BAG Urteil v. - 3 AZR 272/09

Auslegung einer Betriebsvereinbarung - Begriff des versorgungsfähigen Entgelts

Gesetze: § 1 Abs 1 BetrAVG, § 44 SGB 6 vom , § 43 Abs 2 SGB 6 vom , § 77 BetrVG

Instanzenzug: Az: 32 Ca 13532/06 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht München Az: 2 Sa 256/08 Urteilnachgehend Az: 1 BvR 3024/11 Beschluss

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Berechnung der Invalidenrente des Klägers.

2Der 1949 geborene Kläger war vom bis zum bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der S GmbH & Co. KG (im Folgenden: KG) beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden die Tarifverträge für die Arbeitnehmer in den Bayerischen Betrieben des Groß- und Außenhandels Anwendung.

3Der Kläger, der langandauernd arbeitsunfähig erkrankt war, erhielt letztmalig für den Monat März 2003 die vollen Bezüge. Sein Monatsgehalt (ohne vermögenswirksame Leistungen, Treueprämien und sonstige Zuschläge) betrug 4.046,00 Euro brutto und setzte sich aus einem Tarifgehalt iHv. 2.459,00 Euro brutto sowie einer übertariflichen Zulage iHv. 1.541,00 Euro brutto zusammen. Im Monat Dezember 2003 hätte das monatliche Tarifentgelt 2.505,00 Euro brutto betragen.

Mit Bescheid vom bewilligte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (im Folgenden: BfA) dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung iHv. 1.557,25 Euro brutto (= 1.417,88 Euro netto). Der Rentenbescheid lautet auszugsweise wie folgt:

5Der Versicherungsverlauf des Klägers vor Rentenbeginn weist eine elfmonatige Fehlzeit auf. In dieser Zeit wurden keine Beiträge an den Rentenversicherungsträger gezahlt; die Fehlzeit wurde auch nicht als beitragsfreie Zeit im Rentenbescheid berücksichtigt.

6Nach Erhalt des Rentenbescheids kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis mit der KG zum . Mit Bescheid vom wurde die Erwerbsminderungsrente bis zum verlängert.

Die KG hatte ihren Arbeitnehmern erstmals im Jahr 1968 Leistungen der betrieblichen Altersversorgung auf der Grundlage der „Richtlinien für die betriebliche Alters- und Witwen-Versorgung der Firma S“, vom (im Folgenden: RL 1968) zugesagt. In § 3 Abs. 4 der RL 1968 heißt es:

Im Dezember 1981 richtete die KG an den Kläger ein Schreiben, das ua. den folgenden Inhalt hat:

Im Rahmen der Neufassung der RL 1968 durch die „Richtlinien vom für die betriebliche Alters-, Invaliden- und Ehegattenversorgung der Firma S“ (im Folgenden: RL 1986) wurde § 3 Abs. 4 der RL 1968 durch § 3 Abs. 1 RL 1986 ersetzt. Diese Bestimmung hat ua. folgenden Wortlaut:

Die RL 1986 wurden durch die Betriebsvereinbarung vom (im Folgenden: GBV 1990) geändert. Kern der Änderungen war die Einführung einer Netto-Gesamtversorgungsobergrenze. Die GBV 1990 wurde durch die Betriebsvereinbarung vom (im Folgenden: GBV 1992) abgelöst. Diese enthält folgende Regelungen:

Am schloss die KG mit dem Gesamtbetriebsrat die GBV 2004. Diese lautet auszugsweise:

12Seit Dezember 2004 zahlte die KG dem Kläger eine Invalidenrente iHv. 218,00 Euro monatlich. Bei der Berechnung ging sie von ruhegeldfähigen Bezügen iHv. 2.505,00 Euro aus. Die im Rahmen der Gesamtversorgung anzurechnende Erwerbsminderungsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung setzte sie mit 1.785,52 Euro an. Dabei berücksichtigte sie zum einen eine elfmonatige Fehlzeit iSd. § 3 (4) GBV 2004 mit 39,72 Euro, zudem rechnete sie die Erwerbsminderungsrente auf den Zugangsfaktor 1,0 hoch. Dies ergab einen Erhöhungsbetrag von 188,55 Euro. Seit Januar 2008 erhält der Kläger aufgrund einer Betriebsrentenanpassung eine monatliche Betriebsrente iHv. 225,02 Euro.

13Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die KG habe seine Betriebsrente falsch berechnet. Sie habe zu Unrecht die übertarifliche Zulage iHv. 1.541,00 Euro nicht berücksichtigt. Diese zähle zum ruhegeldfähigen Gehalt. Die Beklagte sei zudem nicht berechtigt, einen Fehlzeitenausgleich vorzunehmen. Für die Berechnung seiner Betriebsrente komme die GBV 1992 und nicht die GBV 2004 zur Anwendung, da der Versorgungsfall bereits am eingetreten sei. Auch dürfe der Zugangsfaktor der gesetzlichen Rente nicht auf 1,0 hochgerechnet werden. § 3 sowohl der GBV 1992 als auch der GBV 2004 lasse eine Hochrechnung des Zugangsfaktors nur bei der Altersrente, nicht hingegen bei der Erwerbsminderungsrente zu.

Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,

15Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Invalidenrente des Klägers richtig berechnet zu haben. Die übertarifliche Zulage zähle nicht zum ruhegeldfähigen Einkommen, da § 3 sowohl der GBV 1992 als auch der GBV 2004 ausdrücklich Zulagen aller Art ausnehme. Sie sei zudem berechtigt gewesen, den Zugangsfaktor der gesetzlichen Rente auf 1,0 hochzurechnen. Die GBV 1992 und die GBV 2004 verwiesen auf § 77 SGB VI. Bei dieser Inbezugnahme handele es sich um eine dynamische Verweisung, sodass infolge der Änderung des § 77 SGB VI auch bei der Erwerbsminderungsrente eine Hochrechnung des Zugangsfaktors erfolgen könne. Auch der Fehlzeitenausgleich sei zu Recht erfolgt. Dies folge aus der GBV 2004, die auf den Kläger Anwendung finde. Dieser habe sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der GBV 2004 am noch in einem Arbeitsverhältnis bei der KG befunden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr insoweit stattgegeben, als es die übertarifliche Zulage zum ruhegeldfähigen Einkommen gezählt und dem Kläger einen die monatlich gezahlte Betriebsrente um 1.056,86 Euro brutto übersteigenden Betrag zugesprochen hat. Im Übrigen hat es die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die vollständige Klageabweisung. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision und verfolgt mit seiner Anschlussrevision seine zuletzt gestellten Sachanträge weiter, soweit ihnen nicht bereits vom Landesarbeitsgericht entsprochen wurde. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Anschlussrevision des Klägers.

Gründe

17Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Anschlussrevision des Klägers hat teilweise Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht die übertarifliche Zulage iHv. 1.541,00 Euro als ruhegeldfähiges Einkommen des Klägers angesehen. Es hat jedoch zu Unrecht angenommen, dass die Beklagte berechtigt ist, einen Fehlzeitenausgleich vorzunehmen und die anzurechnende Sozialversicherungsrente auf einen Zugangsfaktor von 1,0 hochzurechnen. Entgegen den Berechnungen des Klägers ergibt sich daraus jedoch kein Anspruch auf Zahlung einer um monatlich 1.301,28 Euro höheren Betriebsrente für die Zeit von Dezember 2004 bis Juni 2009. Dem Kläger stehen nach der für ihn geltenden GBV 1992 lediglich weitere 1.274,61 Euro monatlich zuzüglich Zinsen zu.

18I. Die Ansprüche des Klägers richten sich nach der GBV 1992.

