstimmenden Willen der Tarifvertragsparteien entspricht. Dabei kann dahinstehen, ob ungeachtet des geänderten Wortlauts des § 2 Abs. 2 TVÜ-VKA bei landesbezirklichen Regelungen, die noch nach dem im Widerspruch zum Regelungsgehalt des TVöD standen, seither der TVöD gilt(dazu auch  - Rn. 29, ZTR 2010, 192). Denn selbst im Falle eines Widerspruchs (der hier nicht gegeben ist, vgl. dazu unten unter [3]) haben die bezirklichen Tarifvertragsparteien einvernehmlich bis zum - also bis zum Ende des Streitzeitraums - die ursprüngliche Überprüfungsfrist, die am abgelaufen wäre, verlängert.

32(d) Auch der Regelungszusammenhang von § 2 Abs. 2 TVÜ-VKA im Gesamtgefüge des § 2 TVÜ-VKA unterstreicht, dass die Tarifparteien keine eigene, ablösende Geltungsregelung für landesbezirkliche Tarifverträge schaffen, sondern diese vielmehr weiter gelten lassen wollten. In § 2 Abs. 1 TVÜ-VKA finden sich die konkreten Fälle, in denen die Neuregelungen an die Stelle bisher geltender Tarifverträge treten sollen. In § 2 Abs. 2 bis 6 TVÜ-VKA sind die Ausnahmen hiervon behandelt(Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD § 2 TVÜ-VKA Rn. 2, 9 ff.; Winter in Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr TVöD § 2 TVÜ-VKA vor Rn. 1, Rn. 6 f., 10 ff.; Brennecker/Hock TVöD 105 Gruppe 3 S. 14 f.). Hierzu gehört die Frage der Weitergeltung landesbezirklicher Regelungen. Auch aufgrund dieser Sonderstellung ist eine Ersetzung der in Abs. 2 bis 6 aufgeführten Tarifverträge durch die Neuregelungen grundsätzlich ausgeschlossen.

33(3) § 5 BZTV Nr. 2 wurde entgegen der Auffassung der Revision auch nicht deshalb abgelöst, weil diese Regelung im Widerspruch zu im TVöD und im TVÜ-VKA getroffenen Urlaubsregelungen stünde und deshalb von diesen verdrängt werde. Eine solche Ablösung trotz entgegenstehender Vereinbarung der Tarifvertragsparteien ist nicht ersichtlich.

34(a) Die Ablösung einer bestimmten tariflichen Regelung trotz vereinbarter, Anordnung der Weitergeltung kommt zwar unter ganz besonderen Umständen in Betracht. Maßgebend ist dabei aber nicht nur - wie generell beim Ablösungsprinzip -, ob ein bestimmter Komplex von Arbeitsbedingungen insgesamt neu geregelt worden ist, der bislang Gegenstand eines anderen Tarifvertrages war(vgl. ua.  - zu II 1 b aa der Gründe, EzA TVG § 4 Ablösungsprinzip Nr. 2; - 4 AZR 477/08 - Rn. 23) und damit derselbe Regelungsbereich oder dieselben Regelungsgegenstände betroffen sind. Im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit kann eine solche „Abweichung von der Abweichung vom Ablösungsprinzip“ grundsätzlich nicht stillschweigend erfolgen, sondern bedarf einer besonderen Bestimmtheit und Deutlichkeit. Ein entsprechender, durch Auslegung zu ermittelnder Wille der Tarifvertragsparteien ist nur anzunehmen, wenn er in den tariflichen Normen selbst einen hinreichend deutlichen Niederschlag gefunden hat (vgl. bei der Abweichung vom Ablösungsprinzip  - zu II 1 b aa der Gründe, aaO; - 4 AZR 670/06 - Rn. 32 mwN, BAGE 124, 110; weiterhin auch Wiedemann/Wank TVG 7. Aufl. § 4 Rn. 261, 262; Däubler/Zwanziger TVG 4. Aufl. § 4 Rn. 937).

35(b) Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich ein solcher Ablösungswille der Tarifvertragsparteien des TVöD nicht daraus, dass dieser selbst einen Anspruch auf Zusatzurlaub vorsieht, ihn aber nur Beschäftigten einräumt, die ständig Schicht- oder Wechselschichtarbeit leisten(§ 27 TVöD).

