BGH Beschluss v. - 4 StR 516/11

Anordnung von Wertersatzverfall: Ausspruch über die gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Täter

Gesetze: § 73a StGB, § 111i Abs 2 StPO, § 111i Abs 6 StPO, § 459 StPO, §§ 459ff StPO, § 459g Abs 2 StPO

Instanzenzug: LG Essen Az: 25 KLs 10/11

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in jeweils mehreren Fällen verurteilt und beim Angeklagten F.    den Verfall von Wertersatz in Höhe eines Betrages von 40.000 € und beim früheren Mitangeklagten G.   in Höhe von 30.000 € angeordnet. Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte F. mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Verfallsanordnungen.

21. Die Revision des Angeklagten F.    ist aus den vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom dargelegten Gründen erfolglos, soweit sie sich gegen den Schuld- und den Strafausspruch richtet (§ 349 Abs. 2 StPO).

32. Jedoch hat die Anordnung von Wertersatzverfall keinen Bestand.

4Insofern bestehen zwar keine Bedenken dagegen, dass die Strafkammer nach § 73a StGB die von den Angeklagten durch den Verkauf der Drogen erzielten Erlöse abschöpfen wollte. Die Strafkammer hat es aber versäumt darzulegen, warum sie insofern nicht von einer - zumindest teilweisen - gesamtschuldnerischen Haftung der beiden Angeklagten ausgeht. Dies war vorliegend unerlässlich, da sie beim Angeklagten F.    23 Taten und beim Angeklagten G.   13 Taten festgestellt und abgeurteilt hat, wobei die Angeklagten 12 Taten gemeinsam begangen haben. Dem Hinweis der Strafkammer im Rahmen der Ausführungen zu § 73c StGB auf den Verkauf des mit den Drogengeldern von den Angeklagten zunächst gemeinsam gekauften Pkw Mercedes entnimmt der Senat, dass das Landgericht die Verfallsanordnung zumindest auch auf die von beiden Angeklagten gemeinsam begangenen Taten II. 1. bis 12. der Urteilsgründe bezogen hat, in denen die Angeklagten die durch die Drogengeschäfte erzielten Erlöse in einen "gemeinsamen Topf" einbezahlt haben und - nahe liegend - als Mittäter (Mit-)Verfügungsmacht an dem Geld hatten. In einem solchen Fall haften die Angeklagten beim Verfall (von Wertersatz) für diesen (Teil-)Betrag aber nur als Gesamtschuldner (vgl. , BGHSt 56, 39, 52).

5Anders als bei einer Anordnung nach § 111i Abs. 2 StPO, bei der insbesondere wegen des erst erhebliche Zeit später gegebenenfalls eintretenden Auffangrechtserwerbs des Staates und der während dieses Zeitraums möglicherweise eintretenden Veränderungen (etwa durch Teilzahlungen oder das Bekanntwerden eines Mittäters) eine gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Täter oder Teilnehmer nicht in den Urteilstenor aufgenommen, sondern erst in der Entscheidung nach § 111i Abs. 6 StPO ausgesprochen werden muss (BGH aaO), bedarf es bei der Anordnung von Wertersatzverfall nach § 73a StGB des Ausspruchs über die gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Täter oder Teilnehmer schon im tatrichterlichen Urteil. Denn der Staat erwirbt bei der Anordnung von Wertersatzverfall nicht nur einen Zahlungsanspruch (vgl. SSW-StGB/Burghart, § 73e Rn. 2), er kann diesen vielmehr nach § 459g Abs. 2 StPO wie eine Verurteilung, die zu einer Geldzahlung verpflichtet, also nach den §§ 459 ff. StPO, vollstrecken. Dies erfordert - nicht anders als in einem zivilgerichtlichen Urteil und entsprechend den dort verwendeten Formulierungen - die Aufnahme einer (im Urteilszeitpunkt bekannten) gesamtschuldnerischen Haftung schon in den "Titel" (vgl. auch ).

63. Da dem Landgericht bei der Anordnung des Wertersatzverfalls mithin ein nicht auf "individuellen" Erwägungen beruhender sachlich-rechtlicher Fehler unterlaufen ist, der den nicht Revision führenden Angeklagten G.   ebenso betrifft, ist die Urteilsaufhebung auf diesen zu erstrecken (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 102/09, StV 2010, 19; vom - 3 StR 112/10, NStZ 2010, 568, 569 m. Anm. Spillecke). Die Erstreckung erfasst allerdings nicht eine (etwaige) Anordnung eines Wertersatzverfalls im Fall II.13. der Urteilsgründe. Diese Tat wurde vom Angeklagten G.   alleine begangen und bezieht sich auf eine beim Angeklagten F.    weder angeklagte noch abgeurteilte prozessuale Tat, so dass insofern eine Erstreckung nach § 357 StPO ausscheidet (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 357 Rn. 13 mwN).

Mutzbauer                                   Roggenbuck                                    Cierniak

                          Franke                                            Quentin

Fundstelle(n):
wistra 2012 S. 147 Nr. 4
FAAAD-98749