19Zwar haben die Betriebspartner in § 12 GBV 2004 festgelegt, dass diese ab dem für alle vor dem in die Firma eingetretenen Mitarbeiter gilt. Danach wird der Kläger vom zeitlichen Geltungsbereich der GBV 2004 erfasst. Allerdings ergibt die Auslegung von § 12 der GBV 2004, dass sie für Arbeitnehmer wie den Kläger, die am bereits Ansprüche auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung erworben hatten, nicht gilt.

201. Betriebsvereinbarungen sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wegen ihres normativen Charakters objektiv wie Gesetze auszulegen. In erster Linie kommt es dabei auf Wortlaut und Systematik sowie den sich hieraus ergebenden Sinn und Zweck der Regelung an. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Betriebsparteien zu berücksichtigen, soweit er in den Vorschriften seinen Niederschlag gefunden hat. Soweit hiernach kein eindeutiges Auslegungsergebnis möglich ist, kommen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie etwa die Entstehungsgeschichte oder eine regelmäßige Anwendungspraxis in Betracht. Im Zweifel gebührt der Auslegung der Vorzug, die zu einer gesetzeskonformen, sachgerechten und praktisch handhabbaren Regelung führt (vgl.  - Rn. 18, AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 26 = EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 13; - 3 AZR 189/03 - zu B II 2 a der Gründe, EzA BetrAVG § 1 Betriebsvereinbarung Nr. 5).

212. Danach ergibt die Auslegung von § 12 der GBV 2004, dass Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der GBV 2004 bereits einen Anspruch auf eine Betriebsrente nach der GBV 1992 erworben hatten, von der GBV 2004 nicht erfasst sein sollten. Deren Ansprüche sollten nicht durch die GBV 2004 abgelöst werden. Nur diese Auslegung führt zu einer gesetzeskonformen und sachgerechten Regelung.

22a) Die GBV 2004 enthält mit der Bestimmung in § 3 (4), wonach die anzurechnende Sozialversicherungsrente entsprechend der vorhandenen Fehlzeiten erhöht wird, eine gegenüber der GBV 1992 ungünstigere Regelung. Zwar gilt, sofern mehrere Betriebsvereinbarungen denselben Gegenstand regeln, das Ablösungsprinzip. Danach löst eine neue Betriebsvereinbarung eine ältere grundsätzlich auch dann ab, wenn die Neuregelung für den Arbeitnehmer ungünstiger ist (st. Rspr., vgl. ua.  - zu I 2 a der Gründe mwN, BAGE 103, 187). Allerdings ermöglicht das Ablösungsprinzip nicht jede Änderung. Soweit in bestehende Besitzstände eingegriffen wird, sind die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit zu beachten ( - Rn. 18, EzA BetrAVG § 1 Betriebsvereinbarung Nr. 6). Deshalb unterliegen Betriebsvereinbarungen, die Versorgungsansprüche aus einer früheren Betriebsvereinbarung einschränken, einer entsprechenden Rechtskontrolle (vgl. etwa  - aaO; - 3 AZR 728/00 - zu II 2 c der Gründe, BAGE 99, 75).

23b) Danach konnten die Betriebspartner in die sich aus der GBV 1992 ergebenden Ansprüche der Arbeitnehmer nur im Rahmen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes eingreifen. Es kann offenbleiben, ob die GBV 2004 dieser Rechtskontrolle standhält. Jedenfalls ist für Arbeitnehmer wie den Kläger, der nur deshalb vom zeitlichen Geltungsbereich der GBV 2004 erfasst wird, weil er sich nach Eintritt des Versorgungsfalls noch in einem Arbeitsverhältnis mit der KG befand, davon auszugehen, dass die Betriebspartner nicht beabsichtigten, deren bereits erworbene Ansprüche nachträglich zu schmälern. Diese Arbeitnehmergruppe musste mit einer derart belastenden Regelung nicht rechnen und konnte sich demnach auch nicht darauf einstellen (vgl. zum rückwirkenden Inkraftsetzen von Betriebsvereinbarungen, die in bereits entstandene Ansprüche der Arbeitnehmer eingreifen:  - zu II 1 b der Gründe, BAGE 81, 38).