36(aa) Gegen eine solche Annahme spricht bereits, dass auch im bisher maßgeblichen BMT-G II, insbesondere § 42 BMT-G II, ein Rechtsanspruch auf Zusatzurlaub eingeräumt worden, für Beschäftigte mit verminderter Erwerbsfähigkeit aber nicht vorgesehen war. Ein solcher Anspruch ist ergänzend zum BMT-G II für den Zuständigkeitsbereich des KAV allein durch den BZTV Nr. 2 begründet worden. Da davon auszugehen ist, dass, solange nichts anderes bestimmt ist, die Ablösung den Rahmen des vormaligen Regelungskomplexes einhält, deutet der Hinweis auf die Regelung in § 27 TVöD nicht auf einen Willen der Tarifvertragsparteien, mit dieser Bestimmung die Zusatzurlaubsregelung des BZTV Nr. 2 abzulösen.

37(bb) Gegen eine solche abschließende Regelung von Zusatzurlaub durch § 27 TVöD, woraus sich der Wille der Tarifvertragsparteien des TVöD ergeben könnte, den Anspruch auf Zusatzurlaub nach BZTV Nr. 2 abzulösen und im Ergebnis aufzuheben, spricht im Übrigen § 27 Abs. 4 TVöD. Dort wird der Umfang des Gesamturlaubs bei „Zusatzurlaub nach diesem Tarifvertrag und sonstigen Bestimmungen mit Ausnahme von § 125 SGB IX“ geregelt. Die Tarifvertragsparteien selbst gehen also davon aus, dass neben dem Anspruch auf „Zusatzurlaub nach diesem Tarifvertrag“ - also dem TVöD - auch Ansprüche auf „Zusatzurlaub nach sonstigen Bestimmungen“ bestehen können, womit andere Tarifverträge für den öffentlichen Dienst außerhalb des TVöD oder sonstige Normen mit Ausnahme des § 125 SGB IX für andere Arten von Zusatzurlaub, nicht aber einzelvertragliche Regelungen gemeint sind(vgl. auch Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD Stand März 2006 § 27 Rn. 34: „z.B.“).

38(cc) Gegen eine abschließende Regelung des Zusatzurlaubs in § 27 TVöD mit der von der Beklagten angeführten Rechtsfolge spricht auch die inhaltliche und strukturelle Ähnlichkeit dieser Bestimmung mit § 42 BMT-G II, neben dem bezirkstarifliche Zusatzurlaubsregelungen möglich waren und erfolgt sind. Dies gilt insbesondere für § 27 Abs. 4 TVöD im Vergleich zu § 42 Abs. 6 BMT-G II. In beiden Bestimmungen wird die Dauer des Gesamturlaubs teilweise wortgleich geregelt, wenn verschiedene Zusatzurlaubsarten mit einer Rechtsgrundlage innerhalb und außerhalb des jeweiligen Tarifvertrages aufeinandertreffen.

39(dd) Die Beklagte beruft sich in diesem Zusammenhang schließlich zu Unrecht auf eine Verdrängung des BZTV Nr. 2 nach den Regeln bei einer Tarifkonkurrenz. Mit ihrer Rechtsauffassung, die zeitlich jüngere Sachregelung des TVöD und TVÜ-VKA verdränge die pauschale Weitergeltungsbestimmung in § 2 Abs. 2 TVÜ-VKA übersieht sie, dass es im TVöD oder TVÜ-VKA an einer Sachregelung zum Zusatzurlaub wegen verminderter Erwerbsfähigkeit fehlt. Mangels Sachregelung zu diesem Punkt kommt es deshalb nicht zu einer Tarifkonkurrenz, so dass sich die Frage von deren Auflösung nicht stellt.

40(c) Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich auch nichts anderes aus der Übergangsregelung zum Zusatzurlaub für gesundheitsgefährdende Arbeiten in § 15 Abs. 3 TVÜ-VKA(„§ 42 Abs. 1 BMT-G/BMT-G-O i.V.m. bezirklichen Tarifverträgen zu § 42 Abs. 2 BMT-G und der Tarifvertrag zu § 42 Abs. 2 BMT-G-O [Zusatzurlaub für Arbeiter] gelten bis zum In-Kraft-Treten entsprechender landesbezirklicher Tarifverträge fort. …“). Auch hier gilt, dass eine tarifliche Regelung zum Zusatzurlaub für einen anderen Beschäftigtenkreis grundsätzlich begrenzt auf diesen auszulegen ist. Sie lässt ohne zusätzliche Anhaltspunkte keine Auslegung dahin zu, für andere Materien wie den Zusatzurlaub für vermindert Erwerbsfähige sei damit entgegen der getroffenen allgemeinen Regelung die Fortgeltung bezirkstariflicher Regelungen ausgeschlossen. An solchen zusätzlichen Anhaltspunkten fehlt es vorliegend jedoch.

41(d) Auch die Hinweise der Beklagten auf weitere konkrete Regelungen im TVöD, die punktuell die Fortgeltung landesbezirklicher Tarifverträge anordnen, wie die zu den den Schulhausmeistern obliegenden Aufgaben und zur Zahlung von Erschwerniszulagen, ergeben nichts anderes. Es fehlt an einer hinreichend bestimmten und deutlichen Regelung dazu, dass die vorliegende einschlägige bezirkstarifvertragliche Regelung über den Zusatzurlaub für Erwerbsgeminderte nicht weiter gelten soll.

42(e) Aus denselben Gründen folgt auch kein anderes Ergebnis aus dem Umstand, dass neben § 2 Abs. 3 bis Abs. 6 TVÜ-VKA noch an verschiedenen anderen Stellen im TVÜ-VKA(zB§ 17 Abs. 1 und Abs. 9, § 23 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 sowie § 24 Abs. 1) Regelungen zum Fortbestand landesbezirklicher Regelungen enthalten sind. Diese Bestimmungen mögen der Verdeutlichung im Einzelfall dienen, weisen aber nicht auf einen Willen der Tarifvertragsparteien hin, sonstige landesbezirkliche Regelungen, deren grundsätzliche Fortgeltung allgemein angeordnet ist, sollen ausnahmsweise nicht mehr gelten.

43(4) Die Beklagte beruft sich letztlich zu Unrecht auf einen etwaigen Gleichheitsverstoß, der sich bei einer Weitergeltung des BZTV Nr. 2 ergeben soll. Wenn unter Weitergeltung des § 5 BZTV Nr. 2 bei verminderter Erwerbsfähigkeit nur ein Teil der Beschäftigten, nämlich Beschäftigte aus dem ehemaligen Arbeiterbereich, nach tariflichen Regeln einen Zusatzurlaub beanspruchen kann, weil die entsprechende Regelung im ehemaligen Angestelltenbereich(§ 49 Abs. 1 BAT) mit Inkrafttreten des TVöD entfallen ist, kann sich zwar die Frage eines Gleichheitsverstoßes durch die Tarifvertragsparteien stellen. Eine möglicherweise gleichheitswidrige tarifvertragliche Regelung führt jedoch nicht dazu, dass die Gerichte für Arbeitssachen der bevorzugten Gruppe den tariflichen Anspruch entziehen könnten.

44b) § 5 BZTV Nr. 2 hat auch nicht auf andere Weise seine Geltung verloren.

45aa) Für den vorliegenden Zeitraum der Jahre 2006 und 2007 ist § 5 BZTV Nr. 2 weder durch eine landesbezirkliche Regelung ersetzt noch gekündigt oder anderweitig der Wirkung enthoben worden. Im Gegenteil haben die Tarifparteien des hier betroffenen Landesbezirks die Frist des § 2 Abs. 2 TVÜ-VKA bis zum verlängert, womit der Streitzeitraum abgedeckt ist.

46bb) Die Weitergeltung des § 5 BZTV Nr. 2 hängt weder von den sachlichen Tarifregelungen des BMT-G II ab, so dass sie nicht mit deren Ablösung durch den TVöD entfallen ist, noch von einer besonderen Öffnungs- oder Ermächtigungsklausel für eine solche Regelung, die im novellierten Tarifrecht des öffentlichen Dienstes fehlt.