243. Der Kläger hatte bereits am und damit vor Inkrafttreten der GBV 2004 einen Anspruch auf eine Invalidenrente nach der GBV 1992 erworben.

25a) Der Kläger ist seit dem vorzeitig erwerbsunfähig iSd. § 1 (1) b) der GBV 1992.

26aa) Die Betriebsparteien haben den Begriff der „vorzeitigen Erwerbsunfähigkeit“ in § 1 (1) b) der GBV 1992 nicht selbst definiert, sondern durch die Konkretisierung „im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 44 Sozialgesetzbuch VI)“ die sozialversicherungsrechtliche Terminologie übernommen. Da § 1 (1) b) der GBV 1992 nicht auf § 44 SGB VI in einer bestimmten Fassung verweist, ist von einer dynamischen Bezugnahme auf die Begrifflichkeiten des jeweils geltenden Sozialversicherungsrechts auszugehen. Statische Verweisungen und die damit verbundene Festschreibung bestimmter Regelungen sind die Ausnahme und müssen deshalb deutlich zum Ausdruck gebracht werden (vgl.  - Rn. 14, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 73 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44; - 3 AZR 553/06 - Rn. 24, AP BGB § 133 Rn. 55; für Leistungen der betrieblichen Altersversorgung ausdrücklich:  - zu B I 1 a der Gründe, AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 45 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 42).

27bb) Die dynamische Bezugnahme auf den sozialversicherungsrechtlichen Begriff der „vorzeitigen Erwerbsunfähigkeit“ führt dazu, dass nach Inkrafttreten des Rentenreformgesetzes am Erwerbsunfähigkeit iSd. § 1 (1) b) der GBV 1992 vorliegt, wenn der Arbeitnehmer voll erwerbsgemindert iSv. § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI in der ab dem geltenden Fassung (im Folgenden: SGB VI nF) ist.

28(1) Nach Inkrafttreten des Rentenreformgesetzes zum kann der Arbeitnehmer durch einen Bescheid der Rentenversicherung eine Erwerbsunfähigkeit iSd. § 44 SGB VI in der bis zum geltenden Fassung (im Folgenden: aF) nicht mehr nachweisen. Gemäß § 43 SGB VI nF ist an die Stelle der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit die Rente wegen voller Erwerbsminderung getreten. Nach § 43 Abs. 2 SGB VI nF erhalten Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein, eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.

29(2) Bei Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung liegt auch Erwerbsunfähigkeit iSd. § 1 (1) b) der GBV 1992 vor. Die Rente wegen voller Erwerbsminderung entspricht nach Voraussetzungen und Inhalt der früheren Erwerbsunfähigkeitsrente. Nach § 44 SGB VI aF ist erwerbsunfähig der Versicherte, der wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder ausreichendes Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen. Auch an dem Rentenartfaktor, der sich nach § 67 SGB VI aF bei Renten wegen Erwerbsunfähigkeit auf 1,0 belief, hat sich durch das SGB VI nF nichts geändert. Bei Renten wegen voller Erwerbsminderung beläuft sich dieser Faktor nach § 67 SGB VI nF unverändert auf 1,0.

30cc) Der Versorgungsfall der Invalidität ist beim Kläger mit dem eingetreten. Nach § 1 (1) Satz 2 der GBV 1992 gilt der Versorgungsfall als eingetreten im Zeitpunkt des Rentenbeginns laut Rentenbescheid des gesetzlichen Rentenversicherungsträgers. Dies war der .

31b) Dem Anspruch des Klägers auf eine Invalidenrente steht nicht entgegen, dass sein Arbeitsverhältnis zur KG erst mit Ablauf des , also nach Inkrafttreten der GBV 2004 beendet wurde. Die GBV 1992 macht den Anspruch auf Invalidenrente nicht von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abhängig. Maßgeblich für die Anspruchsentstehung ist vielmehr allein der Eintritt des Versorgungsfalls.