47(1) § 5 BZTV Nr. 2 stellt keinen bloßen Annex zu den materiellen Bestimmungen des BMT-G II dar. Für die weitere Anwendung von § 5 BZTV Nr. 2 bedarf es nicht der Fortgeltung des durch den TVöD abgelösten BMT-G II.

48Entgegen der Auffassung der Beklagten kann weder aus der Überschrift des BZTV Nr. 2(„Bezirkszusatztarifvertrag … zum BMT-G II“) noch aus der Überschrift zu § 5 BZTV Nr. 2 („Zu § 42 BMT-G“) gefolgert werden, dass mit der Ablösung des BMT-G II durch den TVöD der notwendige sachliche Zusammenhang für die Anwendung des BZTV Nr. 2 weggefallen wäre. Die Regelung hängt auch inhaltlich nicht von den Regelungen des BMT-G II ab.

49Zwar nimmt der BZTV Nr. 2 und insbesondere dessen § 5 Bezug auf § 42 BMT-G II. Dies ist jedoch nicht Voraussetzung und Grund für die Geltung des BZTV Nr. 2, sondern ordnet die betreffenden Regelungen nur nach ihrem Inhalt einem auch im BMT-G II - zu anderen Einzelfragen - behandelten Regelungsbereich zu. § 5 BZTV Nr. 2 konkretisiert weder § 42 Abs. 1 BMT-G II, der den Zusatzurlaub für Arbeiter regelte, die unter erheblichen gesundheitlichen Gefahren arbeiten, noch § 42 Abs. 5 BMT-G II, der vom Anspruch auf Zusatzurlaub für Arbeiter handelte, die aus dienstlichen oder betrieblichen Gründen ihren gesamten Urlaub in einer bestimmten Zeit nehmen müssen. Die sachliche Regelung betrifft einen Zusatzurlaub, der so in § 42 BMT-G II gar nicht vorgesehen ist.

50Der BZTV Nr. 2 ist gegenüber dem BMT-G II aufgrund seiner eigenständigen Geltungsbereichsbestimmung in § 1 und aufgrund der für sich subsumtionsfähigen Tatbestandsmerkmale in § 5 Abs. 1 gegenüber den Zusatzurlaubstatbeständen des BMT-G II unabhängig. Der Einbeziehung des Inhalts von § 42 BMT-G II bedarf es zur Anwendung von § 5 BZTV Nr. 2 nicht.

51(2) Die Fortgeltung von § 5 BZTV Nr. 2 ist auch nicht von der Existenz einer über § 2 Abs. 2 TVÜ-VKA hinausgehenden tariflichen Öffnungsklausel für landesbezirkliche Tarifverträge abhängig.

(a) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts beruhte § 5 BZTV Nr. 2 nicht selbst auf einer Öffnungsklausel im BMT-G II. Die im BZTV Nr. 2 in Bezug genommene Regelung des § 68 BMT-G II lautete:

53Diese Bestimmung beinhaltet keine allgemeine Öffnung für landesbezirkliche Tarifverträge. Sie gibt vielmehr die Möglichkeit zur Sicherung eines bezirkstarifvertraglich begründeten Besitzstands, der ohne die Regelung möglicherweise der Ablösung durch den damals neuen Tarifvertrag, den BMT-G II, anheim gefallen wäre(vgl. dazu auch Scheuring/Lang/Hoffmann BMT-G Stand September 2001 § 68 Anm. 4). Da mit § 2 Abs. 2 TVÜ-VKA eine - zumindest vorübergehend - ähnlich wie § 68 BMT-G II wirkende Ausnahmeregelung zum Ablösungsprinzip, wie es in § 2 Abs. 1 TVÜ-VKA allgemein niedergelegt ist, für den Übergang der bezirkstariflichen Regelungen in das neue Tarifrecht des TVöD-VKA übernommen worden ist, kann aus der Bezugnahme des BZTV Nr. 2 auf den nunmehr ersetzten § 68 BMT-G II nicht gefolgert werden, dass mit dem Wegfall des BMT-G II der Geltungsgrund des BZTV Nr. 2 entfallen wäre.

54(b) Zudem lässt sich aus § 27 Abs. 4 Satz 1 TVöD entnehmen, dass die Tarifparteien von geschützten Besitzständen bei der Überführung in den TVöD ausgegangen sind, indem dort für die Berechnung des Gesamturlaubs auch auf einen Zusatzurlaub „nach sonstigen Bestimmungen“ abgestellt wird, ohne hierbei landesbezirkliche Tarifregelungen auszunehmen.

55(c) Nichts anderes folgt schließlich aus der in § 1 Abs. 2 BZTV Nr. 2 enthaltenen Bereichsbestimmung des BZTV. Indem die Landesbezirksparteien dort auf „die unter den BMT-G fallenden Verwaltungen und Betriebe der Mitglieder des KAV Baden-Württemberg“ verweisen, binden sie sich nicht an die Geltung des BMT-G, in welcher Fassung auch immer, sondern es gelten die in Bezug genommenen Bestimmungen des BMT-G - in der letzten Fassung, also des BMT-G II - zum betrieblichen und fachlichen Geltungsbereich(also insbesondere die in §§ 1a und 3 BMT-G II normierten Ausnahmen vom Geltungsbereich) unmittelbar und zwingend, als wären sie wörtlich im BZTV Nr. 2 enthalten (vgl. auch  - zu II 1 der Gründe, BAGE 64, 94, 98).

562. Der Kläger kann aufgrund des nach alledem fortgeltenden BZTV Nr. 2 jeweils drei Arbeitstage Zusatzurlaub für die Jahre 2006 und 2007 als Ersatzurlaub beanspruchen. Zwar ist sein nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b BZTV Nr. 2 iVm. § 23 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a AzUVO entstandener Anspruch mit Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres und der sich anschließenden Übertragungszeit erloschen. Da er diesen Anspruch jedoch rechtzeitig geltend gemacht hat, steht ihm Ersatzurlaub unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes zu.

57a) Der streitgegenständliche Zusatzurlaubsanspruch des Klägers ist dem Grunde nach entstanden. Darüber, dass der Kläger, dem die Beklagte bis Ende des Jahres 2005 auf der Grundlage von § 5 BZTV Nr. 2 jährlich drei Zusatzurlaubstage gewährte, bei Fortgeltung des BZTV Nr. 2 die dort geregelten Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt, herrscht zwischen den Parteien kein Streit.

58aa) Die Geltungsvoraussetzungen nach § 1 Abs. 1 bis 3 BZTV Nr. 2 iVm. § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 TVG sind erfüllt.

59Der Kläger gehört zu den Beschäftigten, die unter dem BMT-G II als Arbeiter bezeichnet wurden, ist gewerkschaftlich bei der Rechtsnachfolgerin der ÖTV organisiert, im Betrieb eines Mitglieds des KAV und innerhalb des gemeinsamen Tarifgebietes beschäftigt. Abfallwirtschafts- und Reinigungsbetriebe, wie der, in dem der Kläger beschäftigt war und ist, fallen in den Geltungsbereich des BZTV Nr. 2, weil sie nicht zu den Ausnahmebereichen nach § 1 Abs. 2 BZTV Nr. 2 iVm. §§ 1a, 3 BMT-G II zählen, für die der BZTV Nr. 2 nicht gilt.

60bb) Der Kläger erfüllt mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 40 die personenbezogenen Anspruchsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b BZTV Nr. 2.

61(1) Diese erfüllen erwerbsbeschränkte Personen mit einer „Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 30 v.H.“. Der damit in diesem - ursprünglich im Jahre 1974 geschlossenen - Tarifvertrag angesprochene Begriff der „Minderung der Erwerbsfähigkeit“(MdE) knüpft an die damals gebräuchlichen Begrifflichkeiten im Schwerbeschädigten- und Schwerbehindertenrecht an, die im Jahre 1986 in einigen Gesetzesbereichen des Schwerbehindertenrechts durch den Begriff „Grad der Behinderung“ (GdB) abgelöst worden sind (Welti Behinderung und Rehabilitation im sozialen Rechtsstaat 2005 S. 67). Bei der MdE, die im Jahre 2008 durch den „GdS - Grad der Schädigungsfolgen“ abgelöst wurden, handelt es sich um einen Begriff aus dem Unfallversicherungs- und Versorgungsrecht, der zwar verwandt, jedoch nicht immer identisch mit dem „GdB“ im Schwerbehindertenrecht ist, der dem Kläger mit dem Faktor 40 bescheinigt wurde.