32Etwas anderes folgt weder aus § 1 (5) der GBV 1992, wonach die Rente monatlich nachschüssig und zwar erstmals für den Monat gezahlt wird, der auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgt, noch aus § 2 (1) der GBV 1992, wonach die Rentenzahlung erst vom Tage des Ausscheidens an erfolgt, wenn der versorgungsberechtigte Betriebsangehörige über den Eintritt des Versorgungsfalls hinaus beschäftigt ist. Beide Bestimmungen haben keinen Einfluss auf den Eintritt des Versorgungsfalls nach § 1 (1) der GBV 1992, sondern schieben lediglich den Beginn der Zahlungspflichten hinaus. Der Anspruch auf eine Invalidenrente ist nach der GBV 1992 zwar mit Eintritt des Versorgungsfalls entstanden, löst aber bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Zahlungspflichten aus. Im Ergebnis handelt es sich damit um einen Ruhenstatbestand zur Vermeidung von Doppelzahlungen (vgl.  - Rn. 35, BAGE 128, 1; - 3 AZR 464/97 - zu I 3 c der Gründe, BAGE 91, 1).

33II. Nach der GBV 1992 hat der Kläger für die Zeit von Dezember 2004 bis Juni 2009 Anspruch auf eine um 1.274,61 Euro monatlich höhere Betriebsrente. Die übertarifliche Zulage zählt zum ruhegeldfähigen Bruttogehalt des Klägers. Die Beklagte ist nicht berechtigt, einen Fehlzeitenausgleich vorzunehmen und den Zugangsfaktor der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente auf 1,0 hochzurechnen.

341. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten gehört die übertarifliche Zulage iHv. 1.541,00 Euro zum ruhegeldfähigen Bruttogehalt des Klägers iSd. § 3 (1) GBV 1992. Es handelt sich nicht um eine sonstige Zulage iSd. Bestimmung. Dies ergibt die Auslegung von § 3 (1) GBV 1992.

35a) Das ruhegeldfähige Bruttogehalt iSd. § 3 (1) GBV 1992 ist nicht gleichzusetzen mit dem Tarifgehalt. Das ergibt sich daraus, dass die Betriebspartner hinsichtlich der Außendienstmitarbeiter ausdrücklich auf das Tarifgehalt abgestellt haben. Da mit unterschiedlichen Begrifflichkeiten in der Regel auch unterschiedliche Sachverhalte umschrieben werden, ist davon auszugehen, dass das letzte Bruttogehalt, das sich ohne Überstunden, Prämien, Gratifikationen, Provisionen oder sonstige Zulagen aller Art ergibt, etwas anderes ist als das Tarifgehalt. Andernfalls hätte es nahegelegen, dass die Betriebspartner mit der Änderung der GBV zum einheitlich für alle Arbeitnehmer auf das Tarifentgelt abgestellt und nicht nur für die Außendienstmitarbeiter eine Sonderregelung getroffen hätten.