62Beide Begriffe unterscheiden sich dadurch, dass die MdE kausal nur auf Schädigungsfolgen und der GdB final auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig von ihrer Ursache bezogen sind. Auch wenn hiernach die Begriffe und Konzepte nicht identisch sind, so wurden MdE und GdB doch nach den gleichen Grundsätzen bemessen, und zwar nach den „Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP)“. In der Praxis wirken sich Bewertungsunterschiede kaum aus(vgl. Dau in Dau/Düwell/Haines Sozialgesetzbuch IX 2. Aufl. § 69 Rn. 16; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 11. Aufl. § 69 Rn. 24; Münch-ArbR/Cramer 2. Aufl. § 235 Rn. 11; weiterhin Scheuring/Steingen/Bansen/Thivessen MTArb § 3 Anm. 8; s. außerdem die faktische Gleichsetzung in § 69 Abs. 2 SGB IX).

63(2) Im vorliegenden Fall geht aus dem Vortrag der Parteien nichts hervor, das dagegen spräche, dass der Kläger mit einem GdB von 40 im Streitzeitraum der Jahre 2006 und 2007 die Voraussetzung der MdE von „mindestens 30“ erfüllt. Hiervon ist auch die Beklagte in den Vorjahren ausgegangen, als sie ihm den entsprechenden Zusatzurlaub gewährte.

64cc) Dem Kläger steht jährlich ein Zusatzurlaub von drei Arbeitstagen zu. In § 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b BZTV Nr. 2 wird zwar die Dauer des Zusatzurlaubs nicht bestimmt. Sie ergibt sich aber aus der zulässigen dynamischen Bezugnahme auf das Beamtenrecht in Gestalt der „Vorschriften und Bestimmungen für die Beamten des Arbeitgebers“. Maßgeblich ist für den streitgegenständlichen Zeitraum § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der seit dem geltenden AzUVO. Dass der Kläger den erforderlichen GdB/MdE-Nachweis erbracht hat, steht zwischen den Parteien angesichts der langjährigen Praxis der Gewährung von Zusatzurlaub außer Streit.

65b) Der Erfüllungsanspruch des Klägers bezüglich des geltend gemachten und ihm zustehenden Zusatzurlaubsanspruchs für die Jahre 2006 und 2007 ist zwar jeweils mit Ende des Kalenderjahres und den sich anschließenden Übertragungszeiten nach § 27 Abs. 5 iVm. § 26 Abs. 2 Buchst. a TVöD untergegangen(vgl. nur  - Rn. 14 ff., BAGE 120, 50). Zum jeweils maßgebenden Zeitpunkt befand sich jedoch die Beklagte im Schuldnerverzug gemäß § 286 BGB, weil der Kläger den Urlaub rechtzeitig verlangt hatte. Der Kläger hat sein Zusatzurlaubsverlangen für das Jahr 2006 am schriftlich gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Für das Jahr 2007 war das Verlangen sodann Gegenstand der am zugestellten Klage. Damit ist den verzugsbegründenden Anforderungen genügt. Die Beklagte hat daher die mit Zeitablauf eingetretene Unmöglichkeit der Erfüllung des Urlaubsanspruchs zu vertreten und für den verfallenen Zusatzurlaub Ersatzurlaub zu gewähren (§ 275 Abs. 1, § 280 Abs. 1, § 283 Satz 1, § 286 Abs. 1 Satz 1, § 249 Abs. 1 BGB;  - BAGE 102, 294; - 9 AZR 633/04 - Rn. 39, EzBAT BAT § 49 Nr. 16).

66c) Die Krankheitszeit des Klägers im Urlaubsjahr 2007 steht der Gewährung von Ersatzurlaub bereits deshalb nicht entgegen, weil der Kläger noch im Übertragungszeitraum dieses Urlaubsjahres wieder arbeitsfähig geworden ist.

III. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen, weil sie unterlegen ist (§ 91 Abs. 1 ZPO).

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Fundstelle(n):
BAAAD-99838