36b) Der Begriff der „sonstigen Zulagen aller Art“ ist im Zusammenhang mit den weiteren in § 3 (1) GBV 1992 aufgeführten Vergütungsbestandteilen zu sehen, die ebenfalls vom ruhegeldfähigen Bruttogehalt ausgenommen sind. Es handelt sich insoweit um Überstunden, Prämien, Gratifikationen und Provisionen. All diesen Vergütungsbestandteilen ist gemeinsam, dass sie nicht regelmäßig monatlich in gleich bleibender Höhe gezahlt werden. Anders verhält es sich hingegen mit der übertariflichen Zulage des Klägers, die ein regelmäßig wiederkehrender Gehaltsbestandteil ist. Diese beläuft sich auf mehr als ein Drittel der Gesamtvergütung des Klägers. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich bei dem Versorgungssystem der Beklagten um ein Gesamtversorgungssystem handelt, dessen Zweck nach der Rechtsprechung des Senats in der Regel darin besteht, in einem bestimmten Umfang den Lebensstandard des Arbeitnehmers zu sichern (vgl.  - BAGE 86, 312; - 3 AZR 746/00 - AP BetrVG 1972 § 77 Auslegung Nr. 10 = EzA BetrAVG § 1 Nr. 78), kann nicht angenommen werden, dass die übertarifliche Zulage nicht zum ruhegeldfähigen Bruttogehalt gehört. Dafür sprechen auch das Anschreiben der KG an den Kläger anlässlich dessen zehnjähriger Betriebszugehörigkeit aus Dezember 1981 und die Vorbemerkung zur GBV 1990, in denen jeweils eindeutig der Wille zum Ausdruck gebracht wurde, den Arbeitnehmern eine Versorgung zuteil werden zu lassen, die gemeinsam mit der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in etwa dem früheren Nettoentgelt entspricht.

37c) Bestätigt wird dieses Auslegungsergebnis auch durch die Normengeschichte der GBV 1992. Die GBV 1992 hat einen Begriff übernommen, der bereits in den Vorgängerregelungen enthalten war. Bereits die RL 1968 regelten, dass als letztes Bruttogehalt der Betrag angesehen wird, der sich ohne Überstunden, Prämien, Gratifikationen, Provisionen oder sonstige Zulagen aller Art ergibt. Zu diesem Zeitpunkt wiesen die Gehaltsabrechnungen der Arbeitnehmer nur ein einheitliches Gehalt auf, welches höher als das Tarifentgelt war. Die in dem späteren Gesamtgehalt enthaltene übertarifliche Zulage zählte mithin ursprünglich zum ruhegeldfähigen Bruttogehalt. Dieses Normverständnis hat sich nicht allein dadurch geändert, dass später das Gehalt in ein Tarifentgelt und eine übertarifliche Zulage aufgespalten wurde. Dafür spricht auch die Anwendungspraxis der Beklagten. Diese hat die übertarifliche Zulage bis einschließlich 2001 bei der Berechnung des ruhegeldfähigen Bruttogehalts der Arbeitnehmer berücksichtigt. Diese Praxis wurde zwar im Jahr 2002 geändert. Das ist jedoch für die Auslegung der Betriebsvereinbarung nicht von Bedeutung. Die Auslegung einer Norm wird nicht durch eine einseitige arbeitgeberseitige Änderung einer langjährigen Anwendungspraxis beeinflusst.

382. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war die Beklagte nach § 3 (4) GBV 1992 nicht berechtigt, die Sozialversicherungsrente anzurechnen, die sich bei einem Zugangsfaktor von 1,0 ergeben würde. Es kann dahinstehen, ob § 3 (4) GBV 1992 auf § 77 Abs. 2 und Abs. 3 SGB VI in der zum Zeitpunkt des Abschlusses der GBV 1992 maßgeblichen Fassung oder auf die Bestimmung in ihrer jeweils gültigen Fassung verweist; die in § 3 (4) GBV 1992 bestimmte Hochrechnung der gesetzlichen Rente auf den Zugangsfaktor 1,0 betrifft nur die vorgezogene Inanspruchnahme der Altersrente, nicht hingegen die Rente wegen Erwerbsminderung.

393. Eine Erhöhung der anzurechnenden Sozialversicherungsrente entsprechend den vorhandenen Fehlzeiten scheidet bereits deshalb aus, weil die GBV 1992 - anders als die GBV 2004 - eine solche Anhebung nicht vorsieht.

404. Danach hat der Kläger Anspruch auf Zahlung einer monatlichen Invalidenrente in Höhe von insgesamt 1.492,61 Euro brutto. Diese errechnet sich wie folgt:

41a) Nach § 3 (1) GBV 1992 beläuft sich das ruhegeldfähige Bruttogehalt des Klägers auf 4.046,00 Euro. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus dem Tarifentgelt iHv. 2.505,00 Euro, das der Kläger im Monat Dezember 2003 hätte beanspruchen können, sowie der übertariflichen Zulage iHv. 1.541,00 Euro.

42b) Gem. § 3 (4) GBV 1992 wird der Rentenanspruch dahingehend begrenzt, dass er bei Eintritt des Versorgungsfalls zusammen mit sämtlichen Bezügen aus der Sozialversicherung 80 % des letzten monatlichen Bruttogehalts nach § 3 (1) GBV 1992 nicht übersteigen darf. Die Bruttoversorgungsobergrenze von 80 % beträgt 3.236,80 Euro. Hiervon ist die Bruttosozialversicherungsrente (ohne Fehlzeitenzuschlag) iHv. 1.557,25 Euro in Abzug zu bringen, sodass ein Betrag iHv. 1.679,55 Euro brutto verbleibt.

43c) Die Betriebsrente wird ferner gem. § 3 (4) GBV 1992 dahin begrenzt, dass die maßgebende Nettobetriebsrente bei Eintritt des Versorgungsfalls zusammen mit sämtlichen Bezügen aus der gesetzlichen Sozialversicherung (Angestellten-, Arbeiter-Renten bzw. Knappschafts-Versicherung etc.) nach Abzug des Beitrags zur Krankenversicherung der Rentner 110 % des maßgebenden Nettoentgelts nicht übersteigen darf.

44aa) Das maßgebende Nettoentgelt des Klägers beträgt nach den übereinstimmenden Berechnungen der Parteien 2.554,50 Euro. 110 % dieses Betrages sind 2.809,95 Euro.

45bb) Die Nettobetriebsrente des Klägers beläuft sich auf 1.540,15 Euro. Bei der Berechnung der Nettobetriebsrente sind sowohl der Krankenversicherungsbeitrag iHv. 7,45 % als auch der Pflegeversicherungsbeitrag iHv. 0,85 % von der Bruttobetriebsrente in Höhe von 1.679,55 Euro in Abzug zu bringen.

46cc) Die nach § 3 (4) GBV 1992 zu berücksichtigende Netto-sozialversicherungsrente beträgt 1.441,23 Euro, da von dem Bruttobetrag iHv. 1.557,25 Euro lediglich der Krankenversicherungsbeitrag iHv. 7,45 % in Abzug zu bringen ist. Eine Berücksichtigung des Pflegeversicherungsbeitrags sieht § 3 (4) GBV 1992 nicht vor.

47dd) Da die Nettobetriebsrente iHv. 1.540,15 Euro zzgl. der Nettosozialversicherungsrente iHv. 1.441,23 Euro die Nettogesamtversorgungsobergrenze iHv. 2.809,95 Euro um 171,43 Euro übersteigt, wird die Nettobetriebsrente auf 1.368,72 Euro begrenzt. Diese Nettobetriebsrente ist auf eine Bruttobetriebsrente umzurechnen, wobei ein Krankenversicherungsbeitrag iHv. 7,45 % sowie ein Pflegeversicherungsbeitrag iHv. 0,85 % zu berücksichtigen sind. Damit errechnet sich eine Bruttobetriebsrente iHv. 1.492,61 Euro. Hierauf zahlt die Beklagte monatlich 218,00 Euro brutto. Dem Kläger steht daher ein Anspruch auf Zahlung weiterer 1.274,61 Euro brutto monatlich zu. Für die Zeit von Dezember 2004 bis August 2006 ergibt sich ein Nachzahlungsbetrags in Höhe von 26.766,81 Euro brutto. Für die Zeit von September 2006 bis Juni 2009 hat die Beklagte dem Kläger monatlich weitere 1.274,61 Euro brutto zu zahlen.

485. Der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 1, § 288 BGB.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


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QAAAD-